Schlagwort-Archive: Unterschrift

Schriftzug aus „Strichen, Punkten und Haken“ – Ist das eine Unterschrift?

Was ist eine Unterschrift bzw. wie lange kann man eine Aneinanderreihung von „Strichen, Punkten und Haken “ noch als ausreichende Unterschrift unter einem Schriftsatz ansehen. Dazu nimmt der BGH, Beschl. v. 26.04.2012 – VII ZB 36/10 – jetzt noch einmal Stellung. Ist eine Entscheidung, die im Zivilrecht in Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer Unterschrift unter eine Berufungsbegründung ergangen ist. Die Ausführungen des BGH haben aber auch Auswirkungen auf strafverfahrensrechtliche Rechtsmittel. Denn auch da muss eine „wirksame Unterschrift vorliegen. Der BGh führt zu der Frage aus:

aa) Eine den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO genügende Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – IV ZB 9/11, Rn. 6, bei juris; Beschluss vom 22. November 2005 – VI ZB 75/04, VersR 2006, 387 Rn. 5; Urteil vom 11. Ok-tober 2005 – XI ZR 398/04, NJW 2005, 3773; Beschluss vom 15. Juni 2004 VI ZB 9/04, NJW-RR 2004, 1364; Beschluss vom 28. August 2003 – I ZB 1/03, MDR 2004, 349, 350; Urteil vom 31. März 2003 II ZR 192/02, NJW 2003, 2028; ebenso: BAG, NJW 1990, 2706). Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 IV ZB 9/11, Rn. 6, bei juris).

aa) Eine den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO genügende Unterschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen die Identi-tät des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug voraus, der
individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, der sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und der die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Dabei ist in Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, jedenfalls bei gesicherter Urheberschaft ein großzügiger Maßstab anzulegen (BGH, Beschluss vom 27. September 2005 – VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775 m.w.N.; Beschluss vom 17. November 2009 – XI ZB 6/09, NJW-RR 2010, 358 Rn. 12).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Schrift-zug auf der Berufungsschrift um eine Unterschrift im Sinne des § 130 Nr. 6 ZPO. Die hierfür erforderlichen Feststellungen trifft der Senat selbständig ohne Bindung an die Ausführungen des Berufungsgerichts (BGH, Beschluss vom 17. November 2009 – XI ZB 6/09, NJW-RR 2010, 358; Urteil vom 24. Juli 2001 VIII ZR 58/01, NJW 2001, 2888).
Allerdings ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass die Unterschrift keinen lesbaren Namenszug erkennen lässt. Sie besteht, wie die vom Beklag-ten zur Akte gereichten Schriftproben zeigen, nach einem jahrzehntelangen, sukzessiven Abschleifungsprozess nur noch aus den stilisierten Überbleibseln einer Reihenfolge von Buchstaben, aus denen sich der Vor- und Nachname Rechtsanwalt M.s zusammensetzt. Gleichwohl weist der vom Berufungsgericht zutreffend als Abfolge aus Strichen, Punkten und Haken beschriebene Schriftzug starke individuelle Merkmale auf, die insbesondere wegen der ungewöhnlichen Kombination der Schriftzeichen keinen ernsthaften Zweifel daran aufkommen lassen, dass es sich um eine von ihrem Urheber zum Zwecke der Individualisierung und Legitimierung geleistete Unterschrift handelt. Rechtsanwalt M. unterschreibt, wie er durch seine ebenso unterzeichnete eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht hat, seit Jahren in dieser Weise. Auch dem Berufungsgericht liegen aus anderen Verfahren Schriftstücke vor, welche seine gleich geartete Unterschrift tragen, ohne dass dies beanstandet worden wäre.“

Auf die vom BGH auch angesprochene Frage der Wirksamkeit der „I.V.-Unterschrift“ komme ich dann noch einmal gesondert zurück.

Alleinunterhalter? Eröffnungsbeschluss bei der Strafkammer mit nur einer Unterschrift!

Ich frage mich immer, wie so etwas passieren kann. Ich hatte ja schon über den BGH, Beschl. v. 29.09.2011 – 3 StR 280/11 betreffend einen unwirksamen Eröffnungsbeschluss berichtet. Hier dann der nächste Beschluss, in dem wieder ein nur mit einer Unterschrift versehener Beschluss eine Rolle spielt. Dazu allerdings der 4. Strafsenat in BGH, Beschl. v. 21.12.2011 – 4 StR 553/11:

Die Revisionen der Angeklagten G. , T. und J. sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Insbesondere liegt das Verfahrenshindernis eines fehlenden bzw. unwirksamen Eröffnungsbeschlusses nicht vor.
Ein Eröffnungsbeschluss ist unwirksam, wenn er nicht von der im Gesetz vorgeschriebenen Anzahl an Richtern erlassen wurde, „wobei es nicht auf die Zahl der Unterschriften, sondern nur auf die Zahl der Richter ankommt, die bei der Beschlußfassung mitgewirkt haben“ (so bereits BGH, Urteil vom 14. Mai 1957 – 5 StR 145/57, BGHSt 10, 278, 279 mwN). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Er ist hieran auch nicht durch die im Beschluss des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 29. September 2011 (3 StR 280/11) als entgegenstehend zitierte Rechtsprechung gehindert. Denn der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in späteren Entscheidungen eine etwaige entgegenstehende frühere Rechtsprechung aus dem Jahr 1977 aufgegeben (vgl. Ur-teil vom 8. Juni 1999 – 1 StR 87/99, NStZ-RR 2000, 34; Beschluss vom 6. April 2005 – 1 StR 60/05); der 4. Strafsenat hält an einer etwaigen entgegenstehen-den Rechtsprechung nicht fest.

