Archiv für den Monat: Juli 2016

Da irrt der Amtsrichter, oder: Ein Blick ins Gesetz …

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Nach dem erfreulichen OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16 (dazu OLG Celle: Messdaten und Token sind herauszugeben, oder: Sie – die OLG Rechtsprechung – bewegt sich doch)  hier dann eine weitere „schöne“ OLG Celle-Entscheidung, und zwar: Ich habe ja schon häufiger über die Ablehnung von Beweisanträgen im Bußgeldverfahren und die ggf. darauf gestützte Aufhebung es Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) berichtet (vgl. u.a. den OLG Hamm, Beschl. v. 13.01.2016 – 2 RBs 181/15  und den OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2015 – 3 RBs 352/15 und dazu Nicht so hurtig mit der Ablehnung von Beweisanträgen, oder: Versagung des rechtlichen Gehörs). Fakt ist, dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht jede Ablehnung eines Beweisantrages zur Verletzung des rechtlichen Gehörs führt, sondern grdunsätzlich nur dann, wenn – so die Formulierung der Obergerichte – „der Beweisantrag ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Gründe in willkürlicher Weise abgelehnt worden ist“. Und von einem solchen Fall ist das OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v. 28.06.2016 – 2 Ss (OWi) 125/16 – ausgegangen.

Er hat eine mal etwas anderes Konstellation zum Gegenstand.  Der Betroffene, der gegen den gegen ihn ergangenen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt hatte, hatte über seinen Verteidiger vor Beginn der Hauptverhandlung verschiedene Beweisanträge stellen lassen. Der Betroffene nahm an der Hauptverhandlung dann aber nicht teil, er war vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden; auch der Verteidiger des Betroffenen nahm an der Hauptverhandlung nicht teil. Das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitesüberschreitung verurteilt. Im Urteil heißt u.a.:

„Anträge wurden in der Hauptverhandlung nicht gestellt. Soweit der Verteidiger beantragt hat, den Schriftsetz vom 25.01.2016 zu verlesen, der (wohl: diesen) als Anlage zum Protokoll zu nehmen, sehen weder die Strafprozessordnung noch das Ordnungswidrigkeitengesetz ein solches Verfahren vor.“

Da irrt der Amtsrichter aber, was ihm dann auch das OLG bescheinigt:

„b) Nach diesen Grundsätzen rechtfertigt das Beschwerdevorbringen die Annahme der Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen, da nicht erkennbar ist, dass das Amtsgericht die vor der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärungen und Anträge des Betroffenen zur Kenntnis genommen und diese erwogen hat.

§ 74 Abs. 1 Salz 1 OWG bestimmt, dass die Hauptverhandlung dann in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt wird, wenn er nicht erschienen ist und von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war, § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG bestimmt weiter, dass frühere Vernehmungen des Betroffenen und seine schriftlichen oder protokollierten Erklärungen durch Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts oder durch Verlesung in die Hauptverhandlung einzuführen sind. Gegen diese Vorschrift hat das Amtsgericht verstoßen, indem es sich ausweislich des Urteilsinhaltes geweigert hat, die vor der Hauptverhandlung schriftsätzlich gestellten Anträge zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen. § 74 Abs. 1 Satz 2 OWIG soll sicherstellen, dass zum Ausgleich für die weitgehende Durchbrechung der auch im Bußgeldverfahren zu beachtenden Mündlichkeits- und Unmittelbarkeitsgrundsätze alle wesentlichen Erklärungen, die der Betroffene In irgendeinem Stadium des Verfahrens zu der gegen ihn erhobenen Beschuldigung abgegeben hat im Falle des ihm gestatteten Fernbleibens von der Hauptverhandlung bei der Entscheidung berücksichtigt werden; es handelt sich hierbei um zwingendes Recht (vgl. Senge in: KK-OWiG, 4. Aufl. § 74 Rn. 11 m.w.N.).

Da das Amtsgericht – auch ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls – die Äußerungen und Anträge des Betroffenen nicht zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht hat und diese weder in der Hauptverhandlung noch in den Urteilsgründen beschieden hat, hat es hierdurch das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt (vgl, zu einer ähnlichen Fallgestaltung OLG Dresden DAR 2014, 708 f.). Dies nötigt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.“

Tja, ein Blick ins Gesetz….

