Archiv für den Monat: Juli 2014

Ruhe für den „Protzbischof“ Tebartz-van Eltz – kein Anfangsverdacht

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Über LTO bin ich gerade auf die Nachricht gestoßen, dass die Staatsanwaltschaft Limburg nicht weiter gegen den früheren Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst wegen Untreue ermitteln wird. Es habe sich kein Anfangsverdacht ergeben. Auch gegen Mitglieder des Vermögensverwaltungsrates soll nicht ermittelt werden (vgl. auch hier).

Interessant, wenn es heißt: „Zwar hat die Staatsanwaltschaft „etliche Verstöße gegen innerkirchliches Recht“ festgestellt. Für diese Fälle sei aber die Kirche zuständig, sagte ein Sprecher.“ Na, da bin ich aber mal gespannt, was man davon hört. Und kein Anfangsverdacht wegen Untreue….?

Wenn der Abstand zur Messstelle nicht passte, gibt es kein Fahrverbot

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Nichts Neues enthält der OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.01.-2014 – 2 SsBs 364/13. Aber in der derzeit herrschenden OWi-Flaute ist man ja froh, wenn man überhaupt mal auf einen Beschluss trifft, über den man berichten kann, und das gitl ganz besonders für die Fahrverbotsfragen. da tut sich derzeit nämlich nichts.

Im OLG-Beschluss geht es um bekannte Problematik, dass zwischen der geschwindigkeitsbeschränkender Anordnung und der Geschwindigkeitsmessanlage nicht der erforderliche Abstand eingehalten worden ist. In den Fällen kommt die OLG-Rechtsprechung dann i.d.R. zu einem Absehen vom Fahrverbot bzw. muss ein dennoch verhängtes Fahrverbot besonders begründet werden, denn:

„Ein Kraftfahrer hat seine Geschwindigkeit grundsätzlich so einzurichten, dass er bereits beim Passieren eines die Geschwindigkeit regelnden Verkehrszeichens die vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten kann. Allerdings trägt die Rechtsprechung möglichen Unwägbarkeiten bei der Einfahrt in eine Zone mit veränderter Geschwindigkeitsregelung bei der Frage des Ausmaßes des Verschuldens grundsätzlich Rechnung, indem sie dem Kraftfahrer zubilligt, dass er mit gewissen Abständen zwischen geschwindigkeitsregelndem Verkehrszeichen und Messstrecke rechnen kann. Dies hat sich in den in Niedersachsen geltenden Richtlinien für die Überwachung des fließenden Verkehrs durch die Straßenverkehrsbehörden (gern. RdErI. d. MI u.d. MW vom 25.November 1994, Nds. MBI. 1994, 1565; zul. geänd, d.VV vom 27.0ktober 210, Nds. MB!. 2010, 1016) niedergeschlagen, wo in Nr. 4 der Anlage „Einsatz von Geschwindigkeitsmessgeräten“ geregelt ist, dass der Abstand bis zur Messstelle mindestens 150 m betragen soll und nur in begründeten Fällen (z.B. Gefahrenstellen, Gefahrzeichen, Geschwindigkeitstrichter) unterschritten werden kann. Bei Nichteinhaltung der Abstandsvorschrift kann der Schuldgehalt einer Tat geringer bewertet werden mit der Folge, dass allein die Verwirklichung des Tatbestandes noch keine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers darstellt und im Einzelfall daher von einem Regelfahrverbot Abstand genommen werden kann (OLG Celle, NStZ-RR 2012, 26).

Das Gericht begründet die Verhängung des Fahrverbotes allein mit dem Umstand, dass der Bußgeldkatalog bei der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung ein Regelfahrverbot vorsieht. Angesichts der Feststellungen, dass hier aber eine Unterschreitung des Regelabstandes — wenn auch keine erhebliche – vorgelegen hat und sich der Betroffene bei der Messung erst ca. 37 m in dem Bereich, nämlich innerorts, befand, in dem die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung zu einem Regelfahrverbot führt, hätte das Gericht weitere Ausführungen machen müssen, wieso es gleichwohl zur Annahme einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers kommt, die allein die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigt.“

Wie gesagt: Mainstream bzw. herrschende Meinung bei den OLG.

