Schlagwort-Archive: Umbeiordnung

Na bitte, geht doch, oder: Der zulässige Gebührenverzicht des (neuen) Pflichtverteidigers

© yvon52 - Fotolia.com

© yvon52 – Fotolia.com

Und zum Abschluss des heutigen Tages dann noch eine Problematik, die in der Praxis häufig noch Schwierigkeiten macht, nämlich die Auswechselung/Umbeiordung eines Rechtsanwalts als Plfichtverteidiger. Das wird zwar grundsätzlich bei allseitigem Einverständnis, dem Ausschluss einer Verfahrensverzögerung und der Vermeidung von Mehrkosten als möglich angesehen. Einige OLG machen aber Probleme bei der Frage, ob der neue Verteidiger auf Geltendmachung der durch den Verteidigerwechsel entstandenen Mehrkosten – meist u.a. die Grundgebühr – verzichten kann.

Das OLG Karlsruhe hat im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.12.2015, 2 Ws 582/15 – das nun noch einmal – mit der m.E. überwiegenden Meinung – als zulässig angesehen:

„Nach allgemeiner Meinung kann eine Auswechslung des Pflichtverteidigers indes auch dann erfolgen, wenn der Angeschuldigte und beide Verteidiger damit einverstanden sind, dadurch keine Verfahrensverzögerung eintritt und auch keine Mehrkosten entstehen (OLG Bremen NStZ 2014, 358; OLG Oldenburg NStZ-RR 2010, 210; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 47; OLG Köln StraFo 2008, 348 und StV 2011, 659; OLG Braunschweig StraFo 2008, 428; OLG Bamberg NJW 2006, 1536; OLG Jena JurBüro 2006, 366; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 143 Rn. 5a).

Nachdem das Zustimmungserfordernis erfüllt ist und Rechtsanwalt S. gegenüber dem Senat verbindlich erklärt hat, für die Durchführung einer Hauptverhandlung – wie vom Gericht mit den übrigen Verteidigern abgesprochen – am 21. und 22.1.2016 zur Verfügung zu stehen, ist danach allein noch erheblich, ob Rechtsanwalt S. auf seinen Gebührenanspruch in Höhe der bereits durch die Vertretung durch Rechtsanwalt M. angefallenen Gebühren verzichten darf und deshalb durch den Verteidigerwechsel keine Mehrkosten entstehen. Dies wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise im Hinblick auf § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO für unzulässig erachtet (OLG Bremen a.a.O.; OLG Köln a.a.O.; OLG Jena a.a.O.). Dem wird jedoch zutreffend entgegengehalten, dass dem von § 49b BRAO verfolgten Zweck, einen Preiswettbewerb um Mandate zu verhindern, in der vorliegenden Fallkonstellation ausreichend dadurch begegnet wird, dass ein Wechsel nur bei Einverständnis beider beteiligter Anwälte möglich ist (OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Oldenburg a.a.O.; im Ergebnis auch OLG Braunschweig a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.).“

Na bitte, geht doch…. 🙂

Wie werde ich einen (ungeliebten) Pflichtverteidiger los? Umbeiordnung

© JiSIGN - Fotolia.com

© JiSIGN – Fotolia.com

Die „Umbeiordnungsproblematik“, wer kennt sie als Verteidiger nicht. Meist in folgender Konstellation: Der Beschuldigte wird in einem Vorführtermin in Haft genommen und es wird ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet. So weit, ggf. auch so gut. Aber was ist, wenn der Beschuldigte diesen dann nicht (mehr) will und sich also ein Verteidiger des Vertrauens meldet, der beantragt, beigeordnet zu werden. Dann geht haüfig das Gezerre los, auch wenn der erste Verteidiger mit der „Umbeiordnung“ einverstanden ist.

