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„Parkkrallenfall“, oder: „Kralle weg nur gegen Kohle“

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Beim LG München I hat es 2015 ein Verfahren gegeben, in dem dem Angeklagten Erpressung in 19 Fällen, versuchte Erpressung in zwölf Fällen und Beleidigung zur Last gelegt worden ist. Nennen wir ihn den „Parkkrallenfall“. Das LG München I hat in dem Verfahren folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte bot mit seiner Firma zwischen 2008 und 2012 Supermarktbetreibern, Krankenhäusern und Hausverwaltungen an, auf deren Grundstücken unberechtigt parkende Kraftfahrzeuge für diese kostenneutral zu entfernen. Im Gegenzug traten die Vertragspartner ihre Ansprüche gegen die Fahrzeugführer auf Schadensersatz an die Firma des Angeklagten ab. Diese Ansprüche sollte der Angeklagte selbst gegenüber den Falschparkern eintreiben.

An den betroffenen Orten befanden sich Schilder, welche die Parkplätze als Privatparkplätze kenntlich machten und darauf hinwiesen, dass widerrechtlich parkende Kraftfahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden. Der Angeklagte führte nach Feststellung eines Parkverstoßes verschiedene mit den Grundstücksbesitzern vereinbarte Vorbereitungstätigkeiten durch. In 14 Fällen brachte er anschließend eine Parkkralle an den jeweils falsch parkenden Kraftfahrzeugen an und verständigte teilweise schon einen Abschleppwagen. In den übrigen Fällen waren die falsch parkenden Kraftfahrzeuge bereits zu einem den Fahrzeugführern unbekannten Ort abgeschleppt oder der Abschleppvorgang unmittelbar eingeleitet worden.

Der Angeklagte verlangte von den zu ihren Fahrzeugen zurückkommenden Fahrzeugführern vor Ort aufgrund der Abtretung der Schadensersatzansprüche unmittelbar eine Bezahlung derjenigen Beträge, die sich aus den mit seinen Vertragspartnern vereinbarten Preislisten für die bereits erbrachten Leistungen ergaben. Der Angeklagte berief sich jeweils auf ein Zurückbehaltungsrecht und erklärte, er werde die Parkkrallen erst abnehmen, den Abstellort des abgeschleppten PKW erst verraten oder den schon eingeleiteten Abschleppvorgang erst abbrechen, wenn ihm vor Ort die geforderte Summe vollständig gezahlt werde. Die meisten betroffenen Autofahrer zahlten daraufhin die geforderte Summe.

Der Angeklagte vom LG München I frei gesprochen worden. Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft. Der BGH hat im BGH, Urt. v. 21.12.2106 – 1 StR 253/16 – diesen Freispruch ganz überwiegend bestätigt. Der BGH ist davon ausgegangen, dass angesichts der damals weitgehend streitigen zivilrechtlichen Rechtslage zur Höhe erstattungsfähiger Abschleppkosten und zur Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten an falsch parkenden Fahrzeugen sowie der umfangreichen Rechtsberatung des Angeklagten, die Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach der Angeklagte insgesamt gutgläubig gehandelt hat, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Dazu u.a.:

„……….In diesem Zusammenhang hat die Kammer zu Recht zusätzlich darauf abgestellt, dass der Angeklagte trotz einiger abweichender amtsgerichtlicher Judikate dem Rechtsrat seiner verschiedenen Rechtsberater vertraut hat, die geltend gemachten Ansprüche seien dem Grunde und der Höhe nach gerecht-fertigt und einklagbar. Diese Vorstellung findet einen zusätzlichen Beleg in dem Umstand, dass die Forderungen der P. KG im Einzelfall auch einge-klagt wurden (vgl. UA S. 109).

