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Teilnahme des Verteidigers am Anhörungstermin, oder: Keine Vernehmungsterminsgebühr

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Im Strafverfahren gibt es zahlreiche Termine außerhalb der Hauptverhandlung, an denen der Verteidiger mit seinem Mandanten teilnehmen kann/muss. Es stellt sich dann immer die Frage, ob der Verteidiger dafür eine sog. Vernehmungsterminsgebühr abrechnen kann. Dazu äußert sich für einen Anhörungstermin in Zusammenhang mit der Unterbringung des Angeklagten das LG Potsdam im LG Potsdam, Beschl. v. 12.08.2024 – 25 KLs 5/23.

In einem Verfahren wegen des Vorwurfs des schweren Raubes hatte die Strafkammer zugleich mit der Eröffnung des Verfahrens die psychologische Begutachtung des – mittlerweile rechtskräftig verurteilten – Angeklagten angeordnet. Da der Angeklagte mehrfach nicht zu Explorationsterminen beim Sachverständigen erschienen ist, hat die Strafkammer seine vorübergehende Unterbringung zur Vorbereitung des Gutachtens gemäß § 81 StPO erwogen und den Angeklagten hierzu mündlich angehört. Zu dem Anhörungstermin am 29.08.2023 hat die Kammer auch den Pflichtverteidiger geladen. Die vorübergehende Unterbringung des Angeklagten ist dann nicht erfolgt, da der Angeklagte in dem Anhörungstermin mit dem ebenfalls anwesenden Sachverständigen Explorationstermine vereinbart hat, die er auch einhielt.

In seinem Vergütungsfestsetzungsantrag hat der Pflichtverteidiger für die Wahrnehmung des Anhörungstermins eine Vernehmungsterminsgebühr gemäß Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG mit 150,00 EUR berechnet. Die Rechtspflegerin hat diese Gebühren nicht festgesetzt und darauf verwiesen, dass die Wahrnehmung des Anhörungstermins durch die allgemeine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4112 VV RVG abgegolten sei. Dagegen hat der Pflichtverteidiger Erinnerung eingelegt, die die Strafkammer, der die Sache vom Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist, zurückgewiesen hat:

„2. In der Sache hat die Erinnerung keinen Erfolg. Dem Verteidiger steht für die Wahrnehmung des Anhörungstermins vom 29. August 2023 keine Gebühr gemäß Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG zu.

a) Nach dieser Vorschrift kann der Verteidiger die Vergütung seiner Teilnahme an einem Termin außerhalb der Hauptverhandlung verlangen, in dem „über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung“ verhandelt wird. Nach dem Wortlaut der Regelung ist mit der „einstweiligen Unterbringung“ nur die – grundsätzlich bis auf Weiteres – angeordnete Freiheitsentziehung gemäß § 126a StPO gemeint und nicht die – auf die Dauer der Untersuchung, längstens jedoch auf sechs Wochen befristete – vorläufige Unterbringung zur Begutachtung gemäß § 81 StPO. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung, die ausdrücklich die „einstweilige Unterbringung“, und damit die amtliche Überschrift von § 126a StPO, in Bezug nimmt. Hinzu kommt, dass die Vergütungsvorschrift die „einstweilige Unterbringung“ neben dem Haftbefehl aufführt, was ebenfalls – nur – auf § 126a StPO hinweist, da die einstweilige Unterbringung gemäß § 126a StPO das Pendant zum Haftbefehl darstellt, wie die vielfältigen Verweise in § 126a Abs. 2 StPO auf das Haftbefehlsrecht belegen. Abgesehen hiervon erfordert die Unterbringung zur Begutachtung gemäß § 81 StPO nicht zwingend eine Anhörung oder gar die Verkündung einer Entscheidung. Vor diesem Hintergrund wird in der Literatur – ganz selbstverständlich – davon ausgegangen, dass die Vergütungsregel in Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG nur die Verkündungs- und Vorführungstermine gemäß § 126a Abs. 2 in Verbindung mit §§ 115, 118 StPO erfassen, nicht jedoch Anhörungstermine im Vorfeld einer Entscheidung gemäß § 81 StPO oder ähnliche Anhörungen (vgl. etwa Felix in: Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl., RVG VV 4102, Rn. 11; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., Nr. 4102 VV, Rn. 25; Knaudt in: BeckOK RVG, 64. Ed., VV 4102, Rn. 8). Soweit dies ersichtlich ist, ist diese Frage in der Rechtsprechung und der Literatur jedoch nicht – jedenfalls nicht tragend – entschieden worden, sodass der hier zu treffenden Entscheidung eine gewisse grundsätzliche Bedeutung beikommt. Im Falle seiner Anwendbarkeit lägen nämlich die kostenrechtlichen Voraussetzungen der Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG vor, da der Verteidiger in dem Anhörungstermin verhandelt hat, indem er Erklärungen und Stellungnahmen abgegeben hat, auch wenn dies aus dem Terminsprotokoll nicht ersichtlich ist, da sich dieses auf die Erklärungen des Angeklagten konzentriert. So hat der Verteidiger die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Unterbringung zur Gutachtenvorbereitung aufgeworfen und im Übrigen den Sinn der Maßnahme bezweifelt, da eine gegen ihren Willen zwangsweise untergebrachte Person sich kaum für ein zielführendes Explorationsgespräch öffnen dürfte; hierbei hat der Verteidiger die besonderen Persönlichkeitsvariablen des Angeklagten dargelegt, der Probleme im Umgang mit fremdbestimmten Situationen habe.

