Archiv für den Monat: August 2015

BGH zur Gefälligkeit im Verein, oder: Burhoff hat auch Vereinsrecht im Angebot

VereinsrechtSamstags schaue ich ja immer ein wenig über den Tellerrand und versuche mich meist an zivilrechtlichen Fragestellungen. Das mache ich natürlich auch heute. Heute greife ich dazu die Steilvorlage auf, die mir das BGH, Urt. v. 23.07.2015 – III ZR 346/14 – bietet. Zwar keine verkehrsrechtliche Problematik, sondern eine zivilrechtliche mit vereinsrechtlichem Einschlag. Und das passt mir gut, weil ich ja – Werbemodus an 🙂 – auch ein vereinsrechtliches Werk habe, auf das ich bei der Gelegenheit hinweisen kann. Nämlich mein Vereinsrecht, 9. Aufl. 2014, über das man sich hier informieren und das man hier bestellen kann Werbemodus aus 🙂 .

Im BGH, Urt. v. 23.07.2015 – III ZR 346/14 – geht es um Aufwendungsersatzansprüche gegen den Verein, wenn minderjährige Mitglieder eines (Amateur)Sportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden. Dann handelt es sich – so der BGH – grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – um eine reine Gefälligkeit handelt, die sich im außerrechtlichen Bereich abspielt, sodass ausscheiden Aufwendungsersatzansprüche ausscheiden, wenn es bei der Fahrt zu einem Unfall kommt. Das hatte das OLG Celle noch anders gesehen. Der BGH hat das OLG-Urteil aufgehoben und die landgerichtliche Klageabweisung bestätigt. Hier geht es zur PM 124/15 des BGH und hier zum BGH, Urt. v. 23.07.2015 – III ZR 346/14 – mit dem Leitsatz:

„Wenn minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, handelt es sich grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – um eine reine Gefälligkeit, die sich im außerrechtlichen Bereich abspielt, sodass Aufwendungsersatzansprüche gegen den Verein (hier: Ersatz eines Verkehrsunfallschadens) ausscheiden.“

Ich habe da mal eine Frage: Ist bei Verbindung in der HV auch noch eine Terminsgebühr entstanden?

© AllebaziB - Fotolia

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Das heutige Rätsel geht nicht auf die Frage eines Kollegen zurück, sondern auf den Beschluss eines LG, den ich gerade für den RVGreport aufbereitet habe. Er enthält eine Konstellation, die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt und die ich deshlab heute hier zur Diskussion stelle.

Es geht um folgenden Sachverhalt:

„Gegen den Angeklagten war beim LG ein Strafverfahren wegen Wohnungseinbruchsdiebstahl (14 KLs 3/13) anhängig. Der verteidigende Rechtsanwalt war zum Pflichtverteidiger bestellt. Der Beginn der Hauptverhandlung war auf dem 15.04. 2013 terminiert. Im März 2013 erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten eine weitere Anklage beim AG (später 14 KLs 8/13). Diese Akte wurde im Verfahren 14 KLs 3/13 als Beiakte genommen und dem Pflichtverteidiger im Wege der Akteneinsicht am 09.04.2013 ausgehändigt. Mit Schriftsatz vom 10.04.2013 zeigte der Pflichtverteidiger an, dass der Angeklagte ihn auch in diesem Verfahren mit seiner Verteidigung beauftragt hat. Weiter beantragte er, das Verfahren zum Verfahren 14 KLs 3/13 zu übernehmen und ab dem 15.04.2013 mit zu verhandeln, sowie dem Angeklagte ihn auch für dieses Verfahren als notwendigen Verteidiger beizuordnen. Mit Verfügung vom 11.04. 2013 wurde das beim AG noch angeklagte Verfahren von der Strafkammer übernommen und erhielt das Aktenzeichen 14 KLs 8/13. Der Vorsitzende verfügte die Zustellung der Anklageschrift, die bislang noch nicht zugestellt war, an den Verurteilten sowie den Pflichtverteidiger.

