Archiv für den Monat: Januar 2012

Wochenspiegel für die 1. KW, das waren der Bundespräsident, 150 Kaninchen in der Wohnung und noch mal der Bundespräsident

Wir berichten über:

  1. natürlich die Affäre Wulff, das alles beherrschende Mailbox und Hauskredit-Thema, aber hier nur mit einer kleinen Auswahl, vgl hier, hier, hier und hier und hier,
  2. die Affäre Wulff II – das ist die mit dem Arm -, vgl. hier, hier und hier,
  3. ein Weihnachtskartenranking,
  4. Wechselkennzeichen an Kraftfahrzeugen,
  5. die Haftbedingungen gegen Beate Z., vgl. hier und hier,
  6. (k)ein BVV bei verfassungswidriger Ermächtigungsgrundlage,
  7. Anwalt und RSV im Spannungsfeld,
  8. das Vermächtnis von Kleine-Cosack,
  9. 150 Kaninchen in der Wohnung,
  10. und dann war da noch das Stellenangebot: „Volljurist mit ausgezeichneten Beziehungen zur niedersächsischen Wirtschaft..“

 

Sauklaue II

Ich hatte vor einigen Tagen über einen Beschluss des OLG Köln berichtet, in dem das OLG ein amtsgerichtliches Urteil als nicht unterschrieben angesehen hat, weil die Unterschrift des Amtsrichters nicht identifizierbar war (vgl. hier: Sauklaue….). Dazu passt ganz gut der (zivilrechtliche) BGH, Beschl. v. 26.10.2011 – IV ZB 9/11.

Da war es nicht die richterliche Unterschrift, sondern die des Rechtsanwalts unter der Berufungsbegründung. Der BGH sagt – ebenso wie das OLG Köln zum Richter – Die Unterschrift des Rechtsanwalts unter der Berufungsbegründung muss identifizierbar sein. Eine Berufungsbegründung von einem zur Vertretung bei dem Berufungsgericht berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig und identifizierbar unterschrieben sein. Erst wenn überhaupt eine Art von Identifizierung der die Unterschrift leistenden Person möglich ist, kann eine Überprüfung der Postulationsfähigkeit des Unterzeichnenden erfolgen.

Allerdings: Die Unterzeichnung ist (nur) dann als entbehrlich anzusehen, wenn sich aus den sonstigen Umständen zweifelsfrei ergibt, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt eines fristwahrenden Schriftsatzes übernommen hat. Dies ist etwa anzunehmen, wenn der Mangel der Unterschrift in dem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz durch die gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben wird.

Arbeit verloren – nicht auch noch vollen Schadensersatz

Der 24-jährige Beklagte war knapp 4 Wochen für die Klägerin als Fahrer beschäftigt. Am 01.07.2010 nahm er seine Arbeit auf. Am 20.07.2010 verursachte er während der Arbeit mit dem ihm zur Verfügung gestellten Lastkraftwagen einen Verkehrsunfall. Infolge dessen beendete die Klägerin das Arbeitsverhältnis am 28.07.2010 fristlos. Die Kläger hat dann jetzt Schadensersatz geltend gemach.

Dazu hat das LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 14.09.2011 – 3 Sa 241/11 – gesagt: Ein bei einer Spedition seit vier Monaten angestellter, 24-jähriger Fahrer, der grob fahrlässig mit einem firmeneigenen LKW einen Verkehrsunfall verursacht, kann gegenüber der Spedition nur beschränkt haften. Unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Fahrers, seines bei der Spedition Arbeitsentgeltes, seiner Unerfahrenheit, des Grades des Verschuldens auch in Bezug auf den Schadenseintritt, aber auch der entstandenen Schadenshöhe bei der Spedition, des diese treffenden Betriebsrisikos sowie der Möglichkeit einer Risikovorsorge, kann der Schadensausgleichsanspruch der Spedition auf vier Monatsverdienste zu beschränken sein.

Die Polizei – dein Freund und Helfer, na ja, nicht so ganz

Der BGH, Beschl. v. 17.11.2011 – 3 StR 359/11 –  fällt schon wegen des Sachverhalts aus. Das LG hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erschien die Nebenklägerin auf Vorladung zu einer Zeugenaussage auf der Polizeidienststelle B. , in der der Angeklagte als Polizeihauptkommissar am Nachmittag allein seinen Dienst verrichtete. Nach Abschluss der Vernehmung lud der Angeklagte die Nebenklägerin auf eine Tasse Kaffee in den angrenzenden Sozialraum ein. Im Verlauf des nachfolgenden Gesprächs ergriff der Angeklagte die Hand der Nebenklägerin und küsste sie zuerst auf die Wange, später auch auf den Mund. Die Nebenklägerin erkannte die sexuellen Absichten des Angeklagten, mit denen sie nicht einverstanden war, hatte aber den Eindruck, sie käme nicht aus dem Raum; sie war unsicher, ob sie die Dienststelle ohne weiteres Zutun des Angeklagten würde verlassen können, und befürchtete zudem, dass dieser bei einer Gegenwehr zornig würde und sie unter Anwendung von roher Gewalt vergewaltige. Sie versuchte, den Angeklagten abzulenken und beschränkte sich deshalb auf sanfte Abwehrbewegungen sowie die Mahnung, der Angeklagte solle „nicht so stürmisch“ sein oder er „solle das lieber lassen“. Als der Angeklagte ihr wiederholt den Reißverschluss der Jacke herunterzog und ihr unter dem T-Shirt an die Brust griff, schubste sie ihn „nun deutlich energi-scher mit den Worten ‚Schluss jetzt!‘ und ‚Ich muss jetzt los.‘ weg, bot ihm aber gleichzeitig aus Angst, die Situation könne eskalieren, und in der Hoffnung, ihn dadurch besänftigen zu können, ein Treffen zu einem späteren Zeitpunkt an“ (UA S. 6). Daraufhin ließ der Angeklagte von ihr ab. Die Nebenklägerin konnte die Polizeidienststelle ohne weiteres verlassen.

Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, der Angeklagte habe „die Abgeschlossenheit der Räumlichkeit und seine offensichtliche körper-liche Überlegenheit sowie die dadurch gegebene schutzlose Lage und deren Bedeutung für das Verhalten der Zeugin“ erkannt und dies ausgenutzt (UA S. 6)…“

Der BGH hat aufgehoben und zurückverwiesen, da die Voraussetzungen für eine sexuelle Nötigung unter Ausnutzen einer schutzlosen Lage (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB) nicht dargetan seien. Es reiche nicht, dass sich das Opfer schutzlos fühle.

Der Sachverständige (k)ein ungeeignetes Beweismittel

Das LG Kleve hat den Angeklagten vom Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung frei gesprochen. Dagegen die Revision der StA, die Erfolg hatte, und zwar mit der Verfahrensrüge. Die StA hatte gerügt, dass die Strafkammer einen von ihr gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt hat. Die StA hatte beantragt, ein anthropologisches Gutachten zu der Frage einzuholen, dass „es sich bei den zur Tatzeit mittels einer Überwachungskamera im Verkaufsraum der Tankstelle aufgezeichneten männlichen Personen um die Angeklagten handele„. Das LG hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, es handele sich um ein „ungeeignetes Beweismittel“ im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, weil es nicht möglich sei, dem Sachverständigen neben dem aus den Aufzeichnungen der Überwachungskamera stammenden „Videomaterial“ das für die Begutachtung erforderliche „Vergleichsmaterial“ zu verschaffen. Entsprechendes Material könne nur mittels eines Nachstellens der Tat unter Mitwirkung der Angeklagten gewonnen werden. Dazu seien diese nicht bereit.

Der BGH hat diese Ablehnung im BGH, Urt. v. 01.12.2011 – 3 StR 284/11 – als rechtsfehlerhaft beanstandet:

„2. Diese Begründung trägt die Ablehnung des Beweisantrags nicht; sie ist mit § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht vereinbar.
a) Ein Beweismittel ist völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, wenn ungeachtet des bisher gewonnenen Beweisergebnisses nach sicherer Lebenserfahrung feststeht, dass sich mit ihm das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nicht erreichen lässt und die Erhebung des Beweises sich deshalb in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsste (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 – 4 StR 45/97, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 16; Beschluss vom 15. März 2007 – 4 StR 66/07, NStZ 2007, 476, 477; Beschluss vom 7. August 2008 – 3 StR 274/08, NStZ 2009, 48 f.).
Wird eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, kommt dies in Betracht, wenn es nicht möglich ist, dem Sachverständigen die tatsächlichen Grundlagen zu verschaffen, deren er für sein Gutachten bedarf. Umgekehrt ist ein Sachverständiger nicht schon dann ein völlig ungeeignetes Beweismittel, wenn er absehbar aus den Anknüpfungstatsachen keine sicheren und eindeutigen Schlüsse zu ziehen vermag. Als Beweismittel eignet er sich vielmehr schon dann, wenn seine Folgerungen die unter Beweis gestellte Behauptung als mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen lassen und hierdurch unter Berücksichtigung des sonstigen Beweisergebnisses Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts erlangen können (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 – 4 StR 45/97, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 16; Beschluss vom 7. August 2008 – 3 StR 274/08, NStZ 2009, 48, 49 mwN).
Ob eine sachverständige Begutachtung auf der verfügbaren tatsächlichen Grundlage zur Klärung der Beweisbehauptung nach diesen Maßstäben geeignet ist, kann und muss der Tatrichter in Zweifelsfällen im Wege des Freibeweises – etwa durch eine Befragung des Sachverständigen zu den von ihm für eine Begutachtung benötigten Anknüpfungstatsachen – klären (BGH, Beschluss vom 31. Mai 1994 – 1 StR 86/94, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 14; Beschluss vom 9. März 1999 – 1 StR 693/98, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 20; Beschluss vom 15. März 2007 – 4 StR 66/07, NStZ 2007, 476, 477)…..“

Also: Auf ein neues