Das BMJ hat jetzt einen Referentenentwurf an die Verbände übersandt, zum „Rechtschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren“. Der sieht in § 198 GVG n.F. eine sog. Verzögerungsrüge vor, die erhoben werden muss, wenn später wegen des zu langen Verfahrens Entschädigung verlangt werden soll. Dazu heißt es dann (demnächst?) in § 198 Abs. 3 GVG n.F.: „Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, soweit er die Dauer des Gerichtsverfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erhoben werden, sobald Anlass für die Besorgnis besteht, dass ein Abschluss des Ver-fahrens in angemessener Zeit gefährdet sein könnte, frühestens jedoch nach Beendigung eines Vorverfahrens. Sind Umstände für die Verfahrensdauer von Bedeutung, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren in einem höheren Rechtszug weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.“
Das wird ja interessant werden: Also Verzögerungsrüge nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens und nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens? Die Gerichte werden sich freuen.
Allerdings: In § 199 Abs. 3 GVG heißt es für das Strafverfahren:
„(3) Hat ein Strafgericht oder die Staatsanwaltschaft die unangemessene Dauer des Verfahrens zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt, ist dies eine ausrei-chende Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Absatz 2 Satz 1; insoweit findet § 198 Absatz 4 keine Anwendung. Begehrt der Beschuldigte eines Strafverfah-rens Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer, ist das Entschädigungsge-richt hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer an eine Entscheidung des Strafgerichts gebunden.“
Muss für diese Art der Wiedergutmachung auch die Verzögerungsrüge erhoben werden?
Als Entschädigung für jeden Monat unangemessen langes Verfahren sind im Übrigen 100 €/Monat vorgesehen.
Zu den kostenmäßigen Auswirkungen geht man davon aus:
„Außerdem sind von der Neuregelung auch Einspareffekte zu erwarten. Es kann damit gerechnet werden, dass es nach Einführung der Entschädigungsregelung weniger überlange Verfah-ren geben wird als bisher. Das relativiert nicht nur die Zahl voraussichtlicher Entschädi-gungsfälle, sondern erhöht die Kosten-Nutzen-Relation der Justiz insgesamt. Aus diesem Grund ist auch davon auszugehen, dass die zusätzlich anfallenden Verfahren bei den Oberlandesgerichten und – soweit Revisionen zugelassen werden – beim Bundesge-richtshof mit den vorhandenen Personalkapazitäten bewältigt werden können.“
Das wage ich zu bezweiflen. Die Gerichte sind doch schon jetzt personell so knapp besetzt, dass die Verfahren (zu) lange dauern. Um das abzuschaffen, schafft man neue „Rechtsmittel“, die das vorhandene Personal noch zusätzlich erledigen muss. Irgendwie erschließt sich die Logik nicht.
vgl. dazu auch hier oder hier oder hier