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„Fleppe“ weg? Unter 0,5 Promille gibt es Entschädigung

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In Verkehrsstrafsachen spielen immer wieder auch Entschädigungsfragen nach dem sog. StrEG eine Rolle, und zwar dann, wenn im Laufe des Ermittlungsverfahrens die Fahrerlaubnis vorläufig nach § 111a StPO entzogen worden ist, dann aber im Urteil keine endgültige Entziehung nach den §§ 69, 69a StGB erfolgt.  Dann erfolgt aber ggf. der Ruf nach Entschädigung. Vor deren Gewährung ist eine hohe Hürde zu überwinden, nämlich der § 5 Abs. 2 StrEG, der bei grob fahrlässiger Herbeiführung der Zwangsmaßnahme eine Entschädigung ausschließt. Und da stellt sich in Trunkenheitssachen immer die Frage: Hat der Angeklagte durch seine Alkoholisierung die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis grob fahrlässig veranlasst und gibt es deshalb keine Entschädigung. Mit einem soclhen Fall befasst sich der LG Oldenburg, Beschl. v. 17.03.20155 Qs 80/15. Das OLG Oldenburg hat Entschädigung gewährt:

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, an die die Kammer gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 StrEG i.V.m. § 464 Abs. 3 S. 2 StPO gebunden ist, befuhr die einem Blutalkoholgehalt von 0,47 ‰ alkoholisierte vormals Angeklagte mit ihrem Pkw gegen 03.15 Uhr nachts öffentliche Straßen. Dabei war sie zum Teil deutlich langsamer als erlaubt unterwegs (50 bis 70 km/h bei Geschwindigkeitsbegrenzungen von 70 und 100 km/h). In drei bis vier Kurven kam sie mindestens 50 cm auf die Gegenfahrbahn. Auf gerader Strecke nutzte sie die Breite der Fahrspur aus, ohne jedoch den Mittelstreifen zu überfahren. Das sachverständig beratene Amtsgericht konnte nicht feststellen, dass die Fahrfehler und Auffälligkeiten auf die Alkoholisierung der vormals Angeklagten zurückzuführen waren.

Auch folgt aus den Feststellungen nicht, dass die vormals Angeklagte die vorläufige Entziehung ihrer Fahrerlaubnis grob fahrlässig selbst herbeigeführt hat. Zwar weist die Staatsanwaltschaft zutreffend darauf hin, dass in der Rechtsprechung bereits die Schaffung eines erheblichen Tatverdachts einer Trunkenheitsfahrt durch Alkoholgenuss vor oder nach der Fahrt als grob fahrlässig angesehen werden kann (vgl. Nachweise bei: Krenberger, JurisPR-VerkR 18/2012 Anm. 5). Nach Auffassung des LG Aachen (Beschl. v. 30.01.2012, 71 Ns 227/10) ist dies der Fall, wenn der Beschuldigte das Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration geführt hat, die über dem Grenzwert des § 24a Abs. 1 StVG, also oberhalb von 0,5 ‰ liegt (so auch Meyer-Goßner a.a.O. Rn. 12; kritisch: Sandherr SVR 2012, 272 f., der zusätzlich verkehrswidriges Verhalten fordert).

