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StrEG I: Entschädigung für Untersuchungshaft?, oder: Fluchtversuch vor der Feststellung der Personalien

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Der Tag heute ist dann der Entschädigung nach dem StrEG gewidmet. Zu der Problematik haben sich in der letzten Zeit einige Entscheidungen angesammelt.

Hier zunächst der KG, Beschl. v. 07.05.2021 – 2 Ws 25/21 – zur Anwendung und den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 StrEG. Die Angeklagte ist frei gesprochen worden. Entschädigung für Untersuchungshaft hat das LG aber nicht gewährt, weil die ehemalige Angeklagte diese selbst „verursacht“ habe. Das KG schließt sich dem an:

§ 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG enthält einen Ausnahmetatbestand. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschuldigte Anlass zu der Strafverfolgungsmaßnahme gegeben hat, ist deshalb ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BGH StraFo 2010, 87; KG StraFo 2009, 129; KG, Beschlüsse vom 18. April 2007 – 4 Ws 47/04 – und 20. Juni 2006 – 4 Ws 41/05 –). Es reicht daher nicht aus, dass sich der Freigesprochene irgendwie verdächtig gemacht hat und die gesamte – allein oder überwiegend aufgrund anderer Beweismittel bestehende – Verdachtslage die ergriffene Strafverfolgungsmaßnahme rechtfertigt (vgl. BGH StraFo 2010, 87; Senat, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 2 Ws 351/11 –, juris). Erforderlich ist vielmehr, dass er die Maßnahme durch die Tat selbst oder sein früheres oder nachfolgendes Verhalten ganz oder überwiegend verursacht hat (vgl. BGH bei Holtz MDR 1983, 450; KG StraFo 2009, 129; KG, Beschlüsse vom 20. Juni 2006 – 4 Ws 41/05 – und vom 9. März 1999 – 4 Ws 24/99 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 5 StrEG Rn. 7). Das Verhalten des Freigesprochenen ist nicht oder nicht mehr ursächlich, wenn die Maßnahme auch unabhängig von seinem Verhalten, welches sicher festzustellen ist (vgl. OLG Köln StraFo 2001, 146), angeordnet oder aufrechterhalten worden wäre (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 255; OLG Oldenburg StraFo 2005, 384; KG StraFo 2009, 129) oder wenn sie allein oder im Wesentlichen auf anderen Beweisen beruht (vgl. Senat aaO mwN). Im Zweifelsfall ist zu seinen Gunsten zu entscheiden (vgl. KG StraFo 2009, 129; KG, Beschlüsse vom 18. April 2007 – 4 Ws 47/04 – und 20. Juni 2006 – 4 Ws 41/05 –).

Ob eine schuldhafte Verursachung vorliegt, ist ausschließlich nach zivilrechtlichen Zurechnungsgrundsätzen (§§ 254, 276, 277, 278 BGB) zu beurteilen (vgl. BGH bei Holtz MDR 1983, 450, 451; KG StraFo 2009, 129; Senat aaO mwN). Dabei steht eine Verletzung der dem Geschädigten obliegenden Schadensminderungspflicht einer Mitverursachung gleich (vgl. KG StraFo 2009, 129). Der Freigesprochene hat die Ermittlungsmaßnahme dann zumindest grob fahrlässig verursacht, wenn er nach objektiven, abstrakten Maßstäben in ungewöhnlichem Maße die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen (vgl. BGH StraFo 2010, 87; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 5 StrEG Rn. 9), indem er schon einfachste, naheliegende Überlegungen anzustellen versäumt oder dasjenige nicht bedenkt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste, und so die Maßnahme „geradezu herausfordert“ (vgl. KG StraFo 2009, 129; Senat aaO mwN).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht der Freigesprochenen eine Entschädigung für die vorläufige Festnahme und die erlittene Untersuchungshaft zu Recht versagt. Diese hat ihre vorläufige Festnahme sowie die Anordnung und den Vollzug der Untersuchungshaft grob fahrlässig verursacht.