Der Jagdmessereinsatz bei der Vergewaltigung

Hand mit MesserManchmal ist man mehr als erstaunt, wenn man in den BGH-Beschlüssen Tatschilderungen liest, und zwar darüber, was Menschen einander antun können. So – wenigstens bei mir – auch bei der Tatschilderung im BGH, Beschl. v. 15.04.2014 – 2 StR 545/13. Das LG hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung verurteilt und dabei folgende Feststellungen zugrunde gelegt: „Dabei holte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts ein Jagdmesser aus der Schreibtischschublade, demonstrierte der bereits früher wiederholt ohne Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs zum Oralverkehr genötigten Geschädigten dessen Schärfe durch Zerschneiden eines Stücks Papier. Dann zog er die Messerspitze von der rechten Kopfseite aus über ihren Hals bis zur Brust über ihre Haut, ohne sie zu verletzen. Er wollte dadurch bei ihr Todesangst hervorrufen und für sich ein Lustgefühl erzeugen, bevor er die Geschädigte erneut durch Ergreifen mit der Hand zum Oralverkehr nötigte.“

Rechtlich hat es das Geschehen unter § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB eingeordnet und hat das Verwenden eines anderen gefährlichen Werkzeugs angenommen. Das hat der BGH in seiner „Leitsatzentscheidung nicht beanstandet:

Die rechtliche Würdigung dieser Handlung als besonders schwere Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs ist rechtsfehlerfrei. Dabei kommt es nicht notwendigerweise darauf an, ob die generell verängstigte Geschädigte den Oralverkehr mit dem Angeklagten, wie in früheren Fällen, auch ohne den Einsatz des Messers gegen ihren Willen vorgenommen hätte. Das gefährliche Werkzeug muss zur Erfüllung des Qualifikationstatbe-stands nicht zwingend als Nötigungsmittel, sondern nur „bei der Tat“ verwendet werden, also entweder als Nötigungsmittel oder als Werkzeug bei der sexuellen Handlung (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 4 StR 464/00, BGHSt 46, 225, 228 f.; Beschluss vom 8. Februar 2006 – 2 StR 575/05, StV 2006, 416, 417). Dafür genügt es auch, wenn ein „einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug“ vorliegt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01 – unter IV., insoweit in StV 2002, 350 nicht abgedruckt). Ein solcher Vorgang ist nach den Feststellungen des Landgerichts erfolgt, da der Angeklagte den Messereinsatz auch zur Luststeigerung vornahm.

Die Gefährlichkeit des Werkzeugs ist auch unter diesem Blickwinkel – unbeschadet des Messereinsatzes gegenüber der Geschädigten „ohne Druck und ohne sie dabei zu verletzen“ – anzunehmen. Die zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands genügende abstrakte Gefahr erheblicher Verletzungen war auch bei einem zurückhaltenden Einsatz unmittelbar an Kopf, Hals und Brust der Geschädigten gegeben.“

Die eigene Waschmaschine in der Sicherungsverwahrung?

entnommen wikimedia.org Urheber Fotografie: Frank C. Müller, Baden-Baden

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Urheber Fotografie: Frank C. Müller, Baden-Baden

Das OLG Hamm hatte ja bereits in einer PM v. 18?.?06?.?2014? über den OLG Hamm, Beschl. v. ?18?.?06?.?2014? – 1 Vollz (Ws) ?182?/?14? – berichtet, in dem es um die Frage geht, ob ein Sicherungsverwahrter einen Anspruch auf Benutzung einer eigenen Waschmaschine und/oder eines eigenen Wäschetrockners hat. Das OLG Hamm hat das verneint. Es sagt, kein Gegenstand i.S. v. § 15 Abs. 1 SVVollzG, aber auch kein Gegenstand i.S.V. § 15 Abs. 2 SVVollzG. Aus der Begründung aus dem inzwischen vorliegenden Volltext der Entscheidung:

„Nach § 15 Abs. 2 SVVollzG NW bedarf die Annahme und der Besitz von Gegenständen der Erlaubnis, welche nur versagt werden darf, wenn die Gegenstände die Sicherheit beeinträchtigen oder die Ordnung oder die Erreichung der Vollzugsziele gefährden. Die gesetzliche Doppelüberschrift zu § 15 SVVollzG NW („Ausstattung des Zimmers, persönlicher Besitz“) könnte zunächst darauf hindeuten, dass in dieser Norm zwei vollkommen getrennte Materien, unabhängig voneinander, geregelt werden, nämlich die Ausstattung der Zimmer der Untergebrachten einerseits und deren Recht zu Erwerb, Besitz und Weitergabe von Gegenständen andererseits. Für eine solche Auslegung spricht auch, dass der Wortlaut § 15 Abs. 2 SVVollzG NW das Recht zum Erwerb, Besitz und zur Weitergabe nicht in Beziehung zum Zimmer des Untergebrachten setzt. Wären aber zwei völlig getrennte Materien in den beiden Absätzen des § 15 SVVollzG NW geregelt, so wäre zu prüfen, ob die Besitzausübung des Untergebrachten an den Gegenständen seines Antrags auch außerhalb seines Zimmers (etwa – bei ausreichender Größe – in dem Raum, in dem auch die Gemeinschaftswaschmaschinen aufgestellt sind) zu gestatten wäre, was ihm nur unter den engen Voraussetzungen des Absatzes 2 untersagt werden könnte.

So verhält es sich aber nicht. Ob dem Untergebrachten der Erwerb bzw. Besitz einer Sache nach § 15 Abs. 2 SVVollzG NW zu genehmigen ist, ist nicht unabhängig von § 15 Abs. 1 SVVollzG NW zu bewerten. Vielmehr bezieht sich die Genehmigungsvorschrift auf solche Gegenstände, die der Ausstattung des Zimmers in angemessenem Umfang zuzurechnen sind und deren Besitz grundsätzlich vom Zimmer des Untergebrachten aus ausgeübt werden kann. Für diese Interpretation spricht, dass der Gesetzgeber die beiden Materien gerade nicht in zwei völlig getrennten Vorschriften, sondern innerhalb einer Norm geregelt hat. Darauf, dass der Gesetzgeber die o.g. Vorstellung hatte, deutet auch eine Formulierung in der Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 2 SVVollzG NW hin, in der es heißt: „Dabei ist im Vergleich zum Vollzug der Freiheitsstrafe ein erhöhter Aufwand bei der Kontrolle des Zimmers [Hervorhebung durch den Senat] hinzunehmen“ (LT-Drs. 16/1283 S. 72).

Dies bedeutet, dass der Erwerb bzw. Besitz (nur) von solchen Gegenständen nach § 15 Abs. 2 SVVollzG NW zu genehmigen ist und nur in den dort genannten Ausnahmefällen versagt werden kann, wenn die Grundvoraussetzung erfüllt ist, dass der Besitz vom Zimmer des Untergebrachten aus ausgeübt werden kann, was wiederum heißt, dass die Gegenstände zur angemessenen Ausstattung des Zimmers gehören müssen. In solchen Fällen kann der Untergebrachte den Besitz an diesen über einen kurzen oder längeren Zeitraum – vorbehaltlich sonstiger Regelungen – freilich auch außerhalb seines Zimmers ausüben (also beispielsweise ein Schachspiel in einem Gemeinschaftsraum aufstellen und bis zur Beendigung der Partie dort belassen etc.).

Die hier in Frage stehenden Geräte gehören nicht zu den genehmigungsfähigen Gegenständen in dem o.g. Sinne, weil sie nicht zur angemessenen Ausstattung des Zimmers zählen (s.o.) und dann der Besitz an ihnen dauerhaft nur außerhalb desselben ausgeübt werden könnte (etwa in einer gemeinsamen Waschküche o.ä.).

