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Verfahrensrüge III: Urkunde nicht verlesen, oder/aber: Die Begründungsanforderungen sollte man kennen

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Und zum Schluss des Reigens „unzulässige Verfahrensrügen“ dann noch der BGH, Beschl. v. 14.08.2018 – 4 StR 637/17. Das ist allerdings ein Klassiker – Stichwort „Inbegriffsrüge“; die Begründungsanforderungen insoweit sollte man als Verteidiger kennen:

„Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, weil es das ihr seit dem 15. Mai 2017 bekannte (nicht rechtskräftige) Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 16. August 2016 gegen den Zeugen D.    nicht verlesen habe, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 StPO), weil die Revision nicht mitteilt, ob der Inhalt dieses Urteils – gegebenenfalls auf Vorhalt – Gegenstand der Vernehmung dieses Zeugen am 30. Mai 2017 war. Hierzu bestand insbesondere deshalb Anlass, weil der Zeuge nach § 60 Nr. 2 StPO trotz eines entsprechenden Antrages nicht vereidigt wurde. Dies und Urkundenfälschungen des Zeugen betreffende Ausführungen im Urteil (UA 37 unten) deuten aber darauf hin, dass die Straftaten des Zeugen D.  zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sind. Die Mitteilung in der Revisionsbegründungsschrift (dort auf Seite 14 unter 3.), dass die Kammer das Urteil „weder vor noch nach der Vernehmung des Zeugen“ in die Hauptverhandlung eingeführt habe, reicht dafür nicht aus.“

Verfahrensrüge II: Terminsnachricht nicht erhalten, oder/aber: Offensichtlich unbegründet?

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Im zweiten Posting des Tages stelle ich den BGH, Beschl. v. 10.07.2018 – 1 StR 628/17 – vor. Es geht um die Revision eines Verfallsbeteiligten in einem Verfahren, in dem die Angeklaagten wegen Bestechlichkeit/Bestechung im geschäftlichen Verkehr  verurteilt worden sind.  Das LG hatte Landgericht festgestellt, dass die Verfallsbeteiligte Firma P. GmbH aus der Tat des Angeklagten D. einen Wert von 1.100.999 Euro und die Verfallsbeteiligte A. aus der Tat einen Wert von 1.060.000 Euro erlangt haben, wobei beide Verfallsbeteiligte in Höhe einer Summe von 1.060.000 Euro als Gesamtschuldner haften. Dagegen die Revision der Verfallsbeteiligten A., mit der sie u.a. die Verletzung formellen Rechts gerügt hatte. Der BGH hat die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Er führt zur Verfahrensrüge aus:

„5. Die von der Beschwerdeführerin erhobene Verfahrensrüge, sie habe ihre prozessualen Rechte als Verfallsbeteiligte nicht wahrnehmen können, weil die Hauptverhandlung entgegen § 436 Abs. 1 StPO aF i.V.m. § 442 Abs. 1 StPO aF durchgeführt worden sei, obwohl ihr die Terminsnachricht nicht gemäß § 435 StPO aF zugestellt worden sei, ist bereits unzulässig.

a) Sie ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügt. Die Revision teilt nicht mit, dass die Terminsmitteilung vom 31. Mai 2017 der Verfallsbeteiligten A. am 10. Juni 2017 mittels Einwurf in den Briefkasten durch Niederlegung mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden ist (SA Bd. VII, Bl. 368 mit Anlage). Dieser Mitteilung hätte es bedurft, da die Verfallsbeteiligte aufgrund der zugestellten Terminsmitteilung in die Lage versetzt wurde, von ihren prozessualen Rechten im Rahmen der Hauptverhandlung Gebrauch zu machen.

