Archiv für den Monat: Oktober 2012

Wochenspiegel für die 40. KW, das war eine erstaunliche VV, die ARAG-Police fürs Internet und der Freitagswitz….

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Aus der ablaufenden Woche berichten wir über das ein oder andere Posting, das u.E. berichtenswert ist, und zwar über:

  1. die erstaunliche Honorarvereinbarung im Verfahren Kachelmann,
  2. das Jobcenter als Ermittlungsbehörde,
  3. Geschwindigkeitskontrollen an Gefahrenstellen,
  4. die geplante, aber nicht kommende Verschärfung der Abgeordnetenbestechung,
  5. den für den Kollegen überraschenden Beiordnungsgrund der Waffengleichheit, ähnlich hier,
  6. verloren gegangene Steuersünderdaten,
  7. den Bandenbegriff beim Diebstahl und in BtM-Verfahren,
  8. nochmal die Beschlüsse des DJT,
  9. die ARAG-Police für Internet-Nutzer,
  10. und dann war da noch der Freitagswitz.

Kachelmann – und kein Ende? Jetzt geht es ums Geld, oder: Sind 441.000 € die „übliche Größenordnung“?

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Das eigentliche „Kachelmann-Verfahren“ ist beendet. Aber Ruhe gibt es nicht. Denn nun geht es ums Geld, wie LTO meldet. Kachelmann und sein früherer Verteidiger Birkenstock streiten nämlich jetzt beim LG Köln um das Honorar. Kachelmann hatte sich im November 2011 überraschend von Birkenstock getrennt. Nun will er rund 37.500 € Honorar zurück haben, die Birkenstock über die vereinbarten 250.000 € hinaus zu viel an Honorar erhalten habe. Bei LTO heißt es weiter:

Birkenstock hingegen berechnet insgesamt 441.000 Euro für seine Dienste und verlangt Nachzahlungen. Dessen Anwalt Manfred Hüttemann bestätigte auf Nachfrage die Zeitungsberichte. Kachelmanns Anwalt äußerte sich dagegen unter Hinweis auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nicht.

Hüttemann sagte, die 441.000 Euro seien bei solchen Großverfahren eine Summe in der üblichen Größenordnung. Kachelmann war im Mai 2011 vom Vorwurf der Vergewaltigung einer Ex-Freundin freigesprochen worden. Hüttemann zufolge war der Kachelmann-Fall damals Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit Birkenstocks. Zu den Abrechnungen könne er im laufenden Verfahren keine Details nennen. Das geforderte Honorar stehe seinem Mandanten zu.

Das Landgericht (LG) Köln hatte beide Seiten am Montag in einer mündlichen Verhandlung aufgefordert, sich gütlich zu einigen, wie Gerichtssprecher Dirk Eßer sagte. Bis Anfang November sollen die Parteien dem Gericht mitteilen, ob sie einen Vergleich hinbekommen, sagte Eßer. Sonst werde das LG am 27. November entscheiden, wie es weitergehe. Beide Seiten hätten signalisiert, sie wollten über eine außergerichtliche Einigung „nachdenken.“ Birkenstock sei bereit, einen Vergleich zu schließen, sagte Hüttemann.“

Man darf gespannt sein, wie es weiter geht. Wird der Streit fortgeführt, wird er sicherlich erst in Karlsruhe enden. Und der 9. Zivilsenat wird dann erneut Gelegenheit haben, seine „Quotienrechtsprechung“ zu überdenken. Allerdings 441.00 € sind ja schon ein Wort. Dafür muss ein alte Frau lange stricken. Ob Beträge in dieser Höhe/Größenordnung die „übliche Größenordnung“ sind: Der BGH wird es uns dann ggf. sagen. Jedenfalls wird der ehemalige Verteidiger eine Menge vortragen müssen, um seine Forderung in dieser „üblichen Größenordnung durchzusetzen.

Familienrecht mit strafrechtlichem Einschlag – Schadensersatz für unberechtigte Strafanzeige?

