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Befangenheitsantrag“ im Zivilprozess, oder: Wenn der Antrag „querulatorisch“ ist

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Und als zweite Entscheidung stelle ich dann eine Entscheidung aus dem Zivilprozess, nämlich den OLG Hamm, Beschl. v. 09.07.2021 – 7 U 14/21. Er verhält sich zur Befangenheit im Zivilverfahren und wie man dort mit „ersichtlich querulatorischen Befangenheitsanträgen umgehen kann. Die werden – so das OLG – als unzulässig verworfen:

„Die Verwerfung erfolgt entsprechend § 26a Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO (vgl. dazu statt aller G. Vollkommer in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 44 Rn. 12 ff. m. w. N.) ohne Einholung dienstlicher Stellungnahmen durch die abgelehnten Richter, analog § 26a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 StPO, da mit dem Ablehnungsgesuch ersichtlich verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden.

1. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (BGH Beschl. v. 10.2.2021 – VI ZB 66/20, Rn. 5 m. w. N.).

2. Das einzige auf die erkennende Vorsitzende und die erkennenden beisitzenden Richter bezogene Vorbringen erschöpft sich darin, dass dem Kläger kein Verfahrenspfleger bestellt worden sei, was aber angesichts des entsprechenden Beschlusses des Landgerichts Bochum im Hinblick auf eine im vorliegenden Verfahren bestehende Prozessunfähigkeit des Verfügungsbeklagten ersichtlich unzutreffend ist. Im Übrigen ergeht sich der Verfügungsbeklagte ausschließlich in wirren Drohungen (bspw. „Lassen Sie sich das nochmal alle durch den Kopf gehen. Ist eh nichts drin. Am besten mit 9mm.“), unflätigen Bemerkungen (bspw. „Fickt Eure Mütter, Eure Großmütter und Euren ganzen Stammbaum.“) und Behauptungen über dem Senat nicht angehörige Richterkollegen sowie eine Mitarbeiterin der Serviceeinheit.

Es fehlt dem Vorbringen des Verfügungsbeklagten mithin ein sachlicher Kern. Der Einholung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Richter gemäß § 44 Abs. 3 ZPO bedurfte es damit nicht, weil das Vorbringen des Verfügungsbeklagten so nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen und die abgelehnte Vorsitzende und die abgelehnten Beisitzer zu diesem Vorbringen nichts beitragen können (vgl. BGH Beschl. v. 10.2.2021 – VI ZB 66/20, Rn. 5 m. w. N.).“

StPO I: Unzulässiger Ablehnungsantrag, oder: Wenn der Angeklagte keinen Bock auf die Hauptverhandlung hat

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Am Montag hatte ich einen „Ablehnungstag“, heute gibt es einen „StPO-Tag“, den ich im Nachgang zum „Ablehnungstag“ mit einer weiteren „Ablehnungsentscheidung“ des BGH eröffnen, und zwar mit dem BGH, Beschl. v.  28.04.2020 – 5 StR 504/19.

Es geht um das Ablehnungsverfahren. Die Strafkammer hatte den Ablehnungsantrag des Angeklagten als unzulässig zurückgewiesen. Begründung: Das Ablehnungsgesuch des Angeklagten sei wegen Verschleppungsabsicht nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO unzulässig.

Der BGH hält diese Begründung:

„a) Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO führt nämlich nicht stets, sondern nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn die Vorschriften willkürlich angewendet werden, weil der abgelehnte Richter sein eigenes Verhalten wertend beurteilt, sich also gleichsam zum „Richter in eigener Sache“ macht, oder die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2005, 3410, 3412; BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 219 f.; Urteil vom 23. Januar 2019 – 5 StR 143/18). Dagegen liegt bei einer „nur“ schlicht fehlerhaften Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften kein Verfassungsverstoß vor (BVerfG, aaO).

