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BGH II: SV-Gutachten im Urteil, oder: Dauerbrenner

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Urheber Bin im Garten

Die zweite Entscheidung des Tages, der BGH, Beschl. v. 09.01.2020 – 2 StR 263/19 -, kommt dann aus der Abteilung „Dauerbrenner“. Die Problemati, die er zum Inhalt hat, war hier auch schon häufig Gegenstand der Berichterstattung. Dazu muss sich der BGH immer wieder äußern und dann gebetsmühlenartig immer dasselbe ausführen. So auch hier, allerdings – und das ist „besonders“ – mal in Zusammenhnag mit einer Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO a.F.:

1″. Die Revision des Angeklagten ist begründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, aufgrund derer das Landgericht im Rahmen seiner Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO a.F. zur Feststellung des Netto-Verkehrswerts des Miteigentumsanteils des Angeklagten an den in M. gelegenen Grundstücken in Höhe von 37.000 € gelangt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Folgt das Tatgericht dem Gutachten eines Sachverständigen, so ist es sachlichrechtlich verpflichtet, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH StraFo 2017, 372). Liegt der Begutachtung indes eine allgemein anerkannte, häufig angewandte (standardisierte) Untersuchungsweise zugrunde, so kann die Mitteilung des Ergebnisses, zu dem ein anerkannter Sachverständiger gelangt ist, ausreichend sein (vgl. BGH, 19. August 1993 – 3 StR 62/92, BGHSt 39, 291, 298 = NJW 1993, 3081, 3083). Werden allerdings Einwendungen gegen die Zuverlässigkeit der Begutachtung geltend gemacht, können nähere Ausführungen erforderlich sein, die das Revisionsgericht in die Lage versetzen, nachzuprüfen, ob die Einwände zu Unrecht erhoben worden sind (vgl. BGH NStZ-RR 2015, 14, 15; Wenske, in: MüKo-StPO, § 267, Rdn. 236, 240).

b) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht.

aa) Das Landgericht hat sich bei der Einschätzung des Grundstückswerts auf das Gutachten eines Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken gestützt. Dieser sei von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen und habe das Ergebnis seiner Begutachtung logisch, widerspruchsfrei und in sich schlüssig vorgetragen. Er habe hierbei insbesondere zu den maßgeblichen wertbildenden Faktoren, wie der konkreten Lage des Grundstücks, der Größe und Aufteilung, der Nutzungseignung, dem Erhaltungszustand und den vorhandenen baulichen Mängeln Stellung genommen. Hierbei habe er zugleich nachvollziehbar auf die derzeitige Situation am Immobilienmarkt rekurriert und diese in Beziehung zum konkreten Objekt gesetzt. Auch die sich in Bezug auf die vor der Hauptverhandlung erhobenen Einwände gegen sein schriftliches, vorbereitendes Gutachten ergebenden Fragen habe der Sachverständige widerspruchsfrei und erschöpfend beantwortet, ohne sich auf sein vorläufiges Begutachtungsergebnis zu versteifen. Er habe dieses mit einer nachvollziehbaren Begründung zu Gunsten des Angeklagten korrigiert. Der Sachverständige habe vom Angeklagten in einer Sitzungsunterbrechung vorgelegte Bilder spontan sachverständig bewertet und in das Ergebnis seiner Begutachtung mit einer für die Strafkammer nachvollziehbaren und schlüssigen Begründung einfließen lassen.

bb) Diese Zusammenfassung des Sachverständigengutachtens, das lediglich das Ergebnis und die der Bewertung zugrundeliegenden Parameter mitteilt, aber darauf verzichtet, die konkrete Wertermittlung der Grundstücke anhand dieser Kriterien darzulegen, erschöpft sich damit in allgemeinen Wendungen, die es dem Revisionsgericht nicht ermöglichen, das Ergebnis des Gutachtens auf seine Tragfähigkeit hin zu überprüfen. Hierfür wäre es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest erforderlich gewesen, die wesentlichen, dem Gutachten zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen für die Begutachtung wie die allgemeinen Wertverhältnisse am Grundstücksmarkt einerseits und Lage, Größe und Nutzungsmöglichkeiten der Grundstücke, Angaben zu Art, Alter und Zustand der Bebauung mit Hinweisen zur Wohn- und Nutzfläche sowie das Verfahren der Wertermittlung andererseits anzugeben (vgl. § 2, 8 der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken vom 19. Mai 2010, BGBl. I S. 639 [ImmoWertV]). Dies erfordert zwar nicht eine vollständige Wiedergabe des Gutachtens in Einzelheiten mit allen Rechenschritten, gebietet aber zur Überprüfung durch das Revisionsgericht zumindest eine auf die Grundstücke bezogene, konkrete Darlegung der wesentlichen wertbildenden Faktoren.

