Archiv für den Monat: Juli 2012

Steinewerfer/Steinewerfen mal anders – Früh übt sich? Hoffentlich nicht!

Wir kennen die „Steinewerferproblematik“ meist nur in Zusammenhang mit dem „anderen eben os gefährlichen Eingriff“ i.S. des § 315b StGB  – gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr. Das OLG Koblenz hat nun aber mal in einer PM v. 21.06.2012 über eine andere Art des Steinewerfens bzw. andere Steinewerfer berichtet. Nämlich über Kita-Kinder, die vom Außengelände der Kita Steine auf ein parkendes Fahrzeug geworfen haben. Wegen der Schäden war ein verfahren beim OLG Koblenz anhängig. Dieses hat die Stadt Bitburg wegen Verletzung der Aufsichtspflicht in Haftung genommen. In der PM heißt es:

Die Stadt Bitburg muss dem Inhaber einer ortsansässigen Firma Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Autos durch Kindergartenkinder zahlen. Dies hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz mit heute verkündetem Urteil entschieden (Urteil vom 21. Juni 2012, Az.: 1 U 1086/11*). Im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung erklärte der Vorsitzende des Senats, die Erzieherinnen der betreffenden Kita hätten in dem speziellen Einzelfall ihre Aufsichtspflicht verletzt.Im Juni 2010 stellte der Kläger, der Inhaber einer ortsansässigen Firma ist, sein Fahrzeug am Rande des Außenbereichs einer Kindertagesstätte ab und begab sich in das anliegende Gebäude. Auf dem Freigelände der Kita hielt sich u.a. eine Gruppe von acht Kindern auf, die von einer Erzieherin betreut wurden. Drei Kinder verließen die Gruppe und begaben sich in Richtung des Außenzaunes, der zur unmittelbar angrenzenden Parkfläche durchlässig ist. Sie nahmen Steine in die Hand und warfen diese gegen das parkende Auto des Klägers. Es handelte sich um so viele Steine, dass insgesamt 21 Dellen im Fahrzeug festgestellt wurden.

Der Vorsitzende des 1. Zivilsenats betonte in der mündlichen Urteilsbegründung, eine permanenten und lückenlose Überwachung der Kinder „auf Schritt und Tritt“ sei in einer Kita nicht zu gewährleisten und auch nicht geboten. Für die Frage der Aufsichtspflichtverletzung müssten immer die Besonderheiten des einzelnen Falles in den Blick genommen werden, wie etwa die Eigenheiten der jeweiligen Kinder, die örtlichen Gegebenheiten und die Aufsichtssituation. Die Beschaffenheit des Freigeländes (lockere große Kieselsteine, durchlässiger Zaun zur unmittelbar angrenzenden Parkfläche) habe in diesem speziellen Fall ein konkretes Gefahrenpotential für fremdes Eigentum entstehen lassen. Wenn sich dann drei spielende Kinder aus ihrer Gruppe eigenmächtig in Richtung Zaun entfernten, dürften diese nicht – wie hier – länger andauernd unbeobachtet bleiben. Ein Zeuge hatte zudem angegeben, die Steine seien „wie bei einem Maschinengewehr“ auf das Auto geprallt. Die Erzieherinnen auf dem Außengelände hingegen hatten bekundet, nichts von alledem mitbekommen zu haben. In der Gesamtschau all dieser Umstände sah der Senat eine Verletzung der Aufsichtspflicht und verurteilte die Stadt zum Ersatz des Schadens.

Zudem hat der Senat gemäß den Ausführungen des Vorsitzenden entschieden, in einem solchen Fall der Amtshaftung müsse grundsätzlich die Kommune beweisen, dass die Erzieherinnen ihre Aufsichtspflicht erfüllt haben. Diese rechtliche Frage ist in der deutschen Rechtsprechung umstritten. Andere Obergerichte sehen den Geschädigten in der Pflicht, auch die Verletzung der Aufsichtspflicht beweisen zu müssen. Der Senat hat wegen dieser Rechtsfrage die Revision gegen das Urteil zugelassen. Die Stadt Bitburg kann daher entscheiden, ob sie die Sache vor dem Bundesgerichtshof nochmal in der Revision überprüfen lassen will.


