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VerfGH Rheinland-Pfalz: Gegenstandswert beim standardisierten Messverfahren, oder: „Flächenwirkung“

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Und als zweite Entscheidung dann die gebührenrechtliche Nachbereitung zum VerfGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.01.2020 – VGH B 19/19 ( vgl. Außer der Reihe: Sondermeldung – Da ist die Entscheidung des VerfGH Rheinland-Pfalz), nämlich die Gegenstandswertfestsetzung durch den VerfGH für die ggf. gem. § 37 RVG anfallenden Gebühren.

Der VerfGH hat im VerfGH, Beschl. v. 16.04.2020 – VGH B 19/19 – auf 10.000 EUR festgesetzt, und zwar mit folgender Begründung:

1. Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG – ist der Gegenstandswert in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht eines Landes unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien – Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers – nach billigem Ermessen zu bestimmten; er beträgt mindestens 5.000,00 €.

In der verfassungsgerichtlichen Praxis ist für das Verfassungsbeschwerdeverfahren anerkannt, dass sich Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bewertungskriterien sowie deren Verhältnis zueinander und damit der Gegenstandswert vorrangig nach der subjektiven Bedeutung des Verfahrens für den Beschwerdeführer richten, einschließlich der weiteren Auswirkungen auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse, seine Stellung und sein Ansehen. Zu berücksichtigen ist auch die objektive Bedeutung der Sache, wobei diese, wenn sie neben dem subjektiven Interesse eigenständiges Gewicht hat, zu einer Erhöhung und Vervielfachung des Ausgangswertes führt. Je stärker die Flächenwirkung der angestrebten Entscheidung und je größer die Zahl denkbarer Anwendungsfälle ist, desto höher ist ihr Wert zu veranschlagen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit wirken sich nur dann werterhöhend aus, wenn sie über den Aufwand hinausgehen, welcher der Bedeutung der Sache entspricht. Die Vermögens- und Einkommensverhältnisse dienen nur der Korrektur des danach gefundenen Ergebnisses unter sozialen Aspekten (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 20. August 2014 – VGH B 16/14 –, AS 43, 45 f.; Beschluss vom 20. Oktober 2014 – VGH A 17/14 –, AS 43, 92 f.; Beschluss vom 27. Oktober 2017 – VGH N 2/15 –, juris Rn. 3; vgl. auch entsprechend BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 1989 – 1 BvR 1291/85 –, BVerfGE 79, 365 [366 ff.]).

2. Nach diesen Maßstäben, ist der Gegenstandswert der Tätigkeit der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers mit 10.000,00 € zu bemessen. Das subjektive Interesse des Beschwerdeführers an dem Verfassungsbeschwerdeverfahren ist angesichts der gegen ihn im Bußgeldverfahren verhängten Geldbuße in Höhe von 120,00 € mit dem Auffangwert von 5.000,00 € ausreichend erfasst.

Die Flächenwirkung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –, die vorliegend über das Land Rheinland-Pfalz hinausreicht, und damit die erhebliche objektive Bedeutung der Angelegenheit, rechtfertigen es, den Auffangstreitwert nicht nur auf das 1,5-fache zu erhöhen (vgl. so in vergleichbaren Fällen SaarlVerfGH, Beschluss vom 27. April 2018 – Lv 1/18 –, juris vor Rn. 1 und Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris vor Rn. 1: 7.500,00 €), sondern auf 10.000,00 € zu verdoppeln (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 20. August 2014 – VGH B 16/14 –, AS 43, 45 [47]; Beschluss vom 20. Oktober 2014 – VGH A 17/14 –, AS 43, 92 [94].“

Reichtümer kann man damit aber immer noch nicht erwerben 🙂 .

Klageerzwingung II: Die Begründung der OLG-Entscheidung, oder: Muss man alles tun, was erlaubt ist?

© beermedia.de -Fotolia.com

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„Klageerzwingungsverfahren“ stecken häufig voller Emotionen der Antragsteller, die sich oder ihre Anträge nicht selten durch die Staatsanwaltschaft(en) nicht Ernst genommen fühlen. Das zeigt m.E. das dem VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30. 06. 2015 – VGH B 15/15 VGH A 16/15 – zugrunde liegenden Verfahren, das dann beim VerfGH Rheinland-Pfalz sein Ende gefunden hat. Ob ein glückliches, wage ich zu bezweifeln.

