Archiv für den Monat: Mai 2012

EuGH zum ausländischen Führerschein – Rechtssache Hofmann

Na, ich will es mal versuchen, mich zum ausländischen Führerschein zu äußern – und hoffe es gelingt :-).

Das lang oder länger erwartete Urt. des EuGH v. 26.04.2012 – Rs. C-419/10 in der Rechtssache Hofmann äußert sich erneut zur Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis, und zwar zu den ab 19.02.01.2009  erteilten EU-Fahrerlaubnisse, das ist der zeitliche Beginn des Geltungsbereichs der 3. EU-Führerscheinrichtlinie.

Nach Auffassung des EuGH gelten die zur 2. EG-Führerscheinrichtlinie (91/439/EWG) aufgestellten Grundsätze auch im zeitlichen Geltungsbereich der 3. Führerscheinrichtlinie (20076/126/EG), d.h. für alle ab 19.1.2009 ausgestellten Führerscheine, unverändert fort. Die Änderung im Wortlaut des Art. 11 Abs. 4 der Neuregelung (gegenüber Art. 8 Abs. 4 der Vorgängerregelung) bedeute keine weiterreichende Einschränkung des Anerkennungsgrundsatzes. Die gegenseitige Anerkennungspflicht würde geradezu negiert, könnte ein Mitgliedstaat dem früheren Inhaber einer von ihm erteilten Fahrerlaubnis unter Bezugnahme auf Negativmaßnahmen dauerhaft die Anerkennung später im EU-Ausland erworbener Fahrerlaubnisse verweigern. Die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins kann aber – so auch bisher schon – verweigert werden, wenn feststeht, dass der Inhaber des Führerscheins zum Zeitpunkt seiner Ausstellung nicht die vorgesehene Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes erfüllt.

Damit wird sich die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wohl ändern müssen – so auch der Kollege Pießkalla im Mai-Heft von VRR.

Der Strafantrag des Betreuers? Wirksam? – manchmal nicht…

Verfahrensvoraussetzung bei den Antragsdelikten ist ein wirksamer Strafantrag. Es lohnt sich schon, an der Stelle mal genauer hinzuschauen, ob der erforderliche Strafantrag wirksam gestellt ist ist. Dazu gehört auch, dass er von einem Strafantragsberechtigten gestellt worden ist.

Dazu nimmt das OLG Celle, Beschl. v. 21.02.2012 – 32 Ss 8/12 Stellung. Im dortigen Verfahren hatte ein der Beteiligung an der Tat – Betrug – verdächtiger Betreuer einen Strafantrag gestellt. Die Betreuerin hatte nämlich Kenntnis von den unrechtmäßigen Abhebungen durch ihren Ehemann, den Angeklagten, vom Konto des Betreuten.

Das OLG sagt:

„Ein Betreuer ist von seinem Recht auf Stellung eines Strafantrags ausgeschlossen, wenn er selbst der Beteiligung an der Tat verdächtig ist. Dies gilt auch für die Stellung von Strafanträgen gegen Mitbeteiligte.“

Im Ergebnis hat es allerdings nichts gebracht, da von einem neuen Betreuer rechtzeitig Strafantrag gestellt war.

Fotokopiekosten? Nein: Nimm doch „überschlägig am Bildschirm Kenntnis“ – solche Entscheidungen machen ärgerlich

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Das OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 29.03.2012 – 2 Ws 49/12 befasst sich mit der Erstattungsfähigkeit von Fotokopien des Pflichtverteidigers. Dies hatte der Pflichtverteidiger von TKÜ-Bänden gefertigt. Diese betrafen allerdings nicht die seinem Mandanten von der Staatsanwaltschaft gemachten Vorwürfe. Der Verteidiger hatte die TKÜ-Bände aber dennoch auf Entlastungsmaterial  durchgesehen. Das OLG Frankfurt hat die Erstattungsfähigkeit verneint:

„Denn jedenfalls war die Fertigung von Kopien von TKÜ-Bänden, die von der Staatsanwaltschaft nicht den Anklagevorwürfen betreffend den von dem Beschwerdeführer verteidigten Angeklagten zugeordnet waren, hier nicht erforderlich. Wenn der Pflichtverteidiger gleichwohl die Auffassung vertritt, auch diese TKÜ-Bände auf eventuelle Entlastungsmomente im Hinblick auf seinen Mandanten überprüfen zu müssen, ist dies zwar sein gutes Recht, vermag dies aber die Erforderlichkeit dieser Auslagen nicht zu begründen. Vielmehr hätte für diese Überprüfung eine überschlägige Durchsicht auf dem Bildschirm ausgereicht. Die Anfertigung von Ablichtungen auch dieser TKÜ-Bände stellt sich somit als bloße Erleichterung dar, die einer Erstattung der hierdurch entstandenen Auslagen nicht zugänglich ist.“

