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Der Diebstahl nach einer Vergewaltigung ist kein Raub…

© eyetronic Fotolia.com

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„Der Diebstahl nach einer Vergewaltigung ist kein Raub…“. Das ist die Kern- bzw. die auf den Punkt gebrachte Aussage des BGH, Beschl. v. 28.07.2015 – 2 StR 109/15. Das LG hatte den Angeklagten wegen wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Raub und Körperverletzung zu  verurteilt. Grundlage war ein Tatgeschehen, bei dem der Angeklagte mit der Nebenklägerin gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr vollzogen hatte. Anschließend entwendete der Angeklagte u.a. das Mobiltelefon der Nebenklägerin. Das LG ist davon ausgegangen, dass die Tat eine Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung sei. Die Wegnahme des Mobiltelefons und des Tablets hat es als einen tateinheitlich begangenen Raub gewertet.

Der BGH hebt auf:

„Der Raubtatbestand erfordert eine finale Verknüpfung zwischen dem Nötigungsmittel und der Wegnahme fremder Sachen. Daher genügt es nicht, wenn der Einsatz des Nötigungsmittels nicht zum Zweck der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss, dem Opfer eine Handlung abzunötigen, erst nach der Gewaltanwendung fasst. Zwar kann ein Raub auch vorliegen, wenn die Gewaltanwendung zum Zeitpunkt des Entschlusses zur Wegnahme als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung fortwirkt, der Täter diese Situation erkennt und bewusst zum Zweck der Wegnahme ausnutzt (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Urteil vom 27. Mai 1982 – 4 StR 181/82, NStZ 1982, 380, 381). Jedoch ist eine solche konkludente Drohung den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.“

2. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung aussagekräftige Beweise für die Annahme eines Raubs gefunden werden können. Er ändert deshalb den Schuldspruch dahin ab, dass hinsichtlich der Wegnahme von Sachen der Nebenklägerin durch den Angeklagten nur Diebstahl vorliegt. Dieser bildet gegenüber der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung eine rechtlich selbständige Handlung, weil er auf einem neuen Tatentschluss beruht und – anders als der vom Landgericht aufgrund derselben qualifizierten Nötigungshandlung angenommene Raub – im objektiven Tatgeschehen nicht mit der vorangegangenen Tat verknüpft ist. Besondere Umstände, aus denen sich eine natürliche Handlungseinheit ergeben könnte, hat das Landgericht nicht festgestellt.“

Strafzumessung: Milderungsgründe bei der ehelichen Vergewaltigung

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Ich habe länger kein Posting mehr zur Strafzumessung gebracht – die Schluss Redaktion am neuen Handbuch, Nachsorge, war dann doch aufwendiger als erwartet – aber heute kann ich dann ein Beispiel aus meinem Blog-Ordner, das schon etwas älter ist, bringen. Es geht um die Strafzumessung bei der ehelichen Vergewaltigung.

Das LG hatte den angeklagten Ehemann u.a. wegen Vergewaltigung zu einer Gesamt(freiheits)strafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Grundlage waren folgende Feststellungen des LG: Es „bestanden zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau schon kurz nach der Eheschließung erhebliche Streitigkeiten, aufgrund derer diese dem Angeklagten alsbald mitteilte, sie wolle sich dauerhaft wieder von ihm trennen. Es kam, ausgehend von dem Vorwurf des Angeklagten, seine Ehefrau habe einen Liebhaber, in der noch gemeinsam bewohnten Wohnung zu einer Auseinandersetzung. In deren Verlauf schlug der Angeklagte seiner Ehefrau mehrfach mit den Fäusten auf den Kopf und die schützend erhobenen Arme, fasste sie fest am Hals und rammte sein Knie so heftig in deren Bauch, dass sie zusammensackte. Kurze Zeit später schlug er weiter auf sie ein, so dass sie im Bereich der Küche auf den Boden fiel. Mit den Worten, er werde sich nunmehr „sein eheliches Recht“ nehmen, zog er der sich wehrenden Frau die Jogginghose und den Slip bis zu den Fußgelenken herunter, legte sich auf sie und steckte ihr gegen den heftigen Widerstand zumindest einen Finger für mehrere Sekunden in die Scheide und stieß dabei jedenfalls zweimal nach. Dabei äußerte er: „Mag Dein Neuer es denn auch so?“ Dann zog der Angeklagte den Finger wieder aus der Scheide und fragte: „Oder steht Dein Neuer eher darauf?“, was die Zeugin dahingehend verstand, als wollte der Angeklagte den Finger nun anal bei ihr einführen. In diesem Moment schrie die gemeinsame halbjährige Tochter, worauf der Angeklagte von seiner Frau abließ und zu dem Kind lief. Diese konnte daraufhin die Wohnung verlassen und zu den Nachbarn laufen.