b) Der Senat vermag keine willkürliche oder gleichgewichtig grob fehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO zu erkennen. Vor dem Hintergrund der von der Strafkammer eingeholten Stellungnahmen, wonach zwei Ärzte den Angeklagten trotz eines grippalen Infekts für verhandlungsfähig hielten, der weiteren Untersuchung in der Mittagspause, die einen klinisch unauffälligen Befund ergab (kein Fieber, kein Husten, von einem angeblichen Durchfall habe der Angeklagte nichts berichtet, die JVA habe den Eindruck gewonnen, der Angeklagte habe lediglich keine Lust auf die Verhandlung), des darauf fußenden Eindrucks der Richter, der Angeklagte A.  simuliere in der Hauptverhandlung nur Symptome einer schwereren Erkrankung, des Umstands, dass er mehrere Zeugenvernehmungen durch laute Hustenanfälle gestört und wiederholt mit der Behauptung von Durchfall ihm gewährte Toilettenpausen beantragt sowie Unterbrechungsanträge gestellt hatte, konnte das Gericht vertretbar davon ausgehen, der Befangenheitsantrag solle lediglich der Verzögerung des Verfahrens dienen.“

Pflichti III: Pflichtverteidiger für einen Mitangeklagten, oder: Dagegen kann man sich nicht beschweren

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Und als letzte Entscheidung dann noch einmal einen Beschluss vom KG, das allmählich aus seinem „Internetschlaf“ erwacht. Entschieden hat das KG im KG, Beschl. v. 01.11.2019 – 2 Ws 165/19 – über die Beschwerde gegen die einen anderen Angeklagten betreffende Pflichtverteidigerbestellung. Das KG hat die Beschwerde als unzulässig angesehen:

„Gegen den Beschwerdeführer und sieben weitere Angeklagte wird derzeit vor dem Landgericht Berlin ein Verfahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a. geführt.

Mit Schriftsatz vom 28. August 2019 beantragte der Verteidiger des rechtsmittelführenden Angeklagten B in der Hauptverhandlung unter anderem, die Bestellung der Pflichtverteidigerin des Mitangeklagten A, Rechtsanwältin C, aufzuheben. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, dass der im Ruhestand befindliche Oberstaatsanwalt D nach seinem Ausscheiden aus der Staatsanwaltschaft Berlin nunmehr als Rechtsanwalt in Bürogemeinschaft mit Rechtsanwältin C tätig sei. Eine Weiterführung der Verteidigung durch Rechtsanwältin C sei daher wegen Verstoßes gegen § 3 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) ausgeschlossen.

Mit dem angegriffenen Beschluss hat die Vorsitzende der großen Strafkammer diesen Antrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel.

II.

Die Beschwerde ist nach § 304 Abs. 1 StPO statthaft und insbesondere nicht durch § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen. Ebenso wie die Ablehnung der Bestellung eines Verteidigers (vgl. OLG Hamburg StraFo 2000, 383; OLG Brandenburg OLG-NL 2003, 261; Senat, Beschluss vom 28. Juni 2019 – 2 Ws 102/19 –, BeckRS 2019, 1954) entfaltet auch deren Aufrechterhaltung Rechtswirkungen, die über die bloße Vorbereitung des späteren Urteils hinausgehen.

Gleichwohl ist die Beschwerde unzulässig.

Es ist in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass Zulässigkeitsvoraussetzung eines jeden Rechtsmittels eine Beschwer ist (vgl. BGHSt 16, 374; 18, 327; Senat, Beschluss vom 24. September 2018 – 2 Ws 184/18 – mwN). Diese muss in einer unmittelbaren Beeinträchtigung der Rechte oder der schutzwürdigen Interessen des Beschwerdeführers bestehen (vgl. Zabeck in Karlsruher Kommentar, StPO 8. Aufl., § 304 Rn. 32; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., vor § 296 Rn. 8, 9 mwN). Das Interesse der Allgemeinheit an einer gesetzmäßigen Rechtsprechung und inhaltlich richtigen Entscheidungen kann demgegenüber nur die Staatsanwaltschaft im Rechtsmittelwege durchsetzen (vgl. Jesse in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., vor § 296 Rn. 51, 53).