Der Antragsteller hatte einen Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage – hilfsweise auf Einleitung eines Ermittlungsverfahrens – gegen eine Richterin wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung gestellt. Der ist im Verfahren nach den § 172 ff. StPO als unbegründet zurückgewiesen worden. Das OLG hatte in seiner Entscheidung den Klageerzwingungsantrag ohne weitere eigene Sachausführungen „aus den zutreffenden Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft“ zurückgewiesen. U.a. das hatte der Antragsteller mit der Verfassungsbeschwerde beanstandet. Der VerfGH „deckt“ das OLG und meint dazu in seinen Leitsätzen u.a.:

„Stützt die Generalstaatsanwaltschaft in einem Klageerzwingungsverfahren wegen Rechtsbeugung ihren Gegenantrag unter Wiedergabe der Entscheidung BGH 2 StR 479/13 auf die ohne konkreten Fallbezug verlautbarte These, ein Zusammentreffen mehrerer gravierender Rechtsfehler sei „hier nicht ersichtlich“, ist es weder verfas­sungsrechtlich noch einfachgesetzlich zu beanstanden, wenn das Oberlandesgericht anschließend den Klageerzwingungsantrag ohne weitere eigene Sachausführungen „aus den zutreffenden Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft“ zurückweist, sofern die nachfolgend auf die Verfassungsbeschwerde vorgenommene materiell – rechtliche Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof ergibt, dass ein die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigender Anfangsverdacht in den Aus­gangsbescheiden der Strafverfolgungsbehörden zu Recht verneint wurde.“

Nun, zur Befriedung trägt das besteimmt nicht bei. In meinen Augen auch wenig egschickt, wenn das OLG in seiner Entscheidung auf die „zutreffende Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft“ Bezug nimmt. Dass das nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zulässig ist – ebenso wie im Revisionsverfahren bei der OU-Verwerfung nach § 349 Abs. 2 StPO – ok, aber man muss ja nicht alles tun, was erlaubt ist.

Ankauf/Verwertung einer Steuer-CD: Stärkere gerichtliche Kontrolle

entnommen wikimedi.org Author Everaldo Coelho and YellowIcon

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In der nächsten Woche beginnt der „Steuerprozess“ gegen U. Hoeneß. Da passt ganz gut der Hinweis auf das VerfGH Rheinland-Pfalz, ‌Urt. v. 24‌.‌02‌.‌2014‌, VGH B ‌26‌/‌13‌, das sich noch einmal mit dem Ankauf einer Steuer-CD befasst. Die im Jahr 2012 angekaufte Steuer-CD enthielt zahlreiche Datensätze von Kunden einer Schweizer Bank, unter denen sich auch der Verfassungsbeschwerdeführer befand. Gestützt auf diese Daten erließ das AG Koblenz im Mai 2013 gegen den Beschwerdeführer einen Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und ordnete nach erfolgter Durchsuchung die Beschlagnahme verschiedener Unterlagen an. Die gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts erhobenen Beschwerden wies das LG Koblenz als unbegründet zurück, da nicht von einem Verwertungsverbot auszugehen sei und keine Strafbarkeit der den Datenankauf tätigenden deutschen Beamten vorliege. Gegen die gerichtlichen Entscheidungen wurde Verfassungsbeschwerde erhoben und geltend gemacht, die Verwertung der auf der CD vorhandenen Daten verletze den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren, in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie in seinem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.

Die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat aber der Verwertung einer angekauften Steuerdaten-CD im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Grenzen gesetzt. Insbesondere mahnte er eine stärkere gerichtliche Kontrolle an. Dazu aus der PM zu dem Urteil:

„Der Verfassungsgerichtshof weist jedoch darauf hin, dass in Zukunft eine Situation entstehen könne, die es als gerechtfertigt erscheinen lasse, das Handeln eines privaten Informanten der staatlichen Sphäre zuzurechnen. Die Gerichte seien daher zukünftig gehalten, zu überprüfen, wie sich das Ausmaß und der Grad der staatlichen Beteiligung hinsichtlich der Erlangung der Daten darstellen. Für die Frage der Zurechnung könne auch ein gegebenenfalls erheblicher Anstieg von Ankäufen ausländischer Bankdaten und eine damit verbundene Anreizwirkung zur Beschaffung dieser Daten von Bedeutung sein.“

 

Elternrecht/Erziehungsrecht meets Jugend(straf)recht

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Gegen eine Jugendliche wird  Ungehorsamsarrest wegen der Nichtbefolgung gerichtlicher Auflagen verhängt. Dagegen wendet sich der Vater an den VerfGH Rheinland-Pfalz und rügt u.a. eine Verletzung seines elterlichen Erziehungsrechts (Artikel 25 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV). Der VerfGH weist die Verfassungsbeschwerde zurück (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, 13.07.2012, VGH B 10/12).