Die Strafkammer hat im Urteil festgestellt (UA S.17), dass die Freigesprochene, ihren – deshalb verurteilten – Begleiter und Mitangeklagten V. am Abend des 11. Juli 2020, in der Nähe des U-Bahnhofs Gleisdreieck in Berlin aus geringer Entfernung dabei beobachtete, wie dieser dem Zeugen M. eine täuschend echt aussehende Spielzeugpistole an den Kopf hielt, um ihm zur Duldung der Wegnahme eines 50-Euro-Scheines zu veranlassen, den er ihm zugleich aus der Hosentasche zog. Danach sah sie zu, wie der Mitangeklagte diesen Geldschein an eine unbekannt gebliebene männliche Person weitergab. Kurze Zeit später war sie dabei, als der Mitangeklagte einen weiteren Mann kurz vor dem U-Bahnhof schlug und ihm einen unbekannt gebliebenen Gegenstand entwendete. Als eine Gruppe von Passanten darauf aufmerksam wurde und einzelne aus der Gruppe versuchten, den Mitangeklagten V. festzuhalten, stießen und zogen die Freigesprochene sowie der weitere Mitangeklagte M. diese von dem Mitangeklagten V. fort. Die Freigesprochene schlug zudem mit ihrer Tasche nach ihnen und schrie sie an.

Im Zuge der anschließenden vorläufigen Festnahme der Mitangeklagten auf dem        U-Bahnhof versuchte die Beschwerdeführerin, gegenüber den eingetroffenen Polizeibeamten den Tatverdacht gegen diese zu entkräften, indem sie wider besseres Wissen behauptete, insbesondere der Angeklagte V. hätte keine strafbaren Handlungen begangen. Zudem versuchte sie, – bevor ihre Personalien aufgenommen werden konnten – den Bahnhof zu verlassen, und konnte nur durch das Eingreifen eines Polizeibeamten im letzten Moment daran gehindert werden, mit einer gerade eingefahrenen U-Bahn zu entkommen. Erst daraufhin wurde auch sie vorläufig festgenommen.

a) Das Verhalten der Freigesprochenen war kausal für die Strafverfolgungsmaßnahmen. Die Beschwerdeführerin hat die freiheitsentziehenden Maßnahmen dadurch verursacht, dass sie durch ihr den Mitangeklagten V. abschirmendes Verhalten nicht nur den dringenden Verdacht einer Beteiligung an dessen Taten erzeugt, sondern durch ihren Fluchtversuch auch den Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) geschaffen hat.

b) Ein Beschuldigter kann die Anordnung von Untersuchungshaft nicht nur dadurch verursachen, dass er durch sein Verhalten maßgeblich zur Entstehung des dringenden Tatverdachts beiträgt, sondern auch dadurch, dass er in zurechenbarer Weise (vgl. KG, StraFo 2009, 129) einen wesentlichen Ursachenbeitrag zur Begründung eines Haftgrundes – auch eines weiteren Haftgrundes (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 1998, 341; KG Rpfleger 1999, 350; Senat, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 2 Ws 351/11 –, juris) – leistet (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 255, 256; OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2007 – 1 Ws 273/07 – juris; Senat aaO mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 5 StrEG Rn. 11).

c) Die Annahme von Fluchtgefahr war aufgrund der Gesamtumstände zum Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme und des Haftbefehlserlasses naheliegend. Die Beschwerdeführerin wurde letztlich nur freigesprochen, weil die Strafkammer im Ergebnis der mehrtätigen Beweisaufnahme zu ihren Gunsten davon ausgehen musste, dass ihre den Haupttäter unterstützenden und abschirmenden Handlungen spontan und erst nach Beendigung der Haupttat sowie der bereits anderweitig erfolgten Beutesicherung einsetzten. Der aus der Straferwartung resultierende hohe Grad der Fluchtgefahr gebot auch den Vollzug der Untersuchungshaft.

d) Das für die freiheitsentziehenden Strafverfolgungsmaßnahmen ursächliche Verhalten der Beschwerdeführerin ist nach den eingangs dargelegten Maßstäben auch zweifellos als grob fahrlässig zu werten.“

StrEG II: Einstellungsverfügung nur formlos mitgeteilt, oder: Akteneinsicht ersetzt förmliche Zustellung nicht

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In der zweiten StrEG-Entscheidung, dem LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.08.2021 – 12 Qs 58/21 -, wird eine verfahrensrechtliche Frage aus dem StrEG-Verfahren behandelt.