b) Eine entsprechende Anwendung der Nr. 4102 VV RVG auf weitere, dort nicht bezeichneten Tätigkeiten des Rechtsanwalts außerhalb der Hauptverhandlung kommt nicht in Betracht. Bei der genannten Regelung handelt es sich nämlich um eine Ausnahmeregelung, die eng auszulegen und eine Analogie nicht zugänglich ist. Der Gesetzgeber hat dem Verteidiger enumerativ nur in den dort genannten Fallgestaltungen einen Vergütungsanspruch für Termine außerhalb der Hauptverhandlung zugesprochen. Dies ist die allgemeine Meinung in der Literatur (vgl. Kapischke in: Ahlmann/Kapischke/Pankaz/Rech/Schneider/Schütz, RVG, 11. Aufl., VV 4102, Rn. 22; Burhoff, a.a.O., VV 4102 Rn.47 f.; ders. in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl., VV 4102, Rn. 5; Felix in Toussaint, a.a.O., VV RVG Nr. 4102, Rn. 3; Knaudt, a.a.O., VV 4102, Rn. 11), während in der Rechtsprechung bisweilen trotzdem Analogien gezogen worden sind (etwa LG Hamburg, Beschluss vom 19.10.2020, 601 Qs 28/20; vgl. auch die Nachweise bei Knaudt, a.a.O., VV 4102, Rn. 11.1). Diese ausnahmsweise vorgenommenen Analogien sind jedoch systemwidrig, da Nr. 4102 VV RVG selber eine Ausnahmeregelung ist, die abschließend auflistet, für welche Termine außerhalb der Hauptverhandlung der Rechtsanwalt eine Gebühr beanspruchen kann. Abgesehen hiervon fehlt es an einer (zudem: systemwidrigen) Regelungslücke, die durch eine Analogie zu schließen wäre, da sich aus der Vorbemerkung 4.1 Abs. 2 zum vierten Teil VV RVG ergibt, dass durch die im VV geregelten Gebühren die gesamte Tätigkeit des Verteidigers entgolten wird, soweit keine ausdrückliche abweichenden Regelungen erfolgen (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8.8.2011, 1 Ws 89/11; KG, Beschluss vom 18.11.2011,1 Ws 86/11; OLG Köln, Beschluss vom 23.7.2014, III-2I Ws 416/14 und OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.1.2023, 2 WS 156/22 (S); jeweils zitiert nach Juris). Die Tätigkeit des Verteidigers im dem Anhörungstermin vom 29. August 2023 ist durch seine allgemeine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4112 VV RVG abgegolten.“

So traurig es auch ist: Man muss dem LG folgen. Der Hinweis auf den Wortlaut ist eindeutig. In der Nr. 4102 S. 1 Nr. 3 VV RVG ist nur von der „einstweiligen Unterbringung“, also von § 126a StPO, die Rede. Zutreffend ist es auch, dass das LG die Vorschrift nicht entsprechend angewendet hat. Den Argumenten des LG ist nichts hinzuzufügen. Sie entsprechen der Argumentation in der Literatur und der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung.

Es ist zu wünschen und zu hoffen, dass sich der Gesetzgeber endlich mal aufrafft und in einem 3. KostRMoG die Nr. 4102 VV RVG überarbeitet und durch sie weitere Termine erfasst, an denen der Rechtsanwalt teilnimmt. Denn der Verweis auf die Verfahrensgebühr ist für diesen angesichts der doch recht geringen Gebührensätze nur ein schwacher Trost.

Das LG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Frage gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. mit § 33 Abs. 3 S. 2 RVG die Beschwerde zugelassen. Man wird zu der Frage also ggf. bald etwas vom OLG Brandenburg hören, allerdings wird es m.E. wahrscheinlich die Entscheidung des LG bestätigen. Das würde auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des OLG liegen.

Teilnahme an der SV-Exploration des Mandanten, oder: Keine Vernehmungsterminsgebühr, auch nicht analog

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Und für das zweite Posting hatte ich dann noch eine „richtige“ RVG-Entscheidung, und zwar den OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.01.2023 – 2 Ws 156/22 (S).

Das OLG nimmt in der Entscheidung noch einmal zur Frage der Zulässigkeit einer analogen Anwendung der Nr. 4102 VV RVG Stellung. Die hatte die Nebenklägervertreterin geltend gemacht. Sie hatte den Anfall der Gebühr damit begründet, dass sie an der sachverständigem Begutachtung der Nebenkläger teilgenommen habe. Dafür sei die Gebühr angefallen.

