Archiv für den Monat: Juli 2011

Die sog. „Bewährungslücke“

Geht es um den Bewährungswiderruf (§ 56 f StGB), geht es häufig auch um die Frage, ob eine Strafaussetzung zur Bewährung wegen einer neuen Straftat auch dann widerrufen werden darf, wenn die neue Tat in einer sog. „Bewährungslücke“ begangen worden ist. Gemeint ist damit die „bewährungsfreie zeit“ zwischen dem Ende der ursprünglich bestimmten Bewährungszeit und deren Verlängerung. Mit der Problematik setzt sich der KG, Beschl. v. 31.03.2011 – 4 Ws 29/11 – auseinander. Das KG verneint die Frage. Der Leitsatz dazu:

Neue Straftaten in der „bewährungsfreien“ Zeit zwischen dem Ende der ursprünglich bestimmten Bewährungszeit und deren Verlängerung vermögen einen Widerruf jedenfalls dann nicht zu begründen, wenn der Verurteilte nicht zuvor auf die Möglichkeit einer Verlängerung der Bewährungszeit hingewiesen worden war.“

Und:

Im Widerrufsverfahren ist die Wirksamkeit einer vorangegangenen Entscheidung über die Verlängerung der Bewährungszeit von Amts wegen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.“

Es findet also eine inzidente Überprüfung der Bewährungsverlängerung statt.

Beide Ansatzpunkte sollte man als Verteidiger im Auge behalten.

Nicht so maßlos beantragen…

Der Beschl. des OLG Oldenburg v. 06.07.2011 – 1 Ws 351/11 wird die Staatsanwaltschaften sicherlich zu ein wenig mehr Überlegung :-)) anhalten, wenn es um Einziehung und Verfall geht, und zwar dann in Zusammenhang mit der zusätzlichen Gebühr Nr. 4142 VV RVG. Die ist ja als reine Wertgebühr vom Gegenstandswert abhängig.

Das OLG Oldenburg sagt nun – zutreffend – in seinem Beschluss, dass die für die Wertgebühr Nr. 4142 VV RVG maßgebende Höhe des Verfalls sich nach den zum Zeitpunkt der anwaltlichen Beratung erkennbaren Anhaltspunkten richtet. Und das waren in der Sache 462.250 €. In der Höhe hatte die Staatsanwaltschaft nämlich in der Anklage beantragt, Verfall anzuordnen. Als dann nach Freispruch des Angeklagten die Gebühr Nr. 4142 VV RVG festgesetzt werden soll, sagt der Bezirksrevisor, der Wert sei „zu hoch, weil der in der Anklage genannte Verfallsbetrag angesichts der Vermö­genslage des früheren Angeklagten nicht werthaltig gewesen sei.“

LG und OLG Oldenburg haben sich dem nicht angeschlossen. Zutreffend.

(kein) Sonntagswitz: Autos an der Wäscheleine – oder so löst man Parkprobleme…

Gibt es das wirklich: Autos an der Wäscheleine? Und damit eine neue Methode, ggf. bestehende Parkprobleme zu lösen?

Die Antwort lautet: Ja, und zwar jetzt am vergangenen Freitag in Münster vorgestellt – im Rahmen des Straßentheaterfestivals „Flurstücke 2011″. 🙂 🙂 Eine Gruppe französischer Aktionskünstler von Générik Vapeur – kannte ich bislang auch nicht – zogen am Freitagabend durch die Stadt, malten dabei (sich und) weiße Autos an und hängten diese dann zum Trocknen auf dem altehrwürdigen Domplatz auf. Ein tolle Sache und eine Idee, Parkproblem zu lösen. Nicht wirklich, oder?

Wer Lust auf mehr hat, der kann sich auf der HP der Westfälischen Nachrichten eine ganze Fotostrecke anschauen, auch zu den anderen Projekten, die gelaufen sind. Eine tolle Sache, die die Stadt sicherlich im nächsten Jahr wiederholen wird.

Wochenspiegel für die 29. KW., oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand…

Wir berichten über:

  1. einen Beitrag zur „Strafverteidigerin“ Katja Günther,
  2. einen Beschluss des OLG Stuttgart, betreffend ein Einhandmesser.
  3. Arte hinter Gittern“,
  4. einen „Pobeisser„,
  5. die Diskussion, ob Strafverteidiger das Recht zur Lüge haben, vgl. u.a. auch hier und hier,
  6. eine (geplante [?]) Kennzeichnungspflicht für Fahrräder,
  7. Sprichwörter im Strafverfahren,
  8. 14.727,65 €: Telefonieren ohne Nachzudenken,
  9. einen OB auf dem Fahrrad mit Handy am Ohr,
  10. Und dann war da noch: Das Urteil in Reimform.

Was fällt bei diesem Rückblick auf: Mal nichts über Kachelmann – eine, wenn ich nichts übersehen habe „kachelmannlose Woche“, wann hat es den in der letzten Zeit schon gegeben.

Bratschwund bei Dönerfleischspießen…

… was hat der im Strafrecht zu suchen? Offenbar viel, wenn sich schon der BGH damit (zumindest kurz) beschäftigt.

Bei der Suche nach Entscheidungen bin ich auf BGH, Beschl. v. 18.05.2011 –  1 StR 209/11 gestoßen, der ganz gut zu unserem heutigen Lesetipp zur Selbstanzeige passt. Eine steuerstrafrechtliche Entscheidung des 1. Strafsenats, in der diese die Revision nach § 349 Abs. 2 AStPO verworfen hat, im Beschluss aber zum Vorbringen der Revision kursorisch Stellung nimmt. Dabei geht es und ging es im Verfahren wohl auch um die Feststellung der hinterzogenen Steuer. Dazu meint der BGH:

Die von der Revision vorgebrachten Einwände gegen die mangels konkreter Ermittlungsmöglichkeiten durchgeführte Schätzung des Ausmaßes der Besteuerungsgrundlagen greifen nicht durch. Das Landgericht war insbesondere nicht gehalten, innerhalb eines von einem Sachverständigen angegebenen Bewertungsrahmens (hier zum Bratschwund bei Dönerfleischspießen) von dem für den Angeklagten günstigsten Wert auszugehen. In den Urteilsgründen ist (u.a. anhand einer Vergleichsberechnung zu einer bekannten Menge verbrauchten Fladenbrotes) nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen das Landgericht im konkreten Fall den für den Angeklagten ungünstigsten Wert für zutreffend erachtet hat. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.“

Also eine „Hochrechnung“ vom verbrauchten Fladenbrot über den Bratschwund zum Steuerschaden. Ja, manchmal müssen unbekannte Wege gegangen werden.