Im „Gebühren-Shaker“ befinden sich heute zwei AG-Entscheidungen zu Fragen, die umstritten bzw. bisher noch nicht entschieden sind/waren.
Zunächst stelle ich den AG Tiergarten, Beschl. v. 14.10.2022 – (278 Ds) 265 Js 277/22 (110/22) – vor, der sich (noch einmal) mit der Frage befasst, welche Gebühen für den nur für die Wahrnehmung eines Haftprüfungstermins bestellten Pflichtverteidiger entstehen. Nur die Terminsgebühr, oder auch Grundgebühr und Verfahrensgebühr? Den Beschluss hat mir der Kollege A. Funck aus Berlin geschickt.
Der Kollege ist vom AG gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO für einen Haftprüfungstermin als Vertreter des verhinderten Pflichtverteidigers zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Zugleich hat das AG angeordnet an, dass die Beiordnung mit dem Termin ende. Eine Anordnung, wonach Gebühren und Auslagen nicht doppelt entstehen, erfolgte nicht, auch hat der Kollege keine entsprechende Verzichtserklärung abgegeben.
Festgesetzt hat der Rechtspfleger dann nur die Terminsgebühr. Dagegen dann die Erinnerung des Kollegen, die Erfolg hatte:
„Die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung vom 12.08.2022 ist zulässig und begründet.
Zwar teilt das Gericht die Auffassung, dass ein bloßer sogenannter „Terminsvertreter“ im Rahmen eines Hauptverhandlungstermins für den Fall, dass der eigentliche originäre Verteidiger verhindert ist, in der Regel lediglich die Terminsgebühr i.S.d. Nummern 4114, 4115 VV RVG geltend machen kann, nicht aber eine Grundgebühr sowie eine Verfahrensgebühr sowie eine Postpauschale nebst Umsatzsteuer. In der Praxis wird dies in aller Regel abgesichert durch eine entsprechende Verzichtserklärung des Terminsvertreters und eine entsprechende Einschränkung in dem ergehenden Beiordnungsbeschluss.
Vorliegend geht es jedoch um die Wahrnehmung eines Haftprüfungstermins. Anders als bei einer meist auf einen Terminstag einer mehrtätigen Hauptverhandlung oder auch nur eine kurze Zeitspanne eines mehrstündigen Hauptverhandlungstermins beschränkten Vertretung des originären Verteidigers, bei welcher der Terminsvertreter in aller Regel lediglich mit einem sehr begrenzten Prozessstoff konfrontiert wird, ohne dass es einer gründlichen um umfassenden Einarbeitung in die Sache bedarf, zumal essentielle Dinge in solchen lediglich mit einem Terminsvertreter besetzten Hauptverhandlungsterminen in der Praxis —in ausdrücklicher oder stillschweigender Übereinkunft mit den übrigen Verfahrensbeteiligten- in der Regel nicht erörtert werden, muss der für einen Haftprüfungstermin beigeordnete Verteidiger den gesamten Akteninhalt beherrschen, um Stellung nehmen zu können sowohl zum Bestehen eines dringenden Tatverdachtes gegen den Mandanten als auch zum Vorliegen eines Haftgrundes (vgl. zutreffend LG Magdeburg, Entscheidung vom 19.03.2018, Az. 25 Qs 14/18, zit. nach juris).
Eine solche gründliche Einarbeitung in den Fall ist durch die Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG ersichtlich nicht abgegolten. Vielmehr ist für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall die Grundgebühr – hier mit Zuschlag gemäß Nr. 4101 VV RVG – und für die über die bloße Terminsteilnahme hinausgehende Tätigkeit im, (Ermittlungs-)Verfahren – u.a. vorliegend die umfassende Akteneinsichtnahme- die Verfahrensgebühr —hier mit Zuschlag gemäß Nr. 4105 VV RVG- vorgesehen.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Beiordnung vorliegend auf entsprechenden Antrag des Rechtsanwalts pp2. ausdrücklich lediglich für den Haftprüfungstermin und zeitlich auf diesen beschränkt erfolgte.
Jedoch ist auch ein Pflichtverteidiger, der nur für einen Tag bzw. einen Termin bestellt ist, für diesen begrenzten Zeitraum umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrechte und -pflichten betraut, sodass es auch angesichts der zeitlichen Begrenzung der Beiordnung eine gebührenrechtliche Einstufung der Tätigkeit als bloße Einzeltätigkeit – hier nach Nr. 4103 VV RVG – nicht in Betracht kommt (vgl. LG Magdeburg, Beschluss vom 16,07.2021, Az. 21 Qs 53/21, 21 Qs 54/21, zit. nach juris).
Dies mag Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen (vgl. dazu wiederum LG Magdeburg, Entscheidung vom 19.03.2018, Az. 25 Qs 14/18), denen jedoch nach Auffassung des Gerichts durch Terminsabsprachen mit dem originär bestellten Verteidiger und im Falle dessen dann doch kurzfristig eintretender Verhinderung ggf. nach Möglichkeit mit einer Terminsverlegung begegnet werden kann, soweit nicht eine Beiordnung des Vertreters für den Termin nur mit der Maßgabe, dass Gebühren nicht mehrfach entstehen, möglich sein sollte, etwa weil der Vertreter des originär bestellten Verteidigers nicht zu einer entsprechenden Verzichtserklärung bereit ist, und soweit nicht der Beschuldigte auf die Teilnahme eines Verteidigers an dem Haftprüfungstermin verzichtet, was er durchaus tun kann, denn die Anwesenheit des Verteidigers ist nur erforderlich, wenn der Beschuldigte nicht vorgeführt worden ist (vgl. dazu § 118a Abs.2 S. 3 StPO und Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 118b Rn. 3).
Soweit jedoch ein Haftprüfungstermin mit dem originär bestellten Verteidiger nicht möglich sein sollte und für den Haftprüfungstermin ein anderer Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet wird, ist die Auslösung aller Gebührentatbestände wie für den originären Verteidiger hinzunehmen (vgl. LG Magdeburg, Entscheidung vom 19.03.2018, Az. 25 Qs 14/18)
Somit ist die Erinnerung des Verteidigers Rechtsanwalt pp2. im vollen Umfange begründet, weshalb zu seinen Gunsten weitere 491,47 Euro aus der Landeskasse festzusetzen waren.“