Archiv für den Monat: September 2014

Verkehrsinseln in Pink….

entnommen wikimedia.org Urheber GoeggiSams

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Verkehrsinseln in Pink? Der ein oder andere Leser wird sich fragen: Was ist das denn? Habe ich eine Änderung der StVZO/StVO übersehen/verschlafen. Nein, haben Sie nicht. Sondern das ist der Hinweis auf einen Zahlendreher mit Folgen, allerdings nicht in Deutschland, sondern in den Niederlanden. Im niederländischen Ort Wijchen hat nämlich ein Beamter aus Versehen die falsche Farbe bestellt. Der Beamter hatte die falsche Farbnummer angegeben. Der Verkehrsmaler bekam die falsche Farbe und hat pink statt grau gestrichen. Lange wird das „Pinkabenteur“ aber nicht dauern. Es ist bereits neue Farbe bestellt, die der Maler alsbald auftragen soll (vgl. auch hier bei stern.de).

Vielleicht eine nachahmenswerte Idee zur Verkehrsberuhigung? 🙂 Aber Herr Dobrindt hat ja derzeit andere (Maut)Sorgen.

Hornberger Schießen beim BGH, oder: Beweisantrag falsch abgelehnt – aber bedeutungslos

entnommen wikimedia.org Urheber Ahmadi

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Ein schönes Beispiel für das berühmte (oder vielleicht berüchtigte?) „Hornberger Schießen“ ist der BGH, Beschl. v. 22.07.2014 – 2 StR 17/14. Da moniert der BGH die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit:

„Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Beweistatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben sind (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 – 3 StR 135/13 m.w.N.). 

Nach diesen Maßstäben erweisen sich die Beschlüsse, mit denen die Strafkammer mehrere Beweisanträge des Angeklagten wegen Bedeutungslo-sigkeit der Beweistatsache abgelehnt hat, als rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat die Ablehnung allein mit der inhaltsleeren Aussage begründet, die unter Beweis gestellte Tatsache lasse keinen zwingenden, sondern nur einen mögli-chen Schluss zu, und dabei versäumt, darzulegen, dass und aus welchem Grund sie diesen möglichen Schluss nicht ziehen will.“

um dann gleich die Freude darüber zu dämpfen:

„Der Revision ist gleichwohl der Erfolg versagt, weil das Urteil hier nicht auf diesem Rechtsfehler beruht.“

Kurz, knapp, zackig, allerdings auch „inhaltsleer“, da man mit keinem Wort erfährt, warum denn nun der Rechtsfehler „bedeutungslos“ ist. Der Angeklagte wird sich sicherlich wundern und fragen, was das soll. Ich bin mir im Übrigen nicht sicher: Aber einem Referendar hätte man eine solche „Begründungsbehauptung“ wohl kaum durchgehen lassen. Der BGH darf es.

Nachgebessert – und dann war der Beweisantrag konnex genug

© Corgarashu – Fotolia.com

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Wer sich mit Beweisantragsrecht befasst, der weiß, dass eine Keule, die von den Tatgerichten gerne immer wieder zur Ablehnung von (Beweis)Anträgen auf Vernehmung von Zeugen herausgeholt wird, die sog. Konnexität ist. Gemeint ist damit, dass nach teilweise vertretener Auffassung in der Rechtsprechung für das Vorliegen eines Beweisantrags neben Angabe von Beweisthema und Beweismittel weiterhin erforderlich ist, dass der Antragsteller näher darlegt, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll, wenn aus dem Inhalt des Beweisbegehrens ein verbindender Zusammenhang zwischen der Beweisbehauptung und dem benannten Zeugen nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Mit der Frage setzt sich auch noch einmal der BGH, Beschl. v. 08.07.2014 – 3 StR 240/14 – auseinander, wobei m.E. eine gewisse Distanz des 3. Strafsenats zu diesem (Tatbestands)Merkmal des Beweisantrages erkennbar ist/wird. Letztlich kann der Senat die Frage aber offen lassen, denn hier hatte der Verteidiger, nachdem das LG seinen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen hatte, diesem mangele es an der Konnexität zwischen der Beweisbehauptung und dem benannten Beweismittel, nachgebessert und weitere Angaben gemacht. Und die haben dann zum Erfolg der Revision gegen die Ablehnung des Beweisantrages geführt.

„b) Es kann dahinstehen, ob dieser Rechtsprechung in vollem Umfang zu folgen und mit dem Kriterium der Konnexität ein eigenständiges konstitutives Element eines Beweisantrags benannt ist oder im Ergebnis letztlich nur die notwendige Konkretisierung der Beweistatsache umschrieben wird. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die dargelegte neuere Rechtsprechung in der Sache als Abkehr von dem Grundsatz zu werten ist, dass der Antragsteller auch das, was er lediglich vermutet, unter Beweis stellen darf, und ob es sich in das System des § 244 Abs. 3 StPO einfügt, wenn die inhaltlichen Anforderungen an einen Beweisantrag von dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme abhängig gemacht werden (vgl. etwa schon BGH, Urteil vom 14. August 2008 – 3 StR 181/08, NStZ 2009, 171, 172; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. November 2009 – 4 StR 375/09, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 47; Beschluss vom 4. Dezember 2012 – 4 StR 372/12, aaO.; KK-Krehl, 7. Aufl., § 244 Rn. 82 ff.; LR/Becker, 26. Aufl., § 244 Rn. 114). Jedenfalls nach der ergänzenden Konkretisierung des Beweisantrags liegt hier ein nach allen dargestellten Auffassungen ausreichender Zusammenhang zwischen der Beweisbehauptung und dem benannten Zeugen vor. …“

Für mich ein schönes Beispiel, dass es sich lohnen kann, nach zu karten bzw. nach zu legen und man nicht zu früh aufgeben sollte.