OLG Celle: Messdaten und Token sind herauszugeben, oder: Sie – die OLG Rechtsprechung – bewegt sich doch

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Gerade frisch rein gekommen – dem Kollegen Ritter aus Laatzen herzlichen Dank für die Übersendung – ist der erfreuliche OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16, den ich dann auch schnell hier „veröffentlichen“ will. Erfreulich deshalb, weil das OLG Celle nun (ebenfalls) davon ausgeht, dass die Versagung der Messdaten nebst Token eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt. Und: Ferner muss der Betroffene bei der Begründung der Verfahrensrüge auch nicht darlegen, welche Anstrengungen er bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge vorgenommen hat, um in den Besitz der Daten zu kommen. Das hatten schon andere OLG auch so gesehen. Im Einzelnen:

„Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, da das angefochtene Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Soweit der Betroffene rügt, dass ihm die Messdaten nebst zugehörigem Token trotz entsprechenden Antrages nicht zur Verfügung gestellt worden sind, ist die Verfahrensrüge ordnungsgemäß erhoben worden, weil sie den Senat in die Lage versetzt, zu prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft. Denn die Rechtsbeschwerde führt aus, dass der Betroffene mehrfach beantragt hat, ihm die Messdatei zugänglich zu machen und dies weder durch die Verwaltungsbehörde noch durch das Gericht erfolgt ist. Dass der Betroffene im Rahmen der Verfahrensrüge nicht dargelegt hat, was er im Fall der Zugänglichmachung der Messdatei geltend gemacht hätte, steht der Zulässigkeit der Verfahrensrüge nicht entgegen. Solche Ausführungen sind dem Betroffenen nicht möglich gewesen. Auch bedurfte es keiner weiteren Darlegung, welche Bemühungen der Betroffene bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge angestrengt hat, um in den Besitz dieser Datei zu gelangen. Zwar sind die insoweit geltenden Grundsätze bei begehrter Einsichtnahme in eine Bedienungsanleitung eines Messgerätes (vgl. dazu OLG Gelle, DAR 2013, 283; OLG Braunschweig ZfS 2014, 473; OLG Hamm, VRR 2013 (79); KG DAR 2013, 211) auch auf die Einsichtnahme in Rohmessdaten übertragbar (vgl. OLG Celle, Beschluss des hiesigen 2. Senats für Bußgeldsachen vom 21. März 2016, 2 Ss (OWi) 77/16). Dies gilt jedoch nur für öffentlich zugängliche Quellen, wie sie etwa das Entschlüsselungsprogramm für die Auswertung von Rohmessdaten betrifft. Die Rohmessdaten selbst befinden sich jedoch im alleinigen Besitz der Verwaltungsbehörde, die ungeachtet einer Bitte des Betroffenen und bestätigt durch eine gerichtliche Entscheidung des Amtsgerichts im Vorverfahren nach § 62 OWiG die Herausgabe der Rohmessdaten dem Betroffenen verweigert hat, weshalb eine erneute Bitte unzumutbar und nicht erfolgversprechend erschien (vgl. OLG Oldenburg, DAR 2015, 406).

Ob die Ablehnung des in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Hinweis darauf, der Beweisantrag gehe ins Blaue hinein, weil es für die Fehlerhaftigkeit der Messung keine Anhaltspunkte gebe, die Verletzung rechtlichen Gehörs begründet, konnte vorliegend dahingestellt bleiben. Denn bereits die Entscheidung, dem Betroffenen nicht die Möglichkeit einzuräumen, auf die Rohmessdaten zurückzugreifen, stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Auch wenn die Messdaten nicht Bestandteil der Verfahrensakte sind, müssen sie dem Betroffenen auf dessen Antrag zur Verfügung gestellt werden. Denn nur so wird der Betroffene in die Lage versetzt, die Messung auf ihre Ordnungsgemäßheit zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen. Dass es sich bei der angewendeten Messmethode um ein standardisiertes Verfahren handelt, steht dem nicht entgegen. Gerade weil bei einer solchen Messmethode das erkennende Gericht nur zu einer weiteren Aufklärung und Darlegung verpflichtet ist, wenn sich Anzeichen für eine fehlerhafte Messung ergeben, muss dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet sein, solche Fehler substantiiert vortragen zu können. Hierfür ist er auf die Messdaten angewiesen. Werden diese zurückgehalten, liegt ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör vor (vgl. OLG Oldenburg a. a. O.; Cierniak, ZfS 2012, 664). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil nicht auszuschließen ist, dass das Urteil auf diesem Mangel beruht.“

Ich war mir nicht so ganz sicher, welche Überschrift, ich wählen sollte. Zur Auswahl standen: Na bitte, geht doch, oder: Und sie bewegt sich doch…. 🙂 .