cc) Darüber hinaus wäre es vorliegend vonnöten gewesen, die von dem Angeklagten konkret erhobenen Einwendungen gegen das Urteil zu benennen und zu erläutern, in welcher Weise das Gutachten dem Rechnung getragen hat. Insoweit teilt das Urteil mit, der Sachverständige habe auf die sich aus den Einwänden ergebenden Fragen „widerspruchsfrei und erschöpfend“ antworten können. Ohne Kenntnis dieser Umstände kann das Revisionsgericht indes nicht überprüfen, ob die gutachterliche Einschätzung sich hinreichend mit dem Vorbringen des Angeklagten auseinandergesetzt hat und das gegenüber dem vorbereitenden Gutachten gefundene Ergebnis mit den Grundsätzen für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken in Einklang steht.

c) Diese Angaben zum Inhalt des Sachverständigengutachtens waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs um eine Begutachtung gehandelt hat, der eine allgemein anerkannte, häufig angewandte (standardisierte) Untersuchungsweise zugrunde liegt. Grundstücksbewertungen liegen zwar allgemein anerkannte Grundsätze zugrunde, die auch normativ in der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken festgeschrieben sind. Es handelt sich aber bei der Anwendung dieser Grundsätze nicht um ein „standardisiertes“ Verfahren, dessen Ergebnis sich unter Anwendung dieser Grundsätze von selbst ergibt oder versteht. Erforderlich ist in jedem Fall eine konkret auf den Einzelfall bezogene Würdigung der wertbildenden Faktoren; insoweit unterscheiden sich Grundstücksbewertungen von anderen in der Rechtsprechung anerkannten Begutachtungen, denen wie etwa bei der Bestimmung von Blutgruppen oder des Wirkstoffgehalts von Betäubungsmitteln standardisierte Verfahrensweisen ohne (wesentliche) Beurteilungsspielräume zugrunde liegen.“

Klassiker: Fehlende Einlassung des Angeklagten im Urteil, oder: Unverständlich

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Und als dritte und letzte Entscheidung ein weiterer BGH-Beschluss zur Beweiswürdigung, und zwar der BGH, Beschl. v. 12.12.2019 – 5 StR 444/19. Ein „Klassiker“, nämlich mal wieder fehlende Einlassung des Angeklagten in den Urteilsgründen:

Das LG hat die Angeklagten wegen Diebstahls verurteilt. Dagegen die Revisionen, die mit der Sachrüge Erfolg hatten:

„1. Nach den Feststellungen spähten die Angeklagten zusammen mit weiteren, teils unbekannt gebliebenen Mittätern in wechselnder Beteiligung hochwertige Autos aus, die sie sodann entwendeten. Meist leitete der Angeklagte G. die Planungen der Tatausführung und organisierte die anschließende Überführung der Fahrzeuge. Diese wurden jeweils durch „Schlossziehen“ unberechtigt geöffnet. Sodann wurden sogenannte Schlüsseldummys an die einzelnen Fahrzeuge angelernt, indem mittels eines Computers, der an ihr On-Bord-Diagnosesystem angeschlossen wurde, die Fahrzeugdaten auf die Schlüsseldummys übertragen wurden. In den Fällen 2 bis 5 übernahm der Nichtrevident B. diese Aufgabe. Mit den so erstellten Zweitschlüsseln konnten die Fahrzeuge dann gestartet und von Kurieren in das osteuropäische Ausland gebracht werden, wo sie entweder weiterveräußert wurden oder als „Teilespender“ für andere Fahrzeuge dienten. In Fall 7 unterstützte der Angeklagte S. den Angeklagten G. bei der Tat.

2. Die Revisionen führen bereits mit der Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.

a) Die Beweiswürdigung, aufgrund derer sich das Landgericht die Überzeugung von den Taten verschafft hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft, weil Angaben dazu fehlen, ob und wie sich die Angeklagten G. und S. zu den Tatvorwürfen eingelassen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Dezember 2014 ? 2 StR 403/14, NStZ 2015, 299). Unter sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten ist regelmäßig eine Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich das Tatgericht unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 1998 – 4 StR 88/98, NStZ-RR 1999, 45).