Die StA hate gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt geführt. In dem Verfahren ließ sie am 22. April 2021 Durchsuchungen in verschiedenen Objekten durchführen. Der ursprüngliche Tatverdacht konnte im Folgenden nicht erhärtet werden. Die sachbearbeitende Staatsanwältin stellte daher das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 16.06.2021 nach § 170 Abs. 2 StPO ein und verfügte zugleich deren formlose Mitteilung an die beiden Verteidiger des Beschuldigten. Am 21. Juni 2021 nahm die Verteidigerin des Beschuldigten Einsicht in die Ermittlungsakte.

Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2021 an das AG, dort eingegangen am selben Tag, beantragte der Verteidiger, die Verpflichtung der Staatskasse zur Entschädigung für die Durchsuchungen festzustellen. Weiterhin beantragte er, dem Beschuldigten eine Entschädigung i.H.v. 401,50 € zu gewähren.

Das AG lehnte den Antrag als verfristet ab. Die Verteidiger hätten nämlich von der Einstellungsverfügung bereits durch Akteneinsicht vom 21.06.2021 Kenntnis gehabt. Dagegen die sofortige Beschwerde, die – teilweise – Erfolg hatte:

„b) Es liegt ein Antrag des Beschuldigten vor. Nach § 9 1 Satz 4 StrEG ist der Entschädigungsantrag binnen Monatsfrist nach Zustellung der Einstellungsentscheidung zu stellen. Diese Frist ist gewahrt.

aa) Entgegen der gesetzlichen Vorgabe (§ 9 1 Satz 4 StrEG: „nach Zustellung“) und der eigenen Mitteilung in der der Einstellungsverfügung beigelegten Belehrung (vgl. Bl. 225/226 d. A.: „nach Zustellung“) hat die Staatsanwaltschaft keine (förmliche) Zustellung, sondern lediglich eine formlose Mitteilung ihrer Einstellungsverfügung veranlasst. Die Frist des § 9 Abs. 1 Satz 4 StrEG beginnt allerdings erst, wenn die Einstellung (förmlich) zugestellt worden ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 9 StrEG, Rn. 5). Daran fehlt es.

bb) Die Kammer folgt nicht der Auffassung des Amtsgerichts, wonach die Gewährung der Einsicht in die Akte an die Verteidiger am 21. Juni 2021 – in der die zuvor getroffene Einstellungsverfügung in der Urschrift enthalten war – den Zustellungsmangel nach § 37 1 StPO mit § 189 ZPO hätte heilen können, mit der Folge, dass die Monatsfrist bereits am 21. Juli 2021 abgelaufen wäre (wie hier BGH, Beschluss vom 19. Juni 2019 – IV ZR 224/18, juris Rn. 19; BayObLG, Beschluss vom 16. Juni 2004 – 2Z BR 253/03, NJW 2004, 3722; OLG Nürnberg, Urteil vom 1. August 2019 – 13 U 1667/17, juris Rn. 42 und Urteil vom 5. November 1981 – 8 U 351/81, MDR 1982, 238; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21. März 2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 76/18, juris Rn. 7 mit eingehender Begründung; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 189 Rn. 4; Häublein/Müller in MünchKomm-ZPO, 6. Aufl., § 189 Rn. 13). Sähe man es anders, wäre der Verteidiger im Übrigen aus Gründen anwaltlicher Vorsicht genötigt, die komplette Akte durchzusehen um festzustellen, ob sich dort zuzustellende Dokumente finden. Der Sinn der Akteneinsicht liegt aber nicht darin, Haftungsfallen für den Anwalt aufzustellen, sondern allein darin, ihm die Information zu gewähren, die er braucht.