Die Alkoholisierung der vormals Angeklagten lag hier jedoch – wenn auch nur knapp – unterhalb von 0,5 ‰. Die festgestellten Fahrfehler (Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot) und Auffälligkeiten (geringe Geschwindigkeit) ließen sich durch die Dunkelheit und Ortsunkundigkeit der vormals Angeklagten erklären. Insgesamt erscheint ihr Verhalten schon allein auf Grund des vorherigen Alkoholgenusses durchaus fahrlässig im Hinblick auf eine mögliche Fahrerlaubnisentziehung. Einen darüber deutlich hinausgehenden ungewöhnlich schweren Sorgfaltsverstoß kann die Kammer in dem Verhalten der vormals Angeklagten jedoch nicht erkennen. Jegliche Alkoholisierung eines Pkw-Fahrers im Straßenverkehr wird regelmäßig auf dessen sorgfaltswidriges und damit fahrlässiges Verhalten zurückzuführen sein. Dabei hat der Gesetzgeber durch das Erfordernis der groben Fahrlässigkeit in § 5 Abs. 2 StrEG allerdings klargestellt, dass nicht jede Sorgfaltswidrigkeit zum Ausschluss etwaiger Entschädigungsansprüche führen kann. Zwar mag es durchaus Fälle geben, in denen auch ein Alkoholisierungsgrad unterhalb des Grenzwertes des § 24a Abs. 1 StVG zur Annahme grober Fahrlässigkeit führt. In diesem Fall müssen aber die weiteren vorwerfbar geschaffenen Verdachtsmomente so erheblich sein, dass gleichwohl die Annahme grober Fahrlässigkeit gerechtfertigt ist. Dies macht auch ein Vergleich mit der zitierten Entscheidung des LG Aachen deutlich: Dort hatte die Angeklagte mit einer Blutalkoholkonzentration von knapp 0,8 ‰ zusätzlich einen Verkehrsunfall verursacht. An den dort zu Grunde liegenden Tatverdacht kommt die von der vormals Angeklagten hier geschaffene Verdachtslage erkennbar nicht heran. Die sofortige Beschwerde war daher zurückzuweisen.“

Also: Unter 0,5 Promille wird es danach i.d.R. Entschädigung geben, wenn keine Besonderheiten vorliegen.

Einreise mit 395.000 € Bargeld – spricht für Geldwäsche

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U.a. gegen den Beschuldigten war ein Verfahren wegen Geldwäscheverdachts (?) anhängig. Der Beschuldigte und Mitreisende waren in die Bundesrepublik eingereist, ohne dabei mitgeführte 395.000 € Bargeld anzumelden. Diese wurden sicher gestellt. das Das Verfahren ist dann allerdings eingestellt worden. Wegen der Sicherstrellung wurde Entschädigung nach dem StrEG verlangt. Die ist im LG Dortmund, Beschl. v. 08.05.2014 – 36 Qs 32/14 unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 StrEG verwehrt worden.

„…Grob fahrlässig handelt dabei auch, wer nicht bedenkt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste oder wer ein jeglichen Regeln über das Verhalten eines ordentlichen Kaufmannes widersprechendes Geschäftsgebaren zeigt (Meyer-Goßner, a.a.O.. m. w. N.).

Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt stellt sich das Verhalten des Beschwerdeführers und seiner Mitreisenden als grob fahrlässig dar. Denn alle drei verabsäumten es vorab nach § 12a ZolIVG die bei sich geführten Bargeldmittel ordnungsgemäß vor der Einreise anzumelden. Auch wurden die Geldmittel nicht unverzüglich nach dem Anhalten auf der Autobahn gegenüber den Beamten offen gelegt, sondern wurden erst im Rahmen einer Durchsuchung bei diesen sichergestellt bzw. auf Nachfrage offengelegt. Auch trugen alle 3 die Geldbeträge in speziellen Westen direkt am Körper.

Wer sich so bei der Einreise mit solch hohen Bargeldmengen geriert, dem muss entgegengehalten werden, dass er damit grob fahrlässig die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Geldwäsche provoziert. Sie haben damit jedenfalls einen wesentlichen Ursachenbeitrag zur Begründung eines dringenden Tatverdachts wegen Geldwäsche geleistet (vgl. BVerfG, Beschluss v. 12.09.1995 – 2 BvR 2475/94, 1049, 1050).

Eine Strafverfolgungsentschädigung ist in solchen Fällen ausgeschlossen. Es ist dabei auch unerheblich, ob der Beschwerdeführer und seine Mitreisenden darüber hinaus keine eigenen weiteren Andeutungen gemacht haben, dass das Geld aus einer illegalen Quelle stammen könnte, da ihr Verhalten schon einen entsprechenden Schein gesetzt hatte.

Dass die Sicherstellung nicht wegen eines Verstoßes gegen das ZolIVG erfolgte, ist dabei völlig unerheblich, da der Verstoß gegen dieses jedenfalls in die allgemeine Beurteilung der Umstände zum Zeitpunkt der Sicherstellung einfließen muss…“

 

Die Entschädigung nach dem StrEG für Zwangsmaßnahmen, wie geht das beim Rechtsanwalt?

