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BGH I: Staatsanwalt als Zeuge, oder: Dann aber bitte kein Plädoyer

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So, mein Urlaub ist beendet, ich bin wieder vor Ort. D.h., dass auch die Kommentarfunktion wieder eingeschaltet ist.

Und ich starte dann in die 48. KW./2019 mit zwei BGH-Entscheidungen. Bei der ersten handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 19.09.2019 – 1 StR 235/19. Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 51 Fällen verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die er auf §§ 337, 22 Nr. 5 analog, § 258 Abs. 1 StPO gestützt und u.a. damit begründet hat, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommene Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe unzulässigerweise umfassend den Schlussvortrag gehalten und die abschließende Beweiswürdigung vorgenommen. Die Revision hatte Erfolg:

„Der genannten Verfahrensrüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten – sexueller Missbrauch von Kindern und schwerer sexueller Missbrauch von Kindern an den Söhnen seiner damaligen Lebensgefährtin, den Zeugen He. und H. – nicht eingeräumt. Seine Überzeugung von den die Strafbarkeit des Angeklagten begründenden Tatsachen hat das Landgericht maßgeblich auf die Angaben der Geschädigten, der Zeugen He. und H. , gestützt. Diese haben den Sachverhalt in der Hauptverhandlung im Wesentlichen wie von der Strafkammer festgestellt geschildert. Zu den Aussagen der Zeugen im Ermittlungsverfahren hat die Strafkammer polizeiliche Vernehmungsniederschriften verlesen und den die damaligen staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen durchführenden Staatsanwalt (GrL) S. als Zeugen vernommen.

Da Staatsanwalt (GrL) S. im vorliegenden Verfahren mit der Sitzungsvertretung betraut war, wurde die Staatsanwaltschaft während dessen Zeugenaussage vor der Strafkammer durch Oberstaatsanwalt V. vertreten; danach übernahm wiederum Staatsanwalt (GrL) S. die Vertretung der Staatsanwaltschaft und hielt auch für diese den Schlussvortrag.

Die Revision rügt das Halten des Schlussvortrags durch Staatsanwalt (GrL) S. nach dessen Vernehmung als Zeuge als verfahrensfehlerhaft und macht dabei geltend, Staatsanwalt (GrL) S. habe im Schlussvortrag unzulässigerweise auch seine eigene Zeugenaussage gewürdigt.

II.

Die Revision rügt zu Recht als verfahrensfehlerhaft, dass Staatsanwalt (GrL) S. umfassend den Schlussvortrag gehalten und in diesem Rahmen das Beweisergebnis gewürdigt hat, obwohl er zuvor von der Strafkammer als Zeuge zur staatsanwaltschaftlichen Vernehmung der Zeugen He. und H. vernommen worden war; die beanstandete Verfahrensweise verletzt § 22 Nr. 5 analog, § 258 Abs. 1 StPO (§ 337 Abs. 2 StPO).

1. Die Rüge ist zulässig erhoben. Das Revisionsvorbringen entspricht insbesondere den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung an eine Verfahrensrüge zu stellen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2018 – 4 StR 550/17 mwN; KK/Gericke, StPO, 8. Aufl., § 344 Rn. 38 f. mwN; Löwe-Rosenberg/Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 78 mwN); der Angeklagte hat sämtliche Verfahrenstatsachen vorgetragen, die erforderlich sind, um das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, allein anhand des Rügevorbringens das Vorliegen des behaupteten Verfahrensfehlers festzustellen.

2. Die Rüge ist auch begründet. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft war mit der Stellung des Staatsanwalts im Strafverfahren unvereinbar und deshalb unzulässig.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Staatsanwalt, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen worden ist, insoweit an der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung gehindert, als zwischen dem Gegenstand seiner Zeugenaussage und der nachfolgenden Mitwirkung an der Hauptverhandlung ein unlösbarer Zusammenhang besteht (BGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2018 – 1 StR 382/17 Rn. 12 und vom 14. Februar 2018 – 4 StR 550/17; Urteile vom 19. Oktober 1982 – 5 StR 408/82 Rn. 6 und vom 13. Juli 1966 – 2 StR 157/66 Rn. 20, BGHSt 21, 85, 89 f.). Nimmt der Staatsanwalt im Rahmen der weiteren Sitzungsvertretung eine Würdigung seiner eigenen Zeugenaussage vor oder bezieht sich seine Mitwirkung auf einen Gegenstand, der mit seiner Aussage in einem untrennbaren Zusammenhang steht und einer gesonderten Bewertung nicht zugänglich ist, liegt ein relativer Revisionsgrund nach § 337 StPO vor (Beschlüsse vom 31. Juli 2018 – 1 StR 382/17 Rn. 12 und vom 14. Februar 2018 – 4 StR 550/17; Urteil vom 3. Mai 1960 – 1 StR 155/60 Rn. 7, BGHSt 14, 265), der zur Aufhebung des Urteils führt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil hierauf beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2018 – 1 StR 382/17 Rn. 12 und vom 14. Februar 2018 – 4 StR 550/17; Urteile vom 15. April 1987 – 2 StR 697/86 Rn. 24, BGHSt 34, 352 und vom 3. Mai 1960 – 1 StR 155/60 Rn. 7, BGHSt 14, 265).

b) Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsprechung war Staatsanwalt (GrL) S. vorliegend aus Rechtsgründen gehindert, den Schlussvortrag umfassend zu halten und das Beweisergebnis zu würdigen, soweit dieses mit den durch seine eigene Aussage eingeführten Aussagen der Zeugen He. und H. in Zusammenhang stand.

aa) Die Aussage von Staatsanwalt (GrL) S. vor der Strafkammer war ausweislich der Urteilsgründe (z.B. UA S. 14) gerade nicht darauf beschränkt, über Fragen der Verfahrensgestaltung oder sonstige Umstände Auskunft zu geben, die in keinem unlösbaren Zusammenhang mit dem maßgeblichen Tatgeschehen stehen und daher Gegenstand einer gesonderten Betrachtung und Würdigung sein können. Vielmehr betraf die Zeugenaussage von Staatsanwalt (GrL) S. in der Hauptverhandlung den Inhalt von Angaben, die die maßgeblichen Belastungszeugen in früheren Vernehmungen zu den hier verfahrensgegenständlichen Taten des Angeklagten gemacht hatten. Diese Angaben der Zeugen He. und H. waren ausweislich der Urteilsgründe für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen, die unter anderem auf eine Konstanzanalyse gestützt war, wesentlich und damit für die Überzeugungsbildung des Landgerichts von Bedeutung.

bb) Staatsanwalt (GrL) S. hätte somit zwar auch nach seiner Zeugenvernehmung weiter als Sitzungsvertreter am Verfahren teilnehmen können, er hätte aber im weiteren Verlauf der Verhandlung und vor allem im Schlussvortrag zum Ergebnis der Beweisaufnahme insoweit nicht Stellung nehmen dürfen, als er dabei auch seine eigene Aussage zu würdigen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1988 – 2 StR 377/88 Rn. 6; Beschluss vom 7. Dezember 2000 – 3 StR 382/00 Rn. 3).

Dass Staatsanwalt (GrL) S. , wie sich aus dem von der Staatsanwaltschaft unwidersprochenen Revisionsvortrag zum Verfahrensgeschehen ergibt, umfassend den Schlussvortrag gehalten und dabei die in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise erörtert und bewertet, mithin auch zumindest konkludent die eigene Aussage gewürdigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2018 – 1 StR 382/17 Rn. 10), ist damit verfahrensfehlerhaft im Sinne des § 337 StPO.

c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verurteilung des Angeklagten auf dem aufgezeigten Verfahrensfehler beruht. ….“

Zeuge III: Wenn der Zeuge Betroffener wird, oder: Dann muss man ihn auch als Betroffenen behandeln

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Und die dritte und damit letzte Entscheidung des Tages kommt auch aus dem Bußgeldverfahren. Es handelt sich um den AG Herford, Beschl. v. 11.04.2019 – 11 OWi 895/19 (b), der in einem Verfahren betreffend einen Ordnungsgeldbeschluss ergangen ist.

Zugesandt hat mir den Beschluss der Kollege Kroll aus Berlin. Dem Ganzen liegt in etwa folgender Sachverhalt zugrunde, der zum Teil auf den Angaben des Kollegen beruht.

Mit dem Pkw einer GmbH soll eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen worden sein.. Zum Zwecke der Fahrzeugführerermittlung schrieb die Stadt Herford die eingetragene Halterin, die pp. GmbH, an und bat um Mitteilung der Personalien der verantwortlichen Person. Geschäftsführer der vorgenannten Gesellschaft war der „Betroffene“. Da das Anschreiben wie auch Erinnerungen unbeantwortet blieben, wurde der „Betroffene“ mit Schreiben vom 21.03.2019 als Zeuge vorgeladen. Hierauf meldete sich dann am 27.03.2019 der Kollege Kroll  für die GmbH. Er teilte mit, dass das in Rede stehende Fahrzeug auch den Organen der vorgenannten Gesellschaft zur Nutzung überlassen sei, sodass diese als mögliche Betroffene in Betracht kämen. Insofern mache seine Mandantschaft vorerst von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Der „Betroffene“/Geschäftsführer werde auf anwaltliches Anraten der Vorladung keine Folge leisten. Weiter benannte er drei Personen, darunter auch den Betroffenen, die als Fahrer in Betracht kämen.

