Archiv für den Monat: Februar 2011

Wochenspiegel für die 6. KW., oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten:

  1. Richter richten Richter.
  2. Die lautlose Berufung.
  3. Und natürlich Kachelmann, vgl. hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier.
  4. Nette Werbeidee.
  5. Immer wieder: Kopien.
  6. Über den Anhalte-/Unfallort noch einmal hier.
  7. Über eine „Radarfallenwarnerin“ wurde hier berichtet.
  8. Gebühren für den Polizeigewahrsam?
  9. Zur Höhe der Geldstrafe hier.
  10. MPU für Radfahrer?

Der vergessene Prozess – in Münster

Neben dem Kachelmann-Verfahren gibt es auch noch andere Straverfahren. Eines der langwierigsten Wirtschaftstrafverfahren ist am vergangenen Freitag (04.02.2011) in Münster dann im zweiten Durchlauf beendet worden: das Löbbert-Verfahren.

Das erste Urteil hatte bereits den BGH beschäftigt und war von ihm wegen eines Verfahrensfehlers aufgehobenen worden. Im zweiten Durchlauf hat es jetzt nach gut 13 Jahren Verfahrensdauer dieselbe Strafe gegeben, nachdem der BGH 2008 in der Aufhebungsentscheidung bemerkt hatte:

„Zwar sind die Sachrügen unbegründet, da weder die Schuld- noch die (maßvollen) Rechtsfolgenaussprüche Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufweisen.“

Interessante Frage, die zwischen BGH und BVerfG umstritten ist: Wie sieht es denn mit Verfahrensverzögerung aus – nicht die, die durch Antragstellung pp. entstanden ist, sondern die, die auf die Aufhebung des BGH zurückzuführen ist. Die StK hat sie offenbar nicht berücksichtigt, der BGH wird es nicht beanstanden, aber ggf. das BVerfG auf eine Verfassungsbeschwerde hin.

Augsburger Puppenkiste, oder: Was passierte am 3. HV-Tag im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg

Vom 3. Verhandlungstag am 04.02.2011 wird mir berichtet:

Wiederum waren ca. 25 Rechtsanwälte und mehrere Medienvertreter anwesend. Auch ein Kollege aus Innsbruck als Vertreter der österreichischen Strafverteidigervereinigung war anwesend. Der Prozess wird auch dort mit großem Interesse verfolgt. Österreich diskutiert derzeit ebenfalls Regelungen zur Absprache im Strafverfahren.

Es wurden mehrere Zeugen vernommen.

Zunächst wurde der frühere Angeklagte K. vernommen. Er hat berichtet, dass Rechtsanwalt Lucas während Hauptverhandlung zu ihm in die Arrestzelle gekommen sei und Strafhöhen dargestellt habe, was er bekommen würde für den Fall eines Geständnisses und § 31 BtMG. Er fühlte sich unschuldig und habe deshalb nicht akzeptiert.

Danach berichteten frühere Sitzungsvertreter der StA aus dem zugrundeliegenden Verfahren, dass sie zwar teils nur ein oder wenige Tage Sitzungsvertreter waren, als die eigentliche Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft in Urlaub war, aber sie hätten nichts von Absprachen oder Strafhöhen gehört oder gewusst. Sie bekundeten aber auch, dass es hierum gar nicht gegangen sei, da sie ja nur einzelne HV-Tage begleiten und protokollieren sollten oder auch erst gegen Ende des Verfahrens eingesetzt waren.

Dann berichtete die Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft, dass sie über Gespräche von Lucas mit der Kammer nichts wisse. Am 1. HV-Tag sei aber anfangs unterbrochen worden und Gericht, Lucas und sie hätten im Richterzimmer ein Gespräch geführt. Sie habe Strafhöhen für Geständnis + § 31 BtMG und Durchverhandeln in den Raum gestellt. Lucas habe das mit seinem Mdt besprochen. Man habe unterbrochen. Eine Erklärung kam dann am 2. HV-Tag nicht. Daraufhin wurde verhandelt.

