Archiv für den Monat: Dezember 2014

Wie lange läuft ein Einschreiben mit Rückschein?

© Stefan Rajewski Fotolia .com

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Nicht nur im Strafverfahren ist die Frage von Bedeutung, welchen Zeitlauf man für die Zustellung eines Einschreibens bzw. für die Zustellung eines Einschreibens mit Rückschein ansetzen muss. Das kann, wenn es zu einer Fristversäumung gekommen ist, von erheblicher Bedeutung bei der Beantwortung der insoweit sich dann häufig stellenden Frage sein, ob der Verurteilte/Angeklagte oder sonstige Verfahrensbeteiligte auf den rechtzeitigen Zugang seines Schreibens vertrauen durfte. Damit hat sich vor kurzem das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 16.10.2014 – 3 Ws 357/14 – befasst. Es sieht die Dinge weiter als das OLG Frankfurt am Main es vor einiger Zeit getan hat, und zwar nach Auswertung der Homepage der Deutschen Post:

„Dem Beschwerdeführer war von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er ohne sein Verschulden gehindert war, die einwöchige Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde einzuhalten.

Mit Aufgabe seines Beschwerdeschriftsatzes vom 28. August 2014 am 1. September 2014 zur Post durfte er darauf vertrauen, dieses Schreiben werde das Landgericht Bielefeld noch am nächsten Tag erreichen; dies wäre rechtzeitig gewesen.

Hierbei handelt es sich auch nicht um eine nicht schutzwürdige, bloße Hoffnung auf den rechtzeitigen Zugang. Denn ausweislich der frei im Internet abrufbaren Antworten auf häufig gestellte Fragen von Kunden der Deutschen Post gilt für die Zustellung eines Einschreibens ebenso wie für die Zustellung eines Einschreibens mit Rückschein die Laufzeitvorgabe E+1 (1 Tag nach Einlieferung). Diese Vorgabe wird an anderer Stelle dahin konkretisiert, dass sie zeige, „wie viele Briefe aus Ihrer Region bundesweit einen Tag nach Einlieferung in unser Logistiknetz beim Empfänger zugestellt werden“. Für die Region „58 Hagen“, in der der Beschwerdeführer wohnt (…# T), gibt die Deutsche Post einen Anteil von 94 % für die Laufzeitvorgabe E+1 an. Bei einem derart hohen Anteil wird die Erwartung begründet, dass diese Laufzeit eingehalten wird; es kann danach grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass, wenn keine Besonderheiten vorliegen, Postsendungen, die an einem Werktag aufgegeben werden, am folgenden Werktag beim Empfänger eingehen ( so schon Senat, Beschluss vom 19. April 2010, III-3 Ws 179, 180/10 (juris); Beschluss vom 17. Februar 2009, 3 Ws 37, 38/09, NJW 2009, 2230 jeweils für eine Quote von 95 %).

Nachdem – wie ausgeführt – die Deutsche Post zumindest gegenwärtig ausdrücklich weder für Einschreiben noch für Einschreiben mit Rückschein eine andere Quote benennt, besteht keine Rechtfertigung zu einer abweichenden Beurteilung bei diesen Übersendungsarten aufgrund von besonderen Kontrollen, denen eine solche Sendung unterliege (so noch OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. Dezember 2010, 3 Ws 1142/10, NStZ-RR 2011, 116 sowie KG, Beschluss vom 10. Mai 2005, 3 Ws 186/05, NStZ-RR 2006, 142).“

Adventskalender Tür 10: Und noch ein Gedicht, bzw.: Da mache ich einen Reim drauf

© Lucky Dragon Fotolia.com

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Die Advents- und Weihnachtszeit ist die Zeit der Gedichte. Daher tauchen um diese Zeit in den Blogs immer wieder „juristische Gedichte“ auf, quasi als Dauerbrenner – passt auch zu den Kerzen am Adventskranze. Zu diesen „Gedichten“ – Postings – gehört das AG Höxter, Urt. v. 21.06.1995 – 8 Cs 47 Js 655/95 -, das gerade auch beim Kollegen Jansen gelaufen ist (vgl. hier das Posting: Urteil als Gedicht – die Trunkenheitsfahrt des AG Höxter). Und hier dann das „Gedicht“:

Am 3. 3. 95 fuhr mit lockerem Sinn
der Angeklagte in Beverungen dahin.