Auf diesen Vortrag kann auch nicht deswegen verzichtet werden, weil die Terminsmitteilung erst nach dem zweiten Hauptverhandlungstag zugestellt werden konnte. Damit lagen zwar für die ersten beiden Hauptverhandlungstage die Voraussetzungen für ein Verhandeln ohne die Verfallsbeteiligte gemäß § 436 Abs. 1 StPO aF nicht vor, sodass das Landgericht die Hauptverhandlung an diesen beiden Tagen nicht ohne die Verfallsbeteiligte hätte durchführen dürfen (vgl. Metzger in KMR, StPO, 81. EL, § 435 Rn. 7 und Weßlau in SK-StPO, 4. Aufl., § 435 Rn. 3). Andererseits wird aber gemäß § 431 Abs. 7 StPO aF der Fortgang des Verfahrens durch die Verfahrensbeteiligung nicht aufgehalten. So hätte – wenn dies nicht bereits im Vorfeld geschehen wäre – die Nebenbeteiligung gemäß § 431 Abs. 4 i.V.m. § 442 Abs. 2 StPO aF auch erst während laufender Hauptverhandlung bis spätestens zum Zeitpunkt der Verfallsentscheidung angeordnet werden dürfen. Auch in diesem Fall wären dann die prozessualen Rechte des Nebenbeteiligten, sofern sie ohne Verschulden vorher nicht wahrgenommen werden konnten, im Rechtsmittelverfahren gemäß § 437 Abs. 1 StPO aF und im Übrigen im Nachverfahren gemäß § 439 StPO aF gewahrt. Entscheidend ist daher hier, ob die Verfallsbeteiligte ihre prozessualen Rechte noch in der Hauptverhandlung hätte geltend machen können. Die weiteren fünf Hauptverhandlungstage nach Zustellung der Terminsnachricht (20., 21., 26., 27. und 30. Juni 2017) hätten aber ausgereicht, um von den prozessualen Befugnissen als Verfallsbeteiligte Gebrauch zu machen. Denn der Grundsatz, dass der Fortgang des Verfahrens durch die Verfahrensbeteiligung nicht aufgehalten wird (§ 431 Abs. 7 StPO aF), kann im Einzelfall durch den Anspruch des Verfallsbeteiligten auf rechtliches Gehör eingeschränkt sein (vgl. Weßlau in SK-StPO, 4. Aufl., § 431 Rn. 27). Soweit zur Wahrung der prozessualen Rechte der Verfallsbeteiligten erforderlich, hätte das Landgericht deshalb etwa bereits gehörte Zeugen für einen der weiteren Hauptverhandlungstage ein weiteres Mal laden können, wenn die Verfallsbeteiligte nach der Terminsmitteilung noch Einwendungen erhoben oder Anträge gestellt hätte.“

Wenn ich mir den Beschluss des BGh so insgesamt ansehe, frage ich mich mal wieder: „OU-Verwerfung“ – jedenfalls führt der BGH in den Gründen § 349 Abs. 2 StPO an. Dann aber eine gut sechs Seiten lange Begründung. So „offensichtlich… “ kann die Unbegründetheit also nicht gewesen sein.

Hat der Schöffe geschlafen oder hat er nicht?, oder: „Anbewiesen“ reicht nicht

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Ich hoffe, alle haben das Wochenende für ein wenig Entspannung und Ruhe genutzt. Wenn ja, kann dann nicht das passieren, was möglicherweise einem Schöffen beim LG Saarbrücken passiert ist. Er soll nämlich in der Hauptverhandlung eingeschlafen sein, jedenfalls ist das vom Angeklagten mit der Verfahrensrüge (§ 338 Nr. 1 StPO) geltend gemacht worden.

Allerdings hat der Angeklagte damit keinen Erfolg. Der BGH, Beschl. v. 19.06.2018 – 5 StR 643/17 – führt dazu aus:

„Die Revision hat insoweit – gestützt auf eidesstattliche Versicherungen zweier „Verfahrensbeobachter“ – die Behauptung aufgestellt, ein Schöffe habe während der Beweisaufnahme ca. 30 bis 45 Minuten geschlafen. Die in der Sitzung anwesenden Wachtmeisterinnen hätten darüber gelacht.

