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Vergewaltigung trotz (vorheriger) Einwilligung, denn die ist kein „Freibrief“

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Die Verurteilung wegen einer Vergewaltigung ist in der tatrichterlichen Praxis häufig schwierig. Nicht nur wegen der häufig nicht einfachen Beweisaufnahme durch Vernehmung des Tatopfers, sondern auch im Hinblick auf die meist nicht ganz einfachen tatsächlichen Feststellungen. Das beweist dann auch mal wieder der OLG Hamm, Beschl. v. 18.03.2014 – 5 RVs 5/14, der einen zunächst einvernehmlich begonnenen Geschlechtsverkehr zum Gegenstand hat. Das OLG weist noch einmal besonders auf die Tatbestandsvoraussetzung: Nötigung durch Gewalt, hin. Das erfordere regelmäßig, dass der Täter durch eigene Kraftentfaltung das Opfer einem körperlich wirksamen Zwang aussetzt, um gerade damit geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden. Ein Handeln allein gegen den Willen des Opfers oder dessen bloßes Nichteinverstandensein genügt für die Erfüllung des Tatbestandes nicht.

„Zwar reicht es zur Erfüllung des Tatbestandes des § 177 Abs. 1 (und auch Abs. 2) StGB aus, wenn der Täter mit der Gewaltanwendung zu einem Zeitpunkt beginnt, in dem sich sein Glied bereits in der Scheide seines Opfers befindet, er also den Beischlaf gegen den dabei einsetzenden Widerstand des Opfers fortsetzt (BGH, NStZ 1991, 431; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2002, 1 StR 274/02, zitiert nach juris Rn. 12). Denn die einmal gegebene Einwilligung ist kein Freibrief, sondern jederzeit widerruflich (BGH, GA 1970, 57; OLG Köln, Beschluss vom 05. März 2004, Ss 493/03, zitiert nach juris Rn. 10). In den Fällen des einvernehmlich begonnenen Geschlechtsverkehrs, in denen die freiwillige Hingabe durch den Widerstand des Opfers gegen dessen Fortsetzung endet, sind aber besonders strenge Anforderungen an die Urteilsfeststellungen im Hinblick auf jedes einzelne Tatbestandsmerkmal des § 177 Abs. 1 (und auch Abs. 2) StGB zu stellen.“

Und dazu müssen dann eben ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen werden.

„dran ist drin“, oder: Was ist „Beischlaf“?

FragezeichenDie – zugegeben etwas flapsige – Überschrift „dran ist drin“, oder: was ist „Beischlaf“ bezieht sich auf den BGH, Beschl. v. 27.03.2014 – 1 StR 106/14. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt. Er legt Revision ein, die verworfen wird. Der BGH macht zur OU-Entscheidung einen Zusatz dahin, dass der Angeklagte auch noch wegen Vergewaltigung hätte verurteilt werden können (also „Glück“ gehabt [?]):

Dass das Landgericht im Fall II.B.4. der Urteilsgründe den Angeklagten lediglich wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB und nicht auch tateinheitlich wegen Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB verurteilt hat, beschwert diesen ersichtlich nicht. Nach den getroffenen Feststellungen wäre eine solche Verurteilung in Frage gekommen. Das Geschehen wird so dargestellt, dass die Nebenklägerin sich angesichts der Erinnerung an die bei der Tat im Fall II.B.2. der Urteilsgründe erlittenen starken Schmerzen verkrampfte und ihren Körper versteifte. Deshalb – also offenbar wegen dieser körperlichen Abwehrreaktion – konnte der Angeklagte mit seinem Penis nur ein kleines Stück in die Scheide der Nebenklägerin ein-dringen (UA S. 12). Gewalt i.S.v. § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt, wie das Landgericht an sich nicht verkannt hat, vor, wenn der Täter physische Kraft entfaltet, um den erkannten oder erwarteten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme sexueller Handlungen zu überwinden, wobei das Opfer durch die Handlung des Täters körperlich wirkendem Zwang ausgesetzt sein muss (BGH, Beschlüsse vom 9. April 2009 – 4 StR 88/09, NStZ-RR 2009, 202 f.; vom 31. Juli 2013 – 2 StR 318/13, StraFo 2013, 479). Angesichts der sich verkrampfenden und den Körper versteifenden Nebenklägerin lagen diese Voraussetzungen nicht fern. Gleiches gilt für das Regelbeispiel aus § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist „Beischlaf“ das Eindringen des männlichen Gliedes in die Scheide; dafür genügt der Kontakt des männlichen Gliedes mit dem Scheidenvorhof (BGH, Urteile vom 14. August 1990 – 1 StR 62/90, BGHSt 37, 153, 154; vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 242/00, BGHSt 46, 176, 177), ein vollständiges Eindringen des Gliedes in die Scheide ist jedenfalls gerade keine Voraussetzung für die Vollendung des Beischlafs (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 – 1 StR 270/00, NStZ 2001, 246).“