In der Folge setzte die Stadt ein Ordnungsgeld i. H. v. 100,00 EUR gegen den Betroffenen/Geschäftsführer fest, mit der Begründung, dass dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt zum Vorladungstermin nicht erschienen sei. Hierauf meldete sich erneut der Kollege Kroll, zeigte die Vertretung des Betroffenen an und beantragte gegen den Ordnungsgeldbeschluss die gerichtliche Entscheidung.

Und der Antrag hatte beim AG Erfolg:

„Der nach § 62 OWiG zulässige Antrag ist begründet.

Zu Unrecht hat der Bürgermeister der Stadt Herford dem Zeugen pp. gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 161a Abs. 2, 51 StPO, 6 Abs. 1 EGstGB ein Ordnungsgeld in Höhe von 100 € auferlegt, da der Betroffene zu dem Vernehmungstermin als Zeuge nicht erscheinen musste. Zwar ist der Zeuge grundsätzlich gesetzlich verpflichtet, der Ladung Folge zu leisten, denn im Bußgeldverfahren hat die Verfolgungsbehörde gemäß § 46 Abs. 2 OWiG dieselben Rechte wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten. Sie kann also im Zuge ihrer Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes auch Zeugen vernehmen und sie zu diesem Zwecke vorladen.

In diesem Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass der mit einer Vollmacht versehenen Verteidiger des Betroffenen vor dem anberaumten Zeugentermin am 04.04.2019 der Verwaltungsbehörde bereits am 27.03.2019 mitteilte, dass der Betroffene als Fahrzeugnutzer neben zwei weiteren möglichen Fahrern in Betracht kommt und in dieser Eigenschaft von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht. Dass er ein solches Auskunftsverweigerungsrecht hat, wenn er der Gefahr ausgesetzt wird, wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, darauf wurde er mit dem Schreiben vom 21.03.2019 von der Verwaltungsbehörde bereits hingewiesen.

Die Verwaltungsbehörde hätte damit ab Zugang des Schreibens des Verteidigers vom 27.03.2019 pp. als Betroffenen und nicht mehr als Zeugen behandeln dürfen. Denn wie im Strafrecht muss die Ermittlungsbehörde, wenn sie einen starken Tatverdacht hat, wie es hier nach der Angabe des Verteidigers der Fall gewesen sein musste, von der Zeugen – zur Betroffeneneigenschaft übergehen müssen, da sie ansonsten die Betroffenenrechte, wie das Aussageverweigerungsrecht, umgehen würde und damit die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreitet (vgl. BGHSt 10, 8, 12; 37, 48, 51 ff.).

Das ist hier geschehen. Die Verwaltungsbehörde hätte pp. ab dem Zugang des Schreibens als Betroffenen behandeln müssen, so dass der Betroffene an sich ordnungsgemäß von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. In seiner Eigenschaft als Betroffener musste er insoweit auch nicht zum Zeugentermin erscheinen. Mithin war er ordnungsgemäß entschuldigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 62 Abs. 2 S. 2 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO.“

Also: Dieser „Masche“, auf die Verwaltungsbehörden nicht selten zurückgreifen, ist ein Riegel vorgeschoben.

Ich komme auf das Verfahren noch einmal zurück. Denn inzwischen liegt wegen der in dem Verfahren entstandenen Auslagen eine Entscheidung vor, die ich am Freitag vorstellen werde.

