Archiv für den Monat: Juni 2015

Zwischenbericht zu den „Torgauer Zuständen“ bei der Aktenversendungspauschale

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Ende April hatte ich u.a. unter: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Sind das “Torgauer Zustände” oder wie läuft das mit der Aktenversendungspauschale? über einen Streit eines Kollegen in Torgau mit den dortigen Ermittlungsbehörden über die Aktenversendungspauschale berichtet (ja, das war die Sache mit dem „Fladenzores-Kommentar“. Der Kollege hatte gegen den gegen ihn erlassenen Kostenbescheid Erinnerung eingelegt, über die inzwischen das AG Torgau entschieden hat. Das gibt im AG Torgau, Beschl. v. 30.04.2015 – 2 Gs 65/15 – hinsichtlich des Anfalls der Aktenversendungspauschale der Staatsanwaltschaft Recht:

„Die zulässige Erinnerung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Aktenversendungspauschale ist zu erheben. Nach Zff 9003 KV GKG ist sie zu erheben „… für die bei der Versendung von Akten auf Antrag anfallenden Auslagen an Transport- und Verpackungskosten“. Durch die Versendung der Akte an die Kanzlei des Erinnerungsführers per Post sind derartige Kosten entstanden.

Es liegt auch kein Fall des § 21 GKG vor, wonach bei unrichtiger Sachbehandlung Kosten nicht zu erheben sind. Der Erinnerungsführer kann sich nicht darauf berufen, dass er zur Vermeidung dieser Kosten die Versendung in sein Anwaltsfach beantragt hatte. Denn er unterhält bei der Staatsanwaltschaft kein solches. Ein Anspruch auf Versendung der Akte an eine andere Justizbehörde – hier das AG Torgau -, bei welcher für den Erinnerungsführer ein Anwaltsfach eingerichtet ist, besteht hingegen nicht. Zwar kann die Staatsanwaltschaft diesen Verfahrensweg unter Hinzuziehung einer nicht an dem Ermittlungsverfahren beteiligten Justizbehörde – das räumlich von der Staatsanwaltschaft Leipzig Zweigstelle Torgau ca. 3 km entfernte AG Torgau – beschreiten. Sie ist hierzu jedoch nicht verpflichtet.

Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die Versendung per Post zu bewerkstelligen, ist auch nicht willkürlich. Denn es existiert kein Rechtsanspruch auf Versendung der Akten an eine andere Justizbehörde, bei der der Erinnerungsführer ein Fach unterhält. Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft bei Vorlage der Akten an das Gericht ausgeführt, dass allen Rechtsanwälten, die die Aktenversendungspauschale auch bei Einlage in beim Amtsgericht Torgau geführte Gerichtsfächer nicht zahlen (die Rechtmäßigkeit dieses Kostenansatzes ist streitig, das Landgericht Leipzig hat sich hierzu in mehreren dort anhängigen Verfahren noch nicht in der Sache positioniert) Akten nur noch durch Postversand überlassen werden.

Zur Vermeidung der Kostenlast hätte der Erinnerungsführer anbieten können, die Akten am Sitz der Staatsanwaltschaft, welche sich ca. 1 km von seiner Kanzlei befindet, abzuholen.“

Wir werden dazu dann demnächst aus Leipzig hören.

Berufsbild Richter – 10 Fragen und 10 Antworten

MikrofonVor einiger Zeit hat mich die Bitte des Blog-Kollegen Jean-Marc Chastenier vom Blog bei „Gesetze-und-Recht.de“ erreicht, ihm ein Interview zum Thema „Berufsbild des Richters“ zu geben, um das dann in seinem Blog einzustellen. Ich habe nicht lange gezögert, warum auch, obwohl ich vielleicht nicht der ganz richtige Ansprechpartner bin/war. Oder vielleicht doch? 🙂 Jedenfalls habe ich inzwischen die 10 Fragen beantwortet und das Intervie ist auch bereits online.

Das „Gesetze-und-Recht.de-Blog“ führt dazu ein mit:

„Was macht eigentlich einen guten Richter aus? Welche Vor- und Nachteile, Chancen und Tücken, Ängste und Hoffnungen bringt das Richteramt mit sich? Gibt es bestimmte Charaktereigenschaften die einen Richter besonders qualifizieren? Diesen und weiteren Fragen stellt sich Detlef Burhoff in diesem Interview zum Berufsbild des Richters. Herr Burhoff ist Richter am Oberlandesgericht Hamm gewesen, hat sich als Autor von juristischer Fachliteratur einen Namen gemacht und betreibt seine eigene gut besuchte Internetpräsenz, auf welcher er regelmäßig über straf-, owi- und gebührenrechtliche Themen berichtet. Dieses Interview soll einen kleinen und ersten Einblick darin geben, was ein Richter tut und mit welchen alltäglichen Problemen und Hindernissen er sich konfrontiert sieht…

Wen ees interessiert, was ich meine/gesagt habe, der kann es hier nachlesen…“Interview zum Richterberuf„. Ich bin gespannt, ob und welche Kommentare ich bekomme. Ich erinnere daran, dass ich nicht jeden Kommentar kommentiere 🙂 .