Im Hauptverhandlungstermin vom 15. 04. 2013 zum Az.: 14 Kls 3/13 wurde die Sache aufgerufen, die Erschienenen festgestellt, die Gerichtsbesetzung bekannt gegeben und die Personalien des Angeklagten festgestellt. Danach erklärten der Angeklagte und der Pflichtverteidiger, dass hinsichtlich des Verfahrens 14 KLs 8/13 auf die Einhaltung der Einlassungsfrist verzichtet werde. Daraufhin wurde für dieses Verfahren ein Eröffnungsbeschluss verkündet. Im Anschluss daran gab der Vorsitzende bekannt, dass beabsichtigt sei – neben weiteren Verfahren, die sich gegen den Angeklagten richteten – auch das Verfahren 14 KLs 8/13 hinzu zu verbinden. Nachdem Einwendungen nicht erhoben wurden, wurde u.a. das Verfahren 14 KLs 8/13 mit dem Verfahren 14 KLs 3/13 verbunden.

Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens hat der Pflichtverteidiger seine Gebühren und Auslagen geltend gemacht. Eine Terminsgebühr für einen Hauptverhandlungstermin im Verfahren 14 KLs 8/13 wurde nicht festgesetzt.

Hätte ein gegen die Nichtfestsetztung gerichtetes Rechtsmittel der Erinnerung Erfolg?

Der (erzwungene) Oralverkehr auf der Polizeiwache (?)

© andris_torms - Fotolia.com

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Zu Beweiswürdigungsfragen einen Blogpost abzusetzen, ist nicht so ganz einfach. Das liegt vor allem daran, dass die entsprechenden Entscheidungen meist sehr lang sind und sich nur schwer darstellen lassen. Daher lasse ich i.d.R. die Finger von solchen Entscheidungen. Heute will ich dann aber doch mal eine Entscheidung vorstellen, und zwar den BGH, Beschl. v. 28.05.2015 – 3 StR 65/15. Und zwar deshalb, weil ich meine, dass der BGH, der die landgerichtliche Beweiswürdigung, die zum Freispruch geführt hat, zwar gehalten hat, aber doch mit Bauchschmerzen bzw. so gerade „noch“.

Im Verfahren wurde dem Angeklagten zur Last gelegt, während seines Dienstes als Polizist den Nebenkläger in einer Polizeiwache anlässlich einer Anzeige wegen Fahrraddiebstahls durch (konkludente) Drohungen sowie unter Ausnutzung einer Lage, in der der Nebenkläger seiner Einwirkung schutzlos ausgesetzt gewesen sei (§ 177 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB), genötigt zu haben, bei ihm den Oralverkehr auszuführen sowie zu dulden, dass der Angeklagte ihn danach über der Hose an dessen Penis gestreichelt hat. Bei dieser Tat habe der Angeklagte seine geladene Dienstwaffe am Hosenbund getragen.

Dazu hat das LG dann Folgendes festgestellt:

„Der Angeklagte hatte am 13. April 2013 ab 14:00 Uhr Dienst in einer „Ein-Mann-Wache“. Nach der Wachablösung begab er sich in die erste Etage zu den Umkleideräumen und zog seine Dienstuniform an. Entgegen seiner sonstigen Übung vergaß er an diesem Tag, seine Dienstwaffe anzulegen.

Der Nebenkläger begab sich zwischen 16:15 Uhr und 16:30 Uhr zu der allein mit dem Angeklagten besetzten Polizeiwache, um den Diebstahl seines Fahrrads anzuzeigen. Der Angeklagte bat den Nebenkläger unter anderem um die Vorlage seines Personalausweises und forderte ihn auf, an einem Schreibtisch Platz zu nehmen. Der Angeklagte rief im weiteren Verlauf das Computerprogramm zur Erstellung von Anzeigen auf und legte den Vorgang an. Kurz danach gab er den Namen des Nebenklägers mit Geburtsdatum ein. Einige Zeit später druckte der Angeklagte die Strafanzeige aus und überreichte sie dem Nebenkläger zur Durchsicht und Unterschrift. Dann begab er sich in die Toilettenräume der Wache. Der Nebenkläger folgte ihm und sah, dass der Angeklagte nach dem Urinieren seinen Penis durch den geöffneten Hosenschlitz in der Hand hielt. Der Nebenkläger kniete sich vor den ihm den Penis entgegenhaltenden Angeklagten, nahm dessen Glied in den Mund und bewegte sich mit geschlossenen Augen zweimal hin und her. Da der Nebenkläger sich ekelte und auch würgen musste, brach er den Verkehr ab, ohne dass es zum Samenerguss gekommen war. Diesen Abbruch nahm der Angeklagte hin und verschloss seine Hose. Anschließend rauchten beide vor der Wache gemeinsam Zigaretten.