Da durch die dienstliche Erklärung der drei berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 2. September 2011 bewiesen ist, dass die Eröffnung des Hauptverfahrens von diesen Richtern (mündlich) beschlossen und lediglich der schriftliche Beschluss versehentlich von zwei der Richter nicht unterschrieben wurde, liegt ein Verfahrenshindernis nicht vor.

Na ja. Sollte man merken.

Sauklaue II

Ich hatte vor einigen Tagen über einen Beschluss des OLG Köln berichtet, in dem das OLG ein amtsgerichtliches Urteil als nicht unterschrieben angesehen hat, weil die Unterschrift des Amtsrichters nicht identifizierbar war (vgl. hier: Sauklaue….). Dazu passt ganz gut der (zivilrechtliche) BGH, Beschl. v. 26.10.2011 – IV ZB 9/11.

Da war es nicht die richterliche Unterschrift, sondern die des Rechtsanwalts unter der Berufungsbegründung. Der BGH sagt – ebenso wie das OLG Köln zum Richter – Die Unterschrift des Rechtsanwalts unter der Berufungsbegründung muss identifizierbar sein. Eine Berufungsbegründung von einem zur Vertretung bei dem Berufungsgericht berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig und identifizierbar unterschrieben sein. Erst wenn überhaupt eine Art von Identifizierung der die Unterschrift leistenden Person möglich ist, kann eine Überprüfung der Postulationsfähigkeit des Unterzeichnenden erfolgen.

Allerdings: Die Unterzeichnung ist (nur) dann als entbehrlich anzusehen, wenn sich aus den sonstigen Umständen zweifelsfrei ergibt, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt eines fristwahrenden Schriftsatzes übernommen hat. Dies ist etwa anzunehmen, wenn der Mangel der Unterschrift in dem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz durch die gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben wird.

Sauklaue – und: Da hat es aber einer eilig gehabt

Als Kommentar zu dem OLG Köln, Beschl. v. 19.07.2011 – III 1 RVs 166/11 – zugrundeliegenden amtsgerichtlichen Urteil fiel mir spontan ein: Sauklaue, und: Da hat es aber einer eilig gehabt. Denn das OLG hat die amtsgerichtliche Entscheidung aus zwei Gründen aufgehoben.

Zunächst: Wegen der Sauklaue – ein formeller Mangel. Das Urteil war nämlich nicht unterschrieben. Nun ja, unterschrieben war es bzw. da stand etwas, aber nicht so, wie man sich eine Unterschrift wünscht. Zur wirksamen Unterzeichnung eines Urteils ist nämlich ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug erforderlich, der sich nicht nur als Namenskürzel (Paraphe) darstellt, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen aufweist und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschwert. Dazu das OLG:

„Eine diesen Anforderungen genügende Unterschrift weist das angefochtene Urteil nicht auf. Es ist handschriftlich lediglich mit Zeichen versehen, die keinerlei Ähnlichkeit mit einem einzigen Buchstaben oder mit einer Buchstabenfolge aus dem Namen „Q.“ aufweisen. Sie bestehen vielmehr lediglich aus einer Art nach rechts geneigter Sinuskurve mit einer kleinen Schlaufe am unteren linken Rand des Aufstrichs.“

Und dann: „Da hat es aber einer eilig gehabt“….denn: Das Urteil hatte keine tatsächlichen Feststellungen, sondern da hieß es nur: Die Hauptverhandlung hat zu folgenden Feststellungen geführt:<einrücken wie () AS Bl. 65 d. A.>“ Super :-(. Nein ganz schlecht. Denn der Amtsrichter hatte es wohl wirklich eilig. Er hat nicht nur die „Feststellungen eingerückt“. Das Kürzel „AS“ spricht für die Anklageschrift, also hat er offenabr keine eigenen Feststellungen in der Hauptverhandlung getroffen, oder? Und: Er hat beim Unterschreiben (s.o.) noch nicht einmal gemerkt, dass die Kanzlei seine Arbeitsanweisung „einrücken wie…2 nicht ausgeführt, sondern einfach so übernommen hat. Also ein ganz Schneller/Eiliger.

Also: „Sauklaue“ ist nicht so schlimm, das kann passieren und sollte für den Verteidiger gelegentlich Anlass sein, seine Unterschrift mal zu überprüfen. Lesbar? Schlimmer finde ich den zweiten Punkt. So eilig sollte man es nun nicht haben. Denn immerhin war eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen festgesetzt…

Wer kann da nicht bis drei zählen?

Ich bin immer wieder erstaunt über Entscheidungen des BGH, in denen nicht von allen drei richterlichen Mitgliedern der Strafkammer unterschriebene Eröffnungsbeschlüsse eine Rolle spielen.

So z.B. der gerade veröffentlichte BGH, Beschl. v. 29.09.2011 -3 StR 280/11. Da fragt man sich dann doch: Merkt das eigentlich keiner? Spätestens auf der Geschäftsstelle müsste doch auffallen, dass auf dem EÖB nicht alle erforderlichen Unterschriften sind, egal, ob im Umlaufverfahren verfasst oder nicht. Auch der Vorsitzende müsste m.E. doch darauf achten oder der Richter, der als Berichterstatter den EÖB entwirft.

Wird es übersehen, muss der BGH Klimmzüge machen, wenn er die Sache noch „halten“ will. In 3 StR 280/11 hat das nicht geklappt.