Archiv für den Monat: Oktober 2011

Immer häufiger: Verfallanordnung auch im Bußgeldverfahren

Es mehren sich in Bußgeldverfahren die amtsgerichtlichen  Entscheidungen, die selbständige Verfallanordnungen zum Gegegnstand haben (§ 29a OWiG). Demgemäß werden zu den Fragen auch immer mehr OLG-Entscheidungen veröffentlicht.

In dem Zusammenhang ist hinzuweisen auf OLG Celle, Beschl. v. 30.08.2011 -322 SsBs 175/11, in dem sich das OLG mit einer in einer Verkehrs-OWi-Sache ergangenen Verfallsentscheidung – Nichteinhaltung des Sonntagsfahrverbots – zu befassen hatte. Die Leitsätze:

  1. Die Verfallanordnung gemäß § 29 a OWiG setzt eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen der Tat und dem aus dieser oder für diese erlangten Etwas, dem Vorteil, voraus.
  2. Die Feststellung des Vorliegens einer solchen Kausalbeziehung erfordert zunächst die Ermittlung des konkret Erlangten und erst anschließend die Bestimmung von dessen Wert.
  3. Bei der Ermittlung und Bestimmung des Wertes des durch oder aus der Tat Erlangten können im Rahmen bei dem Verfall nach § 29 Abs. 1 und 2 OWiG sogenannte rechtmäßige hypothetische Kausalverläufe nicht berücksichtigt werden.

Erfolg für RiBGH Fischer am VG: Besetzungsverfahren gestoppt

Ich war gestern unterwegs und bin daher erst heute bei der LTO (Legal Tribune Online) auf die Nachricht vom vom VG Karlsruhe gestoppten Besetzungsverfahren beim BGH gestoßen. Da heißt es:

VG Karlsruhe stoppt Ernennung eines Vorsitzenden Richters

Das VG Karlsruhe hat am Mittwoch eine einstweilige Anordnung erlassen, die es dem Bundesjustizministerium vorläufig untersagt, die Stelle eines Vorsitzenden Richters am BGH neu zu besetzen. Den Antrag hatte ein Richter am BGH gestellt, der die Ernennung eines Kollegen verhindern wollte, weil er sich falsch beurteilt fühlte.

„Das Verwaltungsgericht (VG) kam zu dem Schluss, dass dienstliche Beurteilungen zwar weiterhin nur eingeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden könnten. So sei es bei einer nur geringfügigen Verschlechterung der dienstlichen Beurteilung gegenüber der vorherigen nicht notwendig, dies durch Anführen konkreter Umstände zu begründen. Allerdings seien höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, wenn es bei identisch gebliebenem Anforderungsprofil um eine Verschlechterung um eine Beurteilungsstufe gehe, zwischen den beiden Beurteilungen ein relativ kurzer Zeitraum liege und der Beurteiler von einem eingeholten Beurteilungsbeitrag abweiche. Dann sei es zumindest erforderlich, in nachvollziehbarer Weise die hierfür ursächlichen Umstände darzulegen, führte das Gericht aus.

Das VG entschied, dass auf dieser Grundlage im vorliegenden Fall einiges dafür spreche, dass die dienstliche Beurteilung des Antragstellers, die der Auswahlentscheidung zugrunde liege, rechtsfehlerhaft sei und deshalb die Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahlentscheidung offen seien. Die Stelle des Vorsitzenden Richters könne deshalb solange nicht besetzt werden, wie über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist.

Die Beurteilung des Antragstellers aus dem Jahr 2010 hatte sich im Vergleich zu zwei vorherigen Einschätzungen um eine Beurteilungsstufe verschlechtert. Nach Auffassung des Gerichts seien dabei die Begründungen nicht ausreichend gewesen, da sie keine tragfähigen Erwägungen erkennen lassen, die die Herabstufung nachvollziehbar erscheinen ließen.

Zweifel an der Eignung nicht ausreichend begründet

In der letzten Beurteilung des Richters waren Zweifel daran geäußert worden, ob der Antragsteller über die für die Wahrnehmung des Vorsitzendenamts wichtigen persönlichen Eigenschaften in dem Maß verfüge, dass er aus dem kleinen Kreis der für dieses Amt sehr gut geeigneten Richter, herausrage. Diese Zweifel wurden unter anderem damit begründet, dass in den vergangenen Jahren drei Richter aus dem Senat ausgeschieden seien, die ihren Wunsch nach einem Senatswechsel maßgeblich auch damit begründet hätten, dass sie sich eine Zusammenarbeit mit dem Antragsteller, zumal mit ihm als Senatsvorsitzenden, nicht vorstellen könnten. In der Beruteilung heißt es, dass es zwar möglich sei, dass sich der Unmut in seinem Ausmaß zumindest auch durch ein allgemein schwieriges Klima im Senat erklären lasse. Andererseits gebe es aber keine Anhaltspunkte für eine „Mobbing-Aktion“ mit dem Ziel der Rufschädigung.

