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Der Jagdmessereinsatz bei der Vergewaltigung

Hand mit MesserManchmal ist man mehr als erstaunt, wenn man in den BGH-Beschlüssen Tatschilderungen liest, und zwar darüber, was Menschen einander antun können. So – wenigstens bei mir – auch bei der Tatschilderung im BGH, Beschl. v. 15.04.2014 – 2 StR 545/13. Das LG hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung verurteilt und dabei folgende Feststellungen zugrunde gelegt: „Dabei holte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts ein Jagdmesser aus der Schreibtischschublade, demonstrierte der bereits früher wiederholt ohne Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs zum Oralverkehr genötigten Geschädigten dessen Schärfe durch Zerschneiden eines Stücks Papier. Dann zog er die Messerspitze von der rechten Kopfseite aus über ihren Hals bis zur Brust über ihre Haut, ohne sie zu verletzen. Er wollte dadurch bei ihr Todesangst hervorrufen und für sich ein Lustgefühl erzeugen, bevor er die Geschädigte erneut durch Ergreifen mit der Hand zum Oralverkehr nötigte.“

Rechtlich hat es das Geschehen unter § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB eingeordnet und hat das Verwenden eines anderen gefährlichen Werkzeugs angenommen. Das hat der BGH in seiner „Leitsatzentscheidung nicht beanstandet:

Die rechtliche Würdigung dieser Handlung als besonders schwere Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs ist rechtsfehlerfrei. Dabei kommt es nicht notwendigerweise darauf an, ob die generell verängstigte Geschädigte den Oralverkehr mit dem Angeklagten, wie in früheren Fällen, auch ohne den Einsatz des Messers gegen ihren Willen vorgenommen hätte. Das gefährliche Werkzeug muss zur Erfüllung des Qualifikationstatbe-stands nicht zwingend als Nötigungsmittel, sondern nur „bei der Tat“ verwendet werden, also entweder als Nötigungsmittel oder als Werkzeug bei der sexuellen Handlung (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 4 StR 464/00, BGHSt 46, 225, 228 f.; Beschluss vom 8. Februar 2006 – 2 StR 575/05, StV 2006, 416, 417). Dafür genügt es auch, wenn ein „einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug“ vorliegt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01 – unter IV., insoweit in StV 2002, 350 nicht abgedruckt). Ein solcher Vorgang ist nach den Feststellungen des Landgerichts erfolgt, da der Angeklagte den Messereinsatz auch zur Luststeigerung vornahm.

Die Gefährlichkeit des Werkzeugs ist auch unter diesem Blickwinkel – unbeschadet des Messereinsatzes gegenüber der Geschädigten „ohne Druck und ohne sie dabei zu verletzen“ – anzunehmen. Die zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands genügende abstrakte Gefahr erheblicher Verletzungen war auch bei einem zurückhaltenden Einsatz unmittelbar an Kopf, Hals und Brust der Geschädigten gegeben.“

Vergewaltigung trotz (vorheriger) Einwilligung, denn die ist kein „Freibrief“

© froxx - Fotolia.com

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Die Verurteilung wegen einer Vergewaltigung ist in der tatrichterlichen Praxis häufig schwierig. Nicht nur wegen der häufig nicht einfachen Beweisaufnahme durch Vernehmung des Tatopfers, sondern auch im Hinblick auf die meist nicht ganz einfachen tatsächlichen Feststellungen. Das beweist dann auch mal wieder der OLG Hamm, Beschl. v. 18.03.2014 – 5 RVs 5/14, der einen zunächst einvernehmlich begonnenen Geschlechtsverkehr zum Gegenstand hat. Das OLG weist noch einmal besonders auf die Tatbestandsvoraussetzung: Nötigung durch Gewalt, hin. Das erfordere regelmäßig, dass der Täter durch eigene Kraftentfaltung das Opfer einem körperlich wirksamen Zwang aussetzt, um gerade damit geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden. Ein Handeln allein gegen den Willen des Opfers oder dessen bloßes Nichteinverstandensein genügt für die Erfüllung des Tatbestandes nicht.

„Zwar reicht es zur Erfüllung des Tatbestandes des § 177 Abs. 1 (und auch Abs. 2) StGB aus, wenn der Täter mit der Gewaltanwendung zu einem Zeitpunkt beginnt, in dem sich sein Glied bereits in der Scheide seines Opfers befindet, er also den Beischlaf gegen den dabei einsetzenden Widerstand des Opfers fortsetzt (BGH, NStZ 1991, 431; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2002, 1 StR 274/02, zitiert nach juris Rn. 12). Denn die einmal gegebene Einwilligung ist kein Freibrief, sondern jederzeit widerruflich (BGH, GA 1970, 57; OLG Köln, Beschluss vom 05. März 2004, Ss 493/03, zitiert nach juris Rn. 10). In den Fällen des einvernehmlich begonnenen Geschlechtsverkehrs, in denen die freiwillige Hingabe durch den Widerstand des Opfers gegen dessen Fortsetzung endet, sind aber besonders strenge Anforderungen an die Urteilsfeststellungen im Hinblick auf jedes einzelne Tatbestandsmerkmal des § 177 Abs. 1 (und auch Abs. 2) StGB zu stellen.“

Und dazu müssen dann eben ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen werden.