Nichts anderes folgt aus dem Beschluss des OLG Hamm vom 8. August 2017 (3 RBs 106/17, juris). Das OLG hat erwogen (aaO, Rn. 22), dass durch die Einsichtnahme des Verteidigers in die Bußgeldakte, in der sich der zuzustellende Bußgeldbescheid befindet, ein tatsächlicher oder nachweisbarer Zugang i.S.d. Heilungsvorschriften bewirkt werden kann, sofern zuvor ein auf eine förmliche Zustellung gerichteter Zustellungswille dokumentiert ist. Ob dem zu folgen ist, kann dahinstehen, denn an der genannten Voraussetzung fehlt es bereits: Die Staatsanwaltschaft hat ihre Einstellungsverfügung gerade formlos versenden wollen, sodass der Zustellungswille fehlt.

cc) Die Heilung des Zustellungsmangels trat somit erst mit dem tatsächlichen Zugang der Einstellungsverfügung beim Verteidiger ein (§ 37 1 StPO mit § 189 ZPO). Dieser gibt den Zeitpunkt ihres Zugangs in der Beschwerde mit dem 28. Juni 2021 an. Das ist nicht zu widerlegen. Der am 28. Juli 2021 beim Amtsgericht eingegangene Entschädigungsantrag erfolgte somit in der Monatsfrist.“

StrEG I: Verschweigen entlastender Umstände, oder: Hätte: „Es war ein einvernehmlicher GV“ entlastet?

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Heute ist Freitag, und damit mal wieder ein Tag, an dem es „ums Geld geht“. Ich stelle aber mal keine RVG-Entscheidungen vor – da sieht es derzeit ein wenig mau aus – sondern Entscheidungen zur Strafrechtsentschädigung, also StrEG.

An der Spitze steht dann der  OLG Köln, Beschl. v. 20.07.2021 – 3 Ws 317/21 – mit folgendem Sachverhalt: Der Angeklagte ist vom Vorwurf einer am 15.11. 2020 zum Nachteil der Nebenklägerin begangenen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung freigesprochen worden. Zugleich versagte ihm das LG eine Entschädigung für die in dieser Sache erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen, nämlich die vorläufige Festnahme am 15.11.2020, den anschließenden Vollzug der Untersuchungshaft bis zum 13.04.2021, die Durchsuchung seiner Wohnung und seiner Person am 15.11.2020 sowie die Sicherstellung von Kleidungsstücken (ein Paar Socken, Unterwäsche, eine Hose, ein Gürtel, ein Pullover) und eines Mobiltelefons Samsung S 10 seit dem 15.11.2020. Das LG hat die Versagung auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG gestützt und führte zur Begründung aus, der frühere Angeklagte habe die Strafverfolgungsmaßnahmen dadurch veranlasst, dass er wesentliche entlastende Umstände verschwiegen habe, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert habe. Er habe unmittelbar bei Eintreffen von Polizeibeamten an seiner Wohnanschrift am 15.11.2020 – noch vor der Durchführung von Strafverfolgungsmaßnahmen – Angaben zur Sache gemacht und dabei nicht berichtet, dass er seit längerer Zeit regelmäßig Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin habe und insbesondere am Tattag einvernehmlicher Geschlechtsverkehr stattgefunden habe. Gerade letzteres sei – als Erklärung für aufgefundene DNA-Spuren – indes ein wesentlicher entlastender Umstand gewesen.

Das hat auf die Beschwerde beim OLG nicht gehalten:

„Sie [die GStA] hat zum Verfahrensablauf und zur rechtlichen Begründung das Folgende ausgeführt:

„….

Die Entschädigung war nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StrEG (ganz oder teilweise) zu versagen, da nicht festgestellt werden kann, dass der frühere Angeklagte die erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen, insbesondere den Erlass und Vollzug des Untersuchungshaftbefehls, dadurch veranlasst hat, dass er – trotz Äußerung zu der Beschuldigung – wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat.