FAER meets VZR, oder: Keine Tilgungshemmung für „Altfälle“ durch FAER-Neueintragungen

FAERM.E. mehren sich die Entscheidungen, die sich mit den Auswirkungen der Punktereform 2014 befassen, und zwar nicht mehr nur im Verkehrsverwaltungsrecht, sondern zunehmend auch im OWi-Recht. Dabei geht es häufig um die Übergangsregelung des § 65 StVG n.F. Die spielte auch im OLG Bamberg, Beschl. v. 29.04.2016 – 2 Ss OWi 5/16 – eine Rolle. Das AG hatte gegen den Betroffenen wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ein Fahrverbot verhängt und die Regelgeldbuße erhöht. Dabei hatte es auf Voreintragungen des Betroffenen abgestellt, deren Rechtskraft vom 13.10.2012, 10.11.2012, 02.02.2013, 15.02.2013, 12.03.2013 und 26.04.2013 datierte. Danach gab es dann noch eine Bußgeldentscheidung vom 25.01.2015 – Rechtskraft eingetreten am 06.02.2015. Das AG war davon ausgegangen, dass durch die Eintragung Tilgungshemmung eingetreten ist. Das OLG Bamberg sagt: Nein. Begründung:

„cc) Jedoch kommt eine Tilgungshemmung durch die unter Nr. 7 erfasste (letzte) Bußgeldentscheidung vom 20.01.2015 vorliegend deshalb nicht in Betracht, weil § 29 VI 2 StVG a.F. lediglich auf vor dem 01.05.2014 erfolgte Eintragungen anwendbar ist (§ 65 III Nr. 2 1 StVG n.F.). Eine Eintragung der erst nach Inkrafttreten der Reform begangenen Tat vom 17.11.2014 konnte den Ablauf der Tilgungsfrist für die vom AG festgestellten Bußgeldentscheidungen Nrn. 1 bis 6 daher nach richtiger Ansicht nicht mehr hemmen (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker StVR 24. Aufl. § 4 StVG Rn. 11 i.V.m. § 29 StVG a.F. Rn. 1 i.V.m. § 29 StVG n.F. Rn. 3; Gübner VRR 2014, 89).

b) Die Einfügung des § 65 III Nr. 2 StVG durch das Änderungsgesetz vom 28.08.2013 zielt nämlich ausweislich der Gesetzesmaterialien darauf ab, die Weiterführung der Tilgungshemmung auf den bei Inkrafttreten der Reform vorhandenen Registerbestand und die bereits ausgelösten Ablaufhemmungen zu beschränken. Eintragungen nach Inkrafttreten der Reform sollen unabhängig von Tattag und Entscheidungsdatum keine Tilgungshemmung mehr auslösen können. Die abzuschaffende Tilgungshemmung soll damit bereits in der Übergangszeit so weit wie möglich reduziert werden (BTDrucks. 17/13452 S. 7; VkBl. 2013, 1155).

aa) Nach dem Wortlaut des § 65 III Nr. 2 StVG kann die Ablaufhemmung des § 29 VI 2 StVG a.F. nicht durch Entscheidungen ausgelöst werden, die ab Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am 01.05.2014 im Fahreignungsregister (FAER) gespeichert werden. Allerdings fehlt eine ausdrückliche Bezugnahme auch auf die Ablaufhemmung nach § 29 VI 1 StVG a.F. Ob hierfür aber für den Gesetzgeber überhaupt Anlass bestand, nachdem § 29 VI 1 StVG a.F. nur nach altem Recht eingetragene Entscheidungen betrifft, wohingegen § 29 VI 2 StVG a.F. von einer „neuen“ Tat spricht, ist umstritten (bejahend und allein auf den Wortlaut abstellend jedenfalls Hentschel/König/Dauer StVR 43. Aufl. § 29 StVG Rn. 43). Nach Auffassung des Senats erweist sich indes für die Auslegung der Vorschrift der in den Gesetzesmaterialien niedergelegte Wille des Gesetzgebers als ausschlaggebend.