„dran ist drin“, oder: Was ist „Beischlaf“?

FragezeichenDie – zugegeben etwas flapsige – Überschrift „dran ist drin“, oder: was ist „Beischlaf“ bezieht sich auf den BGH, Beschl. v. 27.03.2014 – 1 StR 106/14. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt. Er legt Revision ein, die verworfen wird. Der BGH macht zur OU-Entscheidung einen Zusatz dahin, dass der Angeklagte auch noch wegen Vergewaltigung hätte verurteilt werden können (also „Glück“ gehabt [?]):

Dass das Landgericht im Fall II.B.4. der Urteilsgründe den Angeklagten lediglich wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB und nicht auch tateinheitlich wegen Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB verurteilt hat, beschwert diesen ersichtlich nicht. Nach den getroffenen Feststellungen wäre eine solche Verurteilung in Frage gekommen. Das Geschehen wird so dargestellt, dass die Nebenklägerin sich angesichts der Erinnerung an die bei der Tat im Fall II.B.2. der Urteilsgründe erlittenen starken Schmerzen verkrampfte und ihren Körper versteifte. Deshalb – also offenbar wegen dieser körperlichen Abwehrreaktion – konnte der Angeklagte mit seinem Penis nur ein kleines Stück in die Scheide der Nebenklägerin ein-dringen (UA S. 12). Gewalt i.S.v. § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt, wie das Landgericht an sich nicht verkannt hat, vor, wenn der Täter physische Kraft entfaltet, um den erkannten oder erwarteten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme sexueller Handlungen zu überwinden, wobei das Opfer durch die Handlung des Täters körperlich wirkendem Zwang ausgesetzt sein muss (BGH, Beschlüsse vom 9. April 2009 – 4 StR 88/09, NStZ-RR 2009, 202 f.; vom 31. Juli 2013 – 2 StR 318/13, StraFo 2013, 479). Angesichts der sich verkrampfenden und den Körper versteifenden Nebenklägerin lagen diese Voraussetzungen nicht fern. Gleiches gilt für das Regelbeispiel aus § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist „Beischlaf“ das Eindringen des männlichen Gliedes in die Scheide; dafür genügt der Kontakt des männlichen Gliedes mit dem Scheidenvorhof (BGH, Urteile vom 14. August 1990 – 1 StR 62/90, BGHSt 37, 153, 154; vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 242/00, BGHSt 46, 176, 177), ein vollständiges Eindringen des Gliedes in die Scheide ist jedenfalls gerade keine Voraussetzung für die Vollendung des Beischlafs (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 – 1 StR 270/00, NStZ 2001, 246).“

Vergewaltigung: Häufung von Fragwürdigkeiten bei Aussage-gegen-Aussage

© Dan Race - Fotolia.com

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Beweiswürdigung ist manchmal nicht einfach. Und besonders schwierig kann sie sein, wenn es um eine Aussage-gegen-Ausage-Situation geht, wie man sie häufig bei Vergewaltigungsvorwürfen findet. Da legt die Rechtsprechung, vor allem auch die des BGH, die Hürde für eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung dann doch schon recht hoch. Das macht der BGH, Beschl. v. 06.02.2014 – 1 StR 700/13 – noch einmal deutlich, in dem der BGH allgemein zu dieser Problematik ausgeführt hat:

„a) Wenn Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Das gilt besonders, wenn sich sogar die Unwahrheit eines Aussageteils des Belastungszeugen herausstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2000 – 1 StR 439/00, NStZ 2001, 161, 162).“

Und, nachdem der BGH sich dann mit einzelnen Indizien auseinandergesetzt hat:

„ff) Hinzu kommt, dass das Landgericht die gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden Indizien jeweils eher isoliert in den Blick genommen hat. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers sowie der Glaubhaftigkeit seiner Angaben darf sich der Tatrichter indes nicht darauf beschränken, Umstände, die gegen die Zuverlässigkeit der Aussage sprechen können, gesondert und einzeln zu erörtern sowie getrennt voneinander zu prüfen, um festzustellen, dass sie jeweils nicht geeignet seien, die Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Selbst wenn nämlich jedes einzelne Glaubwürdigkeit oder Glaubhaftigkeit möglicherweise in Frage stellende Indiz noch keine Bedenken gegen die den Angeklagten belastende Aussage auf-kommen ließe, so kann doch eine Häufung von – jeweils für sich erklärbaren – Fragwürdigkeiten bei einer Gesamtschau zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit eines Tatvorwurfs führen (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2008 – 2 StR 394/08).“

Vergewaltigung „mit der Axt nebenan“

von openclipart.org

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Der BGH hatte folgendes, vom LG Bonn festgestelltes Tatgeschehen zu beurteilen:

„…Am 15. August 2012 gegen 2 Uhr morgens fuhr dieser zur Wohnung der Nebenklägerin, wobei er eine 70 cm lange Spaltaxt mit sich führte. Dort begehrte er vergeblich Einlass, um eine Aussprache herbeizuführen. Zwischenzeitlich war auch H. , ein früherer Lebenspartner der Nebenklägerin und von dieser per SMS zu Hilfe gerufen, vor der Haustüre erschienen. Nach kurzer Diskussion mit dem Angeklagten verständigte H. per Mobiltelefon die Polizei und wurde anschließend von F. eingelassen. Unter Einsatz der Spaltaxt verschaffte sich nunmehr auch der Angeklagte Zutritt, indem er erst die Wohnungseingangstür, anschließend die Küchentür und dann die Tür zum Schlafzimmer, in das H. und F. geflohen waren, einschlug. Während H. durch das Schlafzimmerfenster die Flucht ergriff, versuchte die Nebenklägerin den Angeklagten zu beschwichtigen. Nun fasste dieser den spontanen Entschluss, mit F. den Geschlechtsverkehr auszuüben. Er stellte die Axt beiseite, wandte sich der Geschädigten zu, entkleidete sie gewaltsam und führte trotz geleisteter Gegenwehr vaginalen Geschlechtsverkehr aus. Dabei war er sich der Zugriffsmöglichkeit auf die in der Nähe stehende Axt bewusst; er gab der Geschädigten aber weder ausdrücklich noch durch sein Verhalten zu verstehen, dass er zur Erreichung des Geschlechtsverkehrs gegebenenfalls auf die Axt zurückgreifen werde….“

Das LG hat darin „nur“ eine schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB wegen Mitsichführens eines gefährlichen Werkzeugs und nicht eine besonders schwere Vergewaltigung (§ 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB) gesehen. Dagegen die Revision der StA, die der BGH, Beschl. v. ?20?.?11?.?2013? – 2 StR ?427?/?13 – verwirft:

„1. Das Landgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Ange-klagte die Axt bei der Vergewaltigung verwendet hat. Er habe das gefährliche Werkzeug bei der Nötigungshandlung nicht mit dem Ziel eingesetzt, den Wider-stand der Nebenklägerin zu verhindern oder zu überwinden. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

„Das Landgericht hat alle Umstände gewürdigt und abgewogen. So ist der sexuelle Übergriff – was auch den Angaben der Geschädigten in der Hauptverhandlung entspricht – erst erfolgt, nachdem der Angeklagte die Axt beiseite gestellt hatte. Bis dahin hatte er diese nur gegen Sachen eingesetzt, um sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung zu verschaffen und eine Aussprache herbeizuführen. Zu keinem Zeitpunkt vor oder während der Vergewaltigung hat der Angeklagte die Geschädigte mit der Axt bedroht, obwohl er sich der jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit bewusst war. Dass er die Axt in einer Art und Weise weggestellt hatte, die F. konkludent bedeutet hätte, er werde sein sexuelles Verlangen erforderlichenfalls mit Hilfe des gefährlichen Werkzeugs durchsetzen, vermochte die Strafkammer in ihrer Würdigung nicht festzustellen. Entgegen der Ansicht der Revision musste sich das Landgericht nicht mit einer nur bei der polizeilichen Vernehmung getätigten Aussage des Opfers, sie habe gedacht „lieber das, als dass er die Axt in der Hand hat“ auseinandersetzen. Es ist schon nicht erkennbar, ob das Landgericht die in diesen Angaben zum Aus-druck kommenden Empfindungen seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat. Zudem gibt es keine Hinweise, dass eine solche Motivation der Geschädigten, dem sexuellen Verlangen des Angeklagten nachzukommen, für diesen erkennbar gewesen und von ihm in seinen Willen aufgenommen worden wäre. Hinzu kommt, dass die Geschädigte, wenn sie auch durch das gewaltsame Eindringen des Angeklagten beeindruckt war, die Vergewaltigung keineswegs – etwa unter dem Eindruck einer so empfundenen Drohung mit der Axt – widerstandslos hat über sich ergehen lassen. Vielmehr hat sie erheblichen Widerstand geleistet, den der Angeklagte mit einfacher körperlicher Gewalt überwunden hat, ohne dabei ausdrücklich oder konkludent auf den ihm grundsätzlich möglich gewesenen Einsatz des gefährlichen Werkzeugs hinzuweisen. Dass dieser dann beim Eintreffen der Polizeibeamten erneut zur Axt gegriffen hatte, hält die Strafkammer zu Recht für unerheblich, weil zu diesem Zeitpunkt die Vergewaltigung bereits beendet war…“

Also: M.E.  Glück gehabt. An die Würdigung der Strafkammer kommt der BGH nicht bzw. nur schwer ran. Hätte – je nach Aktenlage, die man nicht kennt, ggf. auch anders laufen können.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…