Der Cannabis-Plantagen-Film

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Schon wieder Cannabis, nun aber mal als Gegenstand eines Zivilrechtsstreits, der Filmaufnahmen in Zusammenhang mit der Berichterstattung über eine Cannabis-Plantage in einem Privathaus betraf. Insoweit war ein Unterlassungsanspruch des Grundstückseigentümers geltend gemacht worden. Das Verfahren war inzwischen beim OLG Brandenburg anhängig. Dazu das OLG Brandenburg, Urt. v. 21.05.2012 – 1 U 26/11 – mit folgendem Leitsätzen:

1. Es ist von der Pressefreiheit (GG Art. 5 Abs. 1 S. 2) gedeckt, wenn Presseorgane aus dem öffentlich zugänglichen Verkehrsraum Filmaufnahmen von einem Hausgrundstück anfertigen, in dem eine Cannabis-Plantage betrieben wurde. Denn bei der Entdeckung der Plantage und dem darauf folgenden Strafprozess handelt es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis i.S. des § 23 KUG.

2. Es stellt eine nur geringfügige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts dritter Personen dar, wenn diese, soweit sie sich auf dem Grundstück bewegen, bei den Filmaufnahmen mit aufgenommen werden. Dies gilt jedenfalls, soweit es sich nicht um ein Wohngrundstück oder einen anderen „privaten Rückzugsort“ handelt, an dem derjenige, der sich dort aufhält, erkennbar frei von öffentlicher Beobachtung sein will.

3. Ein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung zukünftiger Filmaufnahmen scheitert bereits daran, dass die erforderliche Gesamtabwägung nicht in Bezug auf die Verwendung von Aufnahmen vorgenommen werden kann, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen noch offen ist, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden.

 

Beweiswürdigung: Warum hat der Zeugen seine Aussage geändert?

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Häufig schreiben die Tatgerichte nach Auffassung des BGH zu viel, was dann vom Revisionsgericht hin und wieder auch gerügt wird und darauf hingwiesen wird, dass die Urteilsgründe kein Roman sein sollen. In manchen Fällen wird aber auch zu wenig bzw. zu knapp geschrieben. Und das ist nicht selten bei der Beweiswürdigung der Fall, wenn es um eine „Aussageänderung“ geht. Dann muss das Tatgericht die Motive des Zeugen untersuchen und ggf. näher darlegen. So auch der BGH, Beschluss v. 19.04.2012 – 2 StR 5/12:

„Das Tatgericht ist zwar nicht schon aufgrund des Zweifelssatzes an der Verurteilung gehindert, wenn „Aussage gegen Aussage“ steht. Wird die Tat vom Tatopfer selbst geschildert, so kann der Angeklagte auf dieser Grundlage verurteilt werden, wenn das Tatgericht von der Glaubhaftigkeit der Aussage des einzigen Belastungszeugen überzeugt ist. Es muss sich jedoch insbesondere dann, wenn eine Aussageänderung eingetreten ist, bewusst sein, dass die Aussage dieses Zeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen ist (vgl. BGHSt 44, 153, 158). An einer lückenlosen Gesamtwürdigung der Indizien fehlt es hier jedoch.

Die Nebenklägerin hatte in einem früheren Verfahren wegen Straftaten des Angeklagten zum Nachteil anderer Geschädigter in zwei Tatsacheninstanzen als Zeugin ausgesagt, sie selbst sei nicht von ihm sexuell missbraucht worden. Danach wurde sie wegen vorsätzlich falscher uneidlicher Aussage straf-rechtlich verfolgt. Sie wandte sich daraufhin an eine Sozialarbeiterin und bekundete dieser gegenüber, der Angeklagte habe auch mit ihr „alles“ gemacht. Nach anwaltlicher Beratung gab sie eine Falschaussage im vorangegangenen Strafverfahren zu, erstattete Strafanzeige und belastete den Angeklagten im Sinne der Urteilsfeststellungen. Das Landgericht hat angenommen, für eine nunmehr gemachte Falschaussage zum Nachteil des Angeklagten bestünden „keinerlei Anhaltspunkte“. Das gegen sie gerichtete Strafverfahren ergebe kein Falschaussagemotiv. Diese Würdigung ist für das Revisionsgericht nicht nachprüfbar. Das Landgericht hat nicht mitgeteilt, wie die Nebenklägerin als Zeugin die Frage danach beantwortet hat, warum sie im vorangegangenen Strafverfahren in zwei Tatsacheninstanzen jeweils eine Tatbegehung des Angeklagten zu ihrem Nachteil in Abrede gestellt hatte. Ferner ist nicht dargetan, welche Angaben die Sozialarbeiterin als Zeugin zu dem Gespräch mit der Nebenklägerin gemacht hat, in dessen Folge eine Aussageänderung eingetreten ist. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesen Darstellungsmängeln beruht, weil das Aussagemotiv hier von zentraler Bedeutung für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben ist. Deshalb muss die Sache neu verhandelt und entschieden werden.

