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StGB III: Computerbetrug, oder: Onlineticketkauf unter unbefugter Kreditkartennutzung

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Und nach der etwas schwereren „StGB-Kost“ in den letzten beiden Postings dann zum Tagesschluss nocht etwas „Leichteres“, nämlich den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.2020, III-2 RVs 85/20.

Es geht um die Strafbarkeit von Computerbetrug (§ 263a StGB). Dazu hatte das LG als Berufungsgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

„Der Angeklagte verschaffte sich auf unbekanntem Wege eine Vielzahl von Kreditkartendaten, wobei die Kreditkarten und Kreditkartennummern tatsächlich existierten. Unter unbefugter Verwendung der Kreditkartennummern kaufte der Angeklagte in der Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 8. Februar 2019 über die Internetplattform der Deutschen Bahn AG in mindestens 35 Fällen Online-Tickets für Fahrten mit deren Zügen (Gesamtpreis: 8.660,95 Euro). Eine besondere Kundenauthentifizierung fand seinerzeit nicht statt. Die Online-Tickets wurden ohne Zwischenschaltung eines Menschen an die jeweils von dem Angeklagten mitgeteilte Email-Adresse übersandt. Dieser wollte die Online-Tickets entweder selbst für Bahnfahrten benutzen oder an Dritte veräußern.

Die Deutsche Bahn AG buchte die Entgelte für die Online-Tickets von dem für die jeweilige Kreditkarte eingerichteten Konto des rechtmäßigen Karteninhabers ab. Da die Abbuchungen mit Ausnahme eines Falles von dem rechtmäßigen Karteninhaber als unberechtigt beanstandet wurden, erfolgte in 34 Fällen jeweils eine Rückbuchung.

Da nicht mehr feststellbar war, ob und inwieweit die Online-Tickets tatsächlich für Zugfahrten benutzt worden waren, ist die Strafkammer zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass die an ihn übermittelten Online-Tickets nicht für Zugfahrten verwendet wurden. Vor diesem Hintergrund hat die Strafkammer darauf abgestellt, dass im Hinblick auf eine missbräuchliche Verwendung der Online-Tickets zumindest eine schadensgleiche Vermögensgefährdung zum Nachteil der Deutschen Bank AG entstanden sei.“

Dagegen die Revision des Angeklagten, die (insoweit) keinen Erfolg hatte:

„Der Erörterung bedarf allein der Umstand, dass das Landgericht (lediglich) eine schadensgleiche Vermögensgefährdung angenommen hat. Zwar trägt auch diese Bewertung den Schuldspruch wegen Computerbetruges (§ 263a Abs. 1 StGB). Richtigerweise ist hier indes auf einen bereits entstandenen Vermögensschaden abzustellen.

Für den Eintritt eines Vermögensschadens zu Lasten der Deutschen Bahn AG kommt es nicht darauf an, ob die Online-Tickets tatsächlich für Zugfahrten benutzt wurden. Auch ist unerheblich, dass die Züge, die mit den Online-Tickets hätten genutzt werden können, ohnehin gefahren sind. Denn es liegt die Konstellation eines vertraglichen Austauschverhältnisses vor, bei dem der Vertragspartner, der eine entgeltliche Leistung erbringt oder bereitstellt, nicht die von dem anderen Vertragspartner geschuldete Gegenleistung erhält (vgl. Hefendehl in: Münchener Kommentar, StGB, 3. Aufl. 2019, § 263 Rdn. 487 f.).

Mit der Bereitstellung des gebuchten Online-Tickets ist jeweils ein Personenbeförderungsvertrag zwischen dem Angeklagten als Besteller und der Deutschen Bahn AG zustande gekommen (vgl. Sliwick-Born in: BeckOGK Zivilrecht, Stand: Oktober 2020; Art. 4 Bahngastrechte-VO Rdn. 32; Pohar NZV 2003, 257, 261). Als Gegenleistung für den Erwerb der die Nutzungsberechtigung verkörpernden Online-Tickets war der fällige Fahrpreis zu entrichten. Die Inanspruchnahme der Nutzungsberechtigung durch Benutzung der verkehrenden Züge oblag dem Ticketinhaber.

Das von dem Angeklagten jeweils geschuldete Entgelt ist dem Vermögen der Deutschen Bahn AG nicht zugewachsen. Die zu Lasten der rechtmäßigen Kreditkarteninhaber erfolgten Abbuchungen sind storniert worden (Chargeback). Soweit dies in einem Fall bisher nicht geschehen ist, besteht jedenfalls eine Rückzahlungsverpflichtung.

In der Literatur ist unter normativen oder funktionalen Gesichtspunkten anerkannt, dass beim „Leistungsbetrug“ ein Vermögensschaden des Leistenden eintritt, wenn sich der Täter Leistungen (etwa von Verkehrsbetrieben, Sporteinrichtungen, Theatern, Ausstellungen) erschleicht, für die üblicherweise ein Entgelt zu entrichten ist (vgl. hierzu: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 263 Rdn. 39a; Tiedemann in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl. 2012, § 263 Rdn. 189; Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 263 Rdn. 139; Kindhäuser in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl. 2017, § 263 Rdn. 315). Eines Rückgriffs auf eine normative oder funktionale Betrachtungsweise bedarf es für die Feststellung eines Vermögensschadens vorliegend indes nicht, da der Deutschen Bahn AG nach Bereitstellung der Online-Tickets jeweils die vertraglich geschuldete Gegenleistung versagt blieb (vgl. zum Vermögensschaden bei Austauschverträgen: BGH StV 2020, 754 = BeckRS 2019, 41324). Der wirtschaftliche Wert der dem Angeklagten übermittelten Online-Tickets entspricht dem tariflichen Fahrpreis.

Für die Schadensbewertung ist unerheblich, inwieweit bei der Deutschen Bahn AG nach Maßgabe des § 9 Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO) tariflich eine Fahrpreiserstattung wegen Nichtbenutzung des Fahrausweises vorgesehen ist (vgl. Tiedemann a.a.O.). Denn die Berücksichtigung dieses Aspektes würde dem Schutzzweck der Betrugsnormen widersprechen. Eine Fahrpreiserstattung kann von vornherein nur einem rechtmäßigen Ticketinhaber zugutekommen, der den Fahrpreis entrichtet hat.“