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Strafzumessung III: Initiierung einer Falschaussage, oder: Hinnahme einer Falschaussage

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Und als dritte Entscheidung dann noch der BGH, Beschl. v. 07.12.2022 – 5 StR 271/22. Auch nichts Besonderes, aber man wird noch einmal erinnert, welche Auswirkungen Initiierung bzw. Hinnahme von Falschaussagen haben kann bzw. nicht haben darf:

„Die bei der Strafzumessung zulasten des Angeklagten berücksichtigte „Initiierung bzw. jedenfalls die Hinnahme von Falschaussagen“ durch den Zeugen S. und den Bruder des Angeklagten, erweist sich mit Blick auf die Aussage des Bruders als rechtsfehlerfrei, denn dieser hat selbst angegeben, seine (falsche) Aussage auf Bitten des Angeklagten gemacht zu haben. Vergleichbares ist zwar für den Zeugen S. nicht festgestellt; die bloße Hinnahme einer Falschaussage stellt keinen Strafschärfungsgrund dar, weil der Angeklagte kein Garant der staatlichen Rechtspflege ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2019 – 5 StR 231/19, NStZ 2019, 537 mwN). Das Urteil beruht aber nicht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann angesichts der – wie dargelegt – im Übrigen rechtsfehlerfreien strafschärfenden Berücksichtigung des Prozessverhaltens des Angeklagten sowie der sonstigen Strafzumessungsgründe ausschließen, dass das Landgericht ohne den genannten Rechtsfehler auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.“

Da war es wieder – das „Nichtberuhen“….

StGB II: Die unvollständige Zeugenaussage, oder: Wenn eine OStAin nicht alles erzählt

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Und die zweite Entscheidung ist dann auch ein wenig „ungewöhnlich“. Es geht um die Verurteilung einer Angeklagte wegen falscher uneidlicher Aussage.

Das Besondere: Die Angeklagte war Oberstaatsanwältin und Leiterin einer Abteilung für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und von Betäubungsmittelstraftaten. Nach den Feststellungen des LG Leipzig hatte sie Ermittlungen gegen eine im Raum Leipzig aktive Tätergruppe geführt und gegen zwei der Täter wegen Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz im Frühjahr 2015 beim LG Leipzig Anklage erhoben. Ein Tatvorwurf stützte sich dabei auf Angaben eines Belastungszeugen, der einige Wochen zuvor durch Beamte der Polizei vernommen worden war. Zu den Umständen des Zustandekommens und des Ablaufs dieser Vernehmung wurde sie in der Hautverhandlung vor dem LG als Zeugin vernommen. Auf ausdrückliche Nachfrage erklärte sie, mit der Vernehmung nichts zu tun gehabt zu haben. Tatsächlich war sie zwar bei der eigentlichen Vernehmung nicht anwesend, hatte aber an einem der Vernehmung zeitlich unmittelbar vorgelagertem informellen Gespräch mit dem Belastungszeugen, dessen Verteidiger und mehreren Polizeibeamten teilgenommen. Dabei war der Angeklagten bewusst, dass diese Tatsache für die Wahrheitsfindung des Gerichts von Bedeutung sein konnte.

Das LG hat die Angeklagte wegen falscher uneidlicher Aussage zu einer Geldstrafe verurteilt und sie von dem weiteren Anklagevorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt freigesprochen.Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 23.11.2020 – 5 StR 172/20 – erst vor kurzem veröffentlicht – die Revision verworfen:

„1. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung (vgl. zum revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab: BGH, Beschluss vom 14. April 2020 – 5 StR 14/20, NJW 2020, 2741) beruhenden Feststellungen und Wertungen tragen den Schuldspruch wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB).

