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Strafzumessung III: Versuchter Totschlag, oder: Die bewusste Bewaffnung mit einem Messer

Und zum Abschluss des Tages dann noch der BGH, Beschl. v. 23.05.2017 – 4 StR 176/17 -, ergangen in einem Verfahren wegen versuchten Totschlags u.a. Da hat der BGH „ergänzend“ zum Vewerfungsantrag des GBA „bemerkt“:

„Das Landgericht hat die Strafe dem doppelt gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB entnommen. Die Berücksichtigung des Umstands, dass sich der Angeklagte bewusst mit dem Messer bewaffnete, bevor er das Tatopfer aufsuchte, bei der Strafzumessung verstößt nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB, denn anders als etwa beim Raub gemäß § 250 Abs. 1 a) und b), Abs. 2 StGB ist der Einsatz einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs bei § 212 StGB nicht Tatbestandsmerk- mal (vgl. zum Tatbestand des Raubes BGH, Beschlüsse vom 16. November 2016 – 2 StR 316/16; vom 16. März 2007 – 2 StR 35/07, StV 2007, 410; und vom 10. Au-gust 1999 – 4 StR 345/99).“

Strafzumessung II: Der angeklagte Polizeibeamte „hat „durch die Tat dem Ruf der Polizei geschadet“

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Über den BGH, Beschl. v.  20.06.2017 – 4 StR 575/16 – habe ich schon einmal berichtet (vgl.  WhatsApp in der Hauptverhandlung, oder: Extraction-Report). Ich greife ihn heute noch einmal wegen der Ausführungen des BGH zur Strafzumessung auf. Der Angeklagte ist wegen schweren Raubes verurteilt worden. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht dem zum Tatzeitpunkt im Polizeidienst tätigen Angeklagten angelastet hat, „durch die Tat“ dem Ruf der Polizei geschadet zu haben.

Dazu der BGH: Schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Eintritt eines derartigen Rufschadens nicht ausreichend belegt ist. Aber:

b) Die straferschwerende Heranziehung einer (möglichen) Rufschädigung der Polizei begegnet aber auch mit Blick auf § 46 Abs. 2 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Mit dieser Erwägung knüpft die Strafkammer ersichtlich an die in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB aufgeführten verschuldeten Auswirkungen der Tat an. Zwar können als strafzumessungserheblich grundsätzlich auch solche für den Täter voraussehbare Tatfolgen Berücksichtigung finden, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem strafbaren Verhalten stehen und außerhalb des eigentlichen Tatbereichs liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 – 3 StR 190/02, NStZ 2002, 645; Beschluss vom 16. März 1993 – 4 StR 602/92, NStZ 1993, 337, mwN; siehe dazu auch BGH, Beschluss vom 29. August 2006 – 1 StR 285/06, NStZ-RR 2006, 372). Da aber die Schwere der Tat und der Grad der persönlichen Schuld des Täters die Grundlage der Strafzumessung bilden (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1952 – 2 StR 675/51, BGHSt 3, 179; Urteil vom 4. August 1965 – 2 StR 282/65, BGHSt 20, 264, 266), muss in diesen Fällen als weitere Voraussetzung hinzutreten, dass diese Auswirkungen geeignet sind, das Tatbild zu prägen und die Bewertung der Schuldschwere zu beeinflussen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 1993 – 4 StR 602/92, NStZ 1993, 337 mwN). Der Senat kann offen lassen, ob es sich zudem auch um Folgen handeln muss, die in den Schutzbereich der strafrechtlichen Norm fallen, deren Verletzung dem Täter vorgeworfen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 1993 – 4 StR 602/92, NStZ 1993, 337 mwN; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 46 Rn. 34; Eschelbach in: SSW-StGB, 3. Aufl., § 46 Rn. 105; Stree/Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 46 Rn. 26a; hinsichtlich des Schutzzweckzusammenhangs anders [nicht tragend] BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 – 3 StR 190/02, NStZ 2002, 645 [Voraussehbarkeit reicht aus] m. abl. Anm. Meier, StV 2003, 443; kritisch dazu auch Theune in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 156).