Familienrecht mit strafrechtlichem Einschlag, darum geht es im OLG Dresden, Beschl.  v. 14.05.2012, 21 UF 1337/11, und zwar konkret um die gegenseitigen Ansprüche von Ehegatten bei unberechtigter Erstattung von Strafanzeigen. Die Parteien haben ls getrennt lebende Ehegatten um den Ersatz von Verteidigerkosten, die dem Antragsteller auf Grund einer gegen ihn gerichteten Strafanzeige der Antragsgegnerin entstanden sind, gestritten. Das OLG hat die Erstattung abgelehnt. Dazu allgemein:

„..Eine Haftung aus Delikt (§ 823 Abs. 1 und 2; § 826 BGB) oder wegen einer Pflichtverletzung aus einer rechtlichen Sonderverbindung i.V.m. § 280 BGB kann grundsätzlich nur unter sehr engen Voraussetzungen für den Fall in Betracht kommen, dass sich die Erstattung einer Strafanzeige als unbegründet erweist. Das Ingangsetzen und Betreiben eines gesetzlich geregelten Verfahrens, auch eines Strafverfahrens, hat zunächst die Vermutung der Rechtmäßigkeit für sich. Abgesehen von Ausnahmefällen muss der Rechtsschutzbegehrende seinem Gegner nicht außerhalb der schon im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen nach dem sachlichen Recht der unerlaubten Handlung für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haften. Alles andere würde die freie Zugänglichkeit der staatlichen Rechtspflegeverfahren in bedenklicher Weise einengen (BVerfGE 74, 257 ff., [BVerfG 25.02.1987 – 1 BvR 1086/85] juris Rn. 8 ff.; BGHZ 74, 9 ff., juris Rn. 15 ff.). Danach sind die der anderen Seite entstehenden Rechtsanwaltskosten zunächst den typischen, ersatzlos hinzunehmenden Folgen einer formal berechtigten Einleitung und Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zuzuordnen (BVerfG, aaO., juris Rn. 9). Etwas anderes wird nur dann in Betracht zu ziehen sein, wenn ein objektiv unwahrer Sachverhalt wissentlich oder in leichtfertiger – d.h. grob fahrlässiger – Unkenntnis den Strafverfolgungsbehörden zur Kenntnis gebracht wird (BVerfG, aaO., Rn. 11 f.; BGH, aaO., Rn. 23). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass § 469 StPO die Auferlegung von strafrechtlichen Verfahrenskosten eines objektiv unwahren Vorwurfs nur bei Vorsatz oder Leichtfertigkeit in Bezug auf den Anzeigeerstatter vorsieht.

Rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung? – gibt es nicht

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Der mir vom 2. Strafsenat des OLG Celle übersandte OLG Celle, Beschl. v. 24.07.2012 – 2 Ws 196/12 – behandelt zwei Fragen, von denen die erste die Praxis häufiger beschäftigt, nämlich die nach der Zulässigkeit einer nachträglichen Pflichtverteidigerbestellung. Die wird vom OLG in Übereinstimmung mit der h.M. verneint. Die Begründung ist bekannt:

Eine nachträgliche rückwirkende Bestellung für das im Rechtszug – und hier sogar rechtskräftig – abgeschlossene Verfahren (hier: Entnahme von Körperzellen) ist nicht zulässig (BGH NStZ-RR 2009, 348; StV 1997, 238; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 141 Rdnr. 8 mwN). Denn die Verteidigerbestellung erfolgt im Strafverfahren nicht im Kosteninteresse des Beschuldigten oder Angeklagten, sondern dient allein dem Zweck, die ordnungsgemäße Verteidigung in einem noch ausstehenden Verfahren zu gewährleisten. Dieser Zweck kann nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens ganz offensichtlich nicht mehr erreicht werden. Denn es gibt keine zu erbringende Verteidigungstätigkeit mehr, auf die sich die mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger entstehende öffentlich-rechtliche Pflicht zum Tätigwerden beziehen könnte. Mithin fehlt es der Beschuldigten an dem für eine Beschwerde gegen die angefochtene Ablehnungsentscheidung des Landgerichts erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