dd) Rechtsfehlerfrei getroffen ist auch die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte sei bei den jeweiligen Vorfällen fest davon überzeugt gewesen, rechtmäßig zu handeln. Auf der Grundlage der im Einzelnen dargestellten um-fangreichen rechtlichen Beratung des Angeklagten durfte das Landgericht den Schluss ziehen, der Angeklagte sei trotz Kenntnis einiger abweichender Urteile insgesamt davon ausgegangen, er handele hinsichtlich seines Geschäftsmo-dells – einschließlich des Einsatzes von Parkkrallen – in vollem Umfang recht-mäßig. Die Strafkammer hat sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich mit dem Umstand beschäftigt, dass die P. KG in Einzelfällen zivilgerichtli-che Rechtsstreitigkeiten im Tatzeitraum auch verloren hat. Den Indizwert dieses Umstandes hat sie dadurch entkräftet gesehen, dass dies zum einen teilweise rein prozessualen Gründen geschuldet war, zum anderen die Rechtsberater des Angeklagten unter Verweis auf die aus Sicht der P. KG positiven Entscheidungen von Amts- und Landgerichten nicht unplausibel darauf hinwei-sen konnten, es handele sich um eine Fehlbeurteilung der damals höchstrichterlich weitgehend ungeklärten Rechtslage. Soweit es um den Einsatz von Parkkrallen ging, war die Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls ungeklärt.“

Lediglich in einem Fall, in dem nach den Feststellungen des LG unter Einsatz einer Parkkralle weit überhöhte Kosten geltend gemacht worden sind, hat der BGH die Beweiswürdigung des LG beanstandet und den Freispruch insoweit aufgehoben. Insoweit ist zurückverweisung an das AG München erfolgt.

Parktag I: My home is my castle, oder: Parken auf dem fremden Privatparkplatz

entnommen wikimedia.org Urheber 4028mdk09

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Thematisch mache ich heute einen „Parktag“. Nein, nicht Entenfüttern im Park, weil das Wetter so schön ist – so schön ist es gar nicht -, sondern „Parken“ im Straßenverkehr. Und zu der Thematik zunächst der Hinweis auf das BGH, Urt. v. 18.12.2015 – V ZR 160/14, auf das ja auch schon an anderen Stellen hingewiesen worden ist.

Es geht – mal wieder – um unberechtigtes Parken auf einem Privatparkplatz, den die Klägerin im Obergeschoss eines Gebäudes betreibt. Die Nutzer werden durch eine Beschilderung auf die Vertrags- und Einstellbedingungen der Klägerin hingewiesen. Danach ist der Nutzer mit der Einfahrt in die Parkeinrichtung zur Zahlung des Mietpreises und dazu verpflichtet, den Parkschein sichtbar und lesbar hinter der Windschutzscheibe anzubringen. Bei Nichtlösen und Nichtauslegen des Parkscheins sowie bei Überschreiten der bezahlten Parkzeit um mehr als 15 Minuten ist ein „Nutzungsentgelt“ von 20 € sofort zur Zahlung fällig. Am 19. 10. 2012 war nun das vom Beklagten gehaltene Fahrzeug gegen 10.30 Uhr auf dem Parkplatz der Klägerin abgestellt, ohne dass ein gültiger Parkschein auslag. Bei einer Kontrolle wurde dies festgestellt und am Fahrzeug ein Hinweis angebracht mit der Aufforderung zur Zahlung von 20 €. Eine Zahlung erfolgte nicht. Nach Ermittlung des Beklagten als Halter forderte die Klägerin ihn vergeblich zur Zahlung oder Benennung des Fahrers auf. Die Klägerin begehrte sodann erfolglos die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Mit der Klage hat sie dann sie von dem Beklagten verlangt, es unter Meidung eines Ordnungsgeldes von 600 € zu unterlassen, seinen Pkw unberechtigt auf dem Parkgelände selbst abzustellen bzw. durch eine dritte Person dort abstellen zu lassen, sowie die Erstattung der Kosten der Halterermittlung in Höhe von 5,65 €.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist beim LG erfolglos geblieben. Die Revision hatte dann bei BGH Erfolg.