Vergewaltigung: Häufung von Fragwürdigkeiten bei Aussage-gegen-Aussage

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Beweiswürdigung ist manchmal nicht einfach. Und besonders schwierig kann sie sein, wenn es um eine Aussage-gegen-Ausage-Situation geht, wie man sie häufig bei Vergewaltigungsvorwürfen findet. Da legt die Rechtsprechung, vor allem auch die des BGH, die Hürde für eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung dann doch schon recht hoch. Das macht der BGH, Beschl. v. 06.02.2014 – 1 StR 700/13 – noch einmal deutlich, in dem der BGH allgemein zu dieser Problematik ausgeführt hat:

„a) Wenn Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Das gilt besonders, wenn sich sogar die Unwahrheit eines Aussageteils des Belastungszeugen herausstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2000 – 1 StR 439/00, NStZ 2001, 161, 162).“

Und, nachdem der BGH sich dann mit einzelnen Indizien auseinandergesetzt hat:

„ff) Hinzu kommt, dass das Landgericht die gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden Indizien jeweils eher isoliert in den Blick genommen hat. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers sowie der Glaubhaftigkeit seiner Angaben darf sich der Tatrichter indes nicht darauf beschränken, Umstände, die gegen die Zuverlässigkeit der Aussage sprechen können, gesondert und einzeln zu erörtern sowie getrennt voneinander zu prüfen, um festzustellen, dass sie jeweils nicht geeignet seien, die Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Selbst wenn nämlich jedes einzelne Glaubwürdigkeit oder Glaubhaftigkeit möglicherweise in Frage stellende Indiz noch keine Bedenken gegen die den Angeklagten belastende Aussage auf-kommen ließe, so kann doch eine Häufung von – jeweils für sich erklärbaren – Fragwürdigkeiten bei einer Gesamtschau zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit eines Tatvorwurfs führen (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2008 – 2 StR 394/08).“

Vergewaltigung „mit der Axt nebenan“

von openclipart.org

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Der BGH hatte folgendes, vom LG Bonn festgestelltes Tatgeschehen zu beurteilen:

„…Am 15. August 2012 gegen 2 Uhr morgens fuhr dieser zur Wohnung der Nebenklägerin, wobei er eine 70 cm lange Spaltaxt mit sich führte. Dort begehrte er vergeblich Einlass, um eine Aussprache herbeizuführen. Zwischenzeitlich war auch H. , ein früherer Lebenspartner der Nebenklägerin und von dieser per SMS zu Hilfe gerufen, vor der Haustüre erschienen. Nach kurzer Diskussion mit dem Angeklagten verständigte H. per Mobiltelefon die Polizei und wurde anschließend von F. eingelassen. Unter Einsatz der Spaltaxt verschaffte sich nunmehr auch der Angeklagte Zutritt, indem er erst die Wohnungseingangstür, anschließend die Küchentür und dann die Tür zum Schlafzimmer, in das H. und F. geflohen waren, einschlug. Während H. durch das Schlafzimmerfenster die Flucht ergriff, versuchte die Nebenklägerin den Angeklagten zu beschwichtigen. Nun fasste dieser den spontanen Entschluss, mit F. den Geschlechtsverkehr auszuüben. Er stellte die Axt beiseite, wandte sich der Geschädigten zu, entkleidete sie gewaltsam und führte trotz geleisteter Gegenwehr vaginalen Geschlechtsverkehr aus. Dabei war er sich der Zugriffsmöglichkeit auf die in der Nähe stehende Axt bewusst; er gab der Geschädigten aber weder ausdrücklich noch durch sein Verhalten zu verstehen, dass er zur Erreichung des Geschlechtsverkehrs gegebenenfalls auf die Axt zurückgreifen werde….“