Und: Es wird erst Recht nicht beigeordnet, wenn die StA den dafür von ihr im Ermittlungsverfahren zu stellenden Antrag nicht gestellt hat. denn:

„Ein im Ermittlungsverfahren gestellter Beiordnungsantrag des Beschuldigten stellt lediglich eine Anregung an die Staatsanwaltschaft dar, einen Antrag auf Pflichtverteidigerbeiordnung zu stellen. Dies folgt aus der Gesetzessystematik der Bestimmungen der StPO über das Vorfahren, wonach die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren Herrin des Verfahrens ist und das Gericht keine Maßnahmen gegen ihren Willen bzw. ohne Antrag der Staatsanwaltschaft treffen kann. Dies gilt nach der Konzeption des Gesetzgebers und der für das Ermittlungsverfahrenen geschaffenen Sonderregelung in § 141 Abs. 3 StPO auch für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Vorverfahren (vgl. OLG Oldenburg, NJW 2009, 3044; OLG Karlsruhe, NStZ 1998, 315; LG Cottbus, Beschluss vom 13.05.2005, 22 Qs 15/05, zitiert nach juris; KK-Laufhütte, StPO, 6 Auflage, Rdnr. 6 zu § 141; Reinhardt in Radtke/Hohmann, StPO, Rdnr. 10 zu § 141; Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, Rdnr. 5 zu § 141; a.A. LG Bremen, Beschluss vom 25.06.1998, 27 AR 55/98, zitiert nach juris; LK-Lüderssen/Jahn, StPO, 26. Auflage, Rdnr. 24 zu § 141; Wohlers in SK-StPO, 4. Auflage, Rdnr. 5 ff. zu § 141).

Na ja, kann man auch anders sehen. Als Verteidiger muss man sich auf diese Rechtsprechung einstellen: Also Antrag frühzeitig stellen und darauf drängen, dass er beschieden wird. ich weiß: ist nicht immer einfach.

 

Strafzumessung – mal wieder die fehlende Schuldeinsicht

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Das LG verurteilt den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das Urteil hat beim BGH wegen eines Strafzumessungsfehlers, der häufig vorkommt, keinen Bestand. Der BGH, Beschl. v. 29.08.2012 – 4 StR 322/12 – hebt deshalb den Rechtsfolgenausspruch auf:

Das Landgericht hat strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte „seit geraumer Zeit in kontinuierlicher Weise Straftatbestände begeht“ und die Strafkammer „keine Anzeichen [dafür sieht], dass aufgrund des jetzigen Verfahrens bei dem Angeklagten eine Einsicht eingetreten wäre, hieran in Zukunft etwas zu ändern. Insbesondere war nicht zu erkennen, dass der Angeklagte in Zukunft von dem Handel mit Betäubungsmitteln absehen wird.“ (UA 11). Da der Angeklagte aber lediglich den Besitz von Haschisch und Marihuana zum Eigenkonsum eingeräumt, die Absicht der gewinnbringenden Veräußerung und damit den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jedoch bestritten hat, durften ihm fehlende Schuldeinsicht und fehlende innere Abkehr von der Tat nicht zum Vorwurf gemacht werden (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 – 3 StR 121/12, StraFo 2012, 281; Beschluss vom 25. April 1997 – 3 StR 25/97, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 24 mwN; Senatsbeschluss vom 13. Juni 2000 – 4 StR 179/00, bei Pfister NStZ-RR 2000, 353, 362 mwN).

Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch auf diesem Rechtsfehler beruht. Bei der deshalb erforderlichen neuen Bemessung der Strafe wird die Strafkammer auch zu bedenken haben, dass die Erwägung, der Angeklagte begehe „seit geraumer Zeit in kontinuierlicher Weise Straftatbestände“, jedenfalls in dieser Allgemeinheit von den Feststellungen nicht getragen wird.“

Die letzte Passage ist dann der deutlich/vorsichtige Hinweis, dass die Feststellungen auch nicht ausreichend waren für die angestellten Überlegungen.