Den Urteilsgründen lässt sich lediglich entnehmen, dass die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten auf ihren Angaben und diejenigen zur Sache auf den geständigen Angaben des Nichtrevidenten B. zu seinen eigenen Tatbeiträgen sowie insbesondere Funkzellendaten und Telekommunikationsüberwachung beruhen. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, dass die Angeklagten keine Angaben zur Sache gemacht haben.

Auch in Anbetracht der hier gegebenen äußerst schwierigen Beweislage kann ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht ausgeschlossen werden.“

Für mich unverständlich. Irgendjemand muss doch beim Lesen der abgesetzten Urteilsgründe merken, dass entweder die Einlassung der Angeklagten fehlt oder der Satz: „Die Angeklagten haben sich nicht zur Sache eingelassen“. Mehr schreibe ich nicht, sonst heißt es wieder, dass ich pöbele. Aber es ist unverständlich. Hoffentlich nicht nur für mich.

Urteilsgründe III: Verstoß gegen Abstinenzweisung im Rahmen der Führungsaufsicht, oder: Was muss ins Urteil?

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Und die dritte und letzte Entscheidung kommt dann vom OLG Koblenz. Das hat im OLG Koblenz, Beschl. v. 04.12.2019 – 2 OLG 6 Ss 130/19 – zu erforderlichen Umfang der Feststellungen bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen (§ 145a StGB) Stellung genommen.

Das AG hatte den wegen Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht in zwei rechtlich selbständigen Fällen verurteilt. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist. Das LG hat auf die Berufung die vom AG gewährte Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung entfallen lassen.

Dagegen dann die Revision. Die war erfolgreiche. Nach Auffassung des OLG ist das LG „rechtsfehlerhaft von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß ausgegangen und hat demzufolge unter Verstoß gegen seine Kognitionspflicht nicht mehr neu über die Schuldfrage entschieden„:

„b) Vorliegend war die Berufungsbeschränkung unwirksam, weil auf der Grundlage der vom Landgericht übernommenen Feststellungen zum Schuldspruch schon nicht sicher beurteilt werden kann, ob sich der Angeklagte strafbar gemacht hat. Das Amtsgericht hat im Urteil vom 8. April 2019 folgende Feststellungen getroffen:

„Im Rahmen des Verfahrens Az.: 3222 Js 7616/09 der Staatsanwaltschaft Mainz steht der Angeklagte aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Strafvollstreckungskammer – Mainz vom 26.08.2014 (Az.: 8 StVK 559/14, BI. 23 des FA-Heftes 65/14) unter Führungsaufsicht, nachdem die Strafvollstreckungskammer beschlossen hatte, dass die kraft Gesetzes eingetretene Maßregel der Führungsaufsicht nicht entfällt. Unter Ziffer 7 des Beschlusses wurde dem Angeklagten der Konsum alkoholischer Getränke untersagt. Der Wortlaut der Ziffer 7 lautet wie folgt:

„Dem Verurteilten wird untersagt, unter das Betäubungsmittelgesetz fallende Substanzen ohne ärztliche Erlaubnis sowie alkoholische Getränke zu konsumieren und dies auf eigene Kosten auf Anweisung des Bewährungshelfers bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gesundheitsamt oder einer anderen von der Führungsaufsichtsstelle gebilligten Einrichtung durch die Durchführung von bis zu 8 jährlichen Suchtmittelkontrollen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, zur Feststellung von Drogenrückständen oder E TG nachzuweisen. Die Ergebnisse sind unverzüglich der Bewährungshilfe schriftlich vorzulegen.“

Mit Beschluss des Landgerichts – Strafvollstreckungskammer – Mainz vom 11.07.2016 hatte das Landgericht Mainz den Angeklagten darauf hingewiesen, dass der Verstoß gegen die Abstinenzweisung mit Strafe bedroht ist.

Gleichwohl wurde der Angeklagte an den nachfolgenden Tattagen bei Konsum von Alkohol angetroffen:

Fall 1: 2 Wochen nach seiner letzten Haftentlassung führten am 20.08.2018 die Zeugen KK S. und POK Z. ein Gefährdergespräch mit dem Angeklagten in seiner neuen Wohnunterkunft in pp. durch. Die Zeugen betreuen den Angeklagten in Rahmen des ‚Visier‘-Intensivtäter-Programm und hatten vor diesem Hintergrund nach der Haftentlassung Kontakt zu dem Angeklagten aufgenommen, um ein entsprechendes Visiergespräch zu führen. Während des Gesprächsverlaufs stellte der Zeuge KK S. fest, dass der Angeklagte nach Alkohol roch. Auf Nachfrage und nach Belehrung als Beschuldigter gab der Angeklagte dem Zeugen gegenüber an, „ein Bier getrunken zu haben“, aber ‚das sei ja nicht so schlimm.