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Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen…

so heißt es – glaube ich – bei Aschenputtel (keine Angst Kollegin Rueber, ich fange jetzt nicht auch mit der Exegese von Sprichwörtern an :-). Nur: An den Spruch hatte ich gedacht, als ich vor einigen Tagen bei LexisNexis auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 08.01.2010 – 2 Ws 405/10 gestoßen bin, in der das OLG zu den Kriterien zur Annahme des besonderen Umfangs einer Strafsache i.S.d. § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG Stellung genommen hat.

Im Beschluss heißt es:

I. Mit der 91 Seiten umfassenden Anklage vom 12.06.2009, eingegangen beim Landgericht X. am 17.06.2009, beschuldigt die Staatsanwaltschaft X.die Angeklagten der gewerbsmäßigen, bei den Angeklagten Ziff. 1 bis 3 bandenmäßigen, unerlaubten Veranstaltung eines Glückspiels in vier, drei, zwei Fällen, im Übrigen in je einem Fall. Den Angeklagten liegt zur Last, zahlreiche Unterhaltungsspielgeräte, die keine Bauartzulassung und keine Zulassungszeichen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt besessen hätten, ohne Erlaubnis in den von ihnen betriebenen Spielhallen zu Geldspielgeräten umfunktioniert und hierdurch hohe Einnahmen erzielt zu haben.

Mit der Anklage erstrebt die Staatsanwaltschaft neben der Verurteilung der Angeklagten auch die Einziehung der Spielgeräte, den Verfall von sichergestelltem Bargeld und die Anordnung von Wertersatz im Gesamtbetrag von rund 4 Millionen Euro bei den Angeklagten und drei Einziehungs- und Verfallsbeteiligten.

Mit Beschluss vom 23.09.2010 hat die Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Verhandlung vor dem erweiterten Schöffengericht zugelassen. Sie ist der Auffassung, dass das Verfahren keinen besonderen Umgang i. S. von § 24 GVG aufweise, so dass eine Zuständigkeit der Großen Strafkammer nicht begründet sei…

Bei einer zusammenfassenden vorläufigen Bewertung dieser Umstände erachtet der Senat es als durchaus wahrscheinlich, dass die Hauptverhandlung in der vorliegenden rechtlich und tatsächlich schwierigen Sache den in der Literatur gelegentlich genannten „Grenzwert“ von sechs Tagen (Heghmanns in StV 2003, 14 und DRiZ 2005, 290) um ein Vielfaches überschreiten wird. Allein die Vernehmung der Zeugen kann auch bei günstigem Verlauf ohne weiteres zehn Tage in Anspruch nehmen. Der sehr erhebliche, mehrere Tage erfordernde Einarbeitungsaufwand kommt hinzu. Ein solcher Verfahrensumfang kann bei einem Amtsgericht auch nicht durch das gemäß § 29 Abs. 2 GVG erweiterte Schöffengericht aufgefangen werden, denn das erweiterte Schöffengericht nach § 29 Abs. 2 GVG ist kein gesonderter Spruchkörper mit eigenen Personalressourcen (KK-Hannich StPO 6. Auflage § 29 GVG Rn 6). Die Bestimmung erlaubt es lediglich, im Rahmen des allgemeinen schöffengerichtlichen Dezernats bei umfangreichen Verfahren einen weiteren Richter beizuziehen. Für Verfahren mit dem hier eindeutig gegebenen besonderen Umfang verbleibt es jedoch bei der Zuständigkeit der Großen Strafkammer.

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Der Knöllchen-Horst bekommt Schmerzensgeld

Ich hatte ja schon vor einiger Zeit über den Knöllchen-Horst (es handelt sich nicht um den ehemaligen Bundespräsidenten) berichtet. Er hat jetzt wieder die Presse beschäftigt, die berichtet, dass der Knöllchen-Horst nun vom LG Göttingen Schmerzensgeld zugesprochen bekommen hat. Hat da jemand eine neue Einnahmequelle entdeckt 🙂 :-). Bei der Unwägbarkeit von Gerichtsverfahren wohl kaum.