Dazu die Strafzumessungserwägungen des BGH im BGH, Beschl. v. 21.07.2015 – 3 StR 217/15:

Das Landgericht hat hierfür aus dem Strafrahmen des § 177 Abs. 2 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte das Regelbeispiel nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB verwirklicht hat. Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch gleichwohl eine Ausnahme von der Regelwirkung in Betracht kommen, wenn ein Regelbeispiel mit gewichtigen Milderungsgründen zusammentrifft. Der Bestrafung kann dann ausnahmsweise der Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt werden (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2004 – 4 StR 2/04, juris Rn. 5). Ob solche gewichtigen Milderungsgründe vorlagen, hat das Landgericht nicht erörtert, obwohl sich dies hier aufgedrängt hat: Es handelte sich um eine Beziehungstat zwischen Eheleuten, bei der der Angeklagte lediglich kurzzeitig mit dem Finger in die Scheide seiner Frau eingedrungen war. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer – hätte sie diese Überlegungen angestellt – eine geringere Freiheitsstrafe verhängt hätte.“

Na ja, mal so, mal so.

Nicht jede körperlich wirkende sexuelle Handlung ist Gewalt bei der „Vergewaltigung“

© Dan Race Fotolia .com

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Kurz/knapp und mit „trockenen Worten“ hat der 2. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl. v. 05.02.2015 – 2 StR 5/15 – die Verurteilung eines Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren aufgehoben. Das LG hatte folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte war „darüber enttäuscht, dass sich die Zeugin M. , mit der er eine sexuelle Beziehung unterhielt, einem anderen Mann zugewandt hatte. Er suchte deren Freundin Me. auf, die ihm gestattete, bei ihr zu übernachten. Der Angeklagte und die Geschädigte lagen im Bett und unterhielten sich, wobei die Geschädigte den Angeklagten zu trösten versuchte. Er begann damit, ihre Brüste und Oberschenkel zu berühren, was sie mit Hinweis darauf, dass er mit  ihrer Freundin „zusammen“ sei, ablehnte. Der Angeklagte erklärte: „Ich hol mir eh das, was ich will. Du wirst schon sehen“. Außerdem erklärte er, die Geschädigte werde schon sehen, was passieren würde, wenn sie jemandem von seiner Annäherung erzählen würde. Dann „drehte sich der Angeklagte – der noch immer neben der Zeugin lag – auf diese und drang von oben mit seinem Glied vaginal in die Geschädigte ein“.

Darin hatte  das LG „ohne nähere Erläuterung“ eine Vergewaltigung i.S. von § 177 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB gesehen.

Der BGH sieht es anders:

„Die Feststellungen genügen nicht, um den Schuldspruch wegen sexueller Nötigung mit Gewalt zu tragen (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Sie beschreiben letztlich nur den Sexualakt. Nicht jede sexuelle Handlung kann aber, nur weil sie körperlich wirkt, schon als Gewalt zur Erzwingung ihrer Duldung angesehen werden (Senat, Beschluss vom 4. Juni 2013 – 2 StR 3/13, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 16).

Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts liegt auch ein Fall der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB) nicht vor. Die Ankündigung, die Geschädigte werde „schon sehen“, was  passiert, lässt auch unter Berücksichtigung der Umstände offen, welche Folgen zu erwarten sein sollten. Damit ist keine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben der Geschädigten angedroht worden.“

Vergewaltigung hinter „abgesperrter Tür“

entnommen openclipart.org

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Auf einen wichtigen – ggf. für den Angeklagten entscheidenden – Unterschied bei der Anwendung des § 177 StGB macht noch einmal der BGH, Beschl. v. 18.06.2014 – 5 StR 98/14 – aufmerksam. Im Verfahren geht es um den Vorwurf eines sexuellen Übergriffs eines Frauenarztes gegenüber einer Patientin bei einer Untersuchung. Das LG hatte den Angeklagten von dem Vorwurf der Vergewaltigung in Form des Ausnutzens einer schutzlosen Lage (Abs. 1 Nr. 3)  frei gesprochen. Dagegen die Revision der Nebenklägerin, die Erfolg hatte. Der BGH hat die Beweiswürdigung des LG als rechtsfehlerhaft beanstandet. Nach Auffassung des BGH hat das LG einige gegen den Angeklagten sprechende, ihn belastende Umstände nicht ausreichend in die Beweiswürdigung einbezogen.