a) Ein Zeuge verletzt seine Wahrheitspflicht, wenn er Tatsachen, die für den Gegenstand der Vernehmung erheblich sind, falsch wiedergibt oder – sofern sie mit der Beweisfrage für ihn erkennbar im Zusammenhang stehen – verschweigt (BGH, Urteil vom 11. November 1954 – 3 StR 422/54, BGHSt 7, 127 f.). Eine Aussage im Sinne des § 153 StGB umfasst alle zum Zeitpunkt der Äußerung potentiell erheblichen Tatsachen, die mit der Tat im Sinne des § 264 StPO zusammenhängen oder zusammenhängen können (BGH, Urteil vom 17. Februar 1976 – 1 StR 756/75). Anders als im Zivilprozess existiert im Strafprozess eine Begrenzung des Umfangs der Zeugnispflicht auf die im Beweisbeschluss in bestimmter Form bezeichnete Beweisfrage nicht. Gegenstand der Vernehmung zur Sache ist hier allgemein der „Gegenstand der Untersuchung“ nach § 69 Abs. 1 StPO, der dem Zeugen vor seiner Vernehmung zu bezeichnen ist (BGH, Urteil vom 17. Februar 1976 – 1 StR 756/75; RGSt 57, 152 ff.; Ruß in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., Vorbemerkungen zu den §§ 153 ff. Rn. 20a; MüKoStGB/Müller, 3. Aufl., § 153 Rn. 21). Eine zum Gegenstand der Vernehmung gehörige, für die Entscheidung erhebliche Tatsache muss mitgeteilt werden, selbst wenn der Zeuge nicht ausdrücklich danach gefragt wird. Er hat von sich aus alles anzugeben, was er in diesem Zusammenhang als wesentlich erkennt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1951 – 1 StR 505/51, BGHSt 2, 90 ff.; Beschluss vom 6. September 1989 – 2 StR 428/89; Matt/Renzikowski/Norouzi, StGB, 2. Aufl., § 153 Rn. 6; Mückenberger in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar, StGB, 3. Aufl., § 153 Rn. 26).

b) Nach diesen Maßstäben hätte die Angeklagte das Vorgespräch vom 4. Februar 2015 erwähnen müssen. Ein einer förmlichen Vernehmung unmittelbar vorgelagertes Gespräch der Aussageperson mit den Ermittlungsbeamten ist mit der Vernehmung eng verknüpft. Denn aus dem Vorgespräch können sich Rückschlüsse auf Befragungs- und Aussagemotivation ergeben, die für die Belastbarkeit der Vernehmungsergebnisse beachtlich sein können. Hieran vermag auch eine informelle Ausgestaltung eines solchen Gesprächs nichts zu ändern. Entsprechend einem dahingehenden Aufklärungsinteresse ist der Gegenstand der Untersuchung im Sinne des § 69 Abs. 1 StPO ausdrücklich auch auf Umstände des Zustandekommens und des Ablaufs der Vernehmung erstreckt und als solcher bezeichnet worden. Zudem war die Angeklagte vom Vorsitzenden der Strafkammer danach gefragt worden, wie es zur Vernehmung durch das Bundeskriminalamt gekommen sei. Angesichts dessen erweist sich ihre Angabe, mit der Vernehmung nichts zu tun gehabt zu haben, als falsch.

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht auch die subjektiven Voraussetzungen der uneidlichen Falschaussage bejaht. Soweit es darauf abgestellt hat, dass für die Angeklagte als Beamtin der Staatsanwaltschaft die Bedeutung des Vorgesprächs aufgrund des bezeichneten Gegenstands der Untersuchung als wesentlicher, mit dem Vernehmungsgegenstand untrennbar zusammenhängender Teil offen zu Tage lag, ist dies nicht zu beanstanden. Dies galt zumal, da die Wesentlichkeit der mitzuteilenden Tatsache durch weitere Fragen, z.B. nach eventuellen Zusagen der Ermittlungsbehörden gegenüber dem Zeugen, konkretisiert und der Angeklagten dadurch weiter verdeutlicht wurde.

Angesichts dessen, dass zwischen dem Zusammentreffen im Februar 2015 und der Aussage der Angeklagten in der Hauptverhandlung lediglich zehn Monate vergangen waren und mit Blick auf die sonstigen vom Landgericht herausgearbeiteten markanten Details zu den näheren Umständen des Treffens, hat es nachvollziehbar ausgeschlossen, dass die Angeklagte das Vorgespräch vergessen oder dessen Erheblichkeit für die Wahrheitserforschung des Prozessgerichts, insbesondere im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit des Belastungszeugen, verkannt haben könnte.

d) Dass das Landgericht kein Tatmotiv festzustellen vermochte, steht der Tatbestandsverwirklichung – worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat – nicht entgegen.