Nach diesen Maßstäben ist eine unmittelbare Beeinträchtigung spezifischer Rechtspositionen des Beschwerdeführers nicht erkennbar.

Die verhandlungsstrategische Besserstellung anderer Verfahrensbeteiligter durch anwaltliche Vertretung ist vom Angeklagten grundsätzlich hinzunehmen. Dies gilt nicht nur für die Heranziehung von Nebenklägervertretern (vgl. hierzu: OLG Hamm, Beschlüsse vom 7. Februar 2006 – 4 Ws 48/06 – und vom 20. November 2007 – 3 Ws 656/07 –, juris; Kammergericht, Beschluss vom 19. Oktober 2016 – 3 Ws 548/16 –; Senat, Beschluss vom 24. September 2018 – 2 Ws 184/18 –), sondern ebenso für die Bestellung von Pflichtverteidigern für Mitangeklagte. Erst recht kann es daher zu keiner Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange eines Angeklagten führen, wenn Mitangeklagte von ihren Verteidigern unter Verletzung berufsrechtlicher Regelungen für Anwälte vertreten und damit unter Umständen durch bestehende Interessenkonflikte der Verteidigung benachteiligt werden.

Zudem zielte der in der Hauptverhandlung vom Verteidiger des Beschwerdeführers gestellte Antrag auch vorrangig darauf ab, das „Vertrauen in die Rechtspflege“ zu schützen, „Interessenkollisionen einzudämmen“ und „normativem Misstrauen der Rechtsordnung“ entgegenzuwirken. Die Durchsetzung solcher abstrakten Werte der Rechtsgemeinschaft obliegt im strafprozessualen Beschwerdeverfahren – soweit erforderlich – ausschließlich der Staatsanwaltschaft.“

Ist zum alten Recht ergangen, dürfte aber auch für das neue Recht gelten.

Ablehnung III: Ablehnungsgesuch wegen Prozessverschleppung, oder: Augen zu und durch

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Und als dritte Entscheidung dann ein weiterer Beschluss zu einer Problematik aus dem Ablehnungsverfahren. Der Tatrichter hatte – ebenfalls im Bußgeldverfahren – das Ablehnungsgesuch des Betroffenen wegen Verschleppungsabsicht (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 StPO) als unzulässig verworfen. Das wird in der Rechtsbeschwerde als eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt. Ohne Erfolg, da – nach Ansicht des KG im KG, Beschl. v. 01.11.2018 – 3 Ws (B) 253/18 – das Ablehungsgesuch aus anderem Grund abgelehnt werden konnte:

„1. Die vom Betroffenen erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Mit der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs vom 5. Juli 2018 als unzulässig gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 26a Abs. 1 StPO wurde das rechtliche Gehör des Betroffenen nicht verletzt. Das Ablehnungsgesuch wurde im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen.

a) Das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht gewährt, wenn einem Betroffenen die Möglichkeit genommen wird, zu entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen Stellung zu nehmen. Hierzu gehört auch der Anspruch des Betroffenen, dass das Gericht seine Ausführungen zur Kenntnis nimmt und in die Entscheidungsüberlegungen einbezieht (BVerfGE 11, 218; BGHSt. 28, 44). Es gewährt hingegen keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Betroffenen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG NJW 1992, 2811).

