Archiv für den Monat: Februar 2016

Ich habe mal eine Frage: Mandant nicht da, aber ich, keine Kostenerstattung?

© AllebaziB - Fotolia

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Ich habe kurz überlegt, ob ich heute überhaupt ein RVG-Rätsel bringen soll. Schließlich ist ja Karneval, im Rheinland also die höchsten feiertage. Nun, es gibt aber auch noch Gegenden, wo heute und auch am Montag, wenn es die Lösung gibt, normal gearbeitet wird. Daher läuft das Rätsel auch heute, udn zwar mit folgender Frage/folgendem Sachverhalt:

„Der Rechtsanwalt ist Pflichtverteidiger. Der Angeklagte erscheint zum Hauptverhandlungstermin unetnschuldigt nicht. Die ordnungsgemäße Ladung durch das Gericht wird festgestellt. Es wird neuer Hauptverhandlungstermin anberaumt, in dem der Angeklagte dann erscheint. Die Kosten und Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Es werden vom Verteidiger die Wahlanwaltsgebühren dann gegenüber der Staatskasse geltend gemacht. Diese werden festgesezt, nur die für den Termin nicht, in dem der Angeklagte nicht erschienen ist.“

Der Verteidiger fragt, ob das denn richtig ist?

„Richtervorbehaltsgötterdämmerung“, oder: Finger weg vom Richtervorbehalt bei der Blutentnahme!!!!

© Klaus Eppele - Fotolia.com

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Bei Beck-aktuell stoße ich gerade auf eine Nachricht, der offenbar eine PM o.Ä. aus dem BMJV zugrunde liegt. Es geht um die Abschaffung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO), vor einiger Zeit der verfahrensrechtliche Dauerbrenner im Verkehrs(straf)recht. Dazu gibt es ja auch seit einiger Zeit schon Bestrebungen, diesen Richtervorbehalt abzuschaffen. Es gibt/gab eine Gesetzesinitiative des Landes Niedersachsen aus dem Jahr 2010, die seitdem vor sich hindümpelt („Richtervorbehaltsdämmerung“ aus Niedersachsen; dazu die BR-Drucksache 615/10). Es hat dann  auch die Expertenkommission zur „Effektivierung des Strafverfahrens“ für eine Abschaffung plädiert (Kommt jetzt eine große StPO-Reform zur „Effektivierung unseres Strafverfahrens?); wenn ein Gesetz schon so heißt, kann es nichts Gutes geben. Und auch der 54. VGT hat sich jetzt gerade ja erst für eine Änderung ausgesprochen (54. VGT – die Ergebnisse, oder: Zumindest die Richtung stimmt (teilweise)) .

Nun scheint es schnell zu gehen, wenn man der Meldung trauen kann. Da heißt es:

„Wenn Autofahrer von der Polizei zur Blutprobe gebeten werden, muss dafür voraussichtlich von 2017 an kein Richter mehr eingeschaltet werden. Das Bundesjustizministerium will erreichen, dass für diese Maßnahme künftig eine Anordnung der Staatsanwaltschaft genügt. Das Vorhaben könne im günstigen Fall zum Jahresende oder Anfang 2017 Gesetz werden, sagte die Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, Stefanie Hubig, am 04.02.2016 bei einer Fachtagung in Speyer.
Auch Betroffene könnten profitieren

Der Plan gehört zu den im Herbst 2015 präsentierten Reformvorschlägen einer Expertenkommission, die vom Ministerium eingesetzt worden war. Das Ziel: Strafverfahren effektiver gestalten. Derzeit muss die Polizei laut Gesetz wegen einer Blutprobe bei der Staatsanwaltschaft anrufen, die sich dann an den Richter wendet, wie Hubig erläuterte. Der wolle dann mitunter die schriftlichen Unterlagen zu dem Fall sehen. Künftig soll die Anordnung der Staatsanwaltschaft ausreichen. Für den Betroffenen sei das eine gewisse Erleichterung, weil das Verfahren schneller ablaufe, sagte der rheinland-pfälzische Justizminister Gerhard Robbers (SPD). Nachts einen Richter zu erreichen könne unter Umständen schon 30 Minuten dauern. „Das ist für den Betroffenen ja auch Wartezeit.““