Nach Ansicht des VG reichten die Ausführungen dazu, welche Schlussfolgerungen aus dem erwähnten schwierigen Senatsklima und den fehlenden Anhaltspunkten für ein Mobbing gezogen würden, nicht aus. Aus dem Umstand, dass drei Richter aus dem Senat ausgeschieden waren, lasse sich weder eine Erklärung noch eine Bewertung der Umstände entnehmen, welche zur Änderung der Eignungseinschätzung geführt hätten. Es könne nicht der zwingende Schluss gezogen werden, dass der Antragsteller zum Wechselwunsch seiner Senatskollegen beigetragen habe. Deshalb sei die Beurteilung nicht ausreichend begründet worden.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Es besteht die Möglichkeit der Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.“

Was soll man sagen: Peinlich für den Präsidenten des BGH? Zumindest nicht schön…

Zu dem Hin und Her, auch hier.

Dreieckserpressung

Schöner Begriff, der mir so auch noch nicht untergekommen war. Man hat zwar schon mal von einem Dreiecksverhältnis gehört, aber „Dreieckserpressung“ hatte ich nicht so auf dem Schirm. Nun ja, den Begriff verwendet das OLG Celle im Leitsatz des OLG Celle, Beschl. v. 13.09.2011 – 1 Ws 355/11:

Das bei einer „Dreieckserpressung“ erforderliche Näheverhältnis zwischen dem Genötigten und dem in seinem Vermögen Geschädigten besteht jedenfalls dann, wenn der Genötigte als Angestellter des Geschädigten im Tatzeitpunkt untergeordneten Mitgewahrsam an den entzogenen Vermögensgegenständen hat, auch wenn der Inhaber des übergeordneten Mitgewahrsams als Tatbeteiligter mit der Entziehung der Vermögensgegenstände einverstanden ist und deshalb keine Wegnahme vorliegt.

Warum der Hinweis auf die Entscheidung? Sie sollten sich m.E. die mitlesenden Studenten und Referendare mal ansehen. Ich könnte mir vorstellen, dass ich sie im Examen, wenn ich dort prüfen würde, mal zur Diskussion stellen würde. Ob als Klausur oder in der mündlichen Prüfung. Die angesprochenen Problem sind m.E. insoweit relevant.

Muss man auch erst mal drauf kommen: § 338 Nr. 5 StPO bei der Berufungsverwerfung nach § 329 StPO

Auf die Rüge muss man erst mal kommen: Der Angeklagte ist zur Berufungshauptverhandlung unentschuldigt nicht erschienen. Deshalb ist seine Revision verworfen worden. Gerügt wird dann § 338 Nr. 5 StPO. Dazu der OLG Celle, Beschl. v. 13.09.2011 -32 Ss 119/11:

Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (vorschriftswidrige Abwesenheit einer notwendigen Person von der Hauptverhandlung) liegt nicht vor, wenn der Angeklagte als der Rechtsmittelführer der Berufungshauptverhandlung unentschuldigt fernbleibt und die Strafkammer die Berufung deswegen nach § 329 Abs. 1 StPO verwirft.

Denn in diesem Fall wird weder zur Sache verhandelt noch werden irgendwelche Feststellungen zum Schuld- oder Strafausspruch getroffen, sondern gerade wegen der Abwesenheit des Angeklagten lediglich die verfahrensrechtliche Frage geprüft, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des § 329 Abs. 1 StPO vorliegen (im Anschluss an OLG Stuttgart, NStZ-RR 2004, 338 und OLG Hamm, NJW 1970, 1245).

Der Weg ist ein anderer: Der geht über § 329 Abs. 1 StPO und den Begriff der Entschuldigung. Wenn da nichts vorgetragen war bzw. nicht ausreichend, dann wird es schwer mit der Revision.

Freiwillig in der Therapie – nicht auf freiem Fuß?

Die Frage, ob der Verteidiger des Mandanten, der sich freiwillig in einer stationären Therapie befindet, den sog. Haftzuschlag nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG beanspruchen kann, ist umstritten. Ich meine, dass ist möglich und vertrete das auch so in Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldverfahren, 3. Aufl. 2011, Vorbem. 4 VV Rn. 88 (vgl. zu dem neuen Buch hier). Von der h.M. wird das anders gesehen.

Dazu zählt auch der Beschl. des LG München v. 08.01.2008 – 1 Ws 1/08, auf den ich über eine Diskussion im Rechtspflegerforum aufmerksam geworden bin und den ich mir dann beim OLG München besorgt habe. Das OLG hat ihn mir komplikationslos gefaxt. Hätte ich gar nicht mit gerechnet.

Beschluss ist schon etwas älter, aber aus „Fairnessgründen“ sollte man auch über ihn berichten. Das Argument mit den anderen Krankenhäusern liest sich ja ganz gut, ist m.E. aber nicht durchgreifend, weil die Folgen, wenn ich ein Krankenhaus verlasse, strafverfahrensrechtlich nicht so schwerwiegend sind, wie ein Therapieabbruch. Aber: Die h.M. sieht es anders. Muss man mit leben und ist ja auch nicht eine so ganz wesentliche Frage.