Die Rechtsanwältin hatte mit dem Ansatz beim OLG – kein Glück. Das hat eine für sie positive Entscheidung des LG aufgehoben:

„Zu Unrecht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss der Rechtsanwältin für die Teilnahme an der sachverständigen Begutachtung die Gebühr nach Nr. 4102 VV RVG zugesprochen.

Die Frage, ob es sich bei der Regelung in Nr. 4102 VV RVG um eine abschließende Regelung handelt, die eine entsprechende Anwendung ausschließt, wird unterschiedlich beantwortet. In der Rechtsprechung wird, zumindest teilweise, eine entsprechende Anwendung für zulässig gehalten (vgl. etwa LG Hamburg, Beschluss vom 24. November 2016, Az.: 617 Ks 22/16, m.w.N., zitiert nach juris).

Verneint wird die Möglichkeit einer analogen Anwendung vor allem in der Literatur (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG VV 4102 Rn.5; BeckOK RVG/Knaudt RVG VV 4102 Rn. 11, Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4102 VV Rn. 45) und der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. August 2011, Az.: 1 Ws 89/11; KG, Beschluss vom 18. November 2011, Az.: 1 Ws 86/11; OLG Köln, Beschluss vom 23. Juli 2014, Az.: III-2 Ws 416/14; alle zitiert nach juris).

Der Senat folgt letzterer Auffassung.

Danach scheidet eine entsprechende Anwendung der Nr. 4102 VV RVG auf weitere, dort nicht bezeichnete Tätigkeiten des Rechtsanwalts außerhalb der Hauptverhandlung aus. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, die abschließend auflistet, für welche Termine außerhalb der Hauptverhandlung der Rechtsanwalt eine Gebühr beanspruchen kann. Dafür spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, welche in den Ziffern 1 bis 5 einzelne konkret bestimmte Tatbestände regelt und dabei keinen Auffangtatbestand vorsieht (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O.; Burhoff a.a.O.). Dem entspricht auch die Vorbemerkung 4.1 Abs. 2 zum 4. Teil VV RVG, wonach durch die (in dem VV bezeichneten) Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts entgolten wird. Aus dem Regelungszusammenhang der Gebührenvorschriften in Teil 4 VV RVG folgt demnach, dass Termine außerhalb der Hauptverhandlung grundsätzlich nicht zusätzlich vergütet werden (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O.; KG a.a.O.), sondern regelmäßig durch die jeweilige Verfahrensgebühr mit abgegolten sind (Burhoff in Burhoff/Volpert, a.a.O.).

Die Teilnahme des Verteidigers etwa an der Exploration seines Mandanten durch einen psychiatrischen Sachverständigen kann im Rahmen der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG angemessen berücksichtigt werden, dem beigeordneten Rechtsanwalt bleibt gegebenenfalls der Weg über § 51 RVG, sofern die Gebühren für den gerichtlich bestellten Rechtsanwalt in einer Gesamtschau nicht zumutbar erscheinen (KG a.a.O.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.). Dieses Ergebnis dürfte auch der gesetzgeberischen Intention bei der Einführung der gebührenrechtlichen Regelungen in Teil 4 VV RVG entsprechen. Dabei sollten weitere Tätigkeiten des Verteidigers, die damals nicht oder nur unzureichend honoriert worden waren, in Zukunft gebührenrechtlich angemessene Berücksichtigung finden (BT-Drs. 15/1971, S. 220). Nach der Gesetzesbegründung spricht nichts dafür, dass es sich bei der Regelung in Nr. 4102 VV RVG lediglich um eine beispielhafte Aufzählung von Tätigkeiten außerhalb der Hauptverhandlung handeln sollte (vgl. dazu auch OLG Saarbrücken a.a.O.; KG a.a.O.).

Stimmt. Habe ich doch schon immer gesagt 🙂 .

Bringen zwei Hafttermine zwei Terminsgebühren?, oder: Das AG macht es günstig, aber leider falsch

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Heute dann RVG, und zwar nur Entscheidungen zur Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 VV RVG. Die Vorschrift spielt ja in der Praxis vor allem in Haftsachen eine erhebliche Rolle.

Ich beginne mit dem AG Leipzig, Beschl. v. 10.02.2023 – ER 10 282 Gs 5006/22. Die Entscheidung ist zwar für den Kollegen Zünbül, der sie mir geschickt hat, erfreulich, weil für ihn günstig, aber die Entscheidung ist falsch. Und darüber gibt es nichts zu diskutieren.