Wenn man das liest, kann man nur den Kopf schütteln. Da soll offenbar kurz vor Ende der Legislaturperiode schnell noch eine Gesetzesänderung durchgepeischt werden, die schon seit mehr als fünf Jahren herumliegt, wahrscheinlich in einem „Omnisbusgesetz“, damit man es als Bürger/Betroffener nicht merkt. Und man pickt sich offenbar aus den Vorschlägen der Expertenkommission mal erst das ein oder andere heraus – aus Bayern wird Zuspruch kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Änderungen, die Kommission vorgeschlagen hat, jetzt in einem „Hau-Ruck-Verfahren“ mal eben durchgeführt werden sollen.

Die Begründung: In meinen Augen mehr als abenteurlich, um nicht zu sagen: „leicht bescheuert“. Ich habe zweimal hingeschaut: „Auch Betroffene könnten profitieren“ – und mich gefragt: Wie denn das? Und dann kommt als Begründung, dass es für den Betroffenen ggf. weniger Wartezeit bedeutet. Auf die Idee/Begründung kann man m.E. nur kommen, wenn man in einem Ministerium sitzt bzw. dem vorsteht. Das ist in meinen Augen genauso blöd, wie die Begründung aus Niedersachsen, dass man durch die Abschaffung des Richtervorbehalts in § 81a Abs. 2 StPo den Richtervorbehalt stärke. Man soll doch ehrlich sein und sagen, worum es geht. Nämlich um die Nachtruhe der Justiz und Kostenersparnis, indem man Eildienste möglichst spart.

In der Sache ist mir nicht ganz klar, was man eigentlich will. Der 54. VGT spricht in seinen Empfehlungen von den „Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft“, die o.a. Meldung – wie auch die Expertenkommission – von der „Anordnung der Staatsanwaltschaft„. Das könnte etwas ganz anderes sein. Nämlich einmal würde die Anordnung auch von Polizeibeamten reichen, im anderen Fall müsste es dann ein Staatsanwalt sein. Wo da die Ersparnis/der Nutzen liegt, weiß ich nicht. Aber vielleicht kennen ja auch Minister und Staatssekretärinnen nur den Unterschied nicht so genau.

Im Übrigen meine ich: Wehret den Anfängen. Es ist immer schlecht, wenn man mit solchen Änderungen anfängt, denn schnell fummelt man dann auch an anderen Stellen rum. Und: Will man den Richtervorbehalt ganz abschaffen oder nur im Verkehrsstrafrecht, wie es Niedersachsen vorgeschlagen hatte? Also auch in Kapitalsachen? Dann viel Spaß, wenn es um die Verwertung von Blutennahmen in Verfahren geht, die als Verkehrsstrafsache angefangen haben und ggf. als Kapitalsache enden. Aber vielleicht hofft man da ja auch BGH und BVerfG, die es über Abwägungslehre und hypothetischen Kausalverlauf schon richten werden.

Fazit: Finger weg!!!!

Laden des Mobiltelefons beim Fahren, oder: Berührt, geführt

© Steve Young - Fotolia.com

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Schon wieder Handy? Ja, schon wieder. Im Moment gibt es dazu eben eine ganze Reihe von Entscheidungen. So dann jetzt hier den OLG Oldenburg, Beschl. v. 07.12.2015 – 2 Ss (OWi) 290/15, über den ja auch schon andere Blogs berichtet haben. Ich warte nur eben gerne auf den Volltext. Und der liegt jetzt vor.

Im Beschluss bzw. im zugrunde liegenden AG-Urteil ganz kurze Feststellungen: Der Betroffene fährt mit seinem LKW auf einer BAB,  wobei er wissentlich und willentlich sein Mobiltelefon in der Hand hält, um es mit einem Ladekabel im Fahrzeug zum Laden anzuschließen. Das AG verurteilt wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO. Und das OLG hält das:

„Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von ihm getroffenen Feststellungen die Annahme eines Verstoßes des Betroffenen gegen § 23 Abs. 1 a Satz 1 StVO rechtfertigen. Danach darf derjenige, der ein Fahrzeug führt, ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss.