So weit, so gut, war sicherlich etwas knapp, was und wie das LG gewürdigt hat. Auf die damit zusammenhängenden Fragen kommt es mir hier jetzt aber gar nicht an. Vielmehr geht es um die „Segelanweisung“ des BGH, die sich auf die Bewertung der Tat in der Anklageschrift bezieht. Die Anklage war nämlich von einem Fall des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausgegangen; der Angeklagte hatte die Tür zum Behandlungszimmer  „abgesperrt“. Dazu der BGH:

Die Anklageschrift bewertet die Vorwürfe als Vergewaltigung in der Variante der Ausnutzung einer schutzlosen Lage (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Der Tatbestand setzt allerdings voraus, dass das Opfer gerade aus Furcht vor gewaltsamen Nötigungshandlungen des Täters auf einen ihm grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet; nur „gelegentlich“ einer objektiv schutzlosen Lage vollführte sexuelle Handlungen genügen nicht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. April 2006 – 2 StR 445/05, NStZ-RR 2006, 241, 242). Für die Annahme des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB reicht das Absperren einer Tür dann nicht hin, wenn es der Vorsorge vor Störungen, nicht aber der Ermöglichung der sexuellen Handlung dienen soll (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2002 – 2 StR 153/02, NStZ-RR 2003, 42, 43 mwN). Demgemäß würde es für den Vorwurf der Vergewaltigung darauf ankommen, ob das festgestellte Herunterdrücken der Nebenklägerin durch den Angeklagten die Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs ermöglichen sollte.“

Im angeführten BGH, Beschl. v. 02.10.2012 – 2 StR 153/02 – heißt es dazu:

„Schon das Einsperren in einen umschlossenen Raum reicht als Gewaltim Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB aus, wenn es dazu dient, das Opfer am Verlassen des Raumes zu hindern und so die sexuellen Handlungen zu ermöglichen(BGH GA 1965, 57; 1981, 168; Urt. vom 21. Januar 1987 – 2 StR 656/86); an der notwendigen finalen Verknüpfung der Gewalt mit der sexuellenHandlung kann es dagegen fehlen, falls das Abschließen der Tür nur erfolgt, um ungestört zu sein und eine Entdeckung zu verhindern (BGH bei MiebachNStZ 1996, 123; Beschl. vom 24. August 1999 – 4 StR 339/99 – insoweit in NStZ 1999, 629 nicht abgedruckt). „

Ein schmaler Grat, auf dem da die Feststellungen wandern….

Der Jagdmessereinsatz bei der Vergewaltigung

Hand mit MesserManchmal ist man mehr als erstaunt, wenn man in den BGH-Beschlüssen Tatschilderungen liest, und zwar darüber, was Menschen einander antun können. So – wenigstens bei mir – auch bei der Tatschilderung im BGH, Beschl. v. 15.04.2014 – 2 StR 545/13. Das LG hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung verurteilt und dabei folgende Feststellungen zugrunde gelegt: „Dabei holte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts ein Jagdmesser aus der Schreibtischschublade, demonstrierte der bereits früher wiederholt ohne Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs zum Oralverkehr genötigten Geschädigten dessen Schärfe durch Zerschneiden eines Stücks Papier. Dann zog er die Messerspitze von der rechten Kopfseite aus über ihren Hals bis zur Brust über ihre Haut, ohne sie zu verletzen. Er wollte dadurch bei ihr Todesangst hervorrufen und für sich ein Lustgefühl erzeugen, bevor er die Geschädigte erneut durch Ergreifen mit der Hand zum Oralverkehr nötigte.“

Rechtlich hat es das Geschehen unter § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB eingeordnet und hat das Verwenden eines anderen gefährlichen Werkzeugs angenommen. Das hat der BGH in seiner „Leitsatzentscheidung nicht beanstandet:

Die rechtliche Würdigung dieser Handlung als besonders schwere Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs ist rechtsfehlerfrei. Dabei kommt es nicht notwendigerweise darauf an, ob die generell verängstigte Geschädigte den Oralverkehr mit dem Angeklagten, wie in früheren Fällen, auch ohne den Einsatz des Messers gegen ihren Willen vorgenommen hätte. Das gefährliche Werkzeug muss zur Erfüllung des Qualifikationstatbe-stands nicht zwingend als Nötigungsmittel, sondern nur „bei der Tat“ verwendet werden, also entweder als Nötigungsmittel oder als Werkzeug bei der sexuellen Handlung (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 4 StR 464/00, BGHSt 46, 225, 228 f.; Beschluss vom 8. Februar 2006 – 2 StR 575/05, StV 2006, 416, 417). Dafür genügt es auch, wenn ein „einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug“ vorliegt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01 – unter IV., insoweit in StV 2002, 350 nicht abgedruckt). Ein solcher Vorgang ist nach den Feststellungen des Landgerichts erfolgt, da der Angeklagte den Messereinsatz auch zur Luststeigerung vornahm.

Die Gefährlichkeit des Werkzeugs ist auch unter diesem Blickwinkel – unbeschadet des Messereinsatzes gegenüber der Geschädigten „ohne Druck und ohne sie dabei zu verletzen“ – anzunehmen. Die zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands genügende abstrakte Gefahr erheblicher Verletzungen war auch bei einem zurückhaltenden Einsatz unmittelbar an Kopf, Hals und Brust der Geschädigten gegeben.“