Archiv für den Monat: Dezember 2013

Wochenspiegel für die 51 KW., das war(en) Streaming, NSU, BJM Heiko Maas, und illegale Seypartys

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

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Das war dann die letzte volle Arbeitswoche des Jahres 2013, die auch immer noch vom „Streaming Kyrill“ beherrscht war, zwar nicht mehr ganz so orkanartig, aber Sturm war noch (obwohl ein wenig Sturmkritik hat es auch gegeben, vgl. hier: Boah, ist das langweilig! . Allerdings hat der Sturm sich jetzt auf die Frage der Folgen und die Reaktionen auf die Entscheidung des LG Köln verlagert. Wer dazu etwas sucht: Einfach noch mal „streaming“ oder redtube“ eingeben. Dann rasselt es Treffer :-).

Aber: Es hat dann doch auch noch andere Themen gegeben, über die man berichten kann, und zwar über:

  1. das NSU-Verfahren, zu dem/in dem es still geworden ist, mit: Die Aussage von Herrn. Prof. Dr. Mundlos – ein Prüfungsgespräch,
  2. das Wulff-Verfahren, auch da ist es recht ruhig,
  3. ein wenig „Streaming-Folgen: Redtube: Richter zücken die rote Karte, und: LG Hamburg untersagt Abmahnungen, und Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt in Sachen Porno-Abmahnungen,
  4. des Mandanten teure Rache, 🙂
  5. die an sich selbstverständliche Feststellung: Ein paar Rechtskenntnisse sollte der Anwalt schon haben,
  6. die Frage: Wie arbeiten die eigentlich bei Polizei und Staatsanwaltschaft? Gilt das Gesetz nicht für die?,
  7. „unseren“ neuen Justizminister, mit: Maas, geht gar nicht , und: Lieber Heiko Maas, …
  8. einen Nebenerwerb von Hartz IV-Empfängern: Hartz IV-Ehepaar organisiert illegale Sex-Partys,
  9. einen Finanzbeamten mit Nebenverdienst,
  10. und dann war da noch die Fahrt mit dem Blaulicht zum Weihnachtsmarkt.

So, einfach war es wegen „Streaming“, in der nächsten Woche wird die Zusammenstellung dann noch schwieriger bei nur zwei potentiellen Arbeitstagen. Schauen wir mal….

Die betrunkene Taxifahrerin – Vorsatz?

entnommen wikimedia.org Autor: Raenmaen

entnommen wikimedia.org Autor: Raenmaen

Das AG hat die Angeklagte wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe  verurteilt. Es hat festgestellt, die Angeklagte als Taxifahrerin tätig ist und am Tatabend Fahrbereitschaft hatte. Kurz vor Mitternacht habe sie mit dem Taxi öffentliche Straßen befahren und Fahrgäste befördert, obwohl sie Alkohol in einer Menge zu sich genommen hatte, die zu einer Blutalkoholkonzentration von 2,14 g ‰ führte. Die Angeklagte hat den Tatvorwurf eingeräumt, wendet sich allerdings gegen die Verurteilung wegen vorsätzlichen Verhaltens.

Damit hatte sie beim OLG Celle keinen Erfolg. Dazu im OLG Celle, Beschl. v. 25.10.2013 – 32 Ss 169/13:

„Soweit der Senat bereits zur Annahme eines Erfahrungssatzes dahin neigt, dass ein Kraftfahrer, der nach hohem Alkoholkonsum eine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug antritt, seine Fahruntauglichkeit jedenfalls in Kauf nimmt und vorsätzlich handelt (zum Stand der Rspr. vgl. nur Leipziger?Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 316, Rz. 192 ff. und Fischer, StGB, 60. Aufl., § 316, Rz. 44 ff.), kommt es darauf hier nicht an. Die Angeklagte hat, ohne dass die genaue Menge feststellbar gewesen wäre, während einer Fahrbereitschaft als Taxifahrerin Alkohol zu sich genommen, obwohl sie als Berufskraftfahrerin um die besonderen Gefahren eines solchen Verhaltens wusste. Dies allein begründet nach allgemeiner Auffassung schon die Annahme eines jedenfalls bedingt vorsätzlichen Verhaltens (vgl. OLG Saarbrücken NJW 2008, 1396; OLG Köln DAR 1997, 499, DAR 1999, 88; OLG Celle, 1. Strafsenat NZV 1996, 205; Fischer, a.a.O., Rz. 45).“