Der BGH hat der Entscheidung folgende Leitsätze gegeben:

„1. Bei einem Vertrag über die kurzzeitige Nutzung eines jedermann zugänglichen privaten Parkplatzes ist eine unbedingte Besitzverschaffung durch den Parkplatzbetreiber nicht geschuldet. Macht er das Parken von der Zahlung der Parkgebühr und dem Auslegen des Parkscheins abhängig, begeht derjenige verbotene Eigenmacht, der sein Fahrzeug abstellt, ohne sich daran zu halten.

2. Hat ein Fahrzeughalter sein Fahrzeug einer anderen Person überlassen, kann er als Zustandsstörer unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn er auf die Aufforderung des Parkplatzbetreibers, den für eine Besitzstörung verantwortlichen Fahrer zu benennen, schweigt.

3. Dem Parkplatzbetreiber steht gegen den als Zustandsstörer auf Unterlassung in Anspruch genommenen Fahrzeughalter kein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Halteranfrage zu (insoweit Aufgabe von Senat, Urteil vom 21. September 2012 – V ZR 230/11, NJW 2012, 3781 Rn. 13).“

Zu 1. und 2. m.E. nichts Neues, zu 3. dann schon, wie der Leitsatz ja zeigt.Dazu führt der Senat aus – es ging immerhin um 5,98 €, na gut, kann auch mal mehr sein:

„a) Ein Ersatzanspruch ist nicht nach den Grundsätzen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag begründet (§ 677, § 683 Satz 1, § 670 BGB).

Allerdings hat der Senat (Urteil vom 21. September 2012 – V ZR 230/11, NJW 2012, 3781 Rn. 13) die Aufwendungen zur Ermittlung des Fahrzeughalters in Anlehnung an die Rechtsprechung des I. Zivilsenats zur Erstattungsfähigkeit der Kosten einer berechtigten außergerichtlichen Abmahnung (Urteil vom 10. Mai 2012 – I ZR 70/11, GRUR 2012, 759 Rn. 9) als zur Vorbereitung der an den Zustandsstörer gerichteten Unterlassungsaufforderung erforderlich und nach § 683 Satz 1, § 677, § 670 BGB als ersatzfähig angesehen. Daran hält er jedoch nicht fest.

aa) Es entspricht nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen eines Halters, als Adressat einer Unterlassungsaufforderung ermittelt zu werden. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von den Fällen der wettbewerblichen Abmahnung (BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 – I ZR 139/07, GRUR 2009, 502 Rn. 11; Urteil vom 21. Januar 2010 – I ZR 47/09, GRUR 2010, 354 Rn. 8; Urteil vom 18. November 2010 – I ZR 155/09, GRUR 2011, 617 Rn. 16; Urteil vom 9. November 2011 – I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 Rn. 21). Diese liegt im Interesse des dem Abmahnenden bekannten potentiellen Rechtsverletzers, weil er dadurch Gelegenheit erhält, einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden. Demgegenüber ist den Fällen des unberechtigten Parkens die Person des Halters nicht bekannt. Es kann nicht angenommen werden, dass er ein Interesse daran hat, aus der Anonymität herauszutreten, um auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Anders kann es liegen, wenn sein unbefugt abgestelltes Fahrzeug abgeschleppt wird (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 – V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rn. 11).

bb) Der entgegenstehende Wille des Beklagten ist auch nicht unbeachtlich, § 679 BGB. Das Erfüllen der Unterlassungspflicht liegt nicht im öffentlichen, sondern im alleinigen Interesse des Parkplatzbetreibers, wenn sich der Parkverstoß auf einem privaten Parkplatz ereignet, selbst wenn dieser für die Allgemeinheit eröffnet ist.“

Ich weiß, Bild passt nur bedingt 🙂 .