BGH II: Aussagetüchtigkeit des Zeugen, oder: Wenn die Kammer wohl keine eigene Sachkunde hat

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Bei der zweiten Entscheidung des BGH zum Verfahrensrecht, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 15.05.2018 – 3 StR 18/18. Den sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Es geht um die Aussagetüchtigkeit eines Zeugen in einem Verfahren u.a. wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das LG hat die Verurteilung neben der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten auf die Aussage des Zeugen D. , der an der abgeurteilten Tat als Mittäter beteiligt war, gestützt. In der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des Angeklagten die psychiatrische Begutachtung des Zeugen D. zum Beweis der Tatsache beantragt, dass dieser in seiner „Aussagetüchtigkeit bzw. Zeugentauglichkeit“ erheblich beeinträchtigt sei. Zur Begründung hat er angeführt, dass der Zeuge D. ausweislich eines früheren Gutachtens an den Folgen mehrerer Schlaganfälle, insbesondere einer beginnenden demenziellen Entwicklung mit Beeinträchtigung der Auffassung, Aufmerksamkeit und Konzentration, des Denkens und des Gedächtnisses, sowie an einem leichten Psychosyndrom sowie Verhaltensstörungen nach Substanzmissbrauch leide. Das LGhat diesen Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, dass es selbst über die erforderliche Sachkunde zur Bewertung der Angaben des Zeugen verfüge (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO). Zwar lägen im Hinblick auf die Erkrankung des Zeugen Anhaltspunkte dafür vor, dass die richterliche Sachkunde zur Beurteilung der Aussage ausnahmsweise nicht ausreichen könnte. Doch fänden die – „in ihren Grundzügen konsistenten“ – Angaben des Zeugen teilweise Bestätigung in anderen Beweismitteln und den Einlassungen des Angeklagten, so dass davon ausgegangen werden könne, dass der Zeuge grundsätzlich zu zutreffenden Wahrnehmungen in der Lage sei, diese speichern und darüber berichten könne. Ob die Angaben des Zeugen, die durch andere Beweismittel nicht belegt würden, glaubhaft seien, könne die Strafkammer in eigener Sachkunde beurteilen.

Der BGH meint dazu – insoweit lachendes Auge:

„2. Es erscheint zweifelhaft, ob das Landgericht den Beweisantrag mit dieser Begründung ablehnen durfte. In der Person des Zeugen lagen aufgrund dessen Erkrankung besondere Umstände vor, deren Würdigung eine besondere Sachkunde erforderte (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 364/08, BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Glaubwürdigkeitsgutachten 8; vom 5. März 2013 – 5 StR 39/13, juris Rn. 9). Dass die psychischen Beeinträchtigungen bei der Bewertung der Aussage des Zeugen eine Rolle gespielt haben, zeigt sich schon daran, dass die Strafkammer diese in eigener Beurteilung ihrer Bedeutung für das Aussageverhalten ausdrücklich in die Würdigung der Angaben des Zeugen eingestellt hat.“

Aber – soweit weinendes Auge

„Indessen beruht das Urteil nicht auf einem möglichen Rechtsfehler. Der Angeklagte hat die Tat weitgehend eingeräumt. Abweichungen zu den Angaben des Zeugen D. betreffen das Randgeschehen. Insoweit hat das Landgericht die Einlassung des Angeklagten schon als teilweise nicht konstant und in sich widersprüchlich gewertet. Darüber hinaus fanden die Angaben des Zeugen teilweise Bestätigung durch objektive Beweismittel, insbesondere auch in den Beobachtungen und Erkenntnissen der ermittelnden Polizeizeugen. Angesichts dieser Umstände, die das Landgericht in die Bewertung der Aussage des Zeugen D. eingestellt hat, kann der Senat ausschließen, dass dieses die Angaben des Zeugen D. seinen Feststellungen zum Tatgeschehen nicht zugrundegelegt hätte, wenn es sachverständig beraten von einer Beeinträchtigung dessen Zeugentauglichkeit ausgegangen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2009 – 3 StR 270/09, juris; Urteil vom 5. März 2014 – 2 StR 503/13, NStZ 2015, 49).“

Zeugnisverweigerung II: Unberechtigte Zeugnisverweigerung als Strafvereitelung?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich zur Zeugnisverweigerung vorstelle, handelt es sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 09.11.2017 – 4 RVs 127/17. AG und LG haben den Angeklagten wegen Strafvereitelung durch Unterlassen (§ 258 StGB) verurteilt, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen: Der Angeklagte wurde „in einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Coesfeld gegen X in der dortigen Hauptverhandlung vom 03.09.2015 als Zeuge vernommen. X wurde seinerzeit vorgeworfen, zusammen mit dem Angeklagten eine Cannabis-Indoorplantage betrieben zu haben. Der Angeklagte war bereits Ende 2014 wegen dieser Tat rechtskräftig verurteilt worden. Im Rahmen seiner Zeugenaussage gab der Angeklagte nach Belehrung über seine Rechte und Pflichten an, dass nicht X, sondern ein anderer Mittäter zusammen mit ihm (dem Angeklagten) die Plantage betrieben habe. Die Mitteilung des Namens dieses Mittäters verweigerte der Angeklagte aus angeblicher Angst vor Repressalien gegen sich und seine Familie. Auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berief sich der Angeklagte seinerzeit nicht. X wurde schließlich freigesprochen. Eine Strafverfolgung gegen den unbekannten Mittäter konnte bisher – was dem Angeklagten bewusst war – nicht eingeleitet werden. Weder im Nachgang zum Strafverfahren gegen X noch in dem hiesigen Verfahren hat der Angeklagte den Namen des Mittäters preisgegeben. Dass der Angeklagte oder seine Familie tatsächlich Bedrohungen seitens des unbekannten Mittäters ausgesetzt gewesen seien, verneinte das Landgericht. Rechtlich wertete das Landgericht das Verhalten des Angeklagten als Strafvereitelung durch Unterlassen. Den Angeklagten habe als Zeuge in dem Verfahren gegen X eine Garantenstellung für die staatliche Strafrechtspflege getroffen.“