Auf den ersten Blick nichts Besonderes, sondern nur eine weitere Entscheidung zur „vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt“. Oder? Richtig, soweit es um die Problematik der Fahrbereitschaft geht. Besonders bzw. „gefährlich“, soweit es um den vom OLG angedeuteten – offen gelassenen – Erfahrungssatz geht. Das hat die Rechtsprechung der OLG bisher weitgehend anders gesehen, wenn ich sie richtig verstanden habe. Schert das OLG Celle jetzt aus?

Die identifizierende Berichterstattung auf You Tube

120px-Play_in_YoutubeBei meinen Recherchen bin ich auf den OLG Hamm, Beschl. v. 23.09.2013 – 3 U 71/13 gestoßen, der sich zur Frage der Rechtmäßigkeit einer identifizierenden Berichterstattung über einen Verkehrsunfall mit fahrlässiger Tötung durch Hochladen eines Videos auf die Internet-Plattform „YouTube“ verhält. Der Kläger des Verfahrens war 2009 wegen fahrlässiger Tötung zweier Personen im Straßenverkehr zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die Beklagte ist Inhaberin der Online-Plattform You Tube, auf der während der laufenden Bewährungszeit des Klägers eine den Kläger identifizierende Berichterstattung in Form eines Videos hochgeladen wurde. Der Kläger hatte sich gegen die Veröffentlichung dieses Videos gewendet. Das LG Münster hatte die entsprechende Klage abgewiesen. Gegen dieses erstinstanzliche Urteil hatte sich der Kläger mit seiner Berufung gewendet, die das OLG durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen hat.

In dem Beschluss wird auf den Hinweis, Beschl. v. o7.08.2013 – 3 U 71/13, in dem das OLG im Einzelnen zu den Fragen Stellung nimmt, Bezug genommen. Der ist im Grunde viel interessanter, da er zu den einzelnen Punkten Stellung nimmt, die im Verfahren von Bedeutung sind/waren. Das OLG verweist darauf, dass bei einer identifizierenden Berichterstattung über Straftaten das Anonymitätsinteresse des Täters und sein Recht auf Resozialisierung berührt sind. Für den Kläger sprach hier, dass das Geschehen nach dem Ablauf der Bewährungszeit aus seiner strafrechtlichen Verurteilung mittlerweile über zwei Jahre abgeschlossen war. Zulasten des Klägers hat das OLG berücksichtigt, dass er die Berichterstattung durch sein eigenes Verhalten hervorgerufen hat. Unstreitig habe er eine Straftat begangen. Dann müsse er neben der strafrechtlichen Sanktion hinnehmen, dass sich die Öffentlichkeit mit der Tat auseinandersetze.

Die Berichterstattung war nach Auffassung des OLG auch nicht deswegen rechtswidrig, weil sie noch im Jahre 2012 bei YouTube zu sehen gewesen sei. Mit zeitlicher Distanz zur Straftat nehme zwar das Interesse des Täters zu, mit seiner Tat nicht mehr konfrontiert zu werden. Jedoch bestehe auch ein Interesse der Öffentlichkeit, geschichtliche Ereignisse von besonderer Bedeutung recherchieren zu können. Soweit die Berichterstattung bei ihrer Veröffentlichung rechtmäßig gewesen sei, dürften die Berichte auch in Online-Archiven weiter zum Abruf bereitgehalten werden, wenn das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht aufgrund der Umstände des Einzelfalls überwiege. Letzteres treffe auf den vorliegenden Fall nicht zu. Die Berichterstattung sei ausdrücklich als Altmeldung erkennbar. Der Resozialisierung des Klägers stehe sie nicht entgegen, weil nur ältere Fotografien verwandt worden seien und der Kläger bereits vor Klageerhebung seinen Namen geändert habe.

Also: Ganz interessant auch für Strafrechtler und Strafverfahren. Ich bin gespannt, was der BGH darauf macht. Es ist Nichtzulassunsbeschwerde eingelegt.

„Weihnachtsgeschenk“, oder: Schlampige Arbeit?