Der LG Osnabrück. Beschl. v. 16.01.2014 – 1 Qs 4/14 – löst diese Problematik über die Frage der Anhörungspflicht aus § 142 Abs. 1 StPO, die auch dann gelte, wenn

sich die Notwendigkeit der Verteidigung .aus § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ergibt und der Verteidiger in diesem Fall gemäß § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO „unverzüglich‘ nach Beginn der Vollstreckung zu bestellen ist. Dies ändert nichts daran, dass dem Beschuldigten zur Ausübung seines Anhörungs- und Mitbestimmungsrechts zunächst ausreichend Gelegenheit gegeben werden muss, einen Verteidiger zu bezeichnen. „Unverzüglich“ bedeutet weder „gleichzeitig“ noch „sofort“, sondern — wie sonst im Rechtsverkehr üblich — „ohne schuldhaftes Zögern“, d.h. dem Verfahren ist wegen der Freiheitsentziehung auch insoweit besonders beschleunigt Fortgang zu geben. Die Gewährung einer angemessenen Überlegungsfrist in den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO gebietet schon die besondere Situation des — wie auch hier — oftmals überraschend und gerade eben in Untersuchungshaft genommenen Beschuldigten. Anderenfalls bestände die Gefahr, dass der Beschuldigte langfristig an einen Pflichtverteidiger gebunden bliebe, den er nicht gewählt hat oder an dessen Auswahl er sich infolge der Kürze der Zeit zwischen Verhaftung und Vorführung nicht hinreichend qualifiziert hat beteiligen können. Ein derartiges Ergebnis entspräche nicht dem Willen des Gesetzgebers, der die Rechtsstellung des Beschuldigten – insbesondere unter dem Gesichtspunkt seiner Verteidigung — durch die Schaffung des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO gerade stärken wollte (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 02.02.2011 2 Ws 50/11 —, juris). Ein Vorenthalten jeglicher Möglichkeit, nach einer Überlegungsfrist von im Regelfall mindestens einigen Tagen Stellung .zu beziehen, hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO ersichtlich nicht bezweckt, zumal er die Anhörung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO in Haftsachen nicht hat entfallen lassen.“

Und dann ordnet das LG ganz zwangslos um, ohne ein Wort auf die Gebührenfrage zu verschwenden. Das hatte übrigens dasselbe Gericht mal anders gesehen (vgl. hier: Pflichtverteidiger muss sich kümmern – sonst fliegt er raus…ein neuer Pflichtverteidiger darf aber nichts kosten).

Da sag doch noch mal einer, ein LG sei nicht lernfähig

Wenn man die Verfügung des LG Dresden v. 25.07.2013 in einem Totschlags-Verfahren (1 Ks 307 Js 2392/13) gelesen hat, kann man nur sagen: Chapeau, oder: Da sag doch noch mal einer, ein LG sei nicht lernfähig. Denn das LG hat ohne großes Getöse seine bis dahin vertretene Auffassung geändert und dem Angeklagten nun den von ihm gewünschten „Anwalt des Vertrauens“ beigeordnet:

„..Die Kammer hat mit Beschluss vom 04.02.2013 die schon damals beantragte Beiordnung des Rechtsanwalts Y. unter Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt X. im Wege des Beschwerdeverfahrens verworfen. Auch nach dem Schriftsatz des Verteidigers vom 27.06.2013, mit dem er erneut die Aufhebung der Pflichtverteidigung des Rechtsanwalts X. und seine eigene Beiordnung beantragt hat, gibt es inhaltlich darüber hinaus nichts festzustellen. Die Beiordnung von Rechtsanwalt X. ist ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Vorsitzende konnte sich jedoch im Termin zur Verkündung des Haftbefehls am 16.07.2013 selbst ein Bild davon machen, dass der Angeklagte nicht bereit ist, mit Rechtsanwalt X. zusammenzuarbeiten. Er gab an, er habe kurz mit ihm gesprochen und „könne mit ihm überhaupt nicht“. Alle weiteren Versuche von Rechtsanwalt X., mit ihm in Kontakt zu treten, wurden vom Angeklagten konsequent abgelehnt, da er zu diesem Zeitpunkt bereits in Kontakt mit dem von der Familie beauftragten Verteidiger Rechtsanwalt Y. stand und diesen ganz offensichtlich Rechtsanwalt X. vorzieht. Da Rechtsanwalt X. – ohne jedes eigene Verschulden – kein Vertrauensverhältnis zu dem Angeklagten aufbauen konnte, dies jedoch ganz offensichtlich nach den Worten des Angeklagten zu dem Verteidiger Rechtsanwalt Y. besteht, ist es hier sinnvoll, eine Beiordnung von Rechtsanwalt Y. durchzuführen. Die Beiordnung von Rechtsanwalt X. muss dann aus Kostengründen aufgehoben werden. Zusätzliche Kosten durch die Änderung der Beiordnung sind nicht entstanden, da Rechtsanwalt Y. in seinem Schriftsatz vom 27.06.2013 ausdrücklich vorträgt, dass er auf die bislang angefallenen Gebühren verzichten werde, damit der Staatskasse keine Mehrkosten entstehen. Offensichtlich ist die Familie des Angeklagten bereit, die entstandenen Gebühren zu übernehmen. Bei dieser Sachlage musste die Beiordnung aufgehoben und Rechtsanwalt Y. beigeordnet werden.“

Auch LG sind also nicht gegen bessere Einsicht gefeit.