…. das Streicheln der weiblichen Brust … wie intensiv war es?

© Dan Race - Fotolia.com

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Nur kurz setzt sich der BGH im BGH, Beschl. v. 08.07.2014 – 2 StR 175/14 – mit einer im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch in der Praxis immer wieder auftauchen Frage auseinander und kommt zu einer Teilaufhebung:

„Zu Fall II.1. der Urteilsgründe hat das Landgericht hinsichtlich der Tat des Angeklagten zum Nachteil der Nebenklägerin festgestellt: „Als beide abends im Bett lagen, streichelte der Angeklagte mit seiner Hand die mit einem T-Shirt bekleidete Brust des Kindes, die bereits körperlich entwickelt war.“ Berührungen anderer Körperstellen als des primären Geschlechtsorgans stellen nicht ohne Weiteres sexuelle Handlungen „von einiger Erheblichkeit“ dar; zur Beurteilung der Erheblichkeit hätte es näherer Feststellungen vor allem zu Art, Intensität und Dauer dieser Berührungen bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2013 – 1 StR 204/13, NStZ 2013, 708).

Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1. zwingt auch zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe.“

Ist ein „Klassiker“, den man als Strafkammer kennen sollte.

Herr Kollege: Learning by doing? – gibt es nicht

Gesicht ärgerlichManchmal ist es – nun ja – peinlich, mir fällt nichts Besseres ein – vielleicht noch fremd schämen? -, wenn man liest, wie Kollegen taktieren/vortragen, wenn das Kind – durch eigenes Verschulden in den (berühmten) Brunnen gefallen ist. So im KG, Beschl. v. 16.04.2014 – 4 VAs 5/14. Da hatte der Verurteilte bei der StA die Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG beantragt. Nach Ablehnung dieses Gesuchs durch die StA und die GenStA hatte er über seinen Verteidiger beim KG den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG gestellt. Das KG hatte diesen Antrag mit Beschluss als unzulässig verworfen, weil er keine aus sich heraus verständliche Sachdarstellung und insbesondere keine Darlegungen der (fortbestehenden) Betäubungsmittelabhängigkeit des Verurteilten sowie des Kausalzusammenhangs zwischen Taten und Betäubungsmittelabhängigkeit enthalten hatte. Dagegen wandte sich der Verurteilte über seinen Verteidiger mit einer Gegenvorstellung und einer als „Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ bezeichneten Anhörungsrüge, mit der er beanstandete, das KG habe ihn nicht auf die Anforderungen an das Antragsvorbringen im Verfahren gem. §§ 23 ff. EGGVG hingewiesen.

Und darauf kommt (natürlich) das, was kommen muss und zu erwarten war:

b) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtlichen Gehör ergibt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht daraus, dass der Senat ihn bzw. seinen Verteidiger nicht auf die Anforderungen an das Antragsvorbringen im Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG hingewiesen hat. Zwar setzt eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch aus Art. 103 Abs. 1 GG genügende Gewährung rechtlichen Gehörs auch voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Hieraus ergibt sich jedoch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG und das Gebot eines fairen Verfahrens liegt nur vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2011, 460 m.w.N.). Eine solche „Überraschungsentscheidung“ war der Beschluss des Senats jedoch nicht. Es ergibt sich aus dem Gesetz (§ 24 Abs. 1 EGGVG) und es entspricht dem beschränkten Prüfungsumfang des Oberlandesgerichts (§ 28 Abs. 3 EGGVG) sowie der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Beschluss vom 1. Februar 2012 – 4 VAs 6/12 – [juris]), dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtsverletzung mit dem Antrag nach § 23 EGGVG dargetan werden müssen. Das Erfordernis einer – ohne Rückgriff auf Akten – aus sich heraus verständlichen Sachdarstellung hätte der anwaltliche Vertreter des Antragstellers – so er trotz seiner anwaltlichen Erfahrung mit dem Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG  unvertraut sein sollte – zudem bereits einem Kurz-Kommentar entnehmen können (vgl. Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl., Rn. 3 vor § 23 EGGVG).

 c) Der Senat merkt ergänzend an, dass auch die – hier nicht erfolgte – Berufung auf Anwaltsverschulden dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zum Erfolg verhülfe. Denn die unterbliebene ausreichende Antragsbegründung des Verteidigers muss sich der Betroffene im Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG als Verschulden zurechnen lassen (vgl. KG, Beschluss vom 5. März 2008 – 1 VAs 6/08 – [juris]; OLG Hamburg, Beschluss vom 29. Juli 2003 – 2 VAs 3/03 – [juris]; Mayer in KK-StPO 7. Aufl., § 26 EGGVG Rn. 13; Böttcher in LR-StPO 26. Aufl., § 26 EGGVG Rn. 9 m.w.N.).

3. Der Senat sieht davon ab, den hilfsweise gestellten Antrag auf Außervollzugsetzung von „Haftbefehlen“ zu bescheiden. Nach den §§ 23 ff EGGVG wäre der Antrag mangels jedweder Ausführungen unzulässig, mit Abschluss des hiesigen Verfahrens unbegründet.W

M.E. leicht angesäuert das KG. Und das kann es auch sein – Fortbildung bzw. Nachhilfe bei der Begründung von Anträgen gibt es nicht. Also „learning by doing“ ist ausgeschlossen. Der Kollege Verteidiger scheint aber eh Probleme mit Begründungen zu haben. Was soll ein Außervollzugssetzungsantrag, wenn ich ihn nicht  begründe?