Daheim hat er getrunken, vor allem das Bier
und meinte, er könne noch fahren hier.

Doch dann wurde er zur Seite gewunken.
Man stellte fest, er hatte getrunken.

Im Auto tat’s duften wie in der Destille.
Die Blutprobe ergab 1,11 Promille.

Das ist eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt,
eine Straftat, und mag das auch klingen hart.

Es steht im Gesetz, da hilft kein Dreh,
§ 316 I und II StGB.

So ist es zum Strafbefehl gekommen.
Auf diesen wird Bezug genommen.

Der Angeklagte sagt, den Richter zu rühren:
„Das wird mir in Zukunft nicht wieder passieren!“

Jedoch es muß eine Geldstrafe her,
weil der Angeklagte gesündigt, nicht schwer.

30 Tagessätze müssen es sein
zu 30,- DM. Und wer Bier trinkt und Wein,
dem wird genommen der Führerschein.
Die Fahrerlaubnis wird ihm entzogen,
auch wenn man menschlich ihm ist gewogen.

Darf er bald fahren? Nein, mitnichten.
Darauf darf er längere Zeit verzichten.

5 Monate Sperre, ohne Ach und Weh,
§§ 69, 69a StGB.

Und schließlich muß er, da hilft kein Klagen,
die ganzen Verfahrenskosten tragen,
weil er verurteilt, das ist eben so,§ 465 StPO.

Nett, vor allem schön zu sehen, dass der Richter offenbar Zeit hatte, um sein Urteil so abzusetzen. Und der Verteidiger übrigens auch. Denn der hat Rechtsmittelverzicht erklärt – auch in Reimform. Nachzulesen beim Kollegen Jansen.

Die Entscheidung beweist: Bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren gibt es „Verteidigungspotential“.

 © lassedesignen Fotolia.com

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Ein wenig stifemütterlich behandelt habe ich in der letzten Zeit die „Rubrik“ „Bußgeldverfahren/OWi“. Da kommt es mir gerade Recht, dass ich auf den in meinem Blogordner hängenden und auf eine Veröffentlichung wartenden KG, Beschl. v. 27.10.2014 – 3 Ws (B) 467/14 stoße. Nichts Revolutionäres, aber eine recht schöne Zusammenfassung der Grundsätze der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit den Leitsätzen:

  1. Die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tachometer ist kein standardisiertes Messverfahren. 
  2. Der Tatrichter muss daher grundsätzlich mitteilen, wie lang die Messtrecke und wie groß der Verfolgungsabstand war.
  3. Bei Dunkelheit sind in der Regel Darlegungen zu den Sichtverhältnissen erforderlich. Die von der Rechtsprechung entwickelten Richtwerte für die Messstrecke und den Verfolgungsabstand sind nicht starr anzuwenden. Abweichungen und Unklarheiten können durch weitere Feststellungen kompensiert werden.

die im Wesentlichen auf folgenden Ausführungen des KG basieren:

„Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters, dessen Überzeugungsbildung das Rechtsbeschwerdegericht nur darauf prüft, ob sie auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Dies ist namentlich der Fall, wenn sie mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen oder unbezweifelbarem Erfahrungswissen unvereinbar ist, Widersprüche oder sonstige Verstöße gegen die Gesetze der Logik enthält oder Lücken aufweist, sich insbesondere nicht mit nahe liegenden alternativen Geschehensabläufen befasst, obwohl sich dies nach dem Beweisergebnis aufdrängt (vgl. BGH NJW 2007, 384). Für die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist anerkannt, dass sie als Beweis für eine Geschwindigkeitsüberschreitung auch dann ausreichen kann, wenn der Tachometer des nachfahrenden Fahrzeugs ungeeicht und nicht justiert war. Wie der zumindest überwiegende Teil der oberlandes-gerichtlichen Rechtsprechung hält der Senat die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tachometer allerdings nicht für ein standardisiertes Messverfahren (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, § 3 StVO 42. Aufl., Rn. 56b) im Sinne der Rechtsprechung (vgl. BayObLG DAR 1996, 323; OLG Hamm DAR 1998, 75; OLG Koblenz DAR 1994, 248; Thüringisches OLG VRS 111, 195; a. A. wohl BGH NJW 1993, 3081), so dass sich der Tatrichter in jedem Einzelfall mit der Zuverlässigkeit der Messung und der Einhaltung der Voraussetzungen für die Verwertbarkeit auseinandersetzen muss. Insoweit hat die Rechtsprechung Richtlinien für die beweissichere Feststellung einer durch Nachfahren ermittelten Geschwindigkeitsüberschreitung entwickelt. Danach müssen die Messstrecke ausreichend lang und der Abstand des nachfolgenden Fahrzeugs gleich bleibend und möglichst kurz sein; zugleich muss die Geschwindigkeitsüberschreitung wesentlich sein (vgl. Zusammenstellung und Nachweise bei Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche Owi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 1369, 1540). Bei in Dunkelheit oder schlechten Sichtverhältnissen durchgeführter Messung sind zusätzlich Angaben über die Beobachtungsmöglichkeiten der Polizeibeamten erforderlich (BayObLG DAR 2000, 320; OLG Hamm DAR 2002, 176). Für die hier festgestellten Rahmenbedingungen gilt im Einzelnen: Bei Geschwindigkeiten von 100 km/h und mehr sollen die Urteilsfeststellungen belegen, dass die Messstrecke nicht kürzer als 500 Meter war (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2001 – 3 Ws (B) 516/01 – [juris]; OLG Bamberg DAR 2006, 517; OLG Braunschweig DAR 1989, 110). Bei Geschwindigkeiten über 90 km/h soll der Verfolgungsabstand nicht mehr als 100 Meter betragen (vgl. BayObLG DAR 1996, 288; OLG Düsseldorf NZV 1990, 318; Thüringisches OLG aaO). Je kürzer die Messstrecke ist, desto genauere Angaben sind im Urteil über den Abstand zu machen (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg DAR 1977, 52; Schleswig-Holsteinisches OLG VerkMitt 1974, Nr. 42).“

Die Entscheidung beweist mal wieder: Bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren gibt es „Verteidigungspotential“.

Strafzumessung: Da müsste sich an sich die Tastatur sträuben

© Dan Race Fotolia .com

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OK, Strafzumessung ist schwer – wirklich? -, jedenfalls häufig für den Bestand eines Urteils nicht „ungefährlich“. Das zeigen dann die relativ häufigen Aufhebungen von Rechtsfolgenaussprüchen durch den BGH. Allerdings ist Strafzumessung m.E. nicht so schwer, dass man als Tatgericht nicht den ein oder anderen Fallstrick kennen sollte. Und das ist leider (manchmal) nicht der Fall. Das beweist m.E. mal wieder das BGH, Urt. v. 21.08.2014 – 3 StR 203/14 –, in dem es letztlich um einen allgemeinen Grundsatz der Strafzumessung geht, den der BGH mit zwei Sätzen erledigt, nämlich:

„2. Auch die wegen Tötung durch Unterlassen verhängte (Einzel-)Freiheitsstrafe hat keinen Bestand.

Das Landgericht hat bei deren Bemessung den Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt und von dessen Milderung nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB abgesehen. Dabei ließ es sich „entscheidend von der Über-legung leiten, dass die Angeklagte den schweren Taterfolg in Gestalt des Todes eines Menschen unschwer hätte verhindern können“. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, denn das Landgericht hat damit das strafbegründende Unterlassen selbst zugleich als Grund für die Versagung der Strafmilderung herangezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 1997 – 4 StR 487/97, NStZ 1998, 245).“

Sollte man wissen und vor allem beachten. Müsste sich an sich die Tastatur sträuben, so etwas zu schreiben.

Adventskalender Tür 9: Was beweist ein dicker Bauch bei Jurastudentinnen?

entnommen wikimedia.org Urheber SolLuna - Own work CC BY-SA 3.0

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Urheber SolLuna – Own work
CC BY-SA 3.0

Nun, was beweist ein Dicker Bauch bei Jurastudentinnen? Dazu gibt es die Antwort bei LTO im Artikel: Jurastudium und Referendariat mit KindMit dem Kinderwagen zur Klausurrückgabe,, in dem es u.a. heißt: „Ein dicker Bauch zeugt bei Jurastudentinnen eher von zu viel Zeit am Schreibtisch oder am Schokoautomaten als von einer baldigen Geburt. In kaum einer anderen Fachrichtung kommen so wenige Kinder während des Studiums zur Welt – was auch am strengen juristischen Prüfungsrecht liegt. Eine Übersicht über die wichtigsten Fragen für werdende Juristen, die sich dennoch für die frühe Elternschaft entscheiden.“ Zum ganzen Artikel dann hier…..