In dem Verfahren wegen versuchten Totschlags ist der Kollege dem Beschuldigten, der sich ab dem 29.10.2022 nicht auf freien Fuß befunden hat, am 30.10.2022 als Pflichtverteidiger  beigeordnet worden. Der Kollege hat dann als Pflichtverteidiger an zwei Haftterminen am 30.10.2022 und am 11.11.2022 teilgenommen. Für diese Teilnahmen hat er zwei Vernehmungsterminsgebühren abgerechnet, die vom Kostenbeamten nicht festgesetzt worden sind. Auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers hat das AG die beiden Terminsgebühren jedoch festgesetzt:

„Der Festsetzung liegt der Kostenantrag des Verteidigers vom 06.01.2023 zugrunde. Entgegen der Ansicht des Kostenbeamten und der Bezirksrevisorin geht das Gericht davon aus, dass vorliegend, wie vom Verteidiger beantragt worden sind, 2 Termingebühren für die Termine vom 30.10.2022 und 11.11.2022 entstanden sind. Zwar sieht VV 4102 vor, dass der Verteidiger für die ersten 3 Termine aus diesem Katalog die Gebühr nur einmal erhält. Vorliegend greift dies jedoch nicht durch, denn die Termine betreffen einmal eine Haftvorführung und einmal eine Haftprüfung. Die Termine haben unterschiedliche Rechtsgrundlagen, §§ 128, 114a, 115 StPO bzw. 117 ff StPO und sind vorliegend vor unterschiedlichen Richtern erfolgt, namentlich am 30.10.2022 vor dem Bereitschaftsrichter am Amtsgericht Leipzig, am 11.11.2022 vor dem Unterzeichner. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Zusammenlegung der Gebühren für die mündliche Haftprüfung und die Haftvorführung schon deswegen nicht angezeigt sind, da die Verfahrenssituation jeweils eine andere ist, mithin ein anderer Verfahrensabschnitt vorliegt, der den Gebührentatbestand neu entstehen lässt. Bei der Haftvorführung hat der Beschuldigte und auch sein Verteidiger in der Regel keinerlei Akteneinsicht und vorliegend nur beschränkte Möglichkeiten, sich gegen den Vorwurf im Haftbefehlsantrag zu verteidigen. Aus diesem Grunde ist die Möglichkeit der Möglichkeit der mündlichen Haftprüfung geschaffen worden. Die erfolgt in der Regel nach Akteneinsicht und nach entsprechender Festlegung einer Verteidigungsstrategie zwischen Verteidiger und Beschuldigten. Dies gewährleistet das grund-gesetzlich vorgesehene faire Verfahren. Insoweit ist es auch notwendig die Leistungen des Verteidigers entsprechend abzugelten.“

Wie gesagt: Falsch, aber so richtig, wenn man davon ausgeht, dass die beiden Termine beide (noch) im vorbereitenden Verfahren stattgefunden haben, wofür einiges spricht. Entgegen der Ansicht des AG greift dann nämlich die Beschränkung der Vernehmungsterminsgebühr aus Anm. Satz 2 zur Nr. 4102 VV RVG (eingehend zur Vernehmungstermisgebühr Nr. 4102 VV RVG Burhoff AGS 2022, 241). Nach dieser Anmerkung entsteht die (Vernehmungs)Terminsgebühr im vorbereitenden Verfahren und in jedem Rechtszug für die Teilnahme an jeweils bis zu drei Terminen nur einmal. Diese Beschränkung auf eine Terminsgebühr Nr. 4102 VV RVG/vorbereitendes Verfahren für jeweils drei Termine ist völlig unabhängig davon, ob und welche Rechtsgrundlagen die Termine hatten, bei welchem Richter sie stattgefunden haben und ob die Verfahrenssituation eine andere ist. Entscheidend ist allein, dass es sich um bis zu drei Termine aus dem Katalog des Nr. 4102 VV RVG gehandelt hat. Was das AG hier entschieden hat, ist daher nichts anderes als „gerichtliche Rechtsschöpfung“ gewesen. Zwar ist der vom AG angeführte Zwecke für seine Entscheidung nicht von der Hand zu weisen. Der hat jedoch im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Denn leider ist ja der gemeinsame Vorschlag von DAV und BRAK zum Wegfall der Beschränkung in S. 2 der Anmerkung zur Nr. 4102 VV RVG (vgl. dazu Hansens RVGreport 2018, 202, 204) vom KostRÄG 2021 nicht umgesetzt worden.

Also wieder mal das AG als Gesetzgeber.

War das nun eine „Vernehmung“ des Mandanten?, oder: (Höhe der) Vernehmungsterminsgebühr

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Bislang war in der Rechtsprechung in Zusammenhang mit der Nr. 4102 Ziff. 1 VV RVG der Begriff der Vernehmung noch nicht gerichtlich geklärt. Nun liegt zu der Frage mit dem LG Leipzig, Beschl. v. 06.01.2023 – 5 Qs 66/22 – die erste Entscheidung vor.

Folgender Sachverhalt: Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung geführt. Im Rahmen der Ermittlungen fand am 07.11.2019 ein Polizeieinsatz am Tatort in der in Leipzig statt, in dessen Rahmen der Angeklagte mit seinem Wahlverteidiger erschien, sich u.a. auswies und sich nach entsprechender polizeilicher Belehrung nicht zu dem ihm vorgeworfenen Sachverhalt äußern wollte.