b) Nach den Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005 (2 BvR 625/01 und 2 BvR 638/01) und vom 24. Februar 2006 (2 BvR 836/04) ist im Rahmen des Ablehnungsverfahrens die Vorschrift des § 26a Abs. 1 StPO nach verfassungskonformer Auslegung nur auf solche Gesuche anzuwenden, die allein auf der Grundlage einer formellen Prüfung entschieden werden können (sog. echte Formalentscheidungen). Das vereinfachte Verfahren beschränkt sich mithin auf Gesuche, die schon grundlegende, regelmäßig einfach zu erfüllende Formerfordernisse nicht beachten oder evident missbräuchliche Zwecke verfolgen, also auf solche Fälle, die jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich machen. Umgekehrt folgt hieraus, dass das Gericht dem nach § 27 StPO zuständigen Gericht die Entscheidung überlassen muss, wenn auch nur geringe Zweifel am Vorliegen der Gründe des § 26a Abs. 1 StPO bestehen, um den Anschein einer Entscheidung in eigener Sache zu vermeiden. Dabei muss die Auslegung des Ablehnungsgesuchs darauf ausgerichtet sein, es seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen, um nicht im „Gewande der Zulässigkeitsprüfung“ in eine Begründetheitsprüfung einzutreten (BVerfG NJW 2005, 3410; BVerfGK 7, 325; BGH NStZ 2015, 175).

c) Anderseits – worauf die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht hinweist – begründet nicht jede fehlerhafte Handhabung von Zuständigkeitsvorschriften zugleich einen Verfassungsverstoß. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Dies ist bei einer fehlerhaften Rechtsanwendung dann der Fall, wenn sie sachlich schlechthin unhaltbar ist (BVerfGE 58, 163; BVerfGK 6, 239), also sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar erscheint (BVerfG NJW 2004, 151). Gleichwohl, weil in einem solchen Fall die Anwendung des § 26a Abs. 1 StPO dem Betroffenen nicht den gesetzlichen Richter – und damit auch nicht dessen Anspruch auf rechtliches Gehör – entziehen kann (BVerfG NStZ-RR 2006, 379), ist lediglich von einer schlicht fehlerhaften Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften der §§ 26a, 27 StPO auszugehen, wenn die Ablehnungsentscheidung nach den anderen in § 26a Abs. 1 StPO genannten Gründen hätte abgelehnt werden können (BGH StraFo 2006, 452; KG VRS 132, 57).

d) Gemessen an diesen Maßstäben durfte der Bußgeldrichter im vereinfachten Ablehnungsverfahren nach § 26a Abs. 1 StPO entscheiden. Die Vorgehensweise des Bußgeldrichters, das Gesuch wegen Verschleppungsabsicht abzuweisen, stellt sich im Ergebnis als lediglich fehlerhaft und nicht als eine zur Gehörsverletzung führende willkürliche Entscheidung dar.

aa) Die Entscheidung des Bußgeldrichters, das Ablehnungsgesuch wegen Verschleppungsabsicht des Betroffenen gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen, war rechtsfehlerhaft. Hierfür zeigt das Verhalten des Betroffenen keine hinreichenden Anhaltspunkte auf. Diese ergeben sich weder aus dem Gesuch selbst noch aus der Gesamtwürdigung des Verfahrensgeschehens.

bb) Die die Zuständigkeit des Bußgeldrichters begründende Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs ergab sich jedoch aus § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO, da die Begründung zur Rechtfertigung des Gesuchs völlig ungeeignet ist.

Es ist allgemein anerkannt, dass ein Ablehnungsantrag, der zwar – rein formal betrachtet – eine Begründung für die angebliche Befangenheit enthält, aber ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet ist, dem gänzlichen Fehlen einer solchen Begründung gleichsteht (BGH NStZ 2014, 725). Hiervon umfasst sind Gesuche, die Handlungen des Richters beanstanden, welche nach der Prozessordnung vorgeschrieben sind oder sich ohne weiteres aus der Stellung des Richters ergeben (BVerfGK 7, 325).

