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Mit „Die Dummheit des Verteidigers steht der Wiedereinsetzung nicht entgegen.“ hätte man den OLG Naumburg, Beschl. v. 16.10.2013 – 2 Ws 66/13, in dem das OLG recht deutliche Worte zur „Leistung“ eines Pflichtverteidigers gefunden hat, auch überschreiben können. Der Rechtsanwalt war einem unter Betreuung stehendem Angeklagten nach § 140 Abs. 2 StPO beigeordnet worden.
Welche „Leistung“? Nun, dem Verteidiger ist es gelungen, im Berufungsverfahren, die „Karre so richtig gegen die Wand zu fahren“, und zwar: Das AG Magdeburg hatte den Angeklagten mit Urteil vom 17.06.2013 wegen Diebstahls verurteilt.
1. Streich des Verteidigers: Gegen dieses Urteil legt der Verteidiger dann allerdings erst mit Schriftsatz vom 25.06.2013 Berufung ein und beantragt – immerhin !! – gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung.
2. Streich des Verteidigers: Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird aber nicht näher begründet. 🙁
Das LG verwirft dann den Antrag auf Wiedereinsetzung als unzulässig. Zur Begründung führt es aus, dass der Antrag unzulässig sei, da entgegen § 45 Abs. 2 StPO Tatsachen zu seiner Begründung nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden seien. Gegen diesen Beschluss dann die frist- und formgerechte – man staune – sofortige Beschwerde des Verteidigers für den Angeklagten, mit der er erneut vorsorglich Wiedereinsetzung beantragt.
Das OLG gewährt zweifach Wiedereinsetzung von Amts wegen (!!):
Zwar treffen die Ausführungen des Landgerichts in dessen Beschluss vom 22. August 2013 – wie auch die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 30. September 2013 zu Recht ausgeführt hat – vollinhaltlich zu. Gleichwohl ist der Beschluss aufzuheben, da dem Angeklagten hinsichtlich der Frist zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren ist.
Nach den Ausführungen des Verteidigers hatte der Angeklagten ihn rechtzeitig beauftragt, gegen das Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 17. Juni 2013 Berufung einzulegen. Dass dieses nicht rechtzeitig geschah, beruhte auf dem Verschulden des Verteidigers beziehungsweise dessen Büroangestellten. Der insoweit gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung ist rechtzeitig, wenn auch ohne entsprechende Begründung gestellt worden.
Dass dieser Antrag ohne Begründung gestellt worden ist, beruht ebenfalls auf einem Verschulden des Verteidigers, der offensichtlich nicht willens oder in der Lage war, einen nach § 45 Abs. 2 StPO zulässigen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen.
Dieses kann aber nicht zu Lasten des Angeklagten gehen, der selbst unter Betreuung steht und für die Wahrnehmung von Behördenangelegenheiten eine Betreuerin beigeordnet bekommen hat. Insoweit ist es ihm unmöglich, die unzureichenden Anträge seines Verteidigers zu korrigieren oder dessen Prozessführung zu überwachen. Er war deshalb ohne Verschulden gehindert, die Frist zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuches einzuhalten, was die Wiedereinsetzung von Amts wegen rechtfertigt. Dieses führt letztendlich auch zur Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages vom 25. Juni 2013 und hiermit auch zur Begründetheit der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 22. August 2013. In Abänderung dieses Beschlusses war dem Angeklagten insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung zu gewähren.
Und: Für das weitere Verfahren weist das OLG auf folgendes hin:
„Die zweifache Wiedereinsetzung, die durch Versäumnisse aus der Sphäre des Verteidigers erforderlich wurde, gibt Anlass zur Überprüfung, ob dieser noch geeignet ist, die Rechte des Angeklagten im Strafverfahren als Pflichtverteidiger ausreichend wahrzunehmen.“
Liest man selten so deutlich.