Der VerfGH sieht den Vater nicht in seinem Elternrechten verletzt, wenn die beteiligten Gerichte die Existenz oder den Gehalt des in der Landesverfassung verbürgten vorrangigen elterlichen Erziehungsrechts nicht grundsätzlich verkannt oder in einer nicht mehr vertretbaren und damit willkürlichen Auslegung ihren Entscheidungen zugrunde gelegt haben. Die staatlichen Strafrechtspflege seigrundsätzlich nicht gehindert, auch in das elterliche Erziehungsrecht einzugreifen. Das bedeute zwar nicht zugleich, dass das Elternrecht im Rahmen des (Jugend-) Strafverfahrens unter allen Umständen zurückzutreten habe. Konflikte zwischen dem (prinzipiell vorrangigen) Elternrecht einerseits und dem Verfassungsgebot des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes sowie seiner Durchsetzung im Verfahren andererseits seien durch Abwägung aufzulösen, im Rahmen derer das betroffene Elternrecht und der strafrechtliche Rechtsgüterschutz zum Ausgleich gebracht werden.

Und dazu heißt es u.a.

„Zwar gebietet die Subsidiarität staatlicher Erziehung auch in diesem Fall aus Gründen des Übermaßverbots eine Abwägung, ob die durch das Gericht erkannten Erziehungsdefizite nicht auch durch die zuvörderst hierzu berufenen Eltern beseitigt werden können. Jedoch sind im vorliegenden Fall die Gerichte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die elterliche Erziehung aufgrund des während des gesamten Verfahrens zutage getretenen Prozessverhaltens des Beschwerdeführers ungeeignet sein musste, die Tochter zu einem zukünftig rechtstreuen Verhalten zu erziehen. In diesem Sinne stellen die durch die Gerichte hierzu angestellten Erwägungen – entgegen der Annahme des Beschwerdeführers – gerade keine Zurechnung seines Verschuldens gegenüber seiner Tochter dar, sondern die im Sinne der Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderliche Prognose, ob das erkannte Erziehungsdefizit von der vorrangig hierzu berufenen elterlichen Seite effektiv beseitigt werden kann oder nicht.

Im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung dürfte zwar das Verhalten des Beschwerdeführers im Erkenntnisverfahren, das mit seinem Ausschluss aus der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Trier am 27. Januar 2011 endete, und die spätere Einlegung mehrerer Rechtsbehelfe gegen das Urteil für sich genommen unzureichend sein, eine fehlende Bereitschaft oder Fähigkeit der Eltern im Hinblick auf die Erziehung der Tochter zur Rechtstreue anzunehmen. Vielmehr entspricht es gerade der Grundentscheidung des Jugendstrafrechts, den Erziehungsberechtigten am Verfahren gegen sein Kind zu beteiligen und ihm durch die Verleihung eigener prozessualer Rechtspositionen die Möglichkeit zu geben, auf den Ausgang des Verfahrens einzuwirken (BVerfGE 107, 104 [121], vgl. auch § 67 Abs. 1 JGG). Jedoch konnten die Gerichte aus der Gesamtschau des Verhaltens des Beschwerdeführers im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens zulässigerweise den Rückschluss ziehen, dass dieser die Verwirklichung der im Rahmen eines rechtskräftigen Urteils festgesetzten Erziehungsmaßnahme gegen seine Tochter unter allen Umständen vermeiden wollte. Hierbei waren die Gerichte nicht daran gehindert, in ihre Entscheidung einstellen, dass das vermeintliche Verbot zur Ableistung der verhängten Arbeitsleistungen erstmals deutlich nach Ablauf der hierfür angesetzten Fristen vorgetragen wurde und sich die Tochter des Beschwerdeführers weder gegenüber der Jugendgerichtshilfe noch dem Vollstreckungsgericht gegenüber jemals hierauf berufen hatte, sondern sämtliche Anschreiben seitens der staatlichen Stellen schlicht ignorierte. Ebenfalls nicht zu beanstanden war der aus ihrem Verhalten (keine Kontaktaufnahme mit Gericht oder Jugendgerichtshilfe, Nichterscheinen beim Erörterungstermin am 20. Januar 2012) gezogene Rückschluss der erkennenden Gerichte, sie habe sich die Ansichten ihres Vaters zu Eigen gemacht und sei in ihrem Hang zur Rechtsuntreue bestärkt worden, weshalb eine erhöhte Gefahr weiterer Straffälligkeiten bestehe. Dieser, den ausdrücklichen Zielsetzungen des Jugendstrafrechts zuwiderlaufenden (vgl. § 2 Abs. 1 JGG), Entwicklung durften die Gerichte in Ausübung des staatlichen Wächteramtes und ihres Verfassungsauftrags aus Artikel 25 Abs. 1 Satz 2 LV konsequent durch die geeignete und erforderliche Maßnahme der Festsetzung eines Jugendarrests begegnen.“