Der Angeklagte ist vom AG vom Vorwurf der Nötigung rechtskräftig freigesprochen worden. Die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt. Im Rahmen der Kostenfestsetzung hat der Angeklagte auch die Erstattung einer Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 Nr. 2 VV RVG in Höhe von 245 EUR beantragt. Das AG hat die Gebühr nicht festgesetzt. Die Gebühr sei nicht entstanden, da keine Vernehmung des Angeklagten durch die Polizei, sondern lediglich eine Identitätsfeststellung stattgefunden habe. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Angeklagten hatte – teilweise – Erfolg. Das LG bejaht das Entstehen der Nr. 4102 Ziff. 1 VV RVG, macht aber bei der Gebührenhöhe Abstriche:

„2. Die sofortige Beschwerde erweist sich jedenfalls in Höhe von 125,- Euro brutto als begründet.

a) Für die Teilnahme des Beschwerdeführers an dem Termin am 07.11.2019 ist eine Gebühr gemäß Nr. 4102 Ziffer 2 VV RVG dem Grunde nach entstanden.

Nach dieser Vorschrift entsteht eine Terminsgebühr in Höhe von 44,- Euro bis 330,- Euro für die Teilnahme des Wahlverteidigers an Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft oder eine andere Strafverfolgungsbehörde. Nach dem insoweit geltenden formellen Vernehmungsbegriff der StPO sind unter einer Vernehmung sämtliche Befragungen zu verstehen, bei der der Vernehmende beim Vernommenen in offizieller Funktion Auskunft sucht beziehungsweise diesen anhört (Schuhr, in: MüKoStP0, StPO vor § 133 Rn. 36, beck-online; Weingarten, in: KK-StPO, 9. Aufl. 2023, StPO § 163a Rn. 2a, u.a. unter Verweis auf BGH NJW 2018, 1986 Rn. 18). Ein enger gefasster Begriff, der etwa nur förmlich anberaumte Vernehmungen als solche bezeichnet, würde insbesondere den Anwendungsbereich der gesetzlich geregelten Belehrungspflichten sinnwidrig verkürzen (Schuhr, a.a.O.). Ein aktives Verhandeln ist seitens des anwesenden Verteidigers für das Entstehen der Gebühr nicht erforderlich (Toussaint/Felix, 52, Aufl. 2022, RVG VV 4102 Rn. 10).

Anhand dieser Maßstäbe ist davon auszugehen, dass bei dem Polizeieinsatz am 07.11.2019 über die bloße Identitätsfeststellung hinaus auch eine Befragung und damit eine Vernehmung des Angeklagten in Anwesenheit des Beschwerdeführers stattgefunden hat: Die Befragung und das Auskunftsverlangen richteten sich zunächst darauf, ob der in dem Wohnmobil durch die Polizei aufgefundene Hund dem Mandanten des Beschwerdeführers gehört und darüber Rückschlüsse auf seine Identität gezogen werden können. Allerdings erfolgte dies erst, nach-dem sich der Beschuldigte bereits ausgewiesen hatte, so dass dessen Identität bereits fest-gestellt worden war. Zudem war jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht auszuschließen, dass die Frage, wer Besitzer des Hundes ist, auch für die Schuldfrage von Belang sein konnte. Aber auch unabhängig davon spricht für das Vorliegen einer Vernehmung im Sinne der StPO bereits, dass der Mandant des Beschwerdeführers durch die Polizei über sein Recht auf Aussagefreiheit belehrt worden ist (BI. pp d.A.). Offenbar ist die Polizei selbst der Annahme gewesen, eine formelle Vernehmung durchzuführen, da nur bei einer solchen die Pflicht zur Belehrung besteht (vgl, etwa Weingarten, a.a.O.).

Die Terminsgebühr nach Nr. 4102 Ziffer 2 VV RVG ist damit dem Grunde nach entstanden.

b) Nach Auffassung der Kammer erscheint der vom Beschwerdeführer insoweit geltend gemacht gemachte Betrag von 245,- Euro indes unbillig hoch und damit nicht verbindlich (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG).

Im Festsetzungsverfahren ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie bei einer Gesamtabwägung unbillig ist; für die Unbilligkeit gelten dabei die gleichen Gesichtspunkte wie für den fehlerhaften Ermessengebrauch bei der Abrechnung gegenüber dem Auftraggeber nach § 14 Abs. 1 Satz 1 bis 3 RVG (v. Seltmann, in: BeckOK RVG, 58, Ed. 01.09.2021, RVG § 14 Rn. 53). Die Rahmengebühr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG ist unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Eine Unbilligkeit der Gebührenbestimmung durch einen Rechtsanwalt ist nach herrschender und von der Kammer geteilter Ansicht dann gegeben, wenn die geltend gemachte Gebühr, die als angemessen anzusehende Gebühr um mehr als 20 Prozent übersteigt (vgl, etwa v. Seltmann , in: BeckOK RVG, 58. Ed. 01.09.2021, RVG § 14 Rn. 13).