M.E. falsch. Ich gehe davon aus, dass es sich um Beiakten gehandelt hat. Dann hatte der Verteidiger aber auch einen Anspruch auf Einsicht und aufs Kopieren. Das OLG kann ihn m.E. nicht darauf verweisen, dass er am Bildschirm „überschlägig durchsehen“ muss. Und wie soll das gehen? Z.B. jedes fünfte Blatt? Wie soll man da feststellen, ob Entlastendes enthalten ist? Das OLG Frankfurt – m.E. eh im Gebührenrecht nicht besonders „verteidigerfreundlich“ – sieht es anders. Mich würde interessieren, wie die OLG-Richter sich Aktenkenntnis verschaffen. Nimmt das Gericht auch „überschlägig“ am Bildschirm Kenntnis?

Falsch m.E. auch der zusätzliche Hinweis:

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob dann, wenn — wie hier — dem Pflichtverteidiger der Akteninhalt vollständig in digitalisierter Form vorgelegen hat, sämtliche zum Ausgleich angemeldete Kopierkosten als nicht erforderliche Auslagen im Sinne von § 46 Abs. 1 RVG anzusehen sind, da der Pflichtverteidiger auf diese Form der Information über den Akteninhalt verwiesen werden kann und die Fer­tigung von Ablichtungen damit nicht erforderlich wäre (vgl. hierzu OLG Köln ZfSch 2010, 106).

Und was ist, wenn der Verteidiger keine Möglichkeit hat zur „digitalisierten Akteneinsicht“? Beteiligt sich das OLG an den Anschaffungskosten für einen PC/ein Notebook? Ich bin gespannt!

Der (weg)rollende Einkaufswagen II – Unfall i.S. des § 142 StGB

In den beiden letzten Jahren sind die mit dem „Unfall“ i.S. des § 142 StGB zusammenhängenden Fragen in Rspr. und Literatur diskutiert worden. Ausgangspunkt waren schon etwas zurückliegende Entscheidungen des AG Tiergarten und des LG Berlin und ein Beschluss des OLG Köln. In der Diskussion hatte sich dann auch das LG Düsseldorf gemeldet und den (weg)rollenden Einkaufswagen, der Schäden anrichtet, nicht als „Unfall“ i.S. des § 142 StGB angesehen, das sich in einem solchen Ereignis keine typische Gefahr des Straßenverkehrs verwirkliche. Die Entscheidung ist dann im OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.11.2011 – III-1 RVs 62/11, auf das ich erst jetzt bei Jurion gestoßen bin (ich habe es bisher auch sonst noch nicht veröffentlicht gesehen), kassiert worden.

Das OLG geht, was m.E. zutreffend ist, von einem Unfall i.S. des § 142 StGB aus. Die Begründung:

„Die Kollision eines Einkaufswagens mit einem parkenden Pkw auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz ist ein „Unfall im Straßenverkehr“ im Sinne des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dies entspricht der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 26. Oktober 2010, 2 St OLG Ss 147/10 [Juris]; KG Berlin, Beschluss vom 3. August 1998, (3) 1 Ss 114/98 (73/98) [Juris]; OLG Koblenz, MDR 1993, 366; OLG Stuttgart, VRS 47, 15; LG Bonn, NJW 1975, 178) und Literatur (LK-Geppert, StGB, 12. Aufl. 2009, § 142 Rn. 25; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, StGB, 28. Aufl. 2010, § 142 Rn. 17; Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Burmann, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 2010, § 142 StGB Rn. 4; Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 142 Rn. 9; Lackner/ Kühl, StGB, 27. Aufl. 2011, § 142 Rn. 6; a. A. SK-Rudolphi/ Stein, StGB, Stand: Okt. 2008, § 142 Rn. 12; MK-Zopfs, StGB, 2005, § 142 Rn. 34; Weigend, JR 1993, 115, 117 mit Fn. 23), der sich der Senat anschließt.