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Bei Jurion bin ich auf das OLG Frankfurt, Urt. v. 18.03.2013, 1 U 179/12 – gestoßen, das sich mit der Ersatzfähigkeit des Zeitaufwandes eines  Verfolgungsmaßnahmen geschädigten Rechtsanwalts zur Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes befasst. Das OLG sagt. Kann grundsätzlich ersatzfähig sein. Der Kläger des Verfahrens ist Rechtsanwalt und ehrenamtlich Vorstand des A e.V., eines gemeinnützigen Vereins. Seit dem Jahre 2004 führten zunächst die Staatsanwaltschaft bei dem LG Marburg, dann die Staatsanwaltschaft bei dem LG Gießen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Betruges und Untreue im Zusammenhang mit der Einwerbung und der Verwendung von Vereinsmitteln. Im Zuge dieses – später eingestellten – Ermittlungsverfahrens führte die Staatsanwaltschaft eine Vielzahl strafprozessualer Zwangsmaßnahmen gegen den Kläger durch.

Das OLG hat den Beklagten in einem ersten Rechtsstreit rechtskräftig zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 15.000 € für die Verletzung des Klägers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und zur Erstattung von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.902,95 € verurteilt sowie festgestellt, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger zum Ersatz der materiellen Schäden aus folgenden Handlungen der Bediensteten des Beklagten verpflichtet ist: Freiheitsentziehung zulasten des Klägers am 28. 9. 2004, erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers am 28. 9. 2004, Aufrechterhaltung der Speicherung der bei der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers erhobenen Daten in den Dateien und den Unterlagen der Ermittlungsbehörden im Zeitraum vom 28. 09. 2004 bis zur Datenlöschung im Laufe des Monats November 2007, Beschlagnahme, Öffnung und Auswertung der an den Kläger gerichteten Post im Zeitraum vom 28. 09. 2004 bis 13. 05. 2005, Durchsuchungen am 28. 09. 2004, Arrestanordnungen am 30. 09. 2004, Beschlagnahmen im Eigentum des Klägers stehender Unterlagen und sonstiger Gegenstände, insbesondere am 28. 09. 2004. Die Generalstaatsanwaltschaft hat den Entschädigungsantrag des Klägers unter dem 20. 12. 2010 insgesamt abgelehnt.

Das OLG nimmt auf das Urteil des ersten Rechtsstreits Bezug und verurteilt noch einmal zu rund 16.000 € Entschädigung. Die Leitsätze zur Schadensberechnung:

1. Für die Ersatzfähigkeit von Arbeitszeit, die der Geschädigte nach dem Schadensereignis aufwendet, ist eine differenzierende Beurteilung geboten, die insbesondere berücksichtigt, für welche Art von Arbeiten der Geschädigte seine Zeit verwendet hat.

a) (Arbeits-) Zeit, die der Geschädigte zur Ermittlung des Schadens und zur außergerichtlichen Abwicklung des Schadensfalles aufwendet, ist – abgesehen von Ausnahmefällen außergewöhnlichen zeitlichen Umfangs oder wirtschaftlich bedrohlicher Auswirkungen – nicht als Vermögensschaden ersatzfähig.

b) (Arbeits-) Zeit, die der Geschädigte zur Beseitigung des Schadens selbst aufwendet, zur Wiederherstellung eines Zustandes, der dem vor Eintritt des schädigenden Ereignisses nahe kommt, ist grundsätzlich als Vermögensschaden ersatzfähig.

2. Die Regel, dass Unternehmer oder andere selbstständig Erwerbstätige ihren Schaden nicht nach den Kosten einer hypothetisch beschäftigten Ersatzkraft berechnen können, sondern als Schaden ihren bilanziellen Verlust nachzuweisen haben, ist nicht auf den Fall zu übertragen, dass der Geschädigte arbeitsfähig ist und seine Arbeitskraft zur Beseitigung des Schadens einsetzt, jedenfalls dann nicht, wenn der Unternehmer Tätigkeiten erbracht hat, die er hätte delegieren können.