Gemessen an diesen Maßstäben erscheint der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Betrag unbillig. Wesentliches – wenngleich nicht alleiniges – Kriterium für die Festsetzung der Terminsgebühr ist die zeitliche Dauer des Termins. Der gegenständliche Termin am 07.11.2019 dauerte nach dem Aktenvermerk der PD Leipzig vom selben Tag lediglich rund 15 Minuten (vgl. insoweit BI. d.A.: „Gegen 10:30 Uhr erschien RA pp. im Beisein […].“; „Gegen 10:45 Uhr verließen die Beamten den Einsatzort.“). Kriterien, welche die weit unterdurchschnittliche Dauer des Termins kompensieren könnten, sind nicht ersichtlich, zumal auch der Umfang der Angelegenheit unterdurchschnittlich war. Auch stellte die Polizei dem Mandanten des Beschwerdeführers – unter Zugrundelegung des Aktenvermerks vom 07.11.2019 (a.a.O.) – lediglich eine einzige Frage.

Vor diesem Hintergrund erachtet die Kammer lediglich eine Gebühr in Höhe von 125,- Euro zuzüglich Umsatzsteuer und Zinsen für angemessen, sodass die vom Beschwerdeführer beantragte Gebühr in Höhe von 245,- Euro selbst unter Beachtung eines Ermessenspielraums von 20 Prozent als zu hoch und damit unbillig erscheint…..“

Vernehmungsterminsgebühr für einen “Hafttermin”, oder: Was muss eigentlich im Termin noch geschehen

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Am Gebührentag heute zunächst der LG Düsseldorf, Beschl. v. 25.08.2022 – 17 Qs-110 Js 6494/20-22/22. Ich fange mit dem an, weil dann das Ärgernis des Tages schon mal weg ist.

In der Entscheidung geht es mal wieder um den Anfall der Nr. 4102 Nr. 3, 4103 VV RVG für die Teilnahme des Rechtsanwalts an einem „Hafttermin“. Der Kollege, der mir den Beschluss geschickt hat, hat als (Pflicht)Verteidiger hat am 04.07.2020 an einem Termin teilgenommen, in dem gegen den Beschuldigten ein Haftbefehl erlassen und anschließend verkündet worden ist. Der Beschuldigte hat Angaben zur Person, aber nicht zur Sache gemacht. Der Kollege ist in dem Termin zum Pflichtverteidiger des Beschuldigten bestellt worden. Im Rahmen der Vergütungsfestsetzung hat er dann nach Einstellung des Verfahrens auch eine Vernehmungsterminsgebühr nach Nr. 4103 Ziff. 3 VV RVG geltend gemacht. Diese ist dann auf seine Erinnerung durch das AG festgesetzt worden (vgl. das den AG Neuss, Beschl. v. 18.05.2022 – 6 Ds-110 Js 6494/20-314/20 und dazu Vernehmungsterminsgebühr für einen “Hafttermin”, oder: Hauptsache, es wird zur Haft “verhandelt”. Solche (positiven) Entscheidungen lassen natürlich die „Hüter der Staatskasse“ nicht ruhen. Natürlich hat gegen die Festsetzung der Vernehmungsterminsgebühr der Bezirksrevisor Beschwerde eingelegt, die dann auch beim LG Düsseldorf Erfolg hatte:

„2. Die Beschwerde des Bezirksrevisors ist auch begründet, da das Amtsgericht Neuss zugunsten des Beschwerdegegners zu Unrecht eine Terminsgebühr gern. Nr. 4102 Ziffer 3, 4103 VV RVG in Höhe von 166 EUR netto bzw. 197,54 EUR brutto festgesetzt hat.

a) Eine solche Terminsgebühr steht dem Beschwerdegegner nicht zu, da in dem Anhörungstermin am 04.07.2020 nicht über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt wurde.

Die Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG sieht eine Terminsgebühr (nur) für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung vor, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird. Erforderlich ist danach ein Verhandeln. Mit diesem Erfordernis wollte der Gesetzgeber erreichen, dass die häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungstermine nicht von diesem Gebührentatbestand erfasst werden und die Teilnahme des Rechtsanwalts an derartigen Terminen nicht gesondert honoriert wird (vgl. amtliche Begründung BT-Drucks. 15/1971, S. 223; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 -; OLG Bamberg, Beschuss vom 19.01.2021 – 1 Ws 692/20; OLG Hamm, Beschluss vom 18.12.2005 ¬2 (s) Sbd VIII – 224/05 -; KG Berlin, Beschluss vom 31.10.2008 – (1) 2 StE 6/07 – 6 (6/07) -; Thüringer OLG, Beschluss vom 15.10.2013 – 1 Ws 344/13 -, LG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2013 — 4 KLs 24/12, jew. zitiert nach juris), es sei denn an die Verkündung des Haftbefehls schließt sich eine Verhandlung über die Fortdauer der Untersuchungshaft an (vgl. amtliche Begründung BT-Drucks. 15/1971, S. 223), Sinn der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG ist es demnach, den Zeitaufwand desjenigen Anwalts zu vergüten, der anlässlich eines Haftprüfungstermins         oder Haftbefehlserörterungstermins sachbezogene Stellungnahmen abgibt und damit zur Verfahrensförderung und -beschleunigung beiträgt (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2013 — 4 KLs 24/12 —, zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Beschluss vom 25.03.2005, Az. 1 Qs 9/04).