In der Rechtsprechung ist mittlerweile eine Vielzahl von Fallgestaltungen dahingehend untersucht worden, ob sie tatbestandsmäßig im Sinne der vorgenannten Vorschrift sind.

Soweit ersichtlich ist dies allerdings für den hier festgestellten Sachverhalt, nämlich Halten des Mobiltelefons in der Hand, um es mit einem Ladekabel zum Laden anzuschließen, noch nicht der Fall.

Auch das vom Amtsgericht festgestellte Verhalten ist tatbestandsmäßig.

Nach der Begründung zur Einführung der Vorschrift des § 23 Abs. 1 a StVO (abgedruckt bei Henschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 23 StVO, Rd.-Nr. 4) soll durch diese Norm gewährleistet sein, dass der Fahrzeugführer während der Benutzung des Mobil- oder Autotelefons beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat. Die Benutzung schließe neben dem Gespräch im öffentlichen Fernsprechnetz sämtliche Bedienfunktionen, wie das Anwählen, die Versendung von Kurznachrichten oder das Abrufen von Daten im Internet ein.

Das OLG Düsseldorf (NStZ-RR 2007, 92) hat ausgeführt, dass seinem Wortsinn nach der Begriff der Benutzung erfordere, dass die Handhabung des Mobiltelefons einen Bezug zu einer der Funktionen des Gerätes aufweisen müsse.

Das OLG Hamm (NJW 2007, 1078) hat ausgeführt, dass unter § 23 Abs. 1 a StVO auch falle, wenn während der Fahrt der Telefonhörer eines Autotelefons aufgenommen und die Telefonkarte hin- und hergeschoben werde, um das Autotelefon funktionsfähig zu machen.

Unter das Verbot des § 23 Abs. 1 a StVO fallen nämlich auch Tätigkeiten, die (nur) die Vorbereitung der Nutzung gewährleisten sollen, da es sich auch dabei um bestimmungsmäßige Verwendung bzw. deren Vorbereitung handele (OLG Hamm NZV 2007, 483).

Der Senat stimmt dem Amtsgericht zu, dass das Aufladen eines Mobiltelefons dazu dient, es auch tatsächlich mobil zum Telefonieren einsetzen zu können.

Nur mit einem geladenen Akku können die eigentlichen Funktionen eines Mobiltelefons genutzt werden.

Wenn ein Betroffener zur Vorbereitung einer derartigen Nutzung deshalb das Mobiltelefon aufnimmt, handelt er tatbestandsmäßig. Eine derartige Handhabung unterscheidet sich nämlich von einem bloßen Aufheben und Umlagern eines Handys, da dieses keinen Bezug zu einer der Funktionen des Gerätes aufweist (in diesem Sinne OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2007, 92).“

Zu der Problematik hat es wirklich noch keine Entscheidung gegeben. Aber ganz konsequent ist das OLG nicht. Denn m.E. tut sich ein Widerspruch auf zu den Entscheidungen, in den das Handy im Pkw nur verlegt wird. Auch das dient letztlich einer Nutzung, die irgendwann stattfindet. Aber die Tendenz in der Rechtsprechung ist unverkennbar. Wenn man nur an Nutzung des Handys denkt, ist es schon ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO. Das ist ein wenig wie der Satz, den alle Richter kennen, wenn es um die Zuständigkeit geht: Berührt geführt.

Hauptsache die OLG-Richter halten sich immer an diese strengen Vorgaben. 🙂

Schlimmer geht nimmer, was man da in Aachen macht, oder: Verrückt?