Eine derartige Prägung der Tat durch die Zugehörigkeit des Angeklagten zur Polizei ist hier nicht dargetan. Die dem Angeklagten zugeschriebenen negativen Folgen für den Ruf der Polizei berühren weder das Gewicht seiner Tat in ihrer Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung, noch lassen sie Rückschlüsse auf den Grad seiner persönlichen Schuld zu.“

Strafzumessung I: Fischer-Bereinigungs-Entscheidung, oder: Die nur gerinfügig überschrittene „nicht geringe Menge“

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Der heutige Mittwoch ist dann mal wieder ein Strafzumessungstag. Den eröffne ich mit dem BGH, Urt. v. 15.03.-2017 – 2 StR 294/16. Dessen Bedeutung erkennt man daran, dass es zur Veröffenttlichung in der amtlichen Sammlung BGHSt vorgesehen ist. Ergangen ist das Urteil in einem Verfahren mit dem Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Auf die Revision der StA nimmt der BGH zur Strafzumessung Stellung – noch einmal.

Das LG hatte sowohl bei der Strafrahmenwahl (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BtMG) als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn (§ 46 Abs. 1 und 2 StGB) angenommen, es sei „strafmildernd zugunsten des Angeklagten auch zu berücksichtigen, dass sowohl hinsichtlich der Amphetaminsalzzubereitung als auch hinsichtlich des Tetrahydrocannabinols die Grenzwerte zur nicht geringen Menge nur geringfügig überschritten wurden, nämlich um ein 2,5-faches und um ein fünffaches.“

Das beanstandet der BGH, zwar nicht bei der Prüfung eines minder schweren Falles des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG, aber bei der Strafzumessung im engeren Sinn:

aa) Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG darf die Tatbegehung mit einer „nicht geringen Menge“ für sich genommen nicht berücksichtigt werden, weil dies nur die Erfüllung des Qualifikationstatbestands beschreibt (§ 46 Abs. 3 StGB). Jedoch kann das Maß der Überschreitung des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen, soweit es sich nicht lediglich um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt, wodurch praktisch allein die Erfüllung des Qualifikationstatbestands festgestellt ist. Wo diese Bagatellgrenze verläuft, hat in erster Linie der Tatrichter unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzulegen. Ob sie „annähernd beim Doppelten der nicht geringen Menge“ (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2017 – 4 StR 533/16), beim zweieinhalbfachen (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141), bei der dreifachen nicht geringen Menge (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 31. März 2016 – 2 StR 36/16, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 44) liegt, oder ob die Bagatellgrenze bei Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge um ein Drittel (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 4 StR 248/16 Rn. 31) noch eingehalten ist, kann hier offen bleiben. Bei einem Handeltreiben mit dem 7,5-fachen der nicht geringen Menge handelt es sich jedenfalls nicht um eine derart geringe Überschreitung des Grenzwerts, dass diese Tatsache gemäß § 46 Abs. 3 StGB aus der Gesamtschau aller Strafzumessungsgründe ausscheiden müsste.

bb) Jenseits einer die Grenze zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands nur unwesentlich überschreitenden Wirkstoffmenge hat das Maß der Überschreitung dieser Grenze regelmäßig die Bedeutung eines im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmenden Strafzumessungsgrundes.

Ausgehend von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens hat die Überschreitung des Grenzwerts grundsätzlich strafschärfende Bedeutung (vgl. zur Festlegung der Bewertungsrichtung anhand der Strafrahmenuntergrenze Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe, 1996, S. 119 f. mwN). Die Bewertungsrichtung wird insoweit durch die Anknüpfung des Qualifikationstatbestands gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG an eine be-stimmte Menge von Betäubungsmitteln vorgegeben. Unbeschadet des Erfor-dernisses einer Gesamtwürdigung aller Strafzumessungstatsachen ist die Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge gegenüber der Mindest-strafe für sich genommen schärfend zu berücksichtigen.

Eine Orientierung an einem anderen Bezugspunkt, wie etwa einem normativen Normalfall, von dem aus ein einzelner Umstand im Rahmen seiner Be-wertungsrichtung als „strafmildernd“ oder „strafschärfend“ bezeichnet werden könnte, oder einem statistischen Durchschnitts- oder Regelfall als Bezugspunkt für die Bestimmung der Bewertungsrichtung, scheidet nach der Rechtspre-chung des Bundesgerichtshofs bei der konkreten Strafzumessung aus (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 351). Es bleibt daher bei der vom Qualifikationstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vorgegebenen Bewertungsrichtung, wonach das Maß der Überschreitung der nicht ge-ringen Menge ein gegenüber der Mindeststrafe schärfender Gesichtspunkt ist.

cc) Soweit der Senat früher bemerkt hat, eine nur geringfügige Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge sei ein „Strafmilderungsgrund“ (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141; Beschluss vom 24. Juli 2012 – 2 StR 166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39; Urteil vom 10. August 2016 – 2 StR 22/16, Rn. 40; krit. BGH, Beschluss vom 8. November 2016 – 5 StR 487/16 und Beschluss vom 10. Januar 2017 – 5 StR 552/16), hält er daran nicht fest.