Das Verteidigungsverhalten, das zur Versagung der Entschädigung führt, muss dem Beschuldigten zuzurechnen sein. Diese Zurechnung ist aber nicht nur eine objektive, sondern eine verschuldete. Das ist der Fall, wenn der Beschuldigte erkannt hat, dass der verschwiegene Umstand ihn entlasten kann. Hat der Beschuldigte das nicht erkannt oder nicht erkennen können, so kommt es darauf an, ob er den Irrtum vermeiden konnte. Der hier anzulegende Verschuldensmaßstab ist die leichte Fahrlässigkeit im zivilrechtlichen Sinn (MüKo-StPO/Kunz, StrEG § 6 Rn. 16). Im vorliegenden Fall musste sich dem Beschuldigten bei seiner frühen Äußerung zur Beschuldigung, die unmittelbar nach der Eröffnung des Tatvorwurfs und kurz vor seiner vorläufigen Festnahme erfolgte, nicht aufdrängen, dass ihn das Einräumen eines (einvernehmlichen) Geschlechtsverkehrs mit der Nebenklägerin entlasten würde, zumal ihm die Möglichkeit der späteren Auffindung von DNA-Spuren, die sich durch einen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr erklären ließe, nicht bewusst gewesen sein muss. Vielmehr mag es aus Sicht des Beschuldigten nahegelegen haben, dass er sich durch das Einräumen des Geschlechtsverkehrs eher selbst belasten als entlasten würde. Das Verteidigungsverhalten ist dem Beschuldigten daher im Rahmen der Grundentscheidung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen jedenfalls nicht schuldhaft zuzurechnen.“

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Zwar hat der frühere Angeklagte die einvernehmlichen sexuellen Kontakte mit der Nebenklägerin im Rahmen seiner Angaben am 15.11.2020 nicht erwähnt, obwohl sich diese letztlich als entlastend erwiesen haben, da sie die gesicherten DNA-Spuren aus Sicht der Kammer zu erklären vermochten. Das entsprechende Gutachten des LKA NRW datiert allerdings erst auf den 03.02.2021. Zum Zeitpunkt seiner Angaben war die Analyse der gesicherten Spurenträger folglich noch nicht durchgeführt, weshalb der frühere Angeklagte auch aus Sicht des Senats nicht von einer entlastenden Wirkung einer entsprechenden Einlassung ausgehen musste. Insofern lag für ihn die Auffindung entsprechender DNA-Spuren auch nicht auf der Hand, zumal wenn – was die Gutachtenergebnisse nahelegen – der Geschlechtsverkehr am Tattag nicht bis zum Samenerguss ausgeübt wurde.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.

StrEG I: Jahresausschlussfrist für StrEG-Entschädigung, oder: Rechtsmittel ausschließlich sofortige Beschwerde

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Im „Kessel Buntes“ heute zwei Entscheidungen zur Entschädigung nach dem StrEG.

Zunächst der für den ehemaligen Beschuldigten nicht so schöne Beschluss des LG Dresden. Der hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Betragsverfahren nach dem StrEG zur Geltendmachung einer Entschädigung wegen erlittener Untersuchungshaft beantragt. Der Kläger befand sich vom 10.08.2018 bis 03.01.2019 in Untersuchungshaft. Das AG hat ihn mit Urteil vom 22.05.2019 von dem Strafvorwurf freigesprochen und zugleich festgestellt, dass ihm dem Grunde nach eine Entschädigung für die von ihm erlittene Untersuchungshaft zusteht. Eine Belehrung zu den Fristen für das Betragsverfahren erteilte es dem Kläger nicht. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung gegen das Urteil ein, die sie am 11.12.2019 zurücknahm. Am 09.10.2020 beantragte der Kläger dann bei der Staatsanwaltschaft eine Entschädigung für die Untersuchungshaft und die Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten für das Betragsverfahren, zusammen 11.983,19 EUR. Die Generalstaatsanwaltschaft wies den Antrag zurück, weil der Anspruch nach § 12 StrEG ausgeschlossen sei. Maßgeblich für den Beginn der einjährigen absoluten Ausschlussfrist sei nicht, wann der Freispruch, sondern wann die Grundentscheidung über die Entschädigung rechtskräftig geworden sei. Dies sei hier am 30.05.2019 der Fall gewesen, so dass seit dem 31.05.2020 Ansprüche auf eine Entschädigung ausgeschlossen seien. Dagegen dann die Klage ein, mit der der Kläger den Entschädigungsanspruch weiter verfolgt und Prozesskostenhilfe beantragt. Das LG hat im LG Dresden, Beschl. v. 28.06.2021 – 5 O 840/21 – den PKH-Antrag zurückgewiesen:

„Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 ZPO. Der Anspruch auf Entschädigung für die Untersuchungshaft ist nach § 12 StrEG ausgeschlossen, nachdem der Kläger ihn nicht binnen Jahresfrist ab Rechtskraft der Entscheidung über die Entschädigung dem Grunde nach geltend gemacht hat.

Die Ausschlussfrist des § 12 StrEG beginnt nach dem unmissverständlichen Wortlaut dieser Vorschrift mit dem Tag, an dem die Entschädigungspflicht rechtskräftig festgestellt ist, also sobald die Rechtsbehelfsfrist gegen die Feststellungsentscheidung abgelaufen ist, ohne dass gegen sie ein Rechtsbehelf erhoben worden ist.

Gegen die Grundentscheidung findet nach § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG ausschließlich die sofortige Beschwerde statt. Eben diese Rechtsmittel meint auch der Bundesgerichtshof in dem vom Kläger zitierten Urteil vom 08.06.1989 (III ZR 82/88, juris, Rn. 16 und Rn. 20). Eine sofortige Beschwerde hat die Staatsanwaltschaft gegen die Entschädigungsentscheidung vom 22.05.2019 in der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO nicht eingelegt. Eine sofortige Beschwerde gegen die gerichtliche Entschädigungsentscheidung ist auch nicht stillschweigend in der Berufung gegen das freisprechende Urteil als Annex enthalten. Sondern die sofortige Beschwerde gegen die Grundentscheidung nach dem StrEG muss als das speziellere Rechtsmittel entweder isoliert oder ausdrücklich zusätzlich zur Berufung eingelegt werden (OLG Köln, Beschluss vom 26.09.2008, 83 Ss 69/08, juris, Rn. 20; OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.1990, 4 Ws 326/90, juris, Rn. 5 f.; Kunze in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2018, § 8 StrEG Rn. 67 m.w.N.).

Dem StrEG lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht entnehmen, dass der Antrag zum Betragsverfahren erst dann gestellt werden dürfe, wenn das Hauptsacheverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Ohne Erfolg verweist der Kläger auch darauf, dass die Annahme einer Rechtskraft der Entschädigungsentscheidung vor Entscheidung über das Rechtsmittel zur Hauptsache gegen § 2 Abs. 1 StrEG verstoße. Vielmehr sind die Antragsvor-aussetzungen für das Betragsverfahren in §§ 10 ff. StrEG geregelt; diese Vorschriften verlangen nicht die Rechtskraft der Sachentscheidung.

Allerdings wird bei Änderung der Sachentscheidung der Annexentscheidung die Grundlage entzogen; eine Änderung der Annexentscheidung ist dann auch ohne sofortige Beschwerde geboten (OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.1990, 4 Ws 326/90, juris, Rn. 5; vgl. BGH, Beschluss vom 03.12.1972, 2 StR 29/72 Rn. 7 zur Anfechtung der Kostenentscheidung als Annex zum Sachurteil). Das führt dann aber auch dazu, dass es zu der vom Kläger als gegen die Denkgesetze verstoßend bezeichneten Fallgestaltung nicht kommen kann, in der etwa die staatsanwaltschaftliche Berufung zu einem Schuldspruch geführt hätte und der Angeklagte trotzdem wegen Bestandskraft der Entschädigungsgrundentscheidung zu entschädigen wäre.