bb) Die Auslegung nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich vorliegend eindeutig aus den Gesetzesmaterialien ergibt, ist als eine gegenüber den weiteren Methoden gleichrangige Auslegungsmethode auch dann anwendbar, wenn der Gesetzeswortlaut selbst keinen entsprechenden Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers enthält. Dem gesetzgeberischen Willen ist insoweit im Rahmen der Auslegung umso größeres Gewicht beizumessen, wenn es sich – wie hier – um eine noch junge Norm handelt, da dies umso eher die Unterstellung ermöglicht, dass der Wille des Gesetzgebers bei deren Erlass auch zum Entscheidungszeitpunkt noch fortgelten soll (st.Rspr.; vgl. u.a. BGH, Urteil v. 28.08.2007 – 1 StR 268/07 = BGHSt 52, 31 = NJW 2008, 240 = StV 2008, 77 = JR 2008, 207 und Beschl. v. 02.04.2008 – 1 ARs 3/08 = JR 2008, 255 mit Anm. Kudlich; vgl. auch BGH, Urt. v. 18.01.2007 – 4 StR 394/06 = StV 2007, 186 = StraFo 2007, 167 = NStZ 2007, 332 = JR 2007, 379 m. Anm. Kudlich JR 2007, 381). Der BGH hat es jedenfalls dann für ohne weiteres zulässig gehalten, selbst bei abweichendem Wortlaut die Vorstellung des Gesetzgebers der Gesetzesauslegung zugrunde zu legen, wenn sich dies – wie im vorliegenden Fall – ausschließlich zu Gunsten des von einer Sanktion Betr. auswirkt. Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Auslegung einer strafrechtlichen Bestimmung danach nur zum Nachteil des von dieser Betr. (BGH a.a.O.; vgl. auch BGHSt 43, 237/238; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. Einl. Rn. 194). Ein Grund dafür, bei der Auslegung bußgeldrechtlicher Vorschriften insoweit von anderen Maßstäben auszugehen, ist nicht ersichtlich.“

Ergebnis: Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs und Festsetzung der Regelgeldbuße von 125 €.

Fachanwalt: Fachbeiträge auf der Homepage erfüllen nicht die Fortbildungspflicht…

entnommen wikimedia.org Urheber Photo: Andreas Praefcke

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Fachanwälte müssen sich nach der FAO fortbilden, derzeit 15 Stunden/Jahr. Das ist eine ganze Menge und kostet Zeit. Die können/dürfen Fachanwälte nicht nur in Fortbildungsveranstaltungen (v)erbringen, sondern auch durch wissenschaftliche Veröffentlichungen. Und mit der Frage,wann dieses Kriterium erfüllt, ist hat sich jetzt das BGH, Urt. v. 20.06.2016 – AnwZ (Brfg) 10/15 – befasst. Da ging es um einen „Fachanwalt für Informationstechnologierecht“ zu führen. Der wollte seine Fortbildungsverpflichtung für das Jahr 2012 dadurch erfüllt haben, dass er drei Fachbeiträge auf seiner Homepage eingestellt hatte. Eigenen Angaben zufolge hatte er auf den ersten Beitrag 5,75 Stunden verwandt, auf den zweiten Beitrag 10,5 Stunden. Der dritte Beitrag sei mit einem Aufwand von 2 Stunden am 31. Dezember 2012 begonnen und im Januar 2013 abgeschlossen worden. Die RAK hat die Fortbildungspflicht für das 2012 als nicht erfüllt angesehen, nachgekommen. Sie hat die Erlaubnis, die Bezeichnung „Fachanwalt für Informationstechnologierecht“ zu führen, widerrufen. Dagegen die Klage, die dann letztlich beim BGH gescheitert ist. Der BGH meint: Ein nur auf der eigenen Homepage veröffentlichter Fachbeitrag ist keine wissenschaftliche Publikation, mit der ein Fachanwalt seine Fortbildungspflicht erfüllen kann. Dazu der BGH:

3. Der Kläger ist der aus § 15 FAO folgenden Pflicht, sich jährlich fortzu-bilden, im Jahr 2012 nicht nachgekommen. Das Einstellen von Beiträgen auf einer eigenen Homepage ist keine wissenschaftliche Publikation im Sinne von § 15 FAO.

