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Das wollen Rechtsanwälte…

Am vergangenen Samstag ist der 61. DAT in Aachen zu Ende gegangen. Dort sind auch straf(verfahrens)rechtliche Fragen, die auch in Blogs bereits eine Rolle gespielt haben, diskutiert worden. Wie die Rechtsanwälte dazu stehen, lässt sich den Pressemitteilungen des DAV entnehmen. Im Einzelnen:

  1. Zur geplanten Änderung des § 160a StPO heißt es: Anwälte fordern Stärkung des Anwaltsgeheimnisses; vgl. dazu auch hier, hier und hier.
  2. Die „Anwälte begrüßen Maßnahmen gegen überlange Gerichtsverfahren„, vgl dazu auch hier und hier.
  3. Die „Reform der Sicherungsverwahrung überfällig„, vgl. dazu auch hier.
  4. Gefordert wird (zu Recht): „Keine Erscheinens- und Aussagepflicht für Zeugen bei der Polizei„, vgl. dazu auch hier, und hier.

Mal sehen, was aus den Vorhaben wird und wann und wie sie Gesetze werden.

Bald gibt es die Verzögerungsrüge, oder: 1 Monat zu langes (Straf)Verfahren bringt ggf. 100 €…

Das BMJ hat jetzt einen Referentenentwurf an die Verbände übersandt, zum „Rechtschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren“. Der sieht in § 198 GVG n.F. eine sog. Verzögerungsrüge vor, die erhoben werden muss, wenn später wegen des zu langen Verfahrens Entschädigung verlangt werden soll. Dazu heißt es dann (demnächst?) in § 198 Abs. 3 GVG n.F.: „Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, soweit er die Dauer des Gerichtsverfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erhoben werden, sobald Anlass für die Besorgnis besteht, dass ein Abschluss des Ver-fahrens in angemessener Zeit gefährdet sein könnte, frühestens jedoch nach Beendigung eines Vorverfahrens. Sind Umstände für die Verfahrensdauer von Bedeutung, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren in einem höheren Rechtszug weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.“

 Das wird ja interessant werden: Also Verzögerungsrüge nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens und nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens? Die Gerichte werden sich freuen.

 Allerdings: In § 199 Abs. 3 GVG heißt es für das Strafverfahren:

 „(3) Hat ein Strafgericht oder die Staatsanwaltschaft die unangemessene Dauer des Verfahrens zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt, ist dies eine ausrei-chende Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Absatz 2 Satz 1; insoweit findet § 198 Absatz 4 keine Anwendung. Begehrt der Beschuldigte eines Strafverfah-rens Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer, ist das Entschädigungsge-richt hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer an eine Entscheidung des Strafgerichts gebunden.“

 Muss für diese Art der Wiedergutmachung auch die Verzögerungsrüge erhoben werden?

 Als Entschädigung für jeden Monat unangemessen langes Verfahren sind im Übrigen 100 €/Monat vorgesehen.

 Zu den kostenmäßigen Auswirkungen geht man davon aus:

 „Außerdem sind von der Neuregelung auch Einspareffekte zu erwarten. Es kann damit gerechnet werden, dass es nach Einführung der Entschädigungsregelung weniger überlange Verfah-ren geben wird als bisher. Das relativiert nicht nur die Zahl voraussichtlicher Entschädi-gungsfälle, sondern erhöht die Kosten-Nutzen-Relation der Justiz insgesamt. Aus diesem Grund ist auch davon auszugehen, dass die zusätzlich anfallenden Verfahren bei den Oberlandesgerichten und – soweit Revisionen zugelassen werden – beim Bundesge-richtshof mit den vorhandenen Personalkapazitäten bewältigt werden können.“

Das wage ich zu bezweiflen. Die Gerichte sind doch schon jetzt personell so knapp besetzt, dass die Verfahren (zu) lange dauern. Um das abzuschaffen, schafft man neue „Rechtsmittel“, die das vorhandene Personal noch zusätzlich erledigen muss. Irgendwie erschließt sich die Logik nicht.

vgl. dazu auch hier oder hier oder hier

OLG Hamm: Durch Beweisantrag entstandene Verfahrensverzögerung darf dem Betroffenen nicht angelastet werden

Das muss man ja erst mal drauf  kommen. In einem OWi-Verfahren hatte das AG trotz Überschreiten der „2-Jahres-Grenze“ nicht vom Fahrverbot abgesehen und das damit begründet, die erhebliche Verfahrensdauer sei dem Betroffenen anzulassten, denn sie beruhe im Wesentlichen auf dem vom Betroffenen gestellten Beweisantrag. Das hat – zum Glück – das OLG Hamm jetzt in seinem Beschluss vom 01.09.2009 – 2 Ss OWi 550/09 richtig gerückt, wenn es ausführt, dass diese Erwägung nur dann nicht zu beanstanden wäre, „wenn sich aus den Urteilsgründen ergäbe, dass der Beweisantrag im Nachhinein die Wertung rechtfertigt, der Betroffene habe ihn „aufs Geratewohl“, „ins Blaue hinein“ gestellt (OLG Köln, a.a.O.). Macht der Betroffene dagegen von seinen prozessualen Möglichkeiten in ordnungsgemäßer Weise Gebrauch, kann dies nicht dazu führen, die erhebliche Verfahrensdauer allein seinem Einflussbereich zuzuordnen.
Vor diesem Hintergrund belegen die Feststellungen des angefochtenen Urteils kein rechtsmissbräuchliches Prozessverhalten des Betroffenen. Der Beweisantrag hat zwar letztlich zu einem für den Betroffenen nachteiligen Ergebnis geführt, doch kann allein daraus nicht der Schluss gezogen werden, der Beweisantrag sei „aufs Geratewohl“ gestellt worden.“

Schade, dass das erst ein OLG erkennt.

BVerfG (ein wenig) gegen BGH?

Jetzt hat sich auch das BVerfG (noch einmal) mit der Verfahrensverzögerung auseinandergesetzt. In seiner Entscheidung vom 10.03.2009 – 2 BvR 49/09 – hat es der 2. Senat nicht beanstandet, dass das LG Mannheim trotz der inzwischen vom BGH vertretenen Vollstreckungslösung in einem „Übergangsfall“ noch die frühere Kompensationslösung angewendet hatte. Allerdings war das Urteil des LG vor der Entscheidung des Großen Senats in Strafsachen und der darin vollzogenen Wende in der Rechtsprechung ergangen. Insbesondere in diesen Fällen müsse das tatrichterliche Urteil nicht allein deshalb aufgehoben werden, um den Strafausspruch von der Strafzumessungs- auf die Vollstreckungslösung umzustellen. Anders hatte der 3. Strafsenat des BGH in seinem Beschl. v. 13.02.2008 – 3 StR 563/07 – entschieden. Er hatte in einem „Übergangsfall“ den landgerichtlichen Strafausspruch aufgehoben und statt der Strafzumessungslösung die Vollstreckungslösung angewendet.