© Sublimages - Fotolia.com

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Der Kollege Siebers, der mir gestern den OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.12.2013 – 1 Ss 70/13 hat zu kommen lassen und dazu auch schon selbst gebloggt hat (vgl. hier Weihnachtsgeschenk) sieht die Entscheidung des OLG als Weihnachtsgeschenk und freut sich über seine erfolgreiche Sprungrevision. Mit Recht. Allerdings, an sich war die Sprungrevision ein „Selbstläufer“: Denn in der dem OLG-Beschluss zugrunde liegenden amtsgerichtlichen Entscheidung, mit der der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, passte aber auch rein gar nichts. Denn:

  • Das AG setzt sich nicht mit dem Geständnis des Angeklagten auseinander, so dass offen bleibt, ob er nur den „Besitz“ eingeräumt hat aoder auch den „Besitz von Kokain“.
  • Der Inhalt „Dealzetteln“, der bei der Beweiswürdigung eine Rolle spielt, wird nicht mitgeteilt.
  • Bei einem Geldbetrag, der angeblich in „szenetypischer Stückelung“ mitgeführt worden und Rückschlüsse auf den Vorwurf des Handeltreibens geben soll, kann dem Urteil nicht entnommen werden, welche Stückelung vorlag.
  • Kontobewegungen pp. bleiben unklar.
  • Keine tragfähige Begründung für die Annahme, ein Betrag von 2,500,- €, der in der Wohnung des Angeklagten gefunden wurde, sei „Bargeld aus vorangegangenen Betäubungsmittelgeschäften“.

Die Diktion des OLG – „die lückenhaften Urteilsgründe“, „sorgfältige Beweiswürdigung“, „allenfalls rechtfertigen, wenn nach einer umfassenden Darlegung der Vermögensverhältnisse“ – ist, wenn man sich ein wenig mit Formulierungen der Revisionsgerichte auskennt, eindeutig. Das OLG sieht die Arbeit des Tatrichters als mangelhaft, man könnte auch sagen schlampig oder mit „heißer Nadel gestrickt“ an. Ich vermute mal, dass es „seinen Pappenheimer“ kennt. Dafür spricht nämlich die Segelanweisung. Die enthält nämlich an sich Selbstverständlichkeiten. Aber wahrscheinlich hat sich das OLG gedacht. Lieber ein paar Zeilen mehr. Denn sonst habe ich das „Weihnachtsgeschenk“ Ostern wieder auf dem Tisch liegen.

Das nötigende „Organ der Rechtspflege“

© G.G. Lattek - Fotolia.com

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Tja, was bringt man für Postings am Ende der letzten Woche vor Weihnachten und dem Jahreswechsel, wenn im Zweifel in vielen Anwaltskanzleien der „letzte Wahnsinn“ tobt, weil die Mandanten der Meinung sind, dass noch unbedingt das Ein oder Andere vor den Feiertagen erledigt werden muss. Da hat kaum einer Zeit, Blogbeiträge zu lesen. Nun dann aber vielleicht doch diesen, der sich auf den BGH, Beschl. v. 05.09.2013 – 1 StR 162/13 – bezieht, über den auch schon andere Blogs berichtet haben. Nämlich den durch ein Mahnschreiben nötigenden Inkassoanwalt.

Ausgangspunkt ist ein Urteil des LG Essen. Das hatte den Angeklagten u.a. wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Gegenstand des Verfahrens waren anwaltliche Mahnschreiben an die Kunden von sog. Gewinnspieleintragungsdiensten. Diesen war über Callcenter angeboten worden, sie gegen einen Teilnehmerbeitrag in Gewinnspiele einzutragen. Dies geschah aber nicht. Nachdem es bei Einzug der Teilnehmerbeträge mittels Lastschrifteinzug immer häufiger zu Rücklastschriften kam, entschloss sich der gesondert verurteilte Verantwortliche des Gewinnspieleintragungsdienstes, die Kunden mittels eines „Inkassoanwalts“ zu mahnen, um so auf sie Druck auszuüben und dadurch zur Zahlung der unberechtigten Forderungen zu veranlassen.