Soweit der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 22. November 2016 – 1 StR 329/16 (NStZ-RR 2017, 47) ausgeführt hat, dass „eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge […] ein Strafmilderungsgrund“ sei, steht dies der Aufgabe der Rechtsprechung nicht entgegen, weil es sich insoweit nicht um eine tragende Erwägung handelt. Der 1. Strafsenat hatte die strafschärfende Erwägung des Tatrichters, der Grenzwert der nicht geringen Menge sei in jedem der zur Aburteilung stehenden Fälle „um ein Vielfaches“ überschritten, beanstandet, weil diese strafschärfende Er-wägung in zwei Fällen auf die Feststellung bezogen war, dass der Grenzwert um das 1,8-fache überschritten war. Der Senat hat – tragend – insoweit ausgeführt, dass die 1,8-fache Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge „noch derart gering“ sei, dass dies jedenfalls „nicht als bestimmender Strafzumessungsgrund“ gewertet werden könne. Dies steht in Einklang mit der Auffassung des Senats.“

Ich habe es jetzt nicht näher geprüft. Scheint aber auch so eine „Fischer-Bereinigungs-Entscheidung“ zu sein.

Schlimmer geht nimmer, oder: Strafschärfend ist, dass die Tatopfer/Frauen „weniger attraktiv“ waren.

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Der Kollege Vetter vom LawBlog macht im Moment Sommerpause. Daher hat er mir vorgestern den von ihm erstrittenen OLG Bamberg, Beschl. v. 24.08.2017 – 3 OLG 7 Ss 70/17 – übersandt und mir das „Aufschlagsrecht“ für ein Posting eingeräumt. Das Recht will ich dann schnell wahrnehmen. Der Beschluss würde zwar gut in die nächste Serie zu Strafzumessungsentscheidungen passen, da er sich zu unzulässigen Strafzumessungserwägungen bei einer Verurteilung wegen sexueller Nötigung äußert. Aber: Da würde er vielleicht „untergehen“ Und das soll er nicht. Denn es ist schon bemerkenswert, was das OLG Bamberg zu auch mehr als bemerkenswerten Strafzumessungserwägungen des LG Coburg schreibt.

Vorab allgemein: An dem landgerichtlichen Urteil stimmt hinsichtlich der Strafzumessung nichts: Das OLG moniert „eine Vielzahl von gravierenden Rechtsfehlern“, darunter bereits eine falsche Strafrahmenwahl durch das LG, soweit das Vorliegen eines minder schwerer Falls i.S.d. § 177 Abs. 5 StGB a.F. verneint worden ist. Darüber hinaus stellt es u.a. mehrere Verstöße gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB fest und die Bewährungsentscheidung (§ 56 StGB) wird auch beanstandet.

Der sprichtwörtliche Draht springt einem aber aus der Mütze, wenn man diese harschen Worte des OLG liest:

„d) Soweit das Landgericht strafschärfend wertet, dass es sich bei den Tatopfern um Frauen handelt, die gegenüber anderen Kolleginnen, die der Angeklagte nur mit „anzüglichen Bemerkungen“ verbal „belästigt“ hatte, weniger „attraktiv“ waren, liegt ein weiterer ebenso grober wie evidenter Rechtsfehler vor.

Es ist schon mit der Würde des Gerichts in keiner Weise in Einklang zu bringen, wenn in einem Urteil höchstpersönliche Wertungen zur Attraktivität von Prozessbeteiligten bzw. Tatopfern angestellt werden. Eine derartige, gegen das jedem Gericht obliegende Sachlichkeitsgebot verstoßende und anmaßende Vorgehensweise, die einer Verhöhnung der Opfer gleichkommt, würde zwar per se den Angeklagten noch nicht beschweren. Das Tatgericht hat aber, ungeachtet der damit offenbarten Distanzlosigkeit, seine persönliche Einschätzung zur (geringeren) Attraktivität der Tatopfer auch noch zum Anlass genommen, hierin einen Strafschärfungsgrund zu erblicken, was unhaltbar ist. Denn es versteht sich von selbst, dass das äußere Erscheinungsbild der Opfer von Sexualstraftaten in keinem Zusammenhang mit den allein für die Strafzumessung maßgeblichen Kriterien des Unrechts und der Schuld des Angeklagten steht.“

Eine doch recht heftige Richterschelte durch das OLG Bamberg, das in meinen Augen mit solchen Dingen immer recht vorsichtig ist. Man muss sich aber auch mal vor Augen halten, wie das LG formuliert hat und was es meint: Bewertet wird, wie attraktiv die Opfer der Taten waren. Dass das falsch ist, liegt auf der Hand (sorry, aber darauf kann man an sich gar nicht kommen. Und offensichtlich frauenfeindlich ist es auch. Schlimmer geht m.E. nimmer.

