Archiv für den Monat: Juni 2015

Ich behaupte: Es wird nicht reichen Frau Zschäpe

© Haramis Kalfar - Fotolia.com

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In der vergangenen Woche ist mal wieder etwas Leben in das NSU-Verfahren gekommen, von dem man sonst derzeit nur wenig liest/hört. Aber nicht im Hinblick auf die im Verfahren gegen die Angeklagte erhobenen Vorwürfe sondern auf einem „Nebenkriegsschauplatz“ – zumindest in meinen Augen, das mag für die Angeklagte anders sein -, nämlich der Frage der Entpflichtung einer der drei der Angeklagten bestellten Pflichtverteidiger. Die Angeklagte hat nämlich betreffend ihre Pflichtverteidigerin Anja Sturm einen Entpflichtungsantrag gestellt, nachdem sie noch im vorigen Jahr „alle drei Pflichtverteidiger los werden wollte“. Der Spiegel hat dazu formuliert: „NSU-Prozess: Zschäpe will Anwältin Sturm entlassen„.

Und genau das geht nicht. Nicht der Angeklagte entlässt seinen Pflichtverteidiger, sondern der wird von seiner Bestellung/dem Mandat vom Gericht, das ihn ja auch bestellt hat, entbunden. Und dafür liegen die Hürden – aus gutem Grund – hoch. Und m.E. wird das, was Frau Zschäpe offenbar vorgetragen hat – ich kenne den Antrag nicht – nicht für eine Entpflichtung reichen. Wenn ich die Meldungen, die zu diesem Vorgang veröffentlicht worden sind, richtig auswerte, sind es im wesentlichen wohl drei Punkte, die zur Begründung des Entpflichtungsantrags vorgetragen werden (vgl. hier aus der SZ):

  • Öffentliche Erörterung von der  Verteidigerin anvertrauten Informationen in der Hauptverhandlung
  • die Pflichtverteidigerin sei nicht vorbereitet,
  • die Angeklagte werde von der Verteidigerin unter Druck gesetzt.

Das Ganze aber wohl ohne „konkreten Tatsachenvortrag“ und damit ist es m.E. zu dünn, um die gravierende Störung des Vertrauensverhältnisses zur Verteidigerin zu belegen. Mit der oder ähnlichen Begründungen könnte sonst jeder Angeklagte die Entpflichtung seines Verteidigers betreiben und damit letztlich dann ein Verfahren „zum Platzen“ bringen. M.E. wird daher der Senat/der Vorsitzende den Antrag zurückweisen (alles andere wäre für mich überraschend). Da muss schon „etwas mehr Butter bei die Fische“.

Die Frage, die übrigens in dem Zusammenhang dann auch an verschiedenen Stellen diskutiert bzw. aufgeworfen wird (vgl. hier bei spiegel.de) , ob nämlich nun die Verteidigein tätig werden und einen eigenen Entpflichtungsantrag stellen müsse, ich würde sie verneinen. Denn auf Seiten der Verteidigerin liegen – nach allem, wass die Öffentlichkeit weiß – derzeit wohl ebenso wenig Gründe vor, die eine Entpflichtung rechtfertigen würden. Es muss eine „massive“ Störung des Vertrauensverhältnisses gegeben sein und die wird man = sie, die Verteidigerin – sicherlich nicht (allein) damit begründen können, dass Frau Zschäpe ihr das Vertrauen entzogen hat. Denn das wäre dann ein „auf den Kopf gestellter Entpflichtungsantrag“.

Wie die Dinge weiter laufen, muss man sehen. Sie können ggf. ganz schnell eine Eigendynamik entwicklen und dann doch zur Entpflichtung führen. Eine Behauptung wage ich allerdings: Der Senat wird auf keinen Fall alle drei Pflichtverteidiger entlassen/entbinden. Denn das würde bedeuten, dass mit dem Verfahren neu begonnen werden müsste. Und das kann keiner – auch die Nebenkläger nicht – wollen.

Sonntagswitz: Heute mal wieder zu Juristen/Juristerei und so…

© Teamarbeit - Fotolia.com

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In der vergangenen Woche war kein „Jahresgedenktag“, der Anlass sein könnte, zu bestimmten Personengruppen „Stellung zu beziehen“. Aber der 66. DAT, der ist Anlass, mal wieder die Juristen und/oder die Juristerei aufs Korn zu nehmen, nachdem am letzten Sonntag die Politiker daran glauben mussten (vgl. Sonntagswitz: Heute mal ein wenig zu Politikern). Und da sind:

Ein Gast steigt vor einem Hotel aus einem Taxi und sagt zu einem Mann, der am Strassenrand steht: „Bringen Sie bitte mein Gepäck auf Zimmer 107.“
Dieser erwidert: „Bitte entschuldigen Sie, aber ich bin Anwalt!“
Darauf der Hotelgast: „Macht nichts, ich vertraue Ihnen trotzdem!“