Der Ausschlusswirkung der Frist des § 12 StrEG steht auch nicht entgegen, dass die Staatsanwaltschaft eine Belehrung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 StrEG nicht erteilt hat. Dies beeinflusst nur die Frist des § 10 Abs. 1 Satz 1 StrEG (vgl. Meyer, StrEG, 9. Aufl., § 12 Rn 4).“

Sollte man im Blick haben die Frist. Zur Entschädigung nach dem StrEG steht auch << Werbemodus an >> einiges in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., die im Spätherbst erscheinen wird. Zur Bestellung des Werkes oder eines der „Pakete“ geht es hier. <<Werbemodus aus>>.

StrEG I: Entschädigung wegen U-Haft?, oder: Ja, aber nur für einen Tag

 

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Im Kessel Buntes stelle ich heute zwei Entscheidungen zur Strafrechtsentschädigung vor – also kurz: StrEG 🙂 .

Das ist zunächst der BGH, Beschl. v. 13.04.2021 – 5 StR 14/21. Das LG hatte den Angeklagten wegen Totschlags in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die zum Freispruch führte. Der BGh hat Verjährung angenommen.

Zum StrEG führt er dann aus:

„3. Dem Senat obliegt in dieser Konstellation nach § 8 StrEG auch die Entscheidung über Entschädigungsleistungen, weil er die verfahrensbeendende Entscheidung trifft und keine weiteren Feststellungen hierzu mehr erforderlich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. März 2008 – 3 StR 378/07, StraFo 2008, 266; vom 26. Mai 2015 – 3 StR 437/12, StraFo 2015, 438, 439). Die Verfahrensbeteiligten sind durch den insoweit ausführlich begründeten Antrag des Generalbundesanwalts nach § 8 Abs. 1 Satz 2 StrEG (vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 3 StR 453/16) angehört worden, dem die Entscheidung des Senats entspricht.

Entschädigung ist gemäß § 2 Abs. 1 StrEG nur für den letzten Tag der Untersuchungshaft zu gewähren. Im Übrigen ist eine Entschädigung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen, weil der Angeklagte die Strafverfolgungsmaßnahmen durch die rechtsfehlerfrei festgestellte rechtswidrige und schuldhafte Tötung zweier Menschen sowie seine anschließende Flucht nach Tschechien vorsätzlich bzw. grob fahrlässig selbst verursacht hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 1979 – 3 StR 396/79, BGHSt 29, 168, 171; vom 1. September 1998 – 4 StR 434/98, BGHR StrEG § 5 Abs. 2 Satz 1 Fahrlässigkeit, grobe 6). Insoweit ist nicht auf die Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung, sondern darauf abzustellen, wie sich der Sachverhalt den Ermittlungsbehörden bzw. Gerichten im Zeitpunkt der Anordnung oder Aufrechterhaltung der Strafverfolgungsmaßnahme dargestellt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 1983 – 1 StR 823/82, bei Holtz MDR 1983, 450; KG, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 2 Ws 351/11, NStZ-RR 2013, 192 [LS]). Nach der im Urteil dargestellten Auffindesituation der beiden Leichen und den übrigen Umständen des Falls sind Staatsanwaltschaft und Gericht zunächst rechtsfehlerfrei vom dringenden Tatverdacht des Mordes in zwei Fällen ausgegangen, bis sich erst am Ende der Hauptverhandlung herausgestellt hat, dass Mordmerkmale aus Sicht der Schwurgerichtskammer nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden können.

Etwas anderes gilt nur für den letzten Tag der bis zum 13. August 2020 dauernden Untersuchungshaft. Nachdem das Landgericht in der abschließenden Beratung keine Mordmerkmale feststellen konnte, hätte es den Angeklagten am 12. August 2020 freisprechen und den Untersuchungshaftbefehl sogleich aufheben anstatt aufrechterhalten müssen. Diese – bei sorgfältiger Prüfung zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres erkennbare – rechtsfehlerhafte Sachbehandlung hat zur Folge, dass für diesen einen Tag Untersuchungshaft Entschädigung zu gewähren ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2017 – 3 StR 453/16, NStZ-RR 2017, 264). Eine Versagung der Entschädigung nach dem insoweit nachrangigen § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG kommt in dieser Konstellation nicht in Betracht (vgl. BGH, aaO).“