c)  Inwieweit die Justizvollzugsanstalt über die Regelung des § 15 SVVollzG NW dem Untergebrachten den Erwerb und Besitz von Gegenständen genehmigt, steht in ihrem Ermessen. Insoweit ist die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde lediglich auf Ermessensfehler hin zu überprüfen (§ 115 Abs. 5 StVollzG). Insoweit sind die Grundsätze des § 66c Abs. 1 Nr. 2 StGB im Rahmen der Ermessensausübung zu beachten. Dass hier – angesichts des Vorhandenseins von Gemeinschaftswaschmaschinen und Gemeinschaftstrocknern – der Angleichungs- oder Minimierungsgrundsatz nicht beachtet oder verkannt worden wäre, ist aber nicht erkennbar. Die vorgebrachten Sicherheitsbedenken sind ebenfalls in die Abwägung mit einzubeziehen (§ 1 SVVollzG NW), so dass insgesamt eine Ermessensfehlerhaftigkeit der Ablehnung des Anliegens des Betroffenen auch insoweit nicht gesehen werden kann.“

Klassischer (Anwalts)Fehler X: Die Nebenklagerevision, oder: „Herr Kollege, lassen Sie es…“

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Ich will ja nicht immer nur über „Klassische Fehler“ der Gerichte berichten – tue ich m.E. auch nicht – sondern auch über Fehler von Rechtsanwälten/ Verteidigern, da das vielleicht anderen Kollegen hilft, diese Fehler zu vermeiden. Aber offenbar gelingt das bei einer Problematik nicht, u.a. nämlich bei der Frage nach der „richtigen“ Begründung der Nebenklägerrevision (vgl. dazu § 400 StPO). Dazu habe ich schon öfters berichtet (vgl. u.a. hier Ach nöö, nicht schon wieder: Die unzulässige Revision des Nebenklägers) und auf die Problematik will ich auch heute noch einmal hinweisen, und zwar auf der Grundlage des BGH, Beschl. v. 03.04.2014 – 2 StR 652/13. Da hatte der Vertreter der Nebenklägerin in einem Sicherungsverfahren Revision eingelegt. Besonders erfahren – ich will es mal vorsichtig ausdrücken -, scheint der Kollege aber nicht (gewesen) zu sein, wenn man den BGH-Beschluss liest, in dem es heißt:

„Zwar ist form- und fristgerecht Revision eingelegt; die fehlerhafte Bezeichnung des Rechtsmittels in dem innerhalb der Revisionseinlegungsfrist eingegangenen Schreiben vom 9. August 2013 ist nach § 300 StPO unschädlich. Im Hinblick auf die Erklärung, das Urteil werde insgesamt angefochten, begründet auch das Fehlen eines ausdrücklichen Revisionsantrags kein Zulässigkeitsbedenken. Weiterhin kann ein Nebenkläger die Nichtanordnung einer Maßregel im Sicherungsverfahren beanstanden, ohne dass dem § 400 Abs. 1 StPO entgegenstünde (BGH Beschl. v. 1. Februar 2007 – 5 StR 444/06; Meyer-Goßner StPO 56. Aufl. § 400 Rn. 1).

Es fehlt aber an einer den formellen Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Revisionsbegründung. Dem Vorbringen der Revision ist weder eine im Sinne des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO zulässige Verfahrensrüge noch die Sachrüge zu entnehmen, für die dem Vortrag des Revisionsführers zweifelsfrei zu entnehmen sein muss, dass eine Nachprüfung in sachlich-rechtlicher Hinsicht begehrt wird; dafür genügt es nicht, wenn – wie hier – lediglich das Ziel des Rechtsmittels dargelegt wird und jede weitere Begründung unterbleibt (vgl. BGH Beschl. v. 24. Oktober 2012 – 4 StR 325/12 m.w.N.; s. auch BGH Beschl. v. 1. August 2013 – 2 StR 242/13).“

Also hat die Revision im Grunde drei (!!) Macken, nämlich:

  1. Fehlerhafte Bezeichnung des Rechtsmittels – schade, dass der BGH nicht mitteilt, wie es bezeichnet worden ist, vielleicht mit „Berufung“ 🙁
  2. Fehlen eines ausdrücklichen Revisionsantrages
  3. Keine ausreichende Revisionsbegründung.

Also: Scheint ein „Revisionskünstler“ gewesen zu sein, dem man im Interesse der Mandantin zurufen möchte: „Herr Kollege, lassen Sie es, oder machen Sie eine Fortbildung“.