Ein Mandant fragt seinen Rechtsanwalt: „Was halten Sie davon, wenn ich dem Richter einen Tag vor unserer Verhandlung einen großen Geschenkkorb mit meiner Visitenkarte schicke?“
Der Rechtsanwalt ist entsetzt: “ Ja nicht! Wir würden den Fall sofort wegen Bestechung verlieren!“
Als der Prozess gewonnen ist meint der Mandant: „Herr Anwalt, ich habe Ihren Rat nicht befolgt und den Korb doch geschickt…“
Für den Rechtsanwalt bricht eine Welt zusammen: „Das glaube ich nicht! Unser Richter ist bestechlich?“
Der Mandant meint: „Wohl eher nicht, ich habe die Visitenkarte vom Gegner in den Geschenkkorb gelegt.“


Nach dem sehr langen Plädoyer fragt der Verteidiger seinen Mandanten: „Na, war ich gut?“
Knurrt der zurück: „Das schon, aber in der Zwischenzeit hätte ich die Hälfte meiner Strafe absitzen können“.


und dann war da noch:

Richter: „Das Gericht ist bereit, ihnen einen Pflichtverteidiger zu bestellen“.
Angeklagter: „Ein Entlastungszeuge wäre mir lieber!“

Wochenspiegel, für die 24. KW., das war NSU, der Verlust der Akten, Whats-App und Sex im Erlebnisbad

© Aleksandar Jocic - Fotolia.com

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In der vergangenen Woche hat in HH der 66. DAT stattgefunden, liegt ja von Münster aus praktisch vor der Tür, so dass ich der schönen Statd im Norden – fast so schön wie Münster 🙂 🙂 – einen Besuch abgestattet habe. Das bot sich an, da am Nachmittag der Abschluss des Relaunch der (neuen) ZAP ein wenig gefeiert worden ist. Mittags blieb dann noch Zeit für ein Essen mit dem „Blogwart“ und einer „Maus“, die danach in einem brennenden Zug gesessen hat. Und heute ist dann Zeit für den nächsten Wochenspiegel, mit Hinweisen auf interessante Postings, nämlich auf:

  1. mal wieder auf das NSU-Verfahren, das für mich inzwischen „im Verborgenen“ abläuft = von der Öffentlichkeit kaum noch wahr genommen wird, mit: Zschäpe Antrag: Die Möchtegern-Juristin, und dazu – außer der Reihe – Beate Zschäpes Zwist mit Verteidigerin: Wohlformuliertes Misstrauen und Zwist mit Verteidigung: Zschäpes Antrag des Misstrauens – von G.Friedrichsen, vgl. auch noch: NSU-Reihe: Reden ist Silber – Schweigen ist Gold,

  2. Hilfe Herr Anwalt – wir haben die Akten verschlampt und die sich daraus ergebende Frage, inwieweit der Verteidiger ggf. verpflichtet ist, einer soclhen Bitte anchzukommen, oder auch nicht (wird übrigens – natürlich – auch in meinem „Handbuch für das strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., „, behandelt,

  3. Der GBA klärt auf – aber anders als man denkt: Der Generalbundesanwalt klärt auf: Deutschland ist ein Staat…,

  4. Der Kuss als sexueller Missbrauch eines Kindes?,

  5. Spam-Mails und Strafrecht,

  6. Vorratsdatenspeicherung – Bundesregierung legt verfassungswidrigen Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vor – die Fragen werden uns sicherlich noch länger beschäftigen,

  7. aus der Reihe: Rechtsmittel durch E-Mail?: LG Gie­ßen: Keine Rechts­mit­tel­ein­le­gung durch ein­fa­che E-Mail mit PDF-Anhang,

  8. mal wieder einen Robenstreit – in Bayern: Anwaltsrobe in Augsburg und München – regionale Unpässlichkeiten,

  9. IT-Sicherheit – WhatsApp Account ganz leicht geknackt,

  10. und dann war da noch: Sex im Erlebnisbad.

Hast du eine schwedische Fahrerlaubnis, ja oder nein? Darum muss man sich selbst kümmern….

© sashpictures - Fotolia.com

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Für mich sind die mit der/einer ausländischen Fahrerlaubnis zusammenhängenden Fragen inzwischen unüberschaubar, das Dickicht/das Gestrüpp kann man m.E. kaum noch durchdringen, wenn es darum geht: Hat der Betroffene nun eine ausländische Fahrerlaubnis, die ggf. hier in der BUndesrepublik anerkannt werden muss. Um die Frage ging es auch im VGH Bayern, Beschl. v. 28.04.2015 – 11 ZB 15.220, und zwar mal nicht bezogen auf eine polnische oder tschechische Fahrerlaubnis, sondern bezogen auf eine schwedische. Nachdem dem Kläger hier in der Bundesrepublik in mehreren Verfahren die Fahrerlaubnis entzogen worden war, hatte er beantragt, ihm das Recht zu erteilen, von (s)seiner schwedischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Das Kraftfahrt-Bundesamt übermittelte dem zuständigen Landratsamt u.a. ein Schreiben der schwedischen zentralen Fahrerlaubnisbehörde „Transport Styrelsen“ vom 25. 08. 2011. Darin wurde mitgeteilt, der Kläger besitze keine gültige schwedische Fahrerlaubnis. Er könne diese aber unter erleichterten Bedingungen erwerben, wenn er seinen Wohnsitz in Schweden habe. Die Anerkennung wurde versagt. Dagagen hat der Kläger Klage erhoeben. Im Verfahren gin es dann um die Richtigkeit dieser Auskunft:

„a) Den Antrag auf Anerkennung des Rechts, von der schwedischen Fahrerlaubnis in Gestalt des am 6. Januar 2007 ausgestellten Führerscheins in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, hat die Fahrerlaubnisbehörde zu Recht abgelehnt, weil der Kläger nicht über eine gültige EU-Fahrerlaubnis verfügt. Nach § 28 Abs. 5 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 2014 (BGBl S. 2213), wird das Recht, von einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis nach einer der in Absatz 4 Nummer 3 und 4 genannten Entscheidungen im Inland Gebrauch zu machen, auf Antrag erteilt, wenn die Gründe für die Entziehung oder die Sperre nicht mehr bestehen. Voraussetzung dafür ist, dass die EU-Fahrerlaubnis grundsätzlich geeignet ist, eine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland nach 28 Abs. 1 Satz 1 FeV zu vermitteln. Das ist hier aber nicht der Fall, denn die nunmehr zuständige schwedische zentrale Fahrerlaubnisbehörde „Transport Styrelsen“ hat mit Schreiben vom 25. August 2011 mitgeteilt, dass der Kläger keine gültige schwedische Fahrerlaubnis besitzt.

Soweit der Kläger geltend macht, diese Auskunft sei unzutreffend und er verfüge über eine gültige schwedische Fahrerlaubnis, so fehlt es dafür an einem von ihm beizubringenden Nachweis. Nach § 28 Abs. 5 Satz 2 FeV findet auf das Verfahren zur Erteilung des Rechts nach § 28 Abs. 5 Satz 1 FeV, § 20 Abs. 1 und 3 FeV entsprechend Anwendung. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV gelten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht die Vorschriften für die Ersterteilung. Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde zu ermitteln, ob Bedenken gegen die Eignung des Bewerbers zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen und er bereits im Besitz einer Fahrerlaubnis ist oder war. Hinsichtlich des Verfahrens kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 22 Abs. 2 Satz 3 FeV Auskünfte aus den entsprechenden ausländischen Registern einholen oder nach § 22 Abs. 2 Satz 4 FeV bei bestehenden Anhaltspunkten, dass die Angaben über den Vorbesitz einer ausländischen Fahrerlaubnis nicht zutreffen, einen ausländischen Registerauszug durch den Bewerber auf dessen Kosten beibringen lassen. Hier hat die Fahrerlaubnisbehörde über das Kraftfahrt-Bundesamt eine Anfrage an die schwedische Fahrerlaubnisbehörde gestellt, um zu klären, ob der Kläger über eine gültige schwedische Fahrerlaubnis verfügt. Die schwedische Fahrerlaubnisbehörde hat daraufhin schriftlich mitgeteilt, dass der Kläger über keine Fahrerlaubnis verfüge. Die deutsche Fahrerlaubnisbehörde hat damit ihrer Aufklärungspflicht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 FeV Genüge getan. Die Behauptung des Klägers, die schwedische Botschaft habe telefonisch eine andere Rechtsmeinung vertreten, da es durch die Neuorganisation der schwedischen Fahrerlaubnisbehörden eventuell zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, reicht nicht aus, um die schriftliche Auskunft der zuständigen Behörde zu erschüttern. Es ist Aufgabe des Klägers und nicht der deutschen Fahrerlaubnisbehörde, mit den schwedischen Behörden zu klären, ob er entgegen der schriftlichen Auskunft doch über eine gültige schwedische Fahrerlaubnis verfügt.“

Rückwärts fahrender LKW/falsch fahrender Radfahrer – wie wird gehaftet?

FahrradfahrerAus der Reihe: Wie wird gehaftet?“ weise ich heute auf das OLG Saarbrücken, Urt. v. 22.01.2015 – 4 U 69/14 hin. Er kommt bei der Konstellation: Rückwärts in eine Grundstückseinfahrt einbiegender Lkw mit einem einen Radweg in der falschen Richtung befahrenden Radfahrerin, zu der für mich ein wenig überraschenden vollen Haftung des LKW-Fahrers. Das begründet das OLG mit

  • der Betriebsgefahr beim LkW,
  • einem Verstoß des Lkw-Fahrers gegen § 9 StVO,

kein Verschulden des Radfahrerin, das insbesondere nicht in der Benutzung des Radwegs in der nicht angezeigten „falschen“ Richtung besteht, da die Richtung eines Radwegs nur den Gegen-, nicht aber den kreuzenden Verkehr schützt.

Überraschend, jedenfalls für mich, aber ich kann ja auch kein Zivilrecht 🙂 . Die Radfahrerin selbst war übrigens wohl nur von einer Haftungsquote von 75% zu ihren Gunsten ausgegangen und hatte erst gar nicht mehr beantragt.