Am 18.09.2018 wurde der Angeklagte im Bus der Linie 60 vom Hauptbahnhof Richtung Bismarckplatz einer Fahrscheinkontrolle unterzogen. Nachdem sich der Angeklagte hierüber lautstark beschwert hatte, wurden die Polizeibeamten POK B. und PHK’in H. von den Kontrolleuren am Bismarckplatz angesprochen und zur Sachverhaltsaufnahme hinzugezogen. Der Angeklagte wurde daraufhin im Rahmen der Anzeigenaufnahme im Bereich des Barbarossarings durch die Polizeibeamten POK B. und PHK’in H. angehört. Während der Sachverhaltsaufnahme konnte die Zeugin PHK’in H. Alkoholgeruch feststellen. Der Angeklagte, der drei Sammelkarten bei sich führte und sich vor diesem Hintergrund im Rahmen der Fahrscheinkontrolle ungerecht behandelt fühlte, war aufgrund der Kontrolle  aufgebracht, zeigte aber ansonsten keine alkoholbedingten Auffälligkeiten.

In der linken Tasche seiner Jogginghose führte der Angeklagte eine leere Dose Bier mit sich. Nach der Sachverhaltsaufnahme öffnete der Angeklagte eine – zuvor in der rechten Tasche seiner Jogginghose befindliche – volle Dose Cola-Bier vor den Augen der Zeugen und trank diese aus.

Wegen des Weisungsverstoßes vom 20.08.2018 wurde mit Verfügung des Landgerichts Mainz – Führungsaufsichtsstelle vom 22.10.2018 (Bl. 14 d.A.) Strafantrag gemäß 145a StGB gestellt.

Wegen des Weisungsverstoßes vom 18.09.2018 wurde mit Verfügung vom 07.01.2019 (BI. 74 d.A.) ebenfalls Strafantrag gemäß § 145a StGB durch die Führungsaufsichtsstelle des Landgerichts Mainz gestellt. „

Diese Feststellungen reichen nicht aus, um eine Verurteilung des Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gem. § 145a StGB zu tragen. § 145a StGB stellt eine Blankettvorschrift dar, deren Tatbestand erst durch genaue Bestimmung der Führungsaufsichtsweisung seine Kontur erhält. Erst so wird die Vereinbarkeit der Norm mit Artikel  103 Abs. 2 Grundgesetz gewährleistet. Voraussetzung für eine Bestrafung nach § 145a StGB ist deshalb auch, dass die Weisung rechtsfehlerfrei ist. Rechtsfehlerhafte Weisungen können die Strafbarkeit nach § 145a StGB nicht begründen. Für die Annahme dieser Strafnorm ist daher die Feststellung einer Rechtsfehlerfreiheit der Weisung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal vollständig in den Urteilsgründen darzustellen (für alles: BGH, 5 StR 275/15 v. 19.08.2015 in BeckRS 2015, 15770; MüKoStGB/Groß, 3. Aufl. 2017, StGB § 145a Rn. 10).

 

Das amtsgerichtliche Urteil verhält sich zur Frage der Gesetzmäßigkeit der dem Angeklagten im Rahmen der Führungsaufsicht erteilten Abstinenzweisung in keiner Weise, obwohl angesichts der Feststellungen zur Person des Angeklagten Anlass zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit bestand.

 

