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Und im zweiten Posting dann eine/die Entscheidung, die vor einigen Tagen die Gemüter bewegt hat. Es handelt sich um das – noch nicht rechtskräftige – AG Heilbronn, Urt. v. 06.03.2023 – 26 Ds 16 Js 4813/23 -, das mir der Kollege Dr. J. Rienhoff aus Marburg übersandt hat. Über das Urteil ist ja auch in der Tagespresse berichtet worden, vor allem wohl deshalb weil es – so weit ersichtlich – die erste Entscheidung ist, die für Straßenblockaden der Klimaaktivisten Freiheitsstrafen ohne Bewährung verhängt hat.
Nach den Feststellungen des AG hatten die Angeklagten am 06.02.2023 an einer bundesweiten Protestaktion in Form einer Straßenblockade der „Letzte Generation“ teilgenommen. Ziel der Angeklagten, die sich allesamt aus politischer Überzeugung der „Letzte Generation.“ angeschlossen hatten, war es, den Verkehr öffentlichkeitswirksam zu blockieren, Aufmerksamkeit für die Belange des Klimaschutzes zu erregen und Druck auf die Bundesregierung auszuüben, insbesondere zur Einrichtung eines sog, „Gesellschaftsrats“. Die Protestaktion war für mehrere Städte – darunter Heilbronn – im Vorfeld medial ohne Mitteilung der genauen Orte der Straßenblockade angekündigt worden.
In Ausführung dieses Planes setzen sich die Angeklagten gegen 8 Uhr in Heilbronn auf die stadteinwärts führende mehrspurige Neckarsulmer Straße (B27) und setzten sich dem gemeinsamen Tatplan entsprechend mit jeweils rund einem bis eineinhalb Meter Abstand zueinander in einer Reihe auf die drei Richtungsfahrbahnen. Dem Tatplan entsprechend befestigte sodann zwei Angeklagte jeweils eine Hand mittels Kleber auf dem Asphalt, so dass die Angeklagten beim Heranfahren von Kraftfahrzeugen nicht ausweichen konnten, und um hierdurch zugleich die Einsatzkräfte für eine nicht unerhebliche Zeit daran zu hindern, die Fahrbahn zu räumen, und die auf der Neckarsulmer Straße stadteinwärts am Verkehr teilnehmenden Kraftfahrzeugfahrer während der Dauer der Blockadeaktion von der Weiterfahrt abzuhalten.
Wie von den Angeklagten beabsichtigt, hielten die dann in der ersten Reihe stehenden Fahrzeuge, unter anderem die Zeugin E. mit ihrem Pkw Ford Kuga, amtliches Kennzeichen pp., an, wodurch, wie von den Angeklagten beabsichtigt, die dahinter befindlichen Kraftfahrzeuge aufgrund der die Fahrbahn blockierenden Fahrzeuge ihrerseits am Weiterfahren gehindert waren, so dass es zu einem Rückstau kam, wobei, wie von allen Angeklagten aufgrund ihrer Aktion beabsichtigt, insbesondere ein in zweiter Reihe mit seinem Pkw befindlicher Arzt sowie eine in dritter Reihe mit ihrem Fahrzeug stehende weitere Geschädigte nicht mehr weiterfahren konnten. Wegen der weiteren Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext.
Das AG hat die Angeklagten wegen Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 und 2 StGB in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt. Insoweit verweise ich wegen der Begründung/Ausführungen des AG ebenfalls auf den Volltext. Die Überlegungen des AG lassen sich in folgenden Leitsätzen zusammen fassen:
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- Keine Gewalt i.S. des § 240 StGB ist die „bloße Anwesenheit“ von Demonstranten auf der Fahrbahn, soweit sie sich nur als psychische Hemmung auf die anhaltenden Fahrer auswirkt, die Demonstranten nicht zu überfahren. Ab der „zweiten Reihe“ der anhaltenden Fahrer wirkt aber nicht nur die psychische Hemmung, sondern auch die in erster Reihe bzw. davorstehenden Fahrzeuge als physische Sperre.
- Zur Verwerflichkeit einer Straßenblockade i.S. von § 240 Abs. 2 StGB
- Auch wenn man den Klimawandel als eine gegenwärtige Gefahr einstuft, ist eine Straßenblockade dennoch weder ein erforderliches noch angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr im Sinne des § 34 StGB.
Von besonderem Interesse dann aber die Strafzumessungserwägungen des AG. Dazu heißt es:
„Der Strafrahmen ist § 240 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der Geldstrafe bzw. Freiheitsstrafe bis 3 Jahre vorsieht.
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung ist zugunsten aller Angeklagten zu berücksichtigen, dass sie bislang alle nicht vorbestraft sind und Motiv der Tat ein für die Allgemeinheit wichtiges Thema darstellt. Auch war zu berücksichtigen, dass die Angeklagten eine Konfrontation mit der Staatsgewalt und Gewalttätigkeiten oder weitere Eskalationen vermeiden wollten und zugleich mittels ihrer Banner dafür sorgten, den Sinn ihrer Aktion zu verdeutlichen. Weiter ist den Angeklagten zu Gute halten, dass sich bewusst nur die äußersten Sitzblockadeteilnehmer am Asphalt festklebten, um im Notfall eine Rettungsgasse freimachen zu können, wobei diesbezüglich anzumerken ist, dass infolge des geringen Abstands von an der Ampel haltenden Fahrzeugen ein Rangieren und damit das Freimachen einer Rettungsgasse nicht möglich sein dürfte.