Dieser Darstellung hat der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in seiner Gegenerklärung widersprochen. Er hat angegeben, der Schöffe habe lediglich mehrfach „in entspannter, rückwärtsgelehnter Haltung“ für Bruchteile von Sekunden die Augen geschlossen. Der Senat hat dienstliche Erklärungen des betroffenen Schöffen, des Strafkammervorsitzenden, der Beisitzerin, der Protokollführerin sowie der drei Wachtmeisterinnen eingeholt. Zwar hat eine der Wachtmeisterinnen angegeben, der Schöffe sei nach ihrer „Einschätzung“ während der Verhandlung für ca. zehn Minuten eingeschlafen. Die beiden weiteren Wachtmeisterinnen und die Protokollführerin haben dahingehend Stellung genommen, sich an die Verhandlung bzw. einen „eingeschlafenen Schöffen“ nicht erinnern zu können. Der Schöffe selbst hat der Behauptung der Beschwerdeführerin in einer ausführlichen Stellungnahme mit erlebnisbetonten Schilderungen widersprochen. Der Vorsitzende hat sich dahingehend geäußert, ein Schlafen des Schöffen nicht wahrgenommen zu haben. Auch ein Amüsement der Wachtmeisterinnen, das für ihn Anlass für eine Nachfrage nach dem Grund gewesen wäre, habe er nicht bemerkt. In ähnlicher Weise hat sich auch die Beisitzerin geäußert. Der in der Hauptverhandlung anwesende Verteidiger hat von der Möglichkeit der Abgabe einer anwaltlichen Versicherung zu dem geschilderten Sachverhalt keinen Gebrauch gemacht.

Auf dieser Grundlage steht nicht fest, dass der betroffene Schöffe wesentlichen Vorgängen der Verhandlung während einer ins Gewicht fallenden Zeitspanne wegen Übermüdung nicht folgen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 1981 – 5 StR 564/81, NStZ 1982, 41; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 338 Rn. 51). Dies geht mangels Anwendbarkeit des Zweifelssatzes zu Lasten der Revision (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 – 2 StR 154/61, BGHSt 16, 164, 167). Eine mögliche vorübergehende Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit durch Ermüdungserscheinungen würde nicht genügen (BGH, Urteil vom 23. November 1951 – 2 StR 491/51, BGHSt 2, 14, 15 f.).

Na ja, immerhin anbewiesen dürfte es sein. Aber das reicht nun mal eben nicht, das „in dubio pro reo“ nicht gilt.

Unterschrift unter dem Urteil fehlt, oder: Da hilft dann wenig

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In einer FB-Gruppe, der ich angehöre, ist gerade gefragt worden: „Urteil Strafkammer von drei Richtern unterzeichnet, eine „Unterschrift“ nicht individualisierbar. (Würde sagen es ist eine Welle und kein Buchstabe). Sach- oder Verfahrensrüge?“ Das erinnert mich an den OLG München, Beschl. v. 26.08.2018 – 5 OLG 15 Ss 89/18. Da fehlte unter einem nach § 329 StPO ergangenen Verwerfungsurteil die Unterschrift der Berufungsrichterin. Das OLG hebt auf und verweist zurück:

Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Das zu den Akten gelangte Urteil des Landgerichts München Il ist nicht von der Vorsitzenden Richterin des Landgerichts unterschrieben und trägt auch keinen Verhinderungsvermerk.

Gemäß § 275 Abs. 2 S. 1 StPO ist das Urteil von den Richtern, die bei der Entscheidung mit gewirkt haben, zu unterschreiben. S. 2 sieht vor, dass für den Fall, in dem ein Richter verhindert ist, seine Unterschrift beizufügen, dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt wird