3. Für die Bewertung der von einem selbstständigen Rechtsanwalt zur Schadensbeseitigung aufgewendeten, dem Grunde nach ersatzfähigen Arbeitszeit kann im Rahmen einer Schadensschätzung auf die regelmäßig in den BRAK-Mitteilungen veröffentlichten STAR-Untersuchungen zurückgegriffen werden.

 

Nach (zu langer) Sicherungsverwahrung kein StrEG

Folgende Ausgangskonstellation: Mit Urteil vom 19.12.1991 wird der Verurteilte vom LG wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls in sechs Fällen und des versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und gleichzeitig wird Sicherungsverwahrung angeordnet. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe hatte der Verurteilte am 12.6.2001 vollständig verbüßt. In der Folgezeit befand er sich  in Sicherungsverwahrung, wobei das Ende des zehnjährigen Vollzugs für den 11.06.2011 vorgemerkt war.  Mit Beschluss vom 03.06.2011 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts die mit Urteil vom 19.12.1991 angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach der Vollstreckung von zehn Jahren ab 01.07.2011 für erledigt erklärt. Erst an diesem Tage wurde der Verurteilte aus der Sicherungsverwahrung entlassen.

Er hat Entschädigung nach dem StrEG geltend gemacht, die verweigert worden ist. Dazu jetzt abschließend der OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.02.2012 –   2 Ws 320/11 – mit folgenden Leitsätzen:

1. Wird aufgrund einer Nachfolgeentscheidung im Vollstreckungsverfahren eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu Unrecht vollstreckt, besteht kein Entschädigungsanspruch nach StrEG.

 2. In diesem Fall ist die Grundlage für die Vollstreckung weiterhin die Entscheidung, die die Maßregel angeordnet hat und nicht die Nachfolgeentscheidung. Nur wenn die Rechtskraft der Ausgangsentscheidung durchbrochen wird, kann ein Entschädigungsanspruch nach § 1 Abs. 1 StrEG gegeben sein. Eine Nachfolgeentscheidung im Vollstreckungsverfahren durchbricht diese Rechtskraft jedoch nicht.

 3. Auch die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931) lässt die Rechtskraft von Entscheidungen, die eine Sicherungsverwahrung angeordnet haben, grundsätzlich unberührt.

 4. Eine analoge Anwendung des StrEG auf Sachverhalte, die darin nicht ausdrücklich geregelt sind, ist nicht möglich, weil die Vorschriften dieses Gesetzes Entschädigungsansprüche nicht abschließend regeln.  

Eine etwas abgelegenere Materie, mit der Verteidiger wahrscheinlich nicht jeden Tag zu tun haben werden.

Vergessene Entscheidung

In Rechtsprechung und Literatur umstritten ist die Frage, wie zu verfahren ist, wenn das Tatgericht im Urteil eine erforderliche Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nach dem StrEG vergessen hat. Dann gibt es zwei Möglichkeiten, das zu reparieren:

  • Man kann davon ausgehen, dass die Entscheidung dann im Revisions- oder Beschwerdeverfahren nachzuholen ist.
  • Man kann aber auch davon ausgehen, dass das Tatgericht die Entscheidung auf Antrag nachholen kann/muss.

Der OLG Celle, Beschl. v. 08.09.2011 – 32 Ss 207/09 geht den zweiten Weg und schließt sich damit der m.E. überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung an. Das OLG hat seinen Beschluss folgenden Leitsatz gegeben:

Unterlässt es das Tatgericht im Urteil eine Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen zu treffen, ist diese Entscheidung nicht im Revisions? oder Beschwerdeverfahren nachzuholen. Das Schweigen des Urteils in diesem Punkt stellt keine Versagung der Entschädigung dar, so dass es an einer beschwerdefähigen Entscheidung mangelt. Das Tatgericht hat in einem solchen Fall nach § 8 Abs. 1 Satz 2 StrEG eine nachträgliche Entscheidung im Beschlussweg herbeizuführen.