Strafschärfend fiel ins Gewicht, dass eine Vielzahl von Verkehrsteilnehmern von der Straßenblockade betroffen waren und infolge der Blockade der Zeuge Dr. pp. mit einer Verspätung von einer Stunde an seiner Arztpraxis ankam, sodass zahlreiche Patienten, darunter auch ein Notfall, nicht behandelt werden konnten.
1. PP1 und PP2
Zulasten der Angeklagten PP1 und PP2 ist weiterhin zu berücksichtigen, dass sie bereits an Straßenblockaden – laut der seitens der Staatsanwaltschaft übergebenen und als Anlage zu Protokoll genommenen ZStV für den Angeklagten PP1 41 an der Zahl, für den Angeklagten PP2 zwei an der Zahl teilgenommen haben, die jeweils gegen sie eingeleiteten Ermittlungsverfahren sie nicht beeindruckt haben, sondern sie vielmehr weiterhin an Straßenblockaden bundesweit teilnehmen und teilzunehmen beabsichtigen, was zeigt, dass keinerlei Unrechtseinsicht bei ihnen vorhanden ist und eine rasante Rückfallgeschwindigkeit vorliegt. Auch konnten den Angeklagten PP1 ergangene, jedoch noch nicht rechtskräftige Strafbefehle sowie eine bereits gegen ihn durchgeführte Hauptverhandlung nicht beeindrucken.
Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass der Angeklagte PP1 angibt, kein Urteil könne ihn davon abhalten, weiterhin gleichgelagerte Straftaten zu begehen und Geldstrafen träfen ihn nicht, da er die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und eine Geldstrafe auf dem Stapel unbezahlter Rechnungen lande, liegen besondere Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten PP1 vor, die zur Einwirkung auf ihn die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB auch unter Berücksichtigung des Übermaßverbotes unerlässlich machen.
Nach Abwägung der vorgenannten Strafzumessungserwägungen hielt das Gericht daher die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten gegen den Angeklagten PP1 für tat- und schuldangemessen.
Nachdem der Angeklagte PP2 ebenfalls glaubhaft angegeben hat, von strafrechtlichen Sanktionen nicht davon abgehalten zu werden, gleichgelagerte Straftaten zu begehen, liegen besondere Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten PP2 vor, die zur Einwirkung auf ihn die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB auch unter Berücksichtigung des Übermaßverbotes unerlässlich machen.
Nach nochmaliger Abwägung der vorgenannten Strafzumessungserwägungen hielt das Gericht daher die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten gegen den Angeklagten PP2 für tat- und schuldangemessen.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen konnte für die Angeklagten PP1 und PP2 nicht gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Dass die Angeklagten auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine weiteren Straftaten mehr begehen werden, kann nicht erwartet werden. Nicht übersehen wurde dabei, dass die Angeklagten erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, der Angeklagte PP2 darüber hinaus das erste Mal vor Gericht stand. Trotzdem erscheint selbst bei Ausschöpfung aller, nicht im Strafvollzug bestehenden Sanktionen die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens nicht größer als diejenige neuer Straftaten. Denn nicht zu übersehen ist, dass beide Angeklagten glaubhaft und nachdrücklich bekundet haben, von neuen gleichgelagerten Straftaten durch kein Urteil der Welt abzuhalten zu sein. Durch die bislang eingeleiteten Ermittlungsverfahren waren die beiden Angeklagten nicht zu beeindrucken. Auch die bereits gegen den Angeklagten PP1 durchgeführte Hauptverhandlung hat ihn von weiteren zumindest tatbestandsmäßigen Handlungen nicht abgehalten. Dies zeigt, dass bei beiden Angeklagten mit weiteren gleichgelagerten Straftaten jederzeit zu rechnen ist, sodass eine Einwirkung auf sie mittels des Strafvollzugs als einzig zur Verfügung stehendes Mittel anzusehen ist.
2. PP3, pp4 und pp5
Nachdem die Angeklagten PP3, pp4 und pp5 sich erstmals einem Strafverfahren stellen müssen, hielt das Gericht unter Abwägung der vorgenannten Strafzumessungserwägungen folgende Geldstrafen für tat- und schuldangemessen:……“
Nun, wie gesagt: Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Wir werden dann zu den Fragen, vor allem auch zur Strafzumessung, sicher etwas vom zuständigen OLG Stuttgart hören. Ich frage mich allerdings, welche Sanktionen das AG – bei den Feststellungen – sonst hätte verhängen sollen.
Und die Geschichte mit dem „Gesellschaftsrat“ muss man mir auch erst mal erklären. Ich meine, den haben wir bereits. Den nennt man Bundestag. Dem soll dann also ein Gremien „aus zufällig gelosten Menschen, die die Bevölkerung Deutschlands nach Kriterien wie Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss und Migrationshintergrund bestmöglich abbilden“ Vorgaben machen?