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Verdachtsstrafzumessung? Nein, das geht (so) nicht….

© Dan Race Fotolia .com

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Aus dem Repertoire des BGH zur Strafzumessung weise ich heute auf den BGH, Beschl. v. 18.03.2015 – 2 StR 54/15 – hin. Zu überprüfen hatte der BGH eine Verurteilung wegen Vergewaltigung u.a. Das LG Köln hatte den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Strafschärfend hatte das LG nicht angeklagte Taten berücksichtigt. Der BGH war da so, wie es das LG gemacht hatte, nicht mit einverstanden und hat den Rechtsfolgenausspruch des landgerichtlichen Urteils aufgehoben:

2. Der Strafausspruch unterliegt hingegen der Aufhebung, weil das Landgericht die durch § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze zulässiger strafschärfender Berücksichtigung nicht angeklagter Taten überschritten hat.

Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat der Tatrichter bei der Strafzumessung die für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen und dabei namentlich auch sein Vorleben zu berücksichtigen. Insoweit ist er bei der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen durch den Anklagegrundsatz (§§ 155, 264 StPO) nicht beschränkt und kann daher auch strafbare Handlungen ermitteln und würdigen, die nicht Gegenstand der Anklage bzw. nach § 154 StPO eingestellt worden sind, soweit diese für die Persön-lichkeit eines Angeklagten bedeutsam sein können und Rückschlüsse auf des-sen Tatschuld gestatten. Allerdings müssen solche Taten – wie jeder für die Strafzumessung erhebliche Umstand – prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden und zur Überzeugung des Tatrichters feststehen (Senatsurteil vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, BeckRS 2014, 15068; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 40 f., jeweils mwN).

Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht. Das Landgericht hat bei der Strafrahmenwahl hinsichtlich aller Taten und bei der konkreten Strafzumessung „erheblich zulasten des Angeklagten“ gewertet, dass es sich „hier nicht um einzelne ‚Ausrutscher‘ bzw. um Einzeltaten handelte“, denn der Angeklagte habe „über einen Zeitraum von circa 20 Jahren hinweg den Willen seiner Frau seinen eigenen sexuellen Bedürfnissen“ (UA S. 24) untergeordnet. Abgesehen davon, dass der zugrunde gelegte „Zeitraum von circa 20 Jahren“ nicht in Einklang mit den Feststellungen der Strafkammer zu bringen ist, wo-nach es „in den Jahren 1998 bis 2001 … keinen Übergriff“ (UA S. 6) des Angeklagten auf die Nebenklägerin gegeben habe und die Eheleute ab 1993 auch einvernehmlich geschlechtlich verkehrten, bleibt offen, ob, welche und wie viele Straftaten der Angeklagte über die hier abgeurteilten Taten hinaus noch began-gen haben soll (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 1991 – 4 StR 138/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14). Dies lässt eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten besorgen.“