Archiv für den Monat: September 2010

Die Rechtsbeschwerde/Revision als Selbstläufer…..und täglich grüßt das Murmeltier

Der Beschluss des KG v. 27.08.2010 – 3 Ws (B) 434/10 – 2 Ss 231/10 passt gut zu unserem Posting: Kardinalfehler beim Sachverständigengutachten. Denn auch das KG beanstandet dort, dass der Tatrichter nicht genügend zum SV-Gutachten mitgeteilt hat. Der Leitsatz lautet:

Hat das Tatgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt und seine Überzeugungsbildung hierauf gestützt, so muss es die Ausführungen des Sachverständigen in einer – gegebenenfalls gestrafften- zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerung insoweit wiedergeben, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen.

Man kann schon sagen: Und täglich grüßt das Murmeltier. Die Rechtsbeschwerden/Revisionen sind dann Selbstläufer….

Laufbahnwechsel/Genieaustausch – aufgepasst

In den Bundesländern gibt es den sog. Laufbahnwechsel, in der Justiz auch etwas flapsig als „Genieaustausch“ bezeichnet. Da wechseln Richter vorübergehend zur StA und STA vorübergehend an die Gerichte (in Bayern ist das – wenn ich micht richtig erinnere – sogar obligatorisch). In der Strafjustiz kann das Probleme oder auch Vorteile bringen, je nachdem wie man es sieht. Denn ist ein Richter früher schon mal in einer Sache als Staatsanwalt tätig gewesen, dann ist er gem. § 22 Nr. 4 StPO als Richter ausgeschlossen. Und dabei kommt es auf den Umfang der Tätigkeit nicht an. Ausreichend ist jedes amtliche Handeln in der Sache, das geeignet ist, den Sachverhalt zu erforschen oder den Gang des Verfahrens zu beeinflussen. Und das wird auch erfüllt, wenn der jetzige Richter früher als StA in der Sache Akteneinsicht gewährt, eine Frist für eine eventuelle Stellungnahme eingeräumt und den Zeitpunkt der Wiedervorlage bestimmt hat (so BGH, Beschl. v. 12.08.2010 – 4 StR 378/10). Also: Es kann sich lohnen :-), die Akten auf solche Dinge mal durchzusehen.

Schriftliches Sachverständigengutachten, ja oder nein?

Für das Erkenntnisverfahren ist ja nicht ganz unbestritten, ob der Verteidiger/Angeklagte einen Anspruch auf ein schriftliches (Vor)Gutachten hat (vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 12.02.2008 – 1 StR 649/07). Das wird teilweise mit Hinweis auf das Mündlichkeitsprinzip verneint. Nun hat das KG – allerdings für das Vollstreckungsverfahren – in  seinem Beschl. v. 08.03.2010 – 2 Ws 40-41/10 ausgeführt, dass dort im Gegensatz zur Beauftragung eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung, in der die Regeln der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit herrschen, es sich bei der Prüfung der Aussetzung des Strafrestes nach § 454 StPO in seinem Grundsatz um ein schriftliches Verfahren handelt, so daß ein Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf Vorlage eines schriftlichen Gutachtens besteht. Zumindest also da, besteht ein Anspruch, obwohl das m.E. eine Selbstverständlichkeit ist, so dass man sich fragt, warum dazu erst das KG bemüht werden musste. Man wird m.E. das ein oder andere Argument aus der Entscheidung des KG auch auf das Erkenntnisverfahren übertragen können.

Auch mal etwas Neues – hier vom OLG Zweibrücken

Na ja, so ganz viel Neues gibt es ja kaum noch. Ist alles schon mal dagewesen oder zumindest fast :-). Um so erfreuter ist man dann, wenn man mal auf etwas Neues stößt. So m.E. im Beschl. des OLG Zweibrücken v. 19. 8. 2010 – 1 Ss Bs 26/09, in dem es im Bußgeldverfahren um die Verwerfung eines Einspruchs ging. Aber nicht des Betroffenen, sondern des Verfallsbeteiligten. Dazu hat das OLG ausgeführt, dass für den dieselben (Spiel)Regeln hinsichtlich der Einspruchsverwerfung gelten wie für den Betroffenen. Die Leitsätze lauten wie folgt:

„1. Die Verfallsbeteiligte ist in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden, wenn das erkennende Gericht ihre Anträge auf Entbindung des Geschäftsführers von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung (§§ 73 Abs. 2, 74 Abs. 2 OWiG) rechtsfehlerhaft ablehnt.

2. Anlass, das persönliche Erscheinen des Geschäftsführers der Verfallsbe­teiligten zu erzwingen, gibt es nicht, wenn eine Verfallsbeteiligte ihre Einlassung im Laufe eines Verfahrens ändert.

3. Wird der Antrag auf Entbindung des Geschäftsführers der Verfallsbeteiligten mangels Vollmacht in formeller Hinsicht nicht prozessordnungsgemäß ge­stellt, darf er aus diesem Grund zurückgewiesen werden.

4. Wegen einer unterbliebenen Ladung darf hinsichtlich des Verfallbescheides keine Entscheidung nach § 74 Abs. 2 OWiG ergehen.“

Da tut sich also ein Ansatz für die Rechtsbeschwerde auf.

Abschiebung ist keine genügende Entschuldigung

Dre Angeklagte war während der Strafverfahrens abgeschoben worden. Er legt Berufung ein. Eine aktuelle Anschrift des Angeklagten in seinem Heimatland ist nicht bekannt. Es wird  daher durch öffentliche Zustellung geladen. Zur Hauptverhandlung erscheint er nicht (was im Grunde nicht verwunderlich ist).

Das LG Dresden hat mit Urt. v. 05.08.2010 – 10 Ns 422 Js 13356/08 seine Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Das Ausbleiben des Angeklagten im Berufungshauptverhandlungstermin sei nicht genügend entschuldigt, wenn der Angeklagte nach erfolgter Abschiebung dem Gericht seine Anschrift in seinem Heimatland nicht mitgeteilt hat, da anderenfalls das Gericht die Möglichkeit gehabt hätte, den Angeklagten unter seinem Aufenthaltsort zu laden und darauf hinzuwirken, dass ihm für die Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung eine Betretenserlaubnis für das Bundesgebiet nach § 11 Abs. 2 AufenthG erteilt wird.

Als Verteidiger wird man sich also überlegen müssen, ob man ggf. die neue Anschrift des Angeklagten mitteilt.