Die Strafkammer hat den Angeklagten, der den Anklagevorwurf sowie jeglichen sexualbezogenen Kontakt mit dem Nebenkläger bestritten hat, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen; sie hat die Einlassung des Angeklagten, es sei zu einem „sexualbezogenen Körperkontakt“ nicht gekommen, zwar als widerlegt angesehen, hat sich aber nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der festgestellte Oralverkehr hinsichtlich der Art seiner Durchführung, insbesondere im Hinblick auf die Aspekte „Unfreiwilligkeit, Zwang, Druck und Bedro-hungscharakter“ wie vom Nebenkläger geschildert abgelaufen ist.

Der BGH hält die Beweiswürdigung. Ich will die Gründe jetzt hier nicht im Einzelnen wiederholen, das kann man in der BGH-Entscheidung nachlesen. Wie gesagt, m.E. aber „mit Bauchschmerzen“. Und dafür sprechen u.a. folgende Formulierungen in der BGH-Entscheidung:

  • Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 154/14, NStZ 2014, 507, 508 mwN).“
  • „An diesen revisionsrechtlichen Maßstäben und Grundsätzen gemessen, zeigt die Revision der Staatsanwaltschaft keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist im Ergebnis weder lückenhaft noch widersprüchlich. Sie lässt insgesamt gesehen auch nicht besorgen, dass das Landgericht an seine Überzeugungsbildung überspannte Anforderungen gestellt hat.“
  • Die Rüge, das Landgericht habe sich nicht mit der sich aufdrängenden Frage befasst, weshalb der Nebenkläger sich ohne den Einsatz von Nötigungsmitteln darauf eingelassen haben sollte, den Oralverkehr an dem Ange-klagten zu vollziehen, verkennt den Inhalt der Urteilsgründe: Durch welches konkrete Verhalten des Angeklagten das (sexualbezogene) Verhalten des Nebenklägers tatsächlich verursacht wurde, hat das Landgericht zwar nicht feststellen können. Insoweit hat es jedoch erwogen, es sei auch denkbar, dass der Angeklagte den Nebenkläger zwar durch sein Auftreten, seine Stim-me und die Uniform sowie seine Stellung als Polizist und seine Einmischung in das Privatleben des Nebenklägers verunsichert haben, nicht aber durch eine strafbare Handlung unter Druck gesetzt haben könnte und dieser sich aufgrund dessen dazu habe verleiten lassen, die sexuelle Handlung an dem Angeklagten vorzunehmen. Diese Erwägungen und Schlüsse sind noch möglich und daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.“

Mir wird insgesamt ein wenig viel mit „durchgreifend“ formuliert. Aber wie gesagt: Hat dann letztlich eben – weil die Beweiswürdigung dem Tatrichter „gehört“ – doch für eine Aufhebung nicht gereicht. Dass der Sachverhalt/die Feststellungen befremden reicht dann nicht.

Habe fertig – 2. Teil: Die Druckmaschinen laufen dann auch für „Burhoff, HV, 8. Aufl.“

Burhoff_HVSo, Werbemodus an 🙂 . Nach dem Hinweis auf die Neuauflage für Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl., 2015 (vgl. hier: Habe fertig – die Druckmaschinen laufen für „Burhoff, EV, 7. Aufl.“) dann – fristgemäß – der Hinweis auf die nächste Neuauflage, nämlich Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl. 2015. Die Bezieher meiner Newsletter wissen: 2015 ist eben ein „Handbuchjahr“.