Bezieht sich das Gesuch – wie hier – auf Entscheidungen im Zusammenhang mit der Unterbrechung der Hauptverhandlung, ist festzuhalten, dass über die Frage der kurzfristigen Unterbrechung – jedenfalls zunächst – der Vorsitzende im Rahmen der ihm gemäß §§ 238 Abs. 1 StPO, 229 Abs. 1 Satz 2 StPO obliegenden Sachleitung nach pflichtgemäßen Ermessen entscheidet (KK-StPO/Gmel, StPO 7. Aufl. 2013, § 228 Rn. 2). Derartige Maßnahmen vermögen grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit gemäß § 24 Abs. 2 StPO zu begründen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl. § 24 Rn. 17). Rechtfertigen können die Ablehnung nur grobe, insbesondere objektiv willkürliche oder auf Missachtung grundlegender Verfahrensrechte von Prozessbeteiligten beruhende Verstöße gegen Verfahrensrecht (KK-StPO/Scheuten, StPO 7. Aufl. 2013, § 24 Rn. 14).

Derartige Verstöße zeigt der Betroffene nicht auf. Der Vortrag des Betroffenen gibt für eine sachwidrige Entscheidung schon deshalb nichts her, da ausgeführt wird, der Bußgeldrichter habe eine kurzzeitige Unterbrechung mit Blick auf die folgenden Termine abgelehnt. Da nicht behauptet wird, es habe keine Anschlusstermine gegeben, ist nicht erkennbar, inwiefern diese sachlichen Erwägungen des Bußgeldrichters eine unzulässige Entscheidung begründen sollen. Soweit der Betroffene meint, die Unterbrechung sei bereits deshalb ermessensfehlerhaft nicht gewährt worden, weil diese keine „gravierende Verzögerung“ bedeutet hätte, stellt dies eine – den erforderlichen Vortrag nicht ersetzende – Wertung dar. Der Betroffene verkennt hierbei, dass die Entscheidung und Bewertung, ob es sich um eine gravierende, den weiteren Ablauf beeinträchtigende Verzögerung handelt oder nicht, zunächst einmal dem Vorsitzenden und nicht ihm obliegt. Ebenso ist ohne Belang, ob die Unterbrechung „üblicherweise“ durch das Amtsgericht gewährt wird.

Soweit das Ablehnungsgesuch auf die nach Einlassung des Betroffenen erfolgten Äußerungen des Bußgeldrichters Bezug nimmt und hieraus verfahrensfremde Erwägungen des Vorsitzenden herleiten möchte, lassen bereits weder das Ablehnungsgesuch noch der Zulassungsantrag hinreichend erkennen, ob der Betroffene diese Äußerung überhaupt als Ausdruck der Voreingenommenheit des Bußgeldrichters verstanden hat. So bezieht sich das Ablehnungsgesuch vordringlich auf die Entscheidungen des Vorsitzenden im Zusammenhang mit der Unterbrechung der Hauptverhandlung. Aber selbst bei entsprechend weiter und wohlwollender Auslegung des Gesuchs, ist der Betroffene mit einem solchen Vorbringen präkludiert, da es verspätet vorgebracht wurde. In der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Variante des § 25 Abs. 2 StPO kommt es nämlich darauf an, dass die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird, d.h. sobald die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten bekannt geworden sind. Dies richtet sich zwar nach den Umständen des Einzelfalls. Im Interesse einer zügigen Durchführung des Verfahrens muss jedoch ein strenger Maßstab angelegt werden, um das Gericht in die Lage zu versetzen, sofort die erforderlichen Stellungnahmen einzuholen und zu entscheiden (BGH NStZ 2008, 578). Zu berücksichtigten ist hierbei, dass dem Angeklagten stets eine angemessene Überlegungsfrist und die ausreichende Möglichkeit einzuräumen ist, sich mit seinem Verteidiger zu beraten (BGH NStZ 1984, 371). Auch ist anerkannt, dass bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit bedacht werden muss, dass ein anfänglicher Eindruck einer Voreingenommenheit durch das weitere Verhalten des abgelehnten Richters gestützt und verstärkt werden kann (BGH NJW 2018, 2578; StV 1988, 281; OLG München NJW 2007, 449).