Zwar ist eine Abstinenzweisung gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB im Rahmen der Führungsaufsicht grundsätzlich zulässig. Im Einzelfall kann jedoch eine solche Weisung unzumutbare Anforderungen an die Lebensführung des Angeklagten stellen und daher gem. § 68b Abs. 3 StGB unrechtmäßig sein (OLG Dresden, 2 OLG 23 Ss 557/14 v. 10.09.2014 in BeckRS 2014, 18527). Zumutbar und verhältnismäßig ist eine solche Weisung regelmäßig dann, wenn sie gegenüber einer Person angeordnet wird, die ohne weiteres zum Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln fähig ist und wenn im Fall erneuten Alkohol- oder Suchtmittelkonsums mit der Begehung erheblicher, die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit betreffender Straftaten zu rechnen ist. Eine unzumutbare Weisung liegt demgegenüber jedenfalls in solchen Fällen vor, in denen ein langjähriger, mehrfach erfolglos therapierter Suchtabhängiger aufgrund seiner Suchtkrankheit nicht zu nachhaltiger Abstinenz in der Lage ist und von ihm keine die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit erheblich beeinträchtigten Straftaten drohen (Senat, 2 Ws 509/16 v. 02.11.2016; 2 Ws 226, 227/17 v. 08.05.2017; 2 Ws 570/17 v. 10.10.2017; BVerfG, 2 BvR 496/12 v. 30.03.2016 in NJW 2016, 2170).

Im vorliegenden Fall war eine Unzumutbarkeit der dem Angeklagten erteilten Abstinenzweisung nicht fernliegend. So hat bereits das Amtsgericht selbst festgestellt, dass der Angeklagte seit seinem vierzehnten Lebensjahr Alkohol konsumiert und diesen Konsum ab dem fünfzehnten Lebensjahr noch gesteigert‘ hat, so dass eine chronische Alkoholabhängigkeit bei ihm vorliege. Mehrere Alkoholtherapien habe er abgebrochen. Bis zu seiner Festnahme am 9. April 2009 habe er regelmäßig in erheblichem Umfang Alkohol konsumiert, auch im Anschluss an eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, die sich zum 17. September 201 1 erledigt hatte, habe er weiter Alkohol konsumiert, selbst noch im Rahmen der letzten Strafvollstreckung. Auch das Landgericht hat keine davon abweichenden Erkenntnisse getroffen, sondern ebenfalls festgestellt, dass der Angeklagte seit seinem vierzehnten Lebensjahr Alkohol konsumiert und insgesamt acht stationäre Suchttherapien begonnen und jeweils aus disziplinarischen Gründen abgebrochen hat. Konkrete Feststellungen zur Abstinenzfähigkeit des Angeklagten im Zeitpunkt der Erteilung der Weisung einerseits und zu den von ihm im Falle erneuten Alkoholkonsums zu erwartenden Straftaten andererseits haben weder das Amtsgericht noch, das Landgericht getroffen. Eine Entscheidung über die Frage, ob die Weisung rechtmäßig war und ob der Angeklagte sich wegen Verstoßes gegen die Weisung strafbar gemacht hat, kann anhand der getroffenen Feststellungen daher nicht gefällt werden.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände konnte vorliegend nicht von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung ausgegangen werden. Das Landgericht hätte das amtsgerichtliche Urteil daher umfassend zu überprüfen und hiernach eigene den Schuldspruch tragende Feststellungen zu treffen gehabt.

Gemäß § 353 Abs. 1 und 2 StPO unterliegt das Berufungsurteil deshalb mit den getroffenen Feststellungen der Aufhebung. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Mainz zurückzuweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).“

Urteilsgründe I: Wenn mal wieder die Einlassung des Angeklagten fehlt, oder: Klassiker

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Zur Wochenmitte am Mittwoch heute drei Entscheidungen zu den Urteilsgründen/den (erforderlichen) Feststellungen.

Und der Reigen wird eröffnet mit dem BGH, Beschl. v. 12.12.2019 – 5 StR 444/19. Der Beschluss behandelt ein „klassisches Problem“, zu dem der BGH schon zig-mal Stellung genommen hat. Nämlich das Fehlen der Einlassung des Angeklagten in den Urteilsgründen. Das ist ein (Beweiswürdigungs)Fehler, der i.d.R. zur Aufhebung führt:

2. Die Revisionen führen bereits mit der Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.

a) Die Beweiswürdigung, aufgrund derer sich das Landgericht die Überzeugung von den Taten verschafft hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft, weil Angaben dazu fehlen, ob und wie sich die Angeklagten G.     und S.   zu den Tatvorwürfen eingelassen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Dezember 2014 ? 2 StR 403/14, NStZ 2015, 299). Unter sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten ist regelmäßig eine Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich das Tatgericht unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 1998 – 4 StR 88/98, NStZ-RR 1999, 45).

Den Urteilsgründen lässt sich lediglich entnehmen, dass die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten auf ihren Angaben und diejenigen zur Sache auf den geständigen Angaben des Nichtrevidenten B. zu seinen eigenen Tatbeiträgen sowie insbesondere Funkzellendaten und Telekommunikationsüberwachung beruhen. Dies lässt aber nicht den Schluss zu, dass die Angeklagten keine Angaben zur Sache gemacht haben.