 

Umbeiordnung – Pflichtverteidigung nur unter Bedingungen?

© Ulf Gähme – Fotolia.com

Die Umbeiordnung eines Rechtsanwaltes als Pflichtverteidiger wird von vielen Gerichten nicht und wenn überhaupt nur unter Bedingungen beschlossen. So auch vor einiger Zeit bei LG Hamburg, dass eine Umbeiordnung mit dem einschränkenden Zusatz „ohne Mehrkosten für die Staatskasse“ versehen hatte. Dagegen hat der Pflichtverteidiger Beschwerde eingelegt, über die im OLG Hamburg, Beschl. v. 21.06.2012 – 1 Ws 54/12 – das OLG entschieden Hat.

1. Das gemäß § 300 StPO als Beschwerde zu behandelnde „Rechtsmittel“ des Rechtsanwalts G. vom 7. Mai 2012, welches er im eigenen Namen gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Kleinen Strafkammer 10 des Landgerichts Hamburg vom 11. April 2012 insoweit eingelegt hat, als die Umbeiordnung mit dem einschränkenden Zusatz „ohne Mehrkosten für die Staatskasse“ versehen wurde. ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig. Durch diesen einschränkenden Zusatz wird in den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger gegen die Staatskasse eingegriffen (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 09, 348 f.; OLG Braunschweig, E. v, 9.8.2011, Ws 128/11 — aus juris).

 a)       § 305 S. 1 StPO steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Zwar hat der Vorsitzende des erkennenden Gerichts entschieden.  . Dies gilt nach der – auch vom Senat geteilten – herrschenden Meinung schon für die Pflichtverteidigerbestellung als solche, weil sie bei der Urteilsfällung nicht geprüft wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54, Aufl., Rn, 10a zu § 141 m.w.N.). Erst recht gilt dies aber für die gebührenbezogene Einschränkung bei der Verteidigerbestellung. Außerdem handelt es sich insoweit um eine Entscheidung, durch die der Rechtsanwalt i.S.d. § 305 S. 2 StPO als dritte Person betroffen wird.

b)       Rechtsanwalt G. ist durch den hier fraglichen gebührenbezogenen Zusatz beschwert Zwar bewirkt die Einschränkung keine unmittelbare Minderung der Pflichtverteidigervergütung, sondern sie kann erst im Festsetzungsverfahren zum Tragen kommen. Aber bereits der Erlass der gerichtlichen Entscheidung begründet die Beschwer, an der es auch nicht deshalb fehlt, weil die Einschränkung möglicherweise keine Wirkung im anschließenden Festsetzungsverfahren entfaltet. Zwar ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht an die Einschränkung des Vergütungsanspruchs aus dem Beiordnungsbeschluss gebunden, weil sie keine Grundlage im Gesetz findet (vgl. etwa OLG Brandenburg StraFo 06, 214 f.; Volpert in Burhoff [Hrsg.)    RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Rn. 23 zu § 54). Der Rechtsanwalt muss aber damit rechnen, dass sich der Urkundsbeamte an die gerichtliche Entscheidung hält (zur Beschwer in derartigen Fällen ebenso OLG Düsseldorf a.a.O.; auch Volpert a.a.O.).

 c)       Die Beschwerde ist auch entscheidungsreif. Dass diesbezüglich eine Entscheidung über eine Nichtabhilfe nicht vorliegt — der Kammervorsitzende hält, wie sich aus seinem Beschluss vom 7. Mai 2012 ergibt, das hier behandelte Rechtsmittel gegen seine Entscheidung vom 11. April 2012 für erledigt — steht einer Beschwerdeentscheidung des Senats nicht entgegen. Denn diese setzt eine Durchführung des Abhilfeverfahrens bei der Vorinstanz nicht notwendig voraus (vgl. Meyer-Goßner a.a.O., Rn. 10 zu § 306).“

Der Rechtsanwalt ist also durch einen solchen Beschluss beschwert und kann im eigenen Namen Rechtsmittel einlegen.