§ 142 StGB schützt als abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt die Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche und schützt überdies vor unberechtigter Inanspruchnahme (vgl. Fischer, a. a. O., § 142 Rn. 2). Dabei knüpft die Strafbarkeit an einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang an, was in dem Tatbestandsmerkmal „Unfall im Straßenverkehr“ zum Ausdruck kommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich ein verkehrstypisches Unfallrisiko verwirklicht haben (NJW 2002, 626 ). Dies ist – unter Zugrundelegung der natürlichen Verkehrsauffassung – in den „Einkaufswagenfällen“ nach gefestigter Rechtsprechung der Fall (vgl. grundlegend OLG Stuttgart, a. a. O.). Auch der Senat teilt diese Ansicht. Fahrzeuge auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz, auf dem auch Einkaufswagen bewegt werden, sind dort einer erhöhten Gefährdung durch wegrollende Einkaufswagen ausgesetzt. Es handelt sich um eine typische Situation des Straßenverkehrs, dem auch parkende Fahrzeuge zuzurechnen sind. Das spezifische Gefahrenpotential eines Einkaufswagens besteht nur in dieser typischen Verkehrssituation, so dass sich letztlich im Schadensfall ein typisches Verkehrsrisiko realisiert.

Die zivilrechtliche Fragestellung, ob in den Einkaufswagenfällen der Schaden durch den „Gebrauch eines Kraftfahrzeugs“ verursacht wurde (dann: Kfz-Haftpflicht) oder nicht (dann: Privathaftpflicht), ist nicht weiterführend, da ein „Unfall im Straßenverkehr“ nicht den „Gebrauch eines Kraftfahrzeugs“ voraussetzt. Auch ein Fußgänger kann sich gemäß § 142 StGB strafbar machen, wenn sein Einkaufswagen auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz ein Fahrzeug beschädigt (vgl. OLG Koblenz, a. a. O.). Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Kammer im Falle eines Tatnachweises sorgfältig zu prüfen haben wird, ob ein Fahrverbot verhängt werden kann. Ein Fahrverbot kommt gemäß § 44 Abs. 1 StGB nur in Betracht wegen einer Straftat, die bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde (vgl. hierzu OLG Nürnberg, a. a. O.). Sollte die Kammer diese Voraussetzungen bejahen, wird sie zu bedenken haben, dass das Unfallereignis bereits erhebliche Zeit zurückliegt. Seine Warn- und Besinnungsfunktion kann ein Fahrverbot grundsätzlich nur in engem zeitlichen Abstand zur Tat erfüllen (vgl. Senat, VRS 68, 262, 263; OLG Nürnberg, a. a. O.). Die inzwischen erreichte Verfahrensdauer kann unter Umständen auch Anlass geben, eine Einstellung gemäß § 153a StPO in Erwägung zu ziehen.“

Damit dürfte die Diskussion in der Rechtsprechung beendet sein.

Lenkzeitverstoß – Doppelwochenverstoß – Konkurrenzen – Vorsatz

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Das OLG Hamm, Beschl. v. 16.04.2012 – III-3 RBs 105/12 nimmt zu einigen Fragen in Zusammenhang mit Lenkzeitverstößen Stellung, die nicht neu sind, die die Praxis, vor allem die Betroffenen, aber immer wieder beschäftigen. Es geht um die Konkurrenzverhältnisse mehrerer Verstöße und die Schuldform. Dazu die Leitsätze:

1. Die innerhalb eines Doppelwochenverstoßes begangenen selbständigen Tages- oder Wochenverstöße stehen zueinander in Tateinheit.
 2. Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten werden aufgrund der Verpflichtung; aus Artikel 6 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 i.d.R. vorsätzlich begangen werden.

Vor allem letzteres kann teuer werden. Dazu hatte der 5. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm aber bereits darauf hingewiesen, dass ggf. Bußgelder entstehen können, die leicht den Monatsverdienst des Fahrers übersteigen. Dazu hat dieser Senat dann ausgeführt, dass zwar das Gefährdungspotential übermüdeter Fahrer von Lkws im Straßenverkehr erheblich sei, man andererseits jedoch das Sanktionsgefüge zum Einen innerhalb der Norm, aber auch im Ganzen, im Blick behalten müsse.  Es handele sich (nur) um Ordnungswidrigkeiten, die bei Anwendung des Buß- und Verwarnungsgeldkatalogs Bußgelder ergeben, die Geldstrafen übersteigen, die für wesentlich gefährlichere Verkehrsstraftaten wie z.B. Trunkenheit im Verkehr verhängt werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die Zielsetzung in Art. 1 der VO (EG) Nr. 561/2006 in erster Linie auf den Unternehmer bezieht, und der Fahrer über die „Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Straßenverkehrsgewerbe“ in den Schutzbereich der VO einbezogen sei. Dies müsse bei der Bemessung der einzelnen Bußgelder, insbesondere im Vergleich zum Unternehmer, Berücksichtigung finden.