Auch in Anbetracht der hier gegebenen äußerst schwierigen Beweislage kann ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht ausgeschlossen werden.“

Ich verstehe es nicht/nie: Das Urteil wird (hoffentlich) von mindestens zwei Berufsrichtern gelesen, und keiner merkt, dass die Einlassung des Angeklagten nicht in den Urteilsgünden enthalten ist.

OWi I: Bezugnahme in den Urteilsgründen auf den Bußgeldbescheid?, oder: Nicht erlaubt

So, heute dann mal wieder ein ganzer OWi-Tag, und zwar ein wenig Verfahrensrecht. Und den Opener macht der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 08.01.2020 – 1 OWi 2 SsBs 117/19, den mir der Kollege F. Schneider aus Bad Harzburg geschickt hat.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße  verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot verhängt. Dagegen die Rechtsbeschwerde, die Erfolg hatte. Grund: Nicht ausreichende Feststellungen

„Das Amtsgericht hat die Regelgeldbuße „aufgrund von Voreintragungen im Fahreig-nungsregister auf 200,– EUR“ (UA S. 4) erhöht und zur Begründung auf Feststellungen des Bußgeldbescheides verwiesen.

Herzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 23. Dezember 2019 u.a. folgendes ausgeführt:

„Soweit das Amtsgericht die Regelgeldbuße erhöht hat, sind die entsprechenden Darlegungen lückenhaft, was auf die erhobene Sachrüge dazu führt, dass das Urteil im Hinblick auf die Geld¬buße mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben werden muss. Die angefochtene Entscheidung verhält sich im Hinblick auf frühere Verfehlungen nicht zu deren Art, Zeitpunkten und Sanktionen (vergleiche Senat, Beschluss vom 24.11.2017 — 1 OWi 2 Ss Bs 87/17, juris; OLG Koblenz VRS 64, 215, 216).“

Dem schließt sich der Senat an. Verweise auf den Rechtsfolgenausspruch betreffende Feststellungen des Bußgeldbescheides in den Urteilsgründen sind auch dann unstatt¬haft, wenn der Einspruch auf den Rechtsfolgeausspruch beschränkt worden war.

Das OLG hat zudem auch noch zur Wirksamkeit des dem Verfahrens zugrunde liegenden Bußgeldbescheides Stellung genommen.

Das Verfahren war nicht mangels wirksamen Bußgeldbescheides einzustellen. Der Senat teilt weiterhin die Rechtsauffassung des OLG Koblenz (Beschluss vom 17.07.2018 — 1 OWi 6 SsBs 19/18, juris), dass mit vollständigen Ausdruck der bei der Bußgeldbehörde elektronisch gespeicherten Verfahrensunterlagen ein Übergang zu einer Aktenführung in Papierform vorliegt und die gefertigten Ausdrucke eine ausrei¬chende Grundlage des weiteren Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens bilden. Entsprechendes gilt für den ausgedruckten und in Papierform dem Betroffenen zuge¬stellten Bußgeldbescheid. Das Fehlen einer landesrechtlichen Rechtsgrundlage für die elektronische Aktenführung durch die Verwaltungsbehörde in Bußgeldverfahren bleibt daher ohne Einfluss auf die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides (OLG Koblenz aaO. Rn. 6). Aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 19. November 2019 (VGH B 24/19) ergibt sich nichts Gegenteiliges, Der Verfassungsgerichtshof hat entgegen der Auffassung des Verteidigers gerade nicht einen Verstoß der Verwaltungsbehörde gegen das Willkürverbot festgestellt. sondern lediglich aus¬geführt, dass der (dortige) Beschwerdeführer mit seinem Vortrag von einem solchen Verstoß „offenbar aus(gegangen)“ sei (vgl. Rn. 27 der Entscheidung).“

Ach so: Und wer beim Lesen des Volltextes stutzt: Ja, das OLG hat tatsächlich so formuliert: Es hat den den „Beschluss des Amtsgerichts ….., mit dem es die Rechtsbe­schwerde gegen sein Urteil vom 30. September 2019 als unzulässig verworfen hat, ….. aufgehoben.“ Der Tenor erschließt sich mir nach den Gründen nicht. Irgendetwas fehlt da. 🙂