Gegenstand der Überprüfung eines Urteils durch das Revisionsgericht in sachlichrechtlicher Hinsicht sind allein die schriftlichen Urteilsgründe, wie sie sich aus der gemäß § 275 StPO mit der Unterschrift des Richters bzw. der Richter zu den Akten gebrachten Urteilsurkunde ergeben. Trägt ein Urteil überhaupt keine Unterschrift, ist dieser Mangel auf Sachrüge hin zu beachten. Das Fehlen jedweder Unterschrift der erkennenden und entscheidenden Richter ist dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleich zustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 21.11.2000, NJW 2001, 838, 839, der den Unterschied zu einem mit der Verfahrensrüge geltend zu machenden Verfahrensfehler nach § 338 Nr. 7 StPO herausstellt, der in Betracht kommt, wenn bei der Entscheidung durch ein Kollegialgericht (nur) ein Richter keine Unterschrift leistet; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.02.2010, NStZ-RR 2010, 250, 251; OLG Hamm, Beschluss vom 19.08.2010, NStZ 2011, 238; OLG Bamberg, Beschluss vom 30.04. 2018, Az.: 3 Ss OWi 602/18 zitiert über juris, Rdn. 3).

In Ermangelung der Unterschrift der Vorsitzenden Richterin am Landgericht als alleiniger Berufsrichterin (§ 275 Abs. 2 S. 3 StPO) ist der Inhalt der schriftlich fixierten Urteilsgründe nicht gedeckt, d.h. es fehlt das Zeugnis, dass es sich bei den schriftlich niedergelegten Gründen um die Gründe des Gerichts handelt, die als Ergebnis der Hauptverhandlung in der Beratung gewonnen wurden. Dem Senat ist damit eine Entscheidung, ob das Landgericht München Il das sachliche Recht zutreffend angewandt hat, nicht möglich.

Der Mangel wird nicht durch den maschinenschriftlich abgedruckten Namen der Vorsitzenden Richterin am Landgericht und auch nicht durch die Bestätigung der Geschäftsstelle: „Unterschriebenes Urteil zur Geschäftsstelle gelangt am 23.11.2017“ ausgeglichen. Diese Zusätze vermögen die vom Gesetz geforderte Unterzeichnung nach § 275 Abs. 2 S. 1 StPO nicht zu ersetzen (vgl. OLG Bamberg a.a.O. Rdn. 4).

Gleiches gilt für die Unterschrift der Vorsitzenden Richterin am Landgericht, mit der sie die Zustellung des nicht unterschriebenen Urteils angeordnet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 01.04.2010, StV 2010, 618).

Ein nach § 275 Abs. 2 S. 2 StPO durch den zuständigen Vertreter angebrachter Verhinderungsvermerk fehlt ebenso.

Nach Ablauf der in § 275 Abs. 1 StPO bestimmten Frist können weder die Unterschrift der Vorsitzenden Richterin am Landgericht noch der Verhinderungsvermerk nachgeholt werden (vgl. BGH NStZ-RR 200, 237, 238, MG Schmitt StPO 61. Aufl. § 275 R n. 4).“

Wie immer in der Juristerei, heißt die Antwort auf die o.a. Frage: Es kommt darauf an. Fausregel: Fehlen die Urteilsgründe vollständig oder fehlt überhaupt eine individualisierende richterliche Unterschrift führt bereits die Sachrüge zur Aufhebung. Fehlt eine einzelne Unterschrift ist die Verfahrensrüge zu erheben.

Ablehnung I: Vorbefassung, oder: Wenn der Richter in einem abgetrennten Verfahren auch tätig war…

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Heute sollen Ablehnungsfragen im Mittelpunkt der Postings stehen. Und ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 10.01.2018 – 1 StR 571/17, über den ich schon einmal berichtet habe (vgl. BVV I: Raum-/Hintergrundgespräch bei der TKÜ, oder: Natürlich verwertbar). Heute dann also noch einmal, und zwar wegen der Ablehnungsproblematik.

