Archiv für den Monat: Juli 2014

Ich habe da mal eine Frage: Gibt es im (straßenverkehrsrechtlichen) OWi-Verfahren immer die Mittelgebühr?

© AllebaziB - Fotolia.com

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Es ist Freitag und damit mal wieder Zeit für das RVG-Rätsel, das sich heute mit einer Frage aus dem Bußgeldverfahren befasst, die in der Rechtsprechung der LG und AG schon eine größere Rolle spielt und die auch häufig an mich herangetragen wird. Es geht nämlich um die Bemessung der Rahmengebühren im (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren. Da stellt sich die immer wieder die Frage: Wo liegt der Ausgangspunkt für deren Bemessung? Ist das immer die Mittelgebühr oder ist immer eine unter der Mittelgebühr liegende Gebühr Ausgangspunkt für die Bemessung der angemessenen Gebühr? Das sind Fragen, die für den Verteidiger im Bußgeldverfahren im Hinblick auf die Höhe seiner Gebühren/seines Honorars schon von erheblicher Bedeutung sein können.

Also, ist m.E. nicht schwer und bis zum Endspiel am Sonntag ist ja auch noch ein wenig Zeit. Wenn „unsere Jungs“ gewinnen, dann gibt es allerdings mehr als die Mittelgebühr, dann gibt es die Höchstgebühr mit Prämie und ****-Sterne. 🙂 🙂 🙂 🙂

Finale: Der Papst kommt zwar aus Argentinien, aber Jesus trägt Schwarz-Rot-Gold

entnommen wikimedia.org Author Jcsalmon

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Das Handelsblatt hat ja heute schon berichtet, dass das Wahrzeichen von Rio de Janeiro in den Farben eines der WM-Finalteilnehmers angestrahlt werden soll, also in Schwarz-Rot-Gold oder Blau-Weiß. Welche Farben ausgewählt werden, soll sich auf Twitter entscheiden (vgl. hier der Bericht). Die Farbe kann sich in der vorgesehenen Zeitspanne übrigens auch noch ändern, je nachdem ob die Mehrheit kippt.

Derzeit gilt – so jedenfalls gerade die Mittagsnachrichten – der Spruch: Der Papst kommt zwar aus Argentinien, aber Jesus trägt Schwarz-Rot-Gold, denn bei der Twitter-Abstimmung liegt Deutschland „meilenweit“ vorn. Hoffen wir, dass es so bleibt….

Zum Bild: Habe leider keins in Schwarz-Rot-Gold gefunden, nur Blau-Weiß, und das wollte ich nicht 🙂 🙂

Vergewaltigung hinter „abgesperrter Tür“

entnommen openclipart.org

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Auf einen wichtigen – ggf. für den Angeklagten entscheidenden – Unterschied bei der Anwendung des § 177 StGB macht noch einmal der BGH, Beschl. v. 18.06.2014 – 5 StR 98/14 – aufmerksam. Im Verfahren geht es um den Vorwurf eines sexuellen Übergriffs eines Frauenarztes gegenüber einer Patientin bei einer Untersuchung. Das LG hatte den Angeklagten von dem Vorwurf der Vergewaltigung in Form des Ausnutzens einer schutzlosen Lage (Abs. 1 Nr. 3)  frei gesprochen. Dagegen die Revision der Nebenklägerin, die Erfolg hatte. Der BGH hat die Beweiswürdigung des LG als rechtsfehlerhaft beanstandet. Nach Auffassung des BGH hat das LG einige gegen den Angeklagten sprechende, ihn belastende Umstände nicht ausreichend in die Beweiswürdigung einbezogen.

So weit, so gut, war sicherlich etwas knapp, was und wie das LG gewürdigt hat. Auf die damit zusammenhängenden Fragen kommt es mir hier jetzt aber gar nicht an. Vielmehr geht es um die „Segelanweisung“ des BGH, die sich auf die Bewertung der Tat in der Anklageschrift bezieht. Die Anklage war nämlich von einem Fall des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausgegangen; der Angeklagte hatte die Tür zum Behandlungszimmer  „abgesperrt“. Dazu der BGH:

Die Anklageschrift bewertet die Vorwürfe als Vergewaltigung in der Variante der Ausnutzung einer schutzlosen Lage (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Der Tatbestand setzt allerdings voraus, dass das Opfer gerade aus Furcht vor gewaltsamen Nötigungshandlungen des Täters auf einen ihm grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet; nur „gelegentlich“ einer objektiv schutzlosen Lage vollführte sexuelle Handlungen genügen nicht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. April 2006 – 2 StR 445/05, NStZ-RR 2006, 241, 242). Für die Annahme des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB reicht das Absperren einer Tür dann nicht hin, wenn es der Vorsorge vor Störungen, nicht aber der Ermöglichung der sexuellen Handlung dienen soll (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2002 – 2 StR 153/02, NStZ-RR 2003, 42, 43 mwN). Demgemäß würde es für den Vorwurf der Vergewaltigung darauf ankommen, ob das festgestellte Herunterdrücken der Nebenklägerin durch den Angeklagten die Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs ermöglichen sollte.“

Im angeführten BGH, Beschl. v. 02.10.2012 – 2 StR 153/02 – heißt es dazu:

„Schon das Einsperren in einen umschlossenen Raum reicht als Gewaltim Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB aus, wenn es dazu dient, das Opfer am Verlassen des Raumes zu hindern und so die sexuellen Handlungen zu ermöglichen(BGH GA 1965, 57; 1981, 168; Urt. vom 21. Januar 1987 – 2 StR 656/86); an der notwendigen finalen Verknüpfung der Gewalt mit der sexuellenHandlung kann es dagegen fehlen, falls das Abschließen der Tür nur erfolgt, um ungestört zu sein und eine Entdeckung zu verhindern (BGH bei MiebachNStZ 1996, 123; Beschl. vom 24. August 1999 – 4 StR 339/99 – insoweit in NStZ 1999, 629 nicht abgedruckt). „

Ein schmaler Grat, auf dem da die Feststellungen wandern….

Mit solchen „Macken“ hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg…

© ferkelraggae - Fotolia.com

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Die Verwerfung des Einspruchs des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG wegen unentschuldigten Ausbleibens des nicht von seiner  Anwesenheitspflicht entbundenen Betroffenen ist eine im Bußgeldverfahren doch häufigere Konstellation, die ebenso häufig – wie die veröffentlichte Rechtsprechung zeigt – zur Aufhebung der amtsgerichtlichen Verwerfungsurteile führt. Denn die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung zu den Anforderungen an diese Urteile ist verhältnismäßig streng, die amtsgerichtliche Urteile erfüllen diese Anforderungen nicht immer. Spiegelbildlich dazu sind aber auch die Anfordeurngen an die Rechtsbeschwerdebegründung und die zu erhebende Verfahrensrüge verhältnismäßig hoch. Das zeigt mal wieder der OLG Hamm, Beschl.  v. 23.05.2014 – 5 RBs 70/14. Da hatte der Verteidiger die Anforderungen des OLG nicht erfüllt. Die Begründung hatte mehrere „Macken“, denn:

  • Es fehlte dem OLG der zur ordnungsgemäßen Begründung erforderliche Vortrag, dass der Verteidiger, der in der Hauptverhandlung noch den Entpflichtungsantrag gestellt hatte, eine schriftliche Vertretungsvollmacht hat und diese dem AG nachgewiesen worden ist (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2002, 114,116). In der Rechtsbeschwerdebegründung war lediglich davon die Rede, dass der Rechtsanwalt nicht  „nur als Verteidiger, sondern auch als Vertreter des Betroffenen mandatiert“ ist.  Nicht mitgeteilt wurde, dass die erforderliche Vertretungsvollmacht dem Gericht nachgewiesen worden war.
  • Ferner war nicht dargetan, ob der Entbindungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist. Der Antrag muss wiederholt werden, wenn der Hauptverhandlungstermin verlegt oder ausgesetzt worden ist und zwar vor einem neuen Hauptverhandlungstermin.

Auf solche Anforderungen muss man schon achten, wenn die Rechtsbeschwerde Erfolg haben soll.

Sexuelle Handlungen beim Sanitätsdienst – sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen?

© Dan Race - Fotolia.com

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Zum zweiten Mal beim BGH war jetzt ein Verfahren aus Bochum mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen. Mit der ersten Revision hatte der angeklagte Lehrer 2012 Erfolg. Der BGH hatte aufgehoben, weil ihm die Feststellungen zur Annahme des für die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Obhutsverhältnisses i.S. eines Anvertrautseins zur Erziehung, Ausbildung oder Betreuung zwischen dem als Lehrer an einer Realschule tätigen Angeklagten und der Nebenklägerin – Schülerin an dieser Schule – nicht reichten. Nun hat das LG nachgearbeitet und kommt (so die Zusammenfassung aus  der PM 100/2104 des BGH) zu folgenden Feststellungen:

„Nach den vom Landgericht nunmehr getroffenen Feststellungen leitete der Angeklagte im Tatzeitraum den von ihm im Einvernehmen mit der Schulleitung ins Leben gerufenen Schulsanitätsdienst als schulische Arbeitsgemeinschaft außerhalb des verpflichtenden Regelunterrichts und führte auch die Erste-Hilfe-Kurse durch, die die an der Tätigkeit als Schulsanitäter interessierten Schülerinnen und Schüler zuvor absolvieren mussten. Neben der organisatorischen Leitung des Schulsanitätsdienstes oblag dem Angeklagten auch die Betreuung der an den Schultagen eingesetzten Schulsanitäter, die u. a. seine Ratschläge und Anweisungen in Notfällen einholten und mit denen er durchgeführte Einsätze besprach. Zwischen dem Angeklagten und der 14 bzw. 15 Jahre alten Nebenklägerin, die regelmäßig als Schulsanitäterin tätig war und mehrfach Erste-Hilfe-Kurse unter dessen Leitung besucht hatte, der der Angeklagte aber keinen Regelunterricht erteilte, entwickelte sich im Jahr 2010 eine enge persönliche Beziehung, in deren Verlauf es von Oktober 2010 bis März 2011 in zwölf Fällen zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen kam. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr erneut wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwölf Fällen verurteilt und gegen ihn eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verhängt.“

Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 06.05.2014 – 4 StR 503/13 – die Annahme eines Obhutsverhältnisses zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin i.S. des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestätigt und die Revision verworfen:

b) Schon mit Blick darauf, dass dieses Abhängigkeitsverhältnis den persönlichen, allgemein menschlichen Bereich umfassen muss, wird es im Verhältnis eines Lehrers zu seinen Schülern, insbesondere an größeren Schulen mit nur schwer überschaubarem Lehrerkollegium, nicht schon durch die bloße Zugehörigkeit zu derselben Schule konstituiert, sondern regelmäßig erst mit der Zuweisung eines Schülers zu einem bestimmten Lehrer, der dadurch die in § 174 Abs. 1 StGB vorausgesetzten Pflichten übernimmt (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1963 – 2 StR 357/63, BGHSt 19, 163, 166; anders noch für den Leiter einer Schule: BGH, Urteil vom 24. November 1959 – 5 StR 518/59BGHSt 13, 352, 355). Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 25. April 2012 (NStZ 2012, 690) ausgeführt hat, ist die für das Anvertrautsein erforderliche Obhutsbeziehung im Lehrer-Schüler-Verhältnis aber nicht auf die Erteilung von (verbindlichem) Regelunterricht etwa durch den Klassen- oder Fachlehrer beschränkt, mag sie sich in diesem Falle auch von selbst verstehen und keiner weiteren Darlegung bedürfen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2003 – 4 StR 159/03, NStZ 2003, 661). Sie kann auch unabhängig davon zu bejahen sein, etwa bei Aufsichtstätigkeiten oder im Rahmen besonderer Veranstaltungen der Schule, zu denen auch die Durchführung einer von den Schulbehörden genehmigten, nicht zum regulären Unterricht zählenden Arbeitsgemeinschaft gehören kann. Ob ergänzende Lehrleistungen außerhalb des Regelunterrichts die Annahme eines Obhutsverhältnisses im Sinne von § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB rechtfertigen, hat der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung zu beurteilen, in die alle für die rechtliche Bewertung bedeutsamen Umstände einzubeziehen sind. Es muss sich dabei am Schutzzweck der Vorschrift orientieren, wonach Minderjährige und daher regelmäßig noch nicht ausgereifte Menschen vor sexuellen Übergriffen durch Autoritätspersonen bewahrt werden so-len, denen sie durch einen Vertrauensbeweis überantwortet und damit gewissermaßen in die Hand gegeben sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1985 – 1 StR 491/85, BGHSt 33, 340, 344).

2. Gemessen daran war die Nebenklägerin dem Angeklagten im Tatzeitraum im Sinne von § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB anvertraut…..

Denn – aus der PM : „Der von ihm verantwortlich geleitete Schulsanitätsdienst stand im Dienst des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule, der nicht nur die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten beinhaltete, sondern auch die Aufgabe umfasste, den Schülerinnen und Schülern Werthaltungen nahezubringen und ihre Bereitschaft zu sozialem und verantwortungsbewusstem Handeln zu wecken. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen, dass die Nebenklägerin im Tatzeitraum nicht nur eng in den Schulsanitätsdienst eingebunden war, sondern den Angeklagten, dessen Hilfestellung sie in schwierigen Situationen häufig in Anspruch nahm, auch als Autoritätsperson anerkannte und sich dessen Ratschlägen und Weisungen unterordnete.“