Das LG hat darin „nur“ eine schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB wegen Mitsichführens eines gefährlichen Werkzeugs und nicht eine besonders schwere Vergewaltigung (§ 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB) gesehen. Dagegen die Revision der StA, die der BGH, Beschl. v. ?20?.?11?.?2013? – 2 StR ?427?/?13 – verwirft:

„1. Das Landgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Ange-klagte die Axt bei der Vergewaltigung verwendet hat. Er habe das gefährliche Werkzeug bei der Nötigungshandlung nicht mit dem Ziel eingesetzt, den Wider-stand der Nebenklägerin zu verhindern oder zu überwinden. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

„Das Landgericht hat alle Umstände gewürdigt und abgewogen. So ist der sexuelle Übergriff – was auch den Angaben der Geschädigten in der Hauptverhandlung entspricht – erst erfolgt, nachdem der Angeklagte die Axt beiseite gestellt hatte. Bis dahin hatte er diese nur gegen Sachen eingesetzt, um sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung zu verschaffen und eine Aussprache herbeizuführen. Zu keinem Zeitpunkt vor oder während der Vergewaltigung hat der Angeklagte die Geschädigte mit der Axt bedroht, obwohl er sich der jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit bewusst war. Dass er die Axt in einer Art und Weise weggestellt hatte, die F. konkludent bedeutet hätte, er werde sein sexuelles Verlangen erforderlichenfalls mit Hilfe des gefährlichen Werkzeugs durchsetzen, vermochte die Strafkammer in ihrer Würdigung nicht festzustellen. Entgegen der Ansicht der Revision musste sich das Landgericht nicht mit einer nur bei der polizeilichen Vernehmung getätigten Aussage des Opfers, sie habe gedacht „lieber das, als dass er die Axt in der Hand hat“ auseinandersetzen. Es ist schon nicht erkennbar, ob das Landgericht die in diesen Angaben zum Aus-druck kommenden Empfindungen seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat. Zudem gibt es keine Hinweise, dass eine solche Motivation der Geschädigten, dem sexuellen Verlangen des Angeklagten nachzukommen, für diesen erkennbar gewesen und von ihm in seinen Willen aufgenommen worden wäre. Hinzu kommt, dass die Geschädigte, wenn sie auch durch das gewaltsame Eindringen des Angeklagten beeindruckt war, die Vergewaltigung keineswegs – etwa unter dem Eindruck einer so empfundenen Drohung mit der Axt – widerstandslos hat über sich ergehen lassen. Vielmehr hat sie erheblichen Widerstand geleistet, den der Angeklagte mit einfacher körperlicher Gewalt überwunden hat, ohne dabei ausdrücklich oder konkludent auf den ihm grundsätzlich möglich gewesenen Einsatz des gefährlichen Werkzeugs hinzuweisen. Dass dieser dann beim Eintreffen der Polizeibeamten erneut zur Axt gegriffen hatte, hält die Strafkammer zu Recht für unerheblich, weil zu diesem Zeitpunkt die Vergewaltigung bereits beendet war…“

Also: M.E.  Glück gehabt. An die Würdigung der Strafkammer kommt der BGH nicht bzw. nur schwer ran. Hätte – je nach Aktenlage, die man nicht kennt, ggf. auch anders laufen können.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Drohung mit Haareabschneiden reicht nicht für eine Vergewaltigung