Zum Handbuch, Ermittlungsverfahren, kommt nun auch das Handbuch, Hauptverhandlung, neu, und zwar schon in der 8. Auflage. Kinder, wie die Zeit vergeht.

Was ist nun neu? Nun, dass die seit Erscheinnen der 7. Auflage veröffentlichte und auch nicht veröffentlichte Rechtsprechung eingearbeitet worden ist, ist selbstverständlich. Das gilt natürlich auch für das Schrifttum. Darüber hinaus: Die Neuauflage ist topaktuell. Nachdem der Deutsche Bundestag am 18.06.2015 noch das „Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungshauptverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe“, das als Kernstück eine neue, an die Rechtsprechung des EGMR angepasste Fassung des § 329 StPO enthält, verabschiedet hat, habe ich die dadurch eingetretenen Änderungen, die am 25.07.2015 in Kraft getreten sind (vgl. Heute in Kraft getreten: Änderungen im Berufungsrecht und im RVG) noch in die an sich schon zur Druckfreigabe vorgesehenen Fahnen eingearbeitet. Schneller und aktueller geht es dann kaum.

Die Druckmaschinen laufen dann also auch hier und wenn alles gut geht, müsste das Werk im Oktober am Markt sein. Es ist auch bei diesem Buch beim alten/neuen ZAP-Verlag alles so schnell und reibungslos gegangen, dass wir auch mit ihm zwei Monate vor dem Zeitplan liegen.

Nun, genug geworbe. Jetzt bleibt nur noch der Hinweis auf die Vorbestellmöglichkeit, und zwar hier. 🙂

Und: Natürlich gibt es das bewährte „Burhoff-Paket“, darauf hatte ich ja schon hingewiesen. Es besteht aus der 7. Auflage des „Ermittlungsverfahrens“ und der 8. Auflage der „Hauptverhandlung“. Mit dem Paket spart man rund 40 € gegenüber dem Einzelbezug. Auch das kann man vorbestellen, ebenfalls hier . PaketEVHV

Werbemodus aus 🙂

Berufungsverwerfung: Privatärztliches Attest reicht zur Entschuldigung

© frogarts -Fotolia.com

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Ich habe vor einigen Tagen über den KG, Beschl. v. 04.06.2015 – 3 Ws (B) 264/15 – 122 Ss 73/15 berichtet (vgl. Arztpraxis nicht erreichbar – ok, dann verwerfe ich eben…) sowie über den KG, Beschl. v. 29.06.2015 – 3 Ws (B) 222/15 —162 Ss 36/15, vgl. dazu Niemand anwesend?, ok, dann verwerfe ich eben nach 2 Minuten….) berichtet. In den Kontext passt ganz gut der OLG Köln, Beschl. v. 03.02.2015 – 1 RVs 3/15. Der hat auch eine Verwerfungsproblematik zum Inhalt, allerdings nicht im Bußgeldverfahren, sondern im Berufungsverfahren (§ 329 Abs. 1 StPO). Es geht um die Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung des krankheitsbedingten entschuldigten Fernbleibens von der Hauptverhandlung.

Der Angeklagte war in der Hauptverhandlung ausgeblieben. Seine Berufung ist dann nach § 329 Abs. 1 StPO a.F. verworfen worden. Dagegen hat der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu vorgetragen, dass er  – so die Ausführungen im OLG, Beschluss -, „am 08.09.2014 verhandlungsunfähig gewesen sei. Dieser leide „seit geraumer Zeit an einer nicht näher bezeichneten somatoforme(n) Störung, einer Gastritis, einer Achalasie, sowie an einer anankastischen Persönlichkeitsstörung.“ Hierbei handele es sich um eine chronische Erkrankung, die mit täglichem Erbrechen einhergehe und zu einem starken Gewichtsverlust des Mandanten geführt habe, der aktuell nur noch 46 kg wiege. Am Verhandlungstag sei der Mandant fiebrig, bettlägerig und aufgrund von akuten Brechzuständen nicht in der Lage gewesen, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Zur Glaubhaftmachung hat er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Hausarztes Dr. med. C vom 10.09.2014 für die Zeit vom 08.09.2010 bis zum 10.09.2010 vorgelegt, die eine „Somatoforme Störung, nicht näher bezeichnet, G. {F45.9G}“ ausweist (Bl. 127 d. A.), sowie eine ausführliche ärztliche Bescheinigung vom 17.06.2014, welche sämtliche bislang erhobenen Diagnosen, die Anamnese und Medikationen beschreibt (Bl. 124 ff. d. A.). ….„.