Er konnte den Angeklagten als „Inkassoanwalt“ gewinnen und beauftragte ihn im weiteren Verlauf mit der Erstellung von mehreren Entwürfen für Mahnschreiben. Die entsprechend den Entwürfen hergestellten Mahnschreiben erweckten den Anschein, der Angeklagte habe die Forderungen aus den Gewinnspieleintragungen geprüft. Tatsächlich wurden die Namen der Empfänger vom Verantwortlichen des Gewinnspieleintragungsdienstes selbst eingesetzt. Der Angeklagte kümmerte sich weder darum, an wen die Briefe versandt wurden, noch darum, ob der Gewinnspieleintragungsdienst tatsächlich eine Forderung gegen den jeweiligen Empfänger des Schreibens hatte. Das LG hat auch nicht festgestellt, dass der Angeklagte bei deren Erstellung Kenntnis von der fehlenden Eintragung der Kunden in die Gewinnspiele hatte.

In den Mahnschreiben behauptete der Angeklagte, er sei mit der Durchsetzung der berechtigten Forderungen gegen den jeweiligen Empfänger beauftragt worden und werde dies auch konsequent tun. Seine Mandantin behalte sich vor, bei nicht fristgerechter Zahlung den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung wegen des Verdachts des Betruges vorzulegen. Tatsächlich war zwischen dem Auftraggeber und dem Angeklagten vereinbart worden, dass keinesfalls eine gerichtliche Geltendmachung der Forderungen, geschweige denn die Erstattung von Strafanzeigen erfolgen sollte. Vielmehr sollten bei Beschwerden oder „Kündigungen“ seitens der Kunden diesen ohne weitere Prüfung stets sämtliche etwa bereits geleistete Zahlungen zurückerstattet werden.

Aufgrund der Mahnaktionen gingen fast 860.000 € ein, von denen knapp 140.000 € dem Angeklagten zuflossen.

Die Strafkammer hat die Drohung mit einer Strafanzeige als verwerflich im Sinne des Nötigungstatbestandes (§ 240 Abs. 2 StGB*) bewertet.  Sie konnte aber nicht feststellen, dass die angeschriebenen Kunden wegen der Drohung mit der Strafanzeige bezahlt hatten. Möglicherweise hatten sie auch schon allein deshalb bezahlt, weil sie (überhaupt) ein anwaltliches Mahnschreiben erhalten hatten. Deshalb wurde der Angeklagte nur wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen verurteilt.

Der BGH hat das bestätigt und die Revision des Angeklagten verworfen:

Zwar habe der Angeklagte nicht konkret gewusst, dass die von ihm eingetriebenen Forderungen zivilrechtlich nicht gerechtfertigt waren. Dennoch hat der Bundesgerichtshof es als mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar und daher verwerflich angesehen, dass juristische Laien durch Behauptungen und Androhungen, die der Angeklagte mit der Autorität eines Organs der Rechtspflege ausgesprochen hatte, zur Erfüllung der behaupteten, nur scheinbar von diesem geprüften rechtlichen Ansprüche veranlasst werden sollten. Dazu:

„::Vielmehr hat der Angeklagte es Ö. ermöglicht, seine Berufsbezeichnung als Anwalt einzusetzen, um dadurch generell die Position der Adressaten als faktisch aussichtslos erscheinen zu lassen. Letztlich sollten auf diese Weise juristische Laien durch die Autorität eines Organs der Rechtspflege zur Hin-nahme der nur scheinbar vom Angeklagten stammenden Wertungen veranlasst werden. Der Angeklagte wollte, dass sie sich lediglich noch vor die Wahl gestellt sahen, entweder – als kleineres Übel – die Forderungen des Ö. sofort zu erfüllen, ohne dass es aus seiner Sicht darauf ankam, ob die Forderungen berechtigt waren oder nicht, oder andernfalls mit größeren Übeln rechnen zu müssen (vgl. hierzu schon OLG Karlsruhe, Die Justiz 1981, 212, 213). Dies waren neben einer zivilrechtlichen Verurteilung, Konten- und Gehaltspfändungen, Negativeinträgen in Kreditauskunfteien und – teilweise – einer öffentlichen Erörterung der Teilnahme an Gewinnspielen „nicht jugendfreien Inhalts“ auch die Erstattung einer Strafanzeige wegen Betruges.

dd) Auf dieser Grundlage hat die Strafkammer die Verquickung von Mittel und Zweck im Ergebnis zutreffend als verwerflich im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB bewertet….“