Beweiswürdigung ist nicht einfach und manchmal eine Gratwanderung.

Keine Wiederaufnahme für Gäfgen

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In meinem Jurion-NL finde ich gerade folgende Meldung über einen OLG Frankfurt am Main-Beschluss – vgl. auch hier den Bericht bei LTO:

Magnus G. scheitert mit Wiederaufnahmeantrag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main

„Mit einem Beschluss hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) eine Beschwerde des wegen Mordes verurteilten Magnus G. zurückgewiesen, mit der dieser die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens erreichen wollte.

G. war durch das Landgericht Frankfurt am Main am 9.4.2003 wegen Mordes an dem 11-jährigen J. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die er seitdem verbüßt. Die Tat und das anschließende Strafverfahren gegen G. hatten damals große Aufmerksamkeit in den Medien hervorgerufen. Die Verurteilung beruhte im Wesentlichen auf einem Geständnis des G., das dieser in der Hauptverhandlung abgegeben hatte. Zuvor hatte das Landgericht festgestellt, dass die von G. während seiner polizeilichen Vernehmung gemachten Einlassungen wegen der Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden durch einen Polizeibeamten nicht verwertet werden dürften.

Die gegen das Urteil eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof im Mai 2004 als offensichtlich unbegründet. Eine von G. erhobene Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte durch Urteil vom 1.6.2010 fest, dass G. während seiner polizeilichen Vernehmung im Oktober 2002 mit Folter gedroht wurde, um ihn zur Preisgabe des Aufenthaltsortes seines Opfers zu veranlassen, und dass diese Vernehmungsmethode eine nach Artikel 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK – Menschenrechtskonvention) verbotene unmenschliche Behandlung darstelle. Gestützt auf das Urteil des EGMR betreibt G. die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens, die er primär damit begründet, dass seine Verurteilung durch das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main auf dem gegen ihn ausgeübten Zwang im Ermittlungsverfahren beruhe. Das für die Wiederaufnahme erstinstanzliche zuständige Landgericht Darmstadt wies den Antrag mit Beschluss vom 9.11.2011 zurück.

Zu Recht, wie das OLG im Beschluss nunmehr feststellte. Die Voraussetzungen, unter denen die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten zulässig sei, lägen nicht vor. Soweit der EGMR eine Verletzung der Menschenrechtskonvention gegenüber G. festgestellt habe, beruhe das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main hierauf nicht. Der im Ermittlungsverfahren festgestellte Verstoß habe keinen Einfluss auf das Geständnis des G. in der Hauptverhandlung gehabt, auf dem die Verurteilung im Wesentlichen beruhe.

Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 29.06.2012
Aktenzeichen 1 Ws 3/12
Ich wage die Behauptung, dass das Verfahren damit noch nicht beendet ist, sondern Gäfgen wahrscheinlich den Weg nach Karlsruhe und Straßburg gehen wird.

Grüne wollen allen das Kiffen erlauben

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Unter dem Titel: „Grüne wollen allen das Kiffen erlauben“ berichtet LTO über den Versuch grüner Bundestagsabgeordnete, den Anbau und Konsum von Cannabis für den Eigengebrauch zu legalisieren. In der Einleitung des Beitrags heißt es: „…Einmal mehr listen sie die altbekannten Argumente auf. Dabei springen sie erneut inhaltlich zu kurz und übersehen neben den möglichen negativen Folgen für Konsumenten auch, dass Deutschland das Kiffen aus rechtlichen Gründen gar nicht legalisieren könnte, meint“ Prof. Dieter Müller. Näheres dann hier….