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Das KG nimmt im KG, Beschl. v. 03.052013 – (4) 121 Ss 69/13 (78/13) – u.a. zu einer Rechtsfrage Stellung, die die Generalstaatsanwaltschaft ins Spiel gebracht hatte. Die hatte nämlich beantragt, in einem der Fälle, in denen der Angeklagte verurteilt worden war, den Schuldspruch zu berichtigen und den Angeklagten nicht nur wegen Nötigung (§ 240 StGB) sondern wegen Vergewaltigung (§ 177 StGB) zu verurteilen. Das KG hat das anders gesehen:

c) Die von der Generalstaatsanwaltschaft beantragte Berichtigung des Schuldspruchs (Vergewaltigung statt Nötigung) kam nicht in Betracht. Zu Recht hat das Landgericht den festgestellten Sachverhalt – abweichend vom amtsgerichtlichen Urteil – als Nötigung gewürdigt. Die Anwendung von Gewalt zur Erzwingung des Oral-, Anal- oder Geschlechtsverkehrs hat die Kammer – entgegen den Ausführungen zur rechtlichen Würdigung dieser Tat – nicht festgestellt. Die Drohung des Angeklagten „mit der Schere“, die die Geschädigte – der Absicht des Angeklagten entsprechend – im Kontext des vorangegangenen Geschehens ernst nahm und als Androhung weiterer körperlicher Misshandlungen in Form des Haareabschneidens verstand, stellt keine qualifizierte Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben der Geschädigten im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB dar. Zur Tatbestandserfüllung genügt nicht jede Drohung mit einer Handlung, die im Falle ihrer Verwirklichung Gewalt wäre. Vielmehr erfordert das Merkmal der Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben eine gewisse Schwere des in Aussicht gestellten Angriffs auf die körperliche Unversehrtheit (BGH StV 2001, 679; BGHR StGB § 177 Abs. 1 Drohung 13; BGH NStZ 1999, 505 jeweils m.w.Nachw.). Dass der Angeklagte die Schere dazu einsetzen wollte, die Geschädigte ernstlich körperlich zu verletzen, oder dass die Nebenklägerin seine Drohung, „noch mal die Schere“ zu holen, anders verstanden hätte als das Inaussichtstellen neuerlichen Haarabschneidens, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Eine in Aussicht gestellte Körperverletzung durch Haarabschneiden erreicht jedoch – wie die Androhung von Schlägen (BGH StV 2001, 679) – nicht die zur Erfüllung des Tatbestandes des § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB erforderliche Schwere.

Zwar kann der objektive Tatbestand der genannten Norm auch dann verwirklicht sein, wenn der Täter gegenüber dem Opfer durch häufige Schläge ein Klima der Angst und Einschüchterung geschaffen hat und in der Tatsituation durch schlüssiges Verhalten auf diese frühere Gewaltanwendung hinweist oder frühere Drohungen konkludent bekräftigt (vgl. BGH StV 2012, 534). Vorliegend ergibt die Gesamtschau der maßgeblichen Umstände aber nicht, dass die Geschädigte die ihr abverlangten sexuellen Handlungen nur deshalb geduldet und ausgeführt hat, weil sie aufgrund von früheren Gewalterfahrungen mit dem Angeklagten befürchtete, von ihm erneut körperlich (erheblich) misshandelt zu werden, falls sie sich seinem Willen nicht fügt. Vielmehr stellten die vorliegend abgeurteilten Kopfstöße nach den Urteilsgründen die ersten Gewalttätigkeiten des Angeklagten gegen die Geschädigte dar. Auch für die Geschädigte ersichtlich bezog der Angeklagte sich bei seiner Drohung zur Erzwingung des Sexualkontaktes auch nicht mehr auf dieses Geschehen, sondern durch Erwähnung der Schere ausdrücklich auf das unmittelbar vorausgegangene, nach einer deutlichen Zäsur zu den Kopfstößen angedrohte und ausgeführte Haarabschneiden.