a) Eine „Publikation“ ist eine Veröffentlichung. Sie ist für die Öffentlichkeit bestimmt und an ein bestimmtes Träger- oder Übertragungsmedium gebunden. Eine wissenschaftliche Publikation ist nach herkömmlichem Verständnis eine schriftliche wissenschaftliche Arbeit, die von einem wissenschaftlichen Verlag zur Veröffentlichung angenommen und veröffentlicht worden ist. Mögliche Formen der wissenschaftlichen Veröffentlichung sind danach insbesondere die in einem Fachverlag veröffentlichte Monografie, der Beitrag in einem Kommentar oder Lehrbuch und der in einer wissenschaftlichen Zeitung, einem Tagungs- oder Sammelband oder einer Festschrift veröffentlichte Artikel. Veröffentlichun-gen in elektronischen Medien können jedoch nicht von vornherein aus dem Kreis der wissenschaftlichen Publikationen ausgeschlossen werden. Viele Fachzeitschriften erscheinen in elektronischer Form. Es gibt online-Ausgaben juristischer Kommentare, die auch in gedruckter Form vorliegen, sowie Aufsätze und Kommentare, die ausschließlich über Datenbanken abrufbar sind. Sinn ei-ner wissenschaftlichen Publikation ist die dauerhafte Sicherung und Verbreitung einmal gewonnener Erkenntnisse, die so von beliebigen Dritten zur Kenntnis genommen und fortentwickelt werden können. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich in – sei es auch öffentlichen – Gesprächen und Diskussionen ergeben haben, erfüllen diese Anforderungen nicht, weil das gesprochene Wort flüchtig ist und abwesende Dritte keinen Zugang zu ihm haben. Gleiches gilt für Er-kenntnisse, die in Briefen, etwa Mandantenrundschreiben, oder Gutachten niedergelegt sind. Sie sind dauerhaft verkörpert, sind aber nur für die jeweiligen Empfänger und nicht für die (Fach-) Öffentlichkeit bestimmt. Die (möglicher-weise) hohe Qualität und der (möglicherweise) hohe Erkenntniswert etwa eines wissenschaftlichen Gutachtens ändert nichts daran, dass es sich dabei nicht um eine wissenschaftliche Publikation handelt, solange keine Veröffentlichung erfolgt.

b) Das Einstellen eines Artikels auf der eigenen Homepage stellt keine wissenschaftliche Publikation in diesem Sinne dar. Der Artikel auf der Homepage ist zwar für die Öffentlichkeit zugänglich. Er ist jedoch nicht nachhaltig verfügbar. Es steht im freien Belieben des Inhabers der Homepage, ihn zu verändern, ohne dies zu dokumentieren, oder ganz zu entfernen. Dies hat zur Folge, dass er nicht wissenschaftlich verwertet werden kann. Ein Autor, der einen solchen Beitrag zitiert, kann das Zitat zwar absichern, indem er der Internetanschrift, unter welcher er ihn gefunden hat, den Tag seiner Recherche beifügt. Ein Dritter kann das Zitat später jedoch nicht mehr nachvollziehen, wenn der Artikel entfernt worden ist. Ist der Artikel in der Zwischenzeit verändert worden, ohne dass dieser Vorgang dokumentiert worden ist, würde das Zitat fälschlich als Fehlzitat bezeichnet werden. In diesem für die wissenschaftliche Diskussion und den wissenschaftlichen Fortschritt wesentlichen Punkt unterscheidet sich die „Eigenveröffentlichung“ auf der eigenen Homepage von einer Veröffentli-chung, die ein Verlag verantwortet, oder der Veröffentlichung auf dem von einer Universität oder einem Institut nach feststehenden Regeln betriebenen Doku-menten- und Publikationsserver. Hinzu kommt, dass eine Veröffentlichung, die von einem Fachverlag oder einer Universität verantwortet wird, typischerweise mindestens dem äußeren Anschein nach das für eine wissenschaftliche Publikation erforderliche Niveau aufweist, weil sie überhaupt zur Veröffentlichung angenommen worden ist. Dadurch, dass der Verfasser sich der Fachöffentlichkeit stellt, ist auch ein gewisses inhaltliches Niveau gewährleistet. Beides fehlt bei Veröffentlichungen auf der eigenen Homepage, die eher von Mandanten als von Fachkollegen zur Kenntnis genommen werden und die jederzeit zurückge-zogen oder verändert werden können, ohne dass dies von Dritten nachvollzogen werden könnte. Deshalb werden durch diese die Mindestanforderungen, die an eine wissenschaftliche Publikation zu stellen sind, nicht erfüllt.“

Also: Schön weiter auf die „Schulbank“ 🙂 , zumindest teilweise….