Nach diesen Maßstäben wäre der Betroffene bereits grundsätzlich nach der Äußerung des Vorsitzenden gehalten gewesen, eine Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Prüfung eines Ablehnungsgesuchs zu beantragen. Da dies nicht erfolgt ist, hätte es eines entsprechenden Vortrags des Betroffenen bedurft, er habe – nach einem anfänglichen, noch nicht zum Ablehnungsgesuch führenden Eindruck der Voreingenommenheit – das weitere Verfahren hierauf abgewartet. An einem solchen Vortrag fehlt es gänzlich. Der Betroffene legt nicht dar, warum er die Äußerung des Richters nicht zum Anlass genommen hat, ein Ablehnungsgesuch zu stellen. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für ein – unter Umständen – zulässiges Abwarten. Im Gegenteil: Nach der Bemerkung wurde in die Beweisaufnahme eingetreten und der Zeuge vernommen. Die anfänglichen Bemerkungen können daher nicht zur Zulässigkeit des Gesuchs verhelfen.

Darüber hinaus sind keine weiteren Umstände vorgetragen, die auf eine das Ermessen missbrauchende Entscheidung hindeuten könnten, so dass im Ergebnis der Bußgeldrichter das Gesuch als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO hätte verwerfen müssen. Die auf die Ablehnung des Gesuchs als unzulässig gestützte Verfahrensrüge hat keinen Erfolg.“

Auch hier im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH Zweifel, ob das so richtig ist/war und ob nicht doch der Vertretunsgrichter entscheiden musste. Die Bußgeldrichter ist hier m.E. nach dem Prinzip: Augen zu und durch, verfahren.

Verfahrensrüge, oder: Ist es denn so schwer, die richtig vorzubereiten?

entnommen openclipart.org

So, heute dann nach der „Nachlese“ zur Änderungen des Mobilfunkparagrafen (vgl. gerade hier: Mobilfunkparagraf II, oder: Demnächst droht ggf. Fahrverbot = Dobrindt 2.0) keine weiteren bereits beschlossenen oder noch zu erwartenden gesetzlichen Änderungen. Die Änderungen/Neuregelungen kommen übrigens derzeit schneller als man bloggen kann, nur gut, dass der Bundestag schon in der „Sommerpause“ ist. Typisch Ende der Legislaturperiode. Heute zur Erholung 🙂 dann (hoffentlich) nur noch Rechtsprechung.

Und ich starte mit dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.05. 2017 – IV-2 RBs 79/17, dem folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde gelegen hat. Dem Verteidiger des Betroffenen war im August 2015 durch die Bußgeldbehörde Akteneinsicht gewährt worden. Der Eichschein zu der verwendeten Verkehrsüberwachungsanlage ProVida 2000 Modular gelangte erst danach zu den Akten. Die Schulungsnachweise reichte der als Zeuge geladene Messbeamte dann im Hauptverhandlungstermin zu den Akten. Daraufhin beantragte der Verteidiger, die Hauptverhandlung auszusetzen und ihm ergänzende Akteneinsicht zu gewähren. Das AG unterbrach die Sitzung für 15 Minuten und gab dem Verteidiger Gelegenheit zur ergänzenden Akteneinsicht. Nach dieser Unterbrechung lehnte das AG den Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung ab. Einen Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung zwecks Einziehung von Erkundigungen hat der Verteidiger nach Erhalt der ergänzenden Akteneinsicht nicht gestellt. Das AG hat den Betroffenen dann wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit welcher er beanstandet, dass die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt unzulässig beschränkt worden sei (§ 338 Nr. 8 StPO). Der Verteidiger war der Auffassung, dass die 15-minütige Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht ausreichend war. Es habe für die Verteidigung keine Möglichkeit bestanden, Eichschein und Schulungsnachweis einem Sachverständigen zugänglich zu machen. Die eigene Sachkunde des Verteidigers habe für die Beurteilung der Richtigkeit der fehlenden Akteninhalte regelmäßig nicht ausgereicht. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als