Wenn der Wahlanwalt kommt, muss der Pflichtverteidiger i.d.R. gehen

© ernsthermann - Fotolia.com

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Im Moment stehen aufgrund der „Ereignisse“ im Münchner NSU-Verfahren (vgl. dazu mein Posting: Ich behaupte: Es wird nicht reichen Frau Zschäpe und das Posting zu weiteren Entwicklung vom „Terrorismus-Blog unter: Konflikt um Zschäpe-Verteidigerin spitzt sich zu) mal wieder Pflichtverteidigungsfragen im Fokus. Daher dann hier jetzt der Hinweis auf den OLG Dresden, Beschl. v. 05.06.2015 – 3 Ws 47/15, der sich (auch) mit der Frage der Entpflichtung eines Pflichtverteidigers befasst. Allerdings unter anderen Voraussetzungen, nämlich hinsichtlich der Frage: Was ist mit der Pflichtverteidigerbestellung, wenn sich der Beschuldigte einen Wahlanwanlt genommen hat?

Nun, die Frage ist in § 143 StPO geregelt, und zwar eindeutig. Dann „ist“ die Bestellung zurückzunehmen. Und das ist – wie das OLG Dresden ausfeührt – „grundsätzlich zwingend“. Dazu dann weiter:

„Eine Ausnahme von dieser Regel wird nur für den Fall zu machen sein, wenn konkrete Gründe für die Annahme vorhanden sind, andernfalls sei die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung nicht mehr gewährleistet. Hierfür bietet der Akteninhalt keine Anhaltspunkte. Die Berufungskammer hat die in der Sache für erforderlich angesehenen Verhandlungstermine mit dem Wahlverteidiger abgesprochen. Dass er sie nicht wahrnehmen wird oder kann, ist nicht zu befürchten.

Ein im Sinne des § 143 StPO unabwendbares Bedürfnis, die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers abzulehnen, besteht auch nicht deswegen, weil zu befürchten wäre, dass der Wahlverteidiger das Mandat wegen Mittellosigkeit des Angeklagten alsbald wieder niederlegen wird (Meyer-Goßner/Schmitt, § 143 Rn. 2). Zwar ist davon auszugehen, dass der Angeklagte die aus der Wahlverteidigung anfallenden Gebühren aus eigenen Mitteln nicht zu begleichen vermag; indes hat der Wahlverteidiger ausdrücklich und mehrfach schriftlich versichert, „keinen Pflichtverteidigungsantrag“ stellen zu wollen, weil seine Kosten anderweitig gedeckt seien. Der Senat hat keinen Anlass, an dieser Erklärung zu zweifeln. Die Befürchtung des Landgerichts, die „Verzichtserklärung“ des Wahlverteidigers beziehe sich nur auf die bisher angesetzten und mit dem Wahlverteidiger abgesprochene drei Verhandlungstage und werde für den Fall einer sich ausdehnenden Berufungshauptverhandlung u. U. zurückgenommen werden, vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Der Wahlverteidiger hat seine Erklärung in Kenntnis der Sach- und Rechtslage des Verfahrens abgegeben und weiß deshalb, mit welchem Verfahrenslauf, zumindest aus seiner Sicht, zu rechnen ist.“

Bezogen auf das NSU-Verfahren: Selbst wenn Frau Zschäpe sich einen Wahlverteidiger suchen und dieser das Mandat annehmen würde, würde das m.E. an der Bestellung der drei bisherigen Pflichtverteidiger nichts ändern. Man wird eine „Ausnahme“ von der Regel des § 143 StPO annehmen und die dann zmit der bisherigen Prozessdauer und dem Prozessverlauf, in den die Pflichtverteidiger eingearbeitet sind, begründen.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie kann ich denn nun die Beratung des Mandanten zu einer Strafanzeige abrechnen?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Am vergangenen Freitag hatte ich die Frage gestellt: Ich habe da mal eine Frage: Wie kann ich denn nun die Beratung des Mandanten zu einer Strafanzeige abrechnen?. Da ging es um die Abrechnung einer Beratung eines Mandanten „wegen der Erfolgsaussichten einer bereits von einer anderen Kollegin gefertigten Strafanzeige wegen Rechtsbeugung“. Die Kollegin, die mich gefragt hatte, war sich nicht sicher, ob § 34 RVG Anwendung findet oder nach welchen Vorstellungen sonst abgerechnet wird.

Nun, ganz sicher war ich mir erst auch nicht und hatte an eine Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG gedacht. Aber – da hatte die fragende Kollegin dann mit ihrem Einwand Recht: Das passt nicht. Und so bleibt wohl wirklich nur § 34 RVG. Und da die Kollegin „keine Vereinbarung getroffen“ hat, greift die Verweisung des § 34 Abs. 1 Satz 2 RVG und damit der Weg ins BGB auf § 612 Abs. 2 BGB. Abgerechnet werden kann/darf dann die „übliche“ Vergütung.