Gerügt worden ist ein Verstoß gegen § 338 Nr. 3 StPO. Begründet worden war das Ablehnungsgesuch mit so.g „Vorbefassung“ der abgelehnten Richter in Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG. Das Verfahren war nämlich ursprünglich außer gegen den Angeklagten auch gegen zwei mittlerweile rechtskräftig Verurteilte geführt worden. Am dritten Hauptverhandlungstag (06.03.2017) war dieses Verfahren nach einem entsprechenden Antrag des Angeklagten gegen ihn abgetrennt und ausgesetzt worden. Das LG verurteilte anschließend unter Mitwirkung der beiden im hiesigen Verfahren abgelehnten Richter die im Ausgangsverfahren verbliebenen (damaligen) Angeklagten teils ausschließlich, teils auch wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in mehreren Fällen. In dem Urteil vom 06.03.2017 sind einzelne von der Revision mitgeteilte Passagen enthalten, die sich auf die Rolle des hiesigen Angeklagten als Haupttäter im Hinblick auf die Strafbarkeit seiner früheren Mitangeklagten beziehen.

Der Angeklagte dringt mit seiner Verfahrensrüge nicht durch. Die scheitert nach Auffassung des BGH schon an nicht ausreichendem Vortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO):

„b) Die Revision trägt keine Tatsachen vor, bei deren Vorliegen die Besorgnis der Befangenheit gegen die die beiden abgelehnten Richter begründet wäre.

aa) Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters, soweit sie nicht gesetzliche Ausschlussgründe erfüllt, ist regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters i.S.v. 24 Abs. 2 StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 Rn. 19 und vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373 Rn. 12 jeweils mwN). Das gilt auch dann, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung abgetrennt werden und in dem abgetrennten Verfahren ein Schuldspruch ergeht, zu dem sich das Gericht im Ursprungsverfahren gegen den oder die früheren Angeklagten später ebenfalls noch eine Überzeugung zu bilden hat (BGH, Urteile vom 29. Juni 2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2866 Rn. 20 und vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 23 f.; Beschluss vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 Rn. 20; siehe auch Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221).

Anders verhält es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies wird etwa angenommen, wenn Äußerungen in früheren Urteilen unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein Richter sich bei seiner Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 f. Rn. 20 und vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373 Rn. 12 jeweils mwN; siehe auch Urteil vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 24 sowie Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 222).

bb) Da nach der Angriffsrichtung der Rüge die Befangenheit der beiden abgelehnten Berufsrichter ausschließlich aus der behaupteten Festlegung auf die Täterschaft des Angeklagten in dem gegen die beiden früheren Mitangeklagten ergangenen Urteil vom 6. März 2017 abgeleitet wird, hängt der Erfolg der Rüge nach den vorgenannten Maßstäben allein vom Vorliegen „besonderer Umstände“ ab. Denn die Beteiligung an dem vorangegangenen Urteil als solche ist aus den dargelegten normativen Erwägungen von vornherein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

An dem gebotenen Vortrag von Tatsachen, die „besondere Umstände“ in dem vorgenannten Sinne enthalten, mangelt es jedoch. Tatsächliches Geschehen, das außerhalb des Urteils gegen die früheren Mitangeklagten selbst derartige Umstände enthält, teilt die Revision nicht mit. Aus der Begründung des genannten Urteils werden lediglich solche Passagen vorgetragen, die von vornherein keine die Besorgnis der Befangenheit aufgrund Vorbefassung ausnahmsweise stützenden „besonderen Umstände“ ergeben. Die zitierten Urteilspartien (S. 16 und 17 der Revisionsbegründungsschrift vom 11. September 2017) beinhalten ausschließlich für die Begründung der Schuldsprüche gegen die früheren Mitangeklagten wegen Beilhilfe zu Haupttaten des Angeklagten erforderliche Feststellungen. Das ist jedoch stets zur Begründung von Befangenheit ungeeignet (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juni 2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2866 Rn. 20 f. und vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 23 f.; Beschluss vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 f. Rn. 20; siehe auch Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221). Umstände, die als unnötige oder unsachliche Werturteile gedeutet werden könnten, enthält der Revisionsvortrag nicht.

Im Übrigen genügt in Konstellationen wie der vorliegenden eine lediglich auszugsweise Wiedergabe eines in einem anderen Verfahren ergangenen Urteils regelmäßig den Anforderrungen aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht, weil die sonstigen Urteilspartien Inhalte aufweisen können, die für die Beurteilung des Vorliegens „besonderer Umstände“ zu berücksichtigen wären.“