Schon wieder: Anfragebeschluss des 2. Ss des BGH – Nötigung zur Herausgabe von BtM

© psdesign1 - Fotolia.com

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So, das ist mal wieder eine Frage, die möglicherweise demnächst den Großen Senat für Strafsachen beschäftigen wird. Es gibt einen neuen Anfragebeschlus – na, von welchem Senat mag er wohl kommen? Richtig. Es ist der 2. Strafsenat des BGH (der „Rebellensenat“ 🙂 ), der im BGH, Beschl. v. 01.06.2016 – 2 StR 335/15 – bei den anderen Strafsenaten angefragt hat, ob die ihm zustimmen oder an entgegenstehender Rechtsprechung der Senate festhalten. Die Frage lautet:

Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:
Die Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln richtet sich nicht gegen das Vermögen des Genötigten und erfüllt daher nicht den Tatbestand der Erpressung.
Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob sie dem zustimmen oder an etwa entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.

Nach den Gründen hat der LG die Angeklagten u.a. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:

„Die drogensüchtigen Angeklagten D. und S. hatten nach den Feststellungen des Landgerichts am 10. Juni 2014 den Rest ihres Heroinvorrats konsumiert und befürchteten Entzugserscheinungen. Nachdem D. vergeblich versucht hatte, Heroin zu kaufen, erfuhr er, dass der Nebenkläger damit Handel treibt. Er beschloss, den Nebenkläger mit Gewalt zur Herausgabe von Heroin zu zwingen und weihte die Angeklagte S. in seinen Plan ein; diese erklärte sich damit einverstanden. Ferner gewann der Angeklagte D. den Angeklagten B. dafür, bei dem Überfall mitzuwirken. Die Angeklagten traten die Wohnungstür des Nebenklägers ein. D. fragte den Nebenkläger sogleich nach „Dope“, worauf dieser erwiderte, dass er keines besitze. Deshalb packte D. den Nebenkläger am Kragen und versetzte ihm Schläge mit der Aufforderung: „gib uns das Zeug raus“. Auch die Angeklagte S. schlug den Nebenkläger und ver langte die Herausgabe von Heroin. Der Angeklagte B. forderte ebenfalls: „gib den Stoff raus“. Die Angeklagte S. hielt dem Nebenkläger auch einen spitzen Gegenstand, eine Schere oder ein Messer, vor das Gesicht und bedrohte ihn damit, was die anderen Angeklagten billigten. Bei dem Versuch des Nebenklägers zu fliehen, wurde er von dem Angeklagten B. festgehalten. Nach weiteren Schlägen gab er drei Plomben Heroin mit der Bemerkung heraus: „hier, könnt ihr haben, mehr habe ich nicht“. Nach Hilferufen des Nebenklägers flohen die Angeklagten unter Mitnahme des Heroins (Fall II.2. der Urteilsgründe).“

Der 2. Strafsenat hält die Revisionen der Angeklagten für begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Beteiligung an einer besonders schweren räuberischen Erpressung richten. Kurzbegründung: „Der Tatbestand der Erpressung setzt voraus, dass der Täter dem Vermögen eines Anderen einen Nachteil zufügt. Der Begriff des Vermögens entspricht hier demjenigen des Betrugstatbestands. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dem Vermögen im Sinne der §§ 253, 263 StGB auch der unerlaubte Besitz von Betäubungs-mitteln zuzurechnen, weil der strafrechtliche Vermögensbegriff wirtschaftlich betrachtet werden soll. Daran will der Senat nicht festhalten. Er beabsichtigt zu entscheiden, dass die Nötigung zur Übertragung von unerlaubtem Besitz an Betäubungsmitteln nicht das strafrechtlich geschützte Vermögen betrifft. Er fragt deshalb wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage bei den anderen Strafsenaten an, ob diese ihm folgen oder an der bisherigen Rechtsprechung festhalten.“

Na, ich bin gespannt. Allerdings habe ich inzwischen ein wenig den Überblick verloren, was alles schon beim Großen Senat ist bzs. sich auf dem Weg dorthin befindet.