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Auf die Idee muss man m.E. erst mal kommen, die eine Strafkammer des LG Aachen hatte und die ihr die Bezeichnung „fehlerhaft“ durch den 2. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl. v. 04.12.2015 – 2 StR 475/15 – eingetragen hat. Beigeordnet werden soll in einem Verfahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für einen Zeugen ein Zeugenbeistand nach § 68b Abs. 2  StPO. Wird er auch, aber: Unter einer Bedingung (!!). Dazu dann der BGH:

„Die Beiordnung eines Beistands für den Zeugen Y. nur unter der Bedingung, dass er sein Recht auf Auskunftsverweigerung nicht wahrnehme, war fehlerhaft. Der gemäß § 68b Abs. 2 Satz 2 StPO beigeordnete Beistand soll den Zeugen gerade auch darüber beraten, ob eine Auskunftsverweigerung zulässig und angezeigt ist. Aus der Art der Beiordnung des Zeugenbeistands folgt hier aber kein Beweisverwertungsverbot zugunsten des Angeklagten. Das Landgericht hat die Angaben des Zeugen nicht zu seinem Nachteil verwertet.“

Also im Grunde sagt die Kammer: Einen Zeugenbeistand bekommst du, aber nur, wenn du aussagst und von dem Recht aus § 55 StPO, über das dich der Beistand ja gerade beraten soll, keinen Gebrauch machst. Wie verrückt/blödsinnig – ja – ist das denn? Ich gebe dir jemanden, der dich über deine Rechte berät, aber nur, wenn du deine Rechte dann nicht ausübst.

Für den Angeklagten hat diese „Idee“ allerdings nichts gebracht. Die Rechtskreistheorie lässt grüßen.

Keine Akteneinsicht – kein Haftbefehl, oder: Nehmen wir die Rechtsprechung des BVerfG ernst.

© cunaplus - Fotolia.com

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Da habe ich mal wieder von einem Kollegen einen amtsgerichtlichen Beschluss zur Aufhebung des Haftbefehls, wenn dem Verteidiger keine Akteneinsicht gewährt worden ist, übersandt bekommen. Es war das AG Magdeburg, das im AG Magdeburg, Beschl. v. 02.02.2016 – 5 Gs 254 Js 39963/15 (3398/15) – ernst mit der Rechtsprechung des BVerfG gemacht hat. Und das, obwohl offenbar der Staatsanwaltschaft noch nicht mal ein (großer) Vorwurf gemacht werden konnte, dass dem Verteidiger Akteneinsicht nicht gewährt war, jedenfalls geht davon das AG Magdeburg aus:

„Akteneinsicht ist bis heute nicht gewährt worden. Der Haftbefehl war daher aufzuheben.

Der Grundsatz eines fairen rechtstaatlichen Verfahrens und der Anspruch. des Beschuldigten auf rechtliches Gehörs gebietet es, dem Verteidiger eines inhaftierten Beschuldigten Einsicht zumindest in die Aktenbestandteile zu geben, auf welche der Haftbefehl gestützt ist. Zur Gewährung von Akteneinsicht ist im vorbereitenden Verfahren gemäß § 147 Abs. 5 StPO die Staatsanwaltschaft befugt.

Aufgrund des oben genannten Grundsatzes kann der Haftbefehl gegen einen Beschuldigten und die einen Haftbefehl aufrechterhaltenden Entscheidungen des Gerichts im Haftprüfungsverfahren nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, die dem Beschuldigten bzw. dessen Verteidiger vorher bekannt waren, so dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf eine gerichtliche Haftentscheidung effektiv einwirken zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.07.1994, NStZ 1994 S. 551 ff.; OLG Köln, NStZ 2002, S. 659).

Allein deshalb weil nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft die Akten erst am pppp. von dem ppp. zur Staatsanwaltschaft zurückgelangt sind, kann dem Verteidiger die Akteneinsicht nicht versagt werden. Es wäre vielmehr erforderlich gewesen, auf eine frühere Aktenrücksendung. hinzuwirken bzw. Doppelakten zu führen, welche dem Verteidiger zur Verfügung gestellt werden können. Dies ist nicht erfolgt.“

Zur Nachahmung empfohlen.