Das OLG hat die Revision verworfen und meint (in seinem Leitsatz):

„Die unberechtigte Verweigerung des Zeugnisses kann zur Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen (§13 StGB) führen, weil der Zeuge in dieser Eigenschaft Garant für die staatliche Strafrechtspflege ist, was aus seiner besonderen strafprozessualen Pflichtenstellung folgt.“

Anwesenheitspflicht des Zeugen bei der polizeilichen Vernehmung, oder: Wer zahlt/entschädigt wie?

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So, und als drittes Posting dann die Mail eines Kollegen, der um „Quellenschutz“ gebeten hat, den ich auch gerne gewähre. Es geht um die Auswirkungen der neuen Erscheinenspflicht des Zeugen bei der polizeilichen Vernehmung durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ v. 17.08.2017 (vgl. hier: BGBl I. S. 3202). Die Mail zeigt sehr schön, dass man an die kleinen Dinge, die mit den großen Änderungen, wie sie der „Bundesheiko“ auf den Weg gebracht hat, zusammen hängen, nicht denkt. Und die machen der Praxis dann richtig Freude 🙂 . Der Kollege schreibt:

…in der Praxis läuft es nicht ganz rund. ??

 Hier grübeln offenbar Heerscharen (scheinbar sogar bei der GenStA, also unbedingt Quellenschutz, bloggen nur nach kurzer Rücksprache, zum Zwecke der Verschleierung) über die Frage, ob von der Polizei geladene, § 163 III StPO,  Zeugen nach dem JVEG entschädigt werden,

[ich denke wohl schon, § 1 Nr. 3 JVEG, nur durch welche Behörde, § 1 Nr. 1 JVEG, steht nur StA ?). 

Man denke an die „Herausforderungen“ der Sachverständigenbestellung, z.B. nach Verkehrsunfällen, bei welcher die Polizei gerne – so meine Erinnerung – den Auftrag des oder der StAin einholt, „wegen der Kosten“.

welches Merkblatt dann verwendet wird,

[das wird nicht leicht, die Textbausteine zu ändern, Software-Länderprojekte].?

wie der Entschädigungsantrag aussieht.

[…und wohl auch, da liegt der Hase wohl eigentlich im Pfeffer, wer die Entschädigungsanträge (wann? Mit Abgabe der Sache von der Polizei zur StA) bearbeitet (Stellen? Mehrarbeit?)]

Eher eine Randnotiz, aber die Wallung scheint groß…

ich habe auf die Schnelle nichts gefunden, in den Gesetzesmaterialien (vgl. Rn. 153 im Skript?). Mag ein Scheinproblem sein, aber zum Thema „Entschädigung des Zeugen“ findet sich in der Literatur nichts genaues ?, z.B. Handbuch EV, Rn. 4021 ff. 

Nach meiner Erfahrung ist aber die Entschädigung durchaus ein praktisches und für die betroffenen Zeugen wichtiges Element des Ganzen, insb. der Wahrnehmung, wie mit einem „umgesprungen“ wird…leider völlig unbekannt (warum wohl? Das gehört fett auf das Merkblatt?) ist ja der § 5 JVEG: „die Benutzung der ersten (sic.!) Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt. „

Ich räume ein: Ich habe dazu in meinem Ebook „Effektivere und praxistauglichere Ausgestaltung des Strafverfahrens?
Die Änderungen in der StPO 2017 – ein erster Überblick“ auch nichts. Einfach nicht daran gadacht. Aber ich bin ja auch nicht der „Bundesheiko“ 🙂 .