Das bedeutet, dass der Verteidiger im Termin für den Beschuldigten in der Weise tätig geworden sein muss, dass er Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben oder Anträge gestellt hat, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden (vgl. KG Berlin, Beschluss vorn 31.10.2008 – (1) 2 StE 6/07 – 6 (6/07); OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.06.2014 – 1 Ws 85/14; LG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2013 – 4 KLs 24/12, jew. zitiert nach juris). Insofern begründet insbesondere der Antrag des Beschwerdegegners, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, keine Verhandlung im gebührenrechtlichen Sinn (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2013 – 4 KLs 24/12; OLG Saarbrücken, Beschluss vorn 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 -, zitiert nach juris).

Ein „Verhandeln“ liegt des Weitern auch nicht schon dann vor, wenn der Verteidiger dem Angeklagten bei dessen Vorführung vor dem Haftrichter lediglich anrät, keine Angaben zur Sache zu machen und dieser hierauf schweigt. Denn auch in einem solchen Fall erschöpft sich der Termin nach außen hin in der bloßen Abfolge der ohnehin gesetzlich vorgesehenen Förmlichkeiten eines Vorführungstermins gern. § 128 StPO (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vorn 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 -; OLG Hamm, Beschluss vom 27.11.2006 – 2 (s) Sbd IX – 117/06 -; Thüringer OLG, Beschluss vom 15.10_2013 – 1 Ws 344/13).

Zwar bestand zu Beginn des Vorführungstermins gern. § 128 StPO noch kein Haftbefehl, sondern ein solcher wurde erst im Verlaufe des Termins erlassen, nachdem der Beschuldigte nach Belehrung keine Angaben zur Sache gemacht hatte. Allein dies führt jedoch in Ermangelung von Erklärungen oder Stellungnahmen zur Anordnung der Untersuchungshaft nicht zu einem Verhandeln i.S.d. Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 -, zitiert nach juris). Etwas anderes folgt auch nicht aus der dienstlichen Stellungnahme des beim Vorführungstermin gegenwärtigen Richters, dass in seinen Terminen üblicherweise eine kurze Erörterung zum Vorliegen des Haftgrundes erfolge und er davon ausgehe, dass dies auch in dem Vorführungstermin am 04.07.2020 der Fall gewesen sei. Denn selbst wenn eine solche Erörterung in dem Termin entgegen des Protokolls stattgefunden hätte, wäre der Beschuldigte insofern lediglich über den Ermittlungsstand und die einen Haftbefehl begründenden Umstände informiert worden. Ein gebührenauslösender auf die Vermeidung der Untersuchungshaft gerichteter Erörterungsbeitrag des Beschwerdegegners ist damit jedoch nicht dargetan. Da der Beschuldigte auf Anraten des Beschwerdegegners vielmehr keine Angaben zur Sache gemacht hat, würde auch eine derartige Erörterung durch das Gericht die Gebühr gern. Nr. 4102 VV RVG in Ermangelung einer Tätigkeit des Verteidigers nicht auslösen (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 -, zitiert nach juris). Selbiges gilt für die Einlassung des Beschwerdegegners, dass in dem Termin die Frage der Haftfähigkeit des Beschuldigten in Bezug auf dessen Suchterkrankung und der Voraussetzungen der Fluchtgefahr diskutiert worden seien. Dieser Vortrag, der bereits im Widerspruch zu dem Protokoll des Anhörungstermins steht, lässt selbst bei Wahrunterstellung nicht erkennen, inwiefern der Beschwerdegegner dabei Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben haben soll, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden.

