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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Naumburg, Beschl. v. 10.08.2021 – 1 VAs 4/21 -, den mir der Kollege Reulecke geschickt hat, geht es um die Frage der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG. Ein entsprechender Antrag des Verurteilten war abgelehnt worden. Der Verurteilte hatt dann im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG Erfolg:
„Auch in der Sache hat der Antrag – vorläufig – Erfolg. Die Bescheide der Staatsanwaltschaft Halle – Zweigstelle Naumburg – vom 27. April 2021 und der Generalstaatsanwaltsehaft Naumburg vom 30. Juni 2021 sind rechtswidrig und verletzten den Antragsteller in seinen Rechten (§ 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG),
1. …..
2. Vorliegend haben die Staatsanwaltschaften den Antrag des Verurteilten auf Zurückstellung der Strafvollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Halle vom 4. Januar 2018 nach § 35 BtMG zurückgewiesen, da eine weitere Freiheitsstrafe – hier die sechsmonatige Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bernburg vom 19. August 2020 – als Anschlussvollstreckung einer Zurückstellung entgegenstehe (§ 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG). Eine Änderung der Vollstreckungsreihenfolge – wie von dem Verurteilten beantragt ¬hat die Generalstaatsanwaltschaft abgelehnt, da die §§ 43 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 StVollstrO die Reihenfolge der Vollstreckung bestimmten.
Bei der Prüfung des Antrages des Verurteilten hat die Staatsanwaltschaft indes nicht in ihr Ermessen eingestellt, dass eine Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach §§ 43 Abs. 2 und 3 bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 43 Abs. 4 StVollstrO zur Änderung festgelegten Vollstreckungsreihenfolge führen kann.
Ein wichtiger Grund im Sinne des § 43 Abs. 4 StVollstrO, die Vollstreckungsreihenfolge zu ändern, ist hier nicht von vorneherein ausgeschlossen. Der vom Antragsteller beantragten Änderung der Vollstreckungsreihenfolge und der (Vorweg-)Vollzug der gesamten sechsmonatigen – nicht nach § 35 BtMG zurückstellungsfähigen – Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bernburg steht die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Vermerk der Staatsanwaltschaft Halle – Zweigstelle Naumburg – vom 20. Juni 2021, BI. 137 Bd. II d. VH) nicht mehr entgegen. Zwar habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Vorabvollstreckung der nicht zurückstellungsfähigen Strafe unter Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach § 43 Abs. 4 StVollstrO selbst auf Antrag des Verurteilten nicht in Betracht komme, dies deshalb, weil auch eine nach § 454b Abs. 2 StPO unterbrochene Strafe eine im Sinne des § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG zu vollstreckende Strafe sei, die die Zurückstellung der weiteren Strafen nach § 35 BtMG hindere (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 — 5 AR (VS) 23/10 -, juris). Hierauf hat der Gesetzgeber in § 454b Abs. 3 StPO indes reagiert. Die Vorschrift wurde durch Art. 3 Nr. 36 Buchst. a des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S, 3202), in Kraft getreten am 24. August 2017, eingeführt, um therapiewilligen Verurteilten die Zurückstellung einer suchtbedingten Freiheitsstrafe unter den Voraussetzungen des § 35 BtMG auch bei gleichzeitigem Vorliegen nicht suchtbedingter Freiheitsstrafen zu ermöglichen. Nicht suchtbedingte Freiheitsstrafen können damit auf Antrag des Verurteilten – und ein solcher liegt hier vor – vor der Zurückstellung suchtbedingter Freiheitsstrafen und vor Antritt der Therapie vollständig verbüßt werden (vgl. Appl in Karlsruher-Kommentar, StPO, 8. Aufl. 2019, § 454b, Rn. 4a).
Dieser – durch die Gesetzesänderung – neu ins Gesetz eingeführte Gesichtspunkt hat bei der Entscheidung der Staatsanwaltschaft erkennbar keine Rolle gespielt. Er wird aber bei der nunmehr zu treffenden Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 43 Abs. 4 StVollstrO vorliegt, der eine Änderung der Vollstreckungsreihenfolge – wie von dem Verurteilten begehrt – gebietet, zu berücksichtigen sein.“