Das OLG führt aus: Betreffe die Rüge der Beschränkung der Verteidigung eine nur unvollständige Akteneinsicht, so müsse die konkrete kausale Beziehung zwischen diesem geltend gemachten Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt dargelegt werden (vgl. BGH NJW 1981, 2267; NStZ-RR 2004, 50). Daran fehle es hier. Konkrete Einwände gegen die Richtigkeit des Eichscheins und der Schulungsnachweise habe der Betroffene auch nach erfolgter Akteneinsicht nicht vorgebracht. Im Übrigen habe der Verteidiger die ergänzende Akteneinsicht bereits vor dem Beschluss des AG, durch den der Aussetzungsantrag abgelehnt wurde, erhalten. Während der Unterbrechung der Hauptverhandlung für 15 Minuten habe für den Verteidiger hinreichend Gelegenheit bestanden, den Inhalt des Eichscheins (zwei Seiten) und der Schulungsnachweise (vier jeweils nur einen kurzen Text enthaltende Seiten) zur Kenntnis zu nehmen. Damit sei der Antrag auf ergänzende Akteneinsicht (§ 46 Abs. 1 OWiG, § 147 Abs. 1 StPO) erledigt gewesen. Ob der Verteidiger auch Ablichtungen dieser Unterlagen gewünscht und ggf. erhalten habe, werde in der Begründungschrift nicht mitgeteilt.

Und weiter:

Tatsächlich zielt das Rügevorbringen darauf ab, dass keine Gelegenheit bestanden habe, den Eichschein und die Schulungsnachweise vor dem Urteil einem (privaten) Sachverständigen zur Prüfung vorzulegen.

Diese Zielrichtung des Rechtsmittels betrifft indes nicht eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung mangels ausreichender Akteneinsicht, sondern eine solche Beschränkung mangels Gelegenheit zur Einziehung von Erkundigungen bei verspäteter Vorlage von Beweismitteln (§ 71 Abs. 1 OWiG, §§ 246 Abs. 2, 338 Nr. 8 StPO).

Ein Verstoß gegen § 246 Abs. 2 StPO kann indes nur dann mit der Rechtsbeschwerde gerügt werden, wenn in der Hauptverhandlung ein darauf gestützter Aussetzungsantrag gestellt worden ist (vgl. Becker in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 246 Rdn. 24; KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 246 Rdn. 12; Trüg/Habetha in: MünchKomm, StPO, 1. Aufl., § 246 Rdn. 21).

Daran fehlt es hier. Der Verteidiger wäre gehalten gewesen, in der Hauptverhandlung (auch) einen Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 2 StPO zu stellen. Der lediglich zwecks ergänzender Akteneinsicht gestellte Aussetzungsantrag war durch die Gewährung der beantragten Akteneinsicht überholt und bietet keine Grundlage, um die mangelnde Gelegenheit zur Einziehung von Erkundigungen mit der Rechtsbeschwerde in zulässiger Weise rügen zu können.

Im Übrigen fehlt jegliche Darlegung, welches konkrete verfahrenserhebliche Ergebnis die Befragung eines (privaten) Sachverständigen mit Blick auf den Eichschein und die Schulungsnachweise erbracht hätte.

Leider mal wieder eine Rechtsbeschwerde, bei der die Verfahrensrüge schon am mangelnden Vortrag, der auf mangelnder Vorbereitung der Verfahrensrüge in der Hauptverhandlung beruht, scheitert. Die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 8 StPO hat eben nur Erfolg, wenn der Verteidiger in der Hauptverhandlung richtig agiert und für einen „Beschluss“ gesorgt hat. Das gilt für alle mit der Akteneinsicht zusammenhängende Fragen aber auch für sonstige Verfahrensfragen. Und dabei muss der Verteidiger immer auch im Augen behalten, ob nicht ggf. bestimmte Verfahrensfragen – so wie hier – „abgearbeitet“ sind.

Alles in allem: So schwer ist das an sich nicht. Für den Verteidiger hier aber offenbar wohl. Denn der hatte noch nicht einmal die Sachrüge erhoben.