Strafzumessung III: Was sind eigentlich „einschlägige Vorverurteilungen“?

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aa) Die vorherige Verhängung von Strafen kann dann strafschärfend ins Gewicht fallen, wenn sie die Schuld des Täters und die Notwendigkeit, spezialpräventiv auf ihn einzuwirken, erhöhen, weil dieser jetzt die mit früheren Verurteilungen (oder gar Verbüßungen) gesetzten Warnungen und Hemmschwellen außer Acht gelassen hat (BGHSt 38, 71 [73]; OLG Karlsruhe NJW 2003, 1825). Dieser Gedanke lag namentlich auch der allgemeinen Rückfallvorschrift des § 48 StGB zugrunde, die materiell voraussetzte, dass der Täter sich „nach Art und Umständen der Straftaten“ die vorangegangenen (mindestens zwei) Verurteilungen nicht hatte zur Warnung diesen lassen (dazu vgl. BVerfGE 50, 125 [134]; Schönke/Schröder-Stree, StGB, 19. Auflage 1977, § 38 Rz. 10; Dreher/Tröndle, StGB, 42. Auflage 1985, § 48 Rz. 8 f. und LK-StGB-Koffka, 9. Auflage 1974, § 17 Rz. 18 zur Vorläufervorschrift – zu den Gründen, die zur Aufhebung der Vorschrift des § 48 StGB geführt haben vgl. BT-Drs. 10/2720 S. 10). Dabei wird naheliegend die Warnwirkung umso größer sein, je näher der frühere Normverstoß seiner Art nach mit dem abzuurteilenden Tatvorwurf zusammenhängt (zutr. MüKo-StGB-Miebach, 2. Auflage 2012, § 46 Rz. 111; vgl. weiter Schäfer/Sander/van Gemmeren, a.a.O. Rz. 651, 657 f.). Der Begriff der „einschlägigen“ Vorverurteilung ist – so lange über die Begriffsverwendung Klarheit herrscht – geeignet, einen solchen – dann: kriminologisch verstandenen – Zusammenhang zusammenfassend zu kennzeichnen. Der Grund dafür, dass „einschlägigen“ Vorverurteilungen in der Strafzumessung ggf.  – wenn nicht im Einzelfall von einer sinkenden Hemmschwelle und daher von geringerer Tatschuld auszugehen ist (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, a.a.O. Rz. 656 m. N.) – ein höheres Gewicht zu Lasten des Angeklagten beigemessen werden kann, besteht in diesem Verständnis darin, dass ihnen eine erhöhte Warnfunktion im Hinblick auf die nunmehrige Tatbegehung zugeschrieben wird bzw. sich aus ihnen die gesteigerte Notwendigkeit spezialpräventiver Einwirkung auf den Angeklagten ablesen lässt.15

c) Ausgehend von den vorstehend dargestellten Grundsätzen besorgt der Senat, dass der Tatrichter die Warnwirkung der letzten drei Vorverurteilungen unzutreffend eingeschätzt und diesen ein ihnen nicht zukommendes Gewicht beigemessen hat. Es trifft zwar zu, dass der Angeklagte seit nunmehr mehr als 30 Jahren wegen Verkehrsstraftaten, darunter zahlreich wegen vorsätzlichen Fahrens ohne  Fahrerlaubnis auffällt. Die letzte Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr liegt indessen bereits rund acht Jahre zurück. Begründungsbedürftig wäre vor diesem Hintergrund namentlich gewesen, warum die Verurteilung wegen Vorsatztaten eine signifikant erhöhte Warnwirkung im Hinblick auf die hier in Rede stehende – wenn auch gleichfalls im Straßenverkehr begangene – Fahrlässigkeitstat zu entfalten geeignet waren. Das versteht sich nicht notwendig von selbst (vgl. BGH VRS 28, 420 [422]; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, a.a.O.). Der Warnwirkung der von der Berufungsstrafkammer als „einschlägig“ eingeschätzten Vorverurteilungen hat der Angeklagte hier im Übrigen insoweit Rechnung getragen, als er ein nicht fahrerlaubnispflichtiges Fahrzeug verwendet hat.21