Auch das Vorbringen des Beschwerdegegners, dass dem Vorführungstermin ein mittels Dolmetscherin geführtes ausführliches Vorgespräch mit dem Beschuldigten vorangegangen sei und er daher anlässlich des Vorführungstermins insgesamt mehr als zwei Stunden im Gericht verbracht habe, ist nicht geeignet einen Anspruch auf eine Terminsgebühr gern. Nr. 4102 VV RVG zu begründen. Denn dieses Gespräch fand bereits vor Aufruf zu dem Vorführungstermin am 04.07.2020 und somit nicht in einem Termin, in dem über die Anordnung der Untersuchungshaft verhandelt wurde, statt und zweitens knüpft der Gebührentatbestand der Nr. 4102 VV RVG an eine Aktivität an, die gezielt auf die gerichtliche Entscheidungsfindung einwirken soll. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Honoraranspruch des Verteidigers an irgendeine Aktivität, beispielsweise eine bloße interne Beratung zwischen Verteidiger und Mandant anknüpft, hätte er dies unschwer im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck bringen können. Diese Überlegungen werden auch durch systematische Erwägungen gestützt. Das RVG geht nämlich davon aus, dass interne Beratungen des Verteidigers mit seinem Mandanten jeweils keinen eigenständigen Vergütungsanspruch der Verteidigung auslösen, sondern mit den anderen Gebühren, insbesondere der Grund-, der Verfahrens- und der Verhandlungsgebühr nach Nrn. 4100, 4101, 4104, 4105, 4106 ff. VV-RVG abgegolten sind. Es wäre somit ein Bruch mit dieser Systematik, wollte man ein solches Verhalten des Verteidigers im Rahmen des Gebührentatbestandes nach Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV-RVG ausnahmsweise doch als Begründung für die Verwirklichung eines Honorartatbestands heranziehen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vorn 19.01.2021 -1 Ws 692/20 -, zitiert nach juris). Insofern kommt es bzgl. der Terminsgebühr gern. Nr. 4102 VV RVG bereits nicht drauf an, wie viel Zeit der Beschwerdegegner an dem Terminstag insgesamt auf das Pflichtverteidigermandat verwendet hat.

Es ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners auch nicht ersichtlich, dass das Tatbestandsmerkmal des Verhandelns durch die Tatsache, dass bei einem Vorführtermin nach § 128 Abs. 1 StPO gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO nun ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, obsolet geworden wäre. Denn der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG trotz der Ausweitung der notwenigen Verteidigung gerade nicht geändert und es lässt sich der Gesetzesbegründung zu der Ausweitung des § 140 Abs. 1 StPO auch nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass in den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO immer eine Terminsgebühr anfallen würde (vgl. BT-Drucks 19/13829). Insofern verbleibt es dabei, dass die bloße Teilnahme des Pflichtverteidigers im Vorführungstermin ohne verfahrensfördernde Stellungnahmen oder Anträge lediglich über die Grund- und Verfahrensgebühr abgegolten wird.“

Wie gesagt eine mehr als ärgerliche Entscheidung, mit der der Bezirksrevisor jetzt stolz von dannen ziehen wird. Ärgerlich vor allem deshalb, weil das AG an einem Samstag einen Rechtsanwalt zu einem „Termin“ bestellt, wofür der Verteidiger insgesamt mehr als drei Stunden (Frei)Zeit aufwendet und wenn es dann an das Bezahlen der Leistung geht – nach dem anwendbaren alten Recht geht es um den fürstlichen Lohn von 166 EUR gesetzliche Gebühren – sträubt sich die Staatskasse.

Davon abgesehen, ist die Entscheidung m.E. aber auch gebührenrechtlicher Nonsens. Das LG macht zwar viel Worte, warum die Gebühr nicht festzusetzen ist, es übersieht aber, dass es sich bei den von ihm angeführten Fällen um andere Sachverhalte gehandelt hat, die entschieden worden sind. Ob immer richtig, mag hier dahinstehen. Das LG übersieht auch, dass sich die Rechtsprechung einig ist, dass für das Entstehen der Gebühr Nr. 4102 Ziff. 3, 4013 VV RVG mehr geschehen muss als die reine Verkündung des Haftbefehls, da Sinn und Zweck des Erfordernisses des „Verhandelns“ ist, die Gebühr nicht für bloße Haftbefehlsverkündungen entstehen zu lassen. Ausreichend dafür ist es aber, wenn vom Verteidiger für den Beschuldigten zu Fragen in Zusammenhang mit der Untersuchungshaft Stellung genommen worden ist. Anträge müssen nicht gestellt werden. Es reichen Erklärungen oder Stellungnahmen, die dazu bestimmt waren, die Untersuchungshaft abzuwenden (vgl. u.a. auch die vom LG zitierten Entscheidungen KG, Beschl. v.  31.10.2008 – (1) 2 StE 6/07 – 6 (6/07); OLG Saarbrücken, a.a.O.). Und die haben hier mit der vom Pflichtverteidiger erwähnten diskutierten „Fragen der Haftfähigkeit des Beschuldigten in Bezug auf dessen Suchterkrankung und der Voraussetzungen der Fluchtgefahr“ vorgelegen. Diese ergeben sich zwar nicht aus dem Protokoll. Die eingeholte Stellungnahme des im Hafttermin agierenden Richters deutet aber in die Richtung. Und die Angaben des Verteidigers hat das LG nicht widerlegt, jedenfalls sagt es nicht ausdrücklich, dass der Verteidiger lügt. Im Übrigen: Der Termin hat längere Zeit gedauert und in ihm ist dann der Haftbefehl erlassen und dann verkündet worden. Was – „liebes“ Landgericht – muss denn noch mehr in einem „Hafttermin“ geschehen, um ein „Verhandeln“ anzunehmen? Mir fällt da unter Berücksichtigung dessen, was nach den Ausführungen auch des LG sonst noch im Termin geschehen/beantragt worden ist, so ganz viel nicht mehr ein.

Kurz: Keine Ahnung, davon aber viel.