Nun, da kann ich nur sagen: Viel Spaß, und/oder: Ein schönes Beispiel dafür, dass es an manchen Stellen ohne eine Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG) nicht geht.

Pflichtverteidiger für den inhaftierten Mandanten auch nach Verfahrenseinstellung

© psdesign1 - Fotolia.com

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Nach dem Beitrag zum Entpflichtungsantrag im NSU-Verfahren (vgl: Ich behaupte: Es wird nicht reichen Frau Zschäpe) dann noch eine Pflichtverteidigungsfrage, aber dann dann aus dem „juristischen Alltag“. Also keine Revolution im Recht der Pflichtverteidigung  ist der LG Trier, Beschl. v. 02.06.2015 – 5 Qs 34/15, er ruft aber noch einmal zwei Punkte ins Gedächtnis, die man als Verteidiger nicht übersehen sollte. Grundlage ist folgender Sachverhalt: Die Staatsanwaltschaft führte gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie des Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz. Der Beschuldigte befindet sich in einem weiteren gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren seit dem 18.02.2015 in Untersuchungshaft. Aufgrund einer Verfügung der Staatsanwaltschaft sollte der Beschuldigte im Verfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a. verantwortlich vernommen werden. Der Beschuldigte ließ erklären, er werde über seine Verteidigerin eine Einlassung abgeben. Mit Schreiben vom 31. 03. 2015 beantragte diese Akteneinsicht und stellte am 22.04.2015 den Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidigerin im Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a. Durch Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 29.04.2015 wird das vorliegende Verfahren vorläufig gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt im Hinblick auf die in dem Verfahren, in welchem sich der Beschuldigte seit dem 18.02.2015 in Untersuchungshaft befindet, zu erwartende Verurteilung. Mit gleicher Verfügung übersandte die Staatsanwaltschaft die Akte an das Amtsgericht zur Entscheidung über den Antrag der Verteidigerin auf Beiordnung als Pflichtverteidigerin. Dieses lehnte die Beiordnung unter Hinweis darauf ab, dass im Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a. zu keinem Zeitpunkt Untersuchungshaft vollstreckt worden sei, weshalb die Voraussetzungen einer Beiordnung gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO nicht vorlägen. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel hatte beim LG Erfolg  Dieses sagt:

  1. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist jedenfalls dann rückwirkend nach Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO zulässig, wenn der Antrag auf gerichtliche Beiordnung, vor Verfahrensabschluss gestellt wurde und die Voraussetzungen des § 140 StPO zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen haben
  2. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO gilt auch dann, wenn gegen den Beschuldigten in einem anderen Ermittlungsverfahren Untersuchungshaft vollstreckt wird.

Dazu zunächst: Entgegen der h.M. in der Rechtsprechung der OLG geht das LG – m.E. zutreffend – wie viele andere LG auch in der vorliegenden Fallgestaltung vergleichbaren Konstellationen davon aus, dass auch nachträglich noch ein Pflichtverteidiger bestellt werden kann/muss. Sie ziehen sich nicht auf den Satz: Die Pflichtverteidigung sei nicht im Kosteninteresse des Rechtsanwalts/Verteidigers eingeführt, zurück.

Und: Auch hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO liegt die landgerichtliche Entscheidung auf der Linie der h.M. in der Rechtsprechung (OLG Frankfurt StV 2011, 218 m. zust. Anm. Burhoff StRR 2011, 23; OLG Hamm StV 2014, 274; LG Frankfurt am Main StV 2013, 19 [Ls.]LG Heilbronn StV 2011, 222; LG Itzehoe StV 2010, 562; LG Köln NStZ 2011, 56; LG Nürnberg-Fürth StV 2012, 658; LG Stade StV 2011, 663 [Ls.]; einschränkend LG Bonn NStZ-RR 2012, 15 m. zust. Anm. Heydenreich StRR 2012, 103 [nur, wenn in dem anderen Verfahren gegen den Beschuldigten auch tatsächlich ermittelt wird]).

Abschließend ein vorsorglicher Hinweis: Die Verteidigerin hatte in ihrem Beschwerdeschriftsatz „lege ich Beschwerde ein“ formuliert. Diese Formulierung ist gefährlich, weil dem Verteidiger kein eigenes Rechtsmittel gegen die nicht erfolgte Bestellung zusteht sondern, nur dem Beschuldigten/Mandanten. Daher sollte eindeutig(er) formuliert werden, dass entweder „der Beschuldigte ….“ das Rechtsmittel einlegt oder eben „lege ich für den Beschuldigten…“. Das erspart dem Beschwerdegericht „Klimmzüge“ hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels, da das Rechtsmittel dann auf jeden Fall zulässig ist.