Das LG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen, das OLG hat dann Wiedereinsetzung gewährt. Es verweist nochmals darauf, dass der Begriff der genügenden Entschuldigung nicht eng ausgelegt werden dürfe. Eine Entschuldigung sei dann genügend, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Angeklagten einerseits und seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen, d. h. wenn dem Angeklagten unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen billigerweise nicht zumutbar war und ihm infolge dessen wegen seines Fernbleibens auch nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden könne.  Eine krankheitsbedingte Verhinderung liegt nicht etwa erst dann vor, wenn Verhandlungsunfähigkeit begründet ist. Zur Glaubhaftmachung der Krankheit genügt in der Regel die Vorlage eines privatärztlichen Attestes. Und dann:

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Angeklagte sein Fernbleiben am 8. September 2014 mit den vorgelegten Unterlagen hinreichend entschuldigt.

Dem Gesamtzusammenhang der vorgelegten Atteste und Bescheinigungen vom 17. Juni 2014, 10. September 2014 und 17. September 2014 ist zu entnehmen, dass die gravierende chronische Erkrankung des Angeklagten – somatoforme Störung, nicht näher bezeichnet, G. {F45.9G}, die sich beim Angeklagten u.a. auch in einer Gastritis, einer Achalasie der Speiseröhre, Gewichtsabnahme und Brechzuständen äußert – seit 2013 und auch am 8. September 2014 vorgelegen hat. Ausweislich der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10. September 2014 war der Angeklagte vom 8. bis zum 10. September 2014 arbeitsunfähig aufgrund ebendieser Diagnose. Alle vorgelegten Bescheinigungen sind vom Hausarzt des Angeklagten ausgestellt worden, bei dem er sich seit 2005 in Behandlung befindet. Der Verteidiger hat zudem mitgeteilt, der Angeklagte sei am Verhandlungstag fiebrig und bettlägerig und aufgrund von akuten Brechzuständen nicht in der Lage gewesen, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Gerade diese Brechzustände sind Folgen der beim Angeklagten bestehenden chronischen Erkrankung. Die ärztliche Bescheinigung vom 17. Juni 2014 bescheinigt dem Angeklagten seit 2012 Schluckbeschwerden und Erbrechen. Da die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10. September 2014 dieselbe Diagnose der chronischen Erkrankung enthält, kann hieraus geschlossen werden, dass der Angeklagte am Terminstag tatsächlich an den vom Verteidiger mitgeteilten körperlichen Beschwerden litt. Dabei führt insbesondere das Erbrechen zur Unzumutbarkeit der Terminswahrnehmung. Anhaltspunkte für die Annahme, es handele sich um durch Täuschung erschlichene oder erbetene „Gefälligkeitsatteste“ (vgl. SenE v. 25.04.2002 – Ss 38/02 -), sind nicht ersichtlich.

Nach allem hat der Angeklagte die Unzumutbarkeit einer Teilnahme an der Hauptverhandlung ausreichend glaubhaft gemacht.

Und: Das OLG hat nicht nur Wiedereinsetzung gewährt, sondern das Verfahren auch gleich eingestellt, weil kein wirksamer Eröffnungsbeschluss vorgelegen hat. Das ist doch mal ein Erfolg, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob das OLG einstellen konnte/durfte oder nicht hätte zurückverweisen müssen. Denn duch die Wiedereinsetzung ist die Revision des Angeklagten gegen das Urteil gegenstandslos, insoweit konnte/durfte das OLG also gar nicht prüfen. Habe ich jetzt aber nicht zu Ende gedacht. Und den Angeklagten wird es eh nicht interessieren.