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Mehr Videotechnik im Gerichtssaal

Schon seit längerem plant der Gesetzgeber mehr Videotechnik in den Gerichtssälen. Dazu hat es bereits in der vorigen Legislaturperiode einen Gesetzesentwurf gegeben, der dann allerdings dem Grundsatz des Diskontinuität zum Opfer gefallen ist. In der laufenden Legislaturperiode ist der Entwurf dann wieder eingebracht worden (vgl. BT-Drucks. 17/1224). Nun neigt sich auch die dem Ende entgegen und passiert ist wieder nicht viel.

Aber immerhin hat man inzwischen am 14.01.2013 im Bundestag eine Anhörung von Fachleuten durchgeführt, die sich für mehr für Videokonferenztechnik in Gerichten ausgesprochen haben. Dazu hier der Text der PM aus dem Bundestagsarchiv. Das spricht dafür, dass man die Sache dann doch in diser Legislaturperiode noch erledigen will.

Im Rahmen einer Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags am 14.01.2013 haben sich die geladenen Experten mehrheitlich für eine Videokonferenztechnik in Gerichten ausgesprochen. Anlass der Anhörung war ein Gesetzentwurf des Bundesrats zur Intensivierung des Einsatzes derartiger Technik in deutschen Gerichten (BT-Drs.:17/1224).

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Was ist nun für das Strafverfahren geplant:

  • Der neue § 58b StPO-E soll es ermöglichen, im Ermittlungsverfahren Zeugenvernehmungen auch unter Verwendung von Bild-/Tonübertragungen unter Verzicht auf die Anwesenheit des Zeugen im Vernehmungszimmer durchzuführen.
  • Im Haftprüfungsverfahren verzichtet die StPO nach bisheriger Fassung dann auf die Vorführung des Beschuldigten, wenn weite Entfernung, Krankheit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen. Vorgesehen ist hier eine Ergänzung/Änderung in § 118a Abs. 2 StPO wie folgt: „Das Gericht kann anordnen, dass unter den Voraussetzungen des Satzes 1 die mündliche Verhandlung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Beschuldigten zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Beschuldigte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Wird der Beschuldigte zur mündlichen Verhandlung nicht vorgeführt und nicht nach Satz 2 verfahren, so muss ein Verteidiger seine Rechte in der Verhandlung wahrnehmen“. Über die Verweisungsnorm des § 122 Abs. 2 StPO gilt dies auch für das Haftprüfungsverfahren bei dem OLG.
  • In § 163a Abs. 1 StPO, der für die Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren gilt, werden die gesetzlichen Varianten der Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren um die Möglichkeit der Durchführung der Vernehmung im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung dadurch erweitert, dass ein Satz 2 eingefügt wird, wonach die Vernehmung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Beschuldigten zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Beschuldigte aufhält, und in das Vernehmungszimmer übertragen werden kann.
  • Für den Verfahrensabschnitt „Hauptverhandlung“ wird § 233 Abs. 2 StPO um einen Satz 3 ergänzt. Danach kann das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung über die Anklage unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Angeklagten zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Angeklagte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. D
  • Geändert werden soll zudem § 247a StPO. Eingefügt wird ein Abs. 2. Danach sollen Sachverständige in die Hauptverhandlung per Videokonferenztechnik einbezogen werden können, sofern nicht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung im Raum steht und das Gutachten des Sachverständigen letztlich auch auf dem Eindruck von Person und Verhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung beruhen kann. Ausgenommen sind die Fälle des § 246a StPO s
  • Schließlich werden in § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO-E die Möglichkeiten des Einsatzes der Videotechnik um die der Anordnung einer Anhörung im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung auch im Fall der Entscheidung über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen.
  • Entsprechendes gilt in § 454 Abs. 1 Satz 4 StPO-E für die Fälle der Reststrafenaussetzung zur Bewährung.
  • Nicht übersehen worden sind die durch den Einsatz von Videotechnik entstehenden Kosten. Geschaffen werden soll dazu eine neue Nr. 9020 KV GKG. Danach werden im Rahmen der Verfahrenskosten Videokonferenzen mit 15 € je angefangener halber Stunde abgerechnet.

 

 

Notwehr gegen den Fotografen „einer großen deutschen Boulevard-Zeitung“…

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Wer kennt sie nicht? Eine große deutsche Boulevard-Zeitung. Die hatte zu einem Termin beim AG Hamburg-Wandsbek einen Fotografen geschickt. Und dann passierte nach den Feststellungen, die später das LG Hamburg getroffen hat, Folgendes:

Am 04.05.2010 sollte um 9.00 Uhr im Amtsgericht Hamburg-Wandsbek eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten wegen des Vorwurfs einer Körperverletzung stattfinden. Es ging um einen Nachbarschaftsstreit, bei dem auch Hunde eine Rolle spielten. Das Verfahren stand auf der Presseliste der Staatsanwaltschaft, so dass auch ein Fotograf einer großen deutschen Boulevard-Zeitung, der später geschädigte Zeuge H., anwesend war. Als der Angeklagte im Treppenhaus erschien, begann der Zeuge ihn zu fotografieren. Der Angeklagte war hierüber überrascht und erbost und forderte den Zeugen lautstark auf, sein Tun einzustellen. Der Zeuge H. reagierte hierauf nicht, sondern fotografierte den Angeklagten weiter. Auch die erneute lautstarke Aufforderung, das Fotografieren einzustellen, ignorierte der Zeuge und schlug dem Angeklagten vor, er möge sich doch ein Blatt Papier oder die mitgeführte Tasche vor das Gesicht halten. Der Angeklagte hielt sich stattdessen zunächst die Hand vor das Gesicht, ging dann, als der Zeuge weiter fotografierte, wütend auf ihn zu, holte mit dem rechten Arm aus und schlug mit bedingtem Körperverletzungsvorsatz mit der flachen Hand wuchtig gegen das Objektiv der Kamera, die der Zeuge gerade vor sein Gesicht hielt. Durch den Schlag wurde die Kamera in das Gesicht des Zeugen gedrückt. Der Zeuge taumelte etwas zurück und schubste den Angeklagten von sich weg. Er erlitt infolge des Schlages Schmerzen im Oberkiefer, Kopfschmerzen und ein Taubheitsgefühl im Bereich der Frontzähne, ferner eine gerötete Stelle auf dem Nasenrücken, die nicht behandelt werden musste. Die Kopfschmerzen waren am nächsten Tag verschwunden, die übrigen Schmerzen und das Taubheitsgefühl nach wenigen Tagen.
Am nächsten Tag erschien in der Zeitung ein Artikel über den Prozess, dem ein Bild des Angeklagten beigefügt war. Auf zivilrechtliche Intervention des Angeklagten verpflichtete sich der Verlag, keine Bilder des Angeklagten zu veröffentlichen. In dem damaligen Strafverfahren wurde der Angeklagte freigesprochen.

Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek hat den Angeklagten deswegen wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,- Euro verurteilt. Die vom Angeklagten und der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufungen hat das Landgericht verworfen. Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg. Dazu die Leitsätze aus dem OLG Hamburg, Beschl. v. 05.04.2012 – 3 – 14/12 (Rev):

1. Ein Schlag mit der Hand gegen die von einem Pressefotografen vor seinem Gesicht gehaltene Kamera erfüllt nicht ohne weiteres den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung durch Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs.
2. Das Anfertigen von Bildern ohne Einverständnis des Betroffenen stellt keine Verletzung des § 22 KunstUrhG dar, sondern einen Eingriff in das sich aus Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG ergebene allgemeine Persönlichkeitsrecht (Recht am eigenen Bild).
3. Der Eingriff in das Recht am eigenen Bild entfällt nicht etwa deshalb, weil das später veröffentlichte Bild in der Presse durch einen Balken über die Augenpartie verfremdet werden könnte. Es reicht, wenn der Angeklagte nur durch einen eingeschränkten Personenkreis identifiziert werden könnte.
4. Der weite Schutz gegen das Anfertigen von Bildnissen ist im Wege der Abwägung der im Widerstreit liegenden Interessen begrenzt, wenn er mit anderen grundgesetzlichen geschützten Interessen kollidiert. Im Ergebnis ist die Anfertigung eines Bildnisses in dem Umfang zulässig, in dem es nach §§ 22, 23 KunstUrhG verbreitet werden darf.
5. Als relative Personen der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG kommen Angeklagte dann in Betracht, wenn die ihnen zur Last gelegte Tat über das täglich Wiederkehrende hinausgeht und einiges Aufsehen erregt hat. Ob und in welchem Umfang die Allgemeinheit ein das Persönlichkeitsinteresse überwiegendes Informationsinteresse hat, ist aufgrund einer wertenden Abwägung aller betroffenen Interessen und Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Zugunsten des betroffenen Angeklagten ist dabei zu berücksichtigen, dass er sich in einem Strafverfahren regelmäßig in einer für ihn ungewohnten und belastenden Situation befindet, weil er zur Anwesenheit verpflichtet ist und es gerade für ihn durch Bildveröffentlichungen durchaus zu Prangerwirkungen oder Beeinträchtigungen seines Anspruchs auf Vermutung der Unschuld sowie auch einer späteren Resozialisierung kommen kann.
6. Bei sog. Kleinkriminalität liegt ein Überwiegen des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Abbildung des Angeklagten eher fern.
7. Gegenüber einem rechtswidrigen Anfertigen von Bildnissen ist der Angeklagte zur Notwehr gemäß § 32 StGB berechtigt. Er muss sich nicht darauf beschränken, sein Gesicht zu verdecken, sondern darf die Verteidigung wählen, die den Angriff sofort und endgültig beendet.

 

„Sie haben das Recht … über Ihre Rechte belehrt zu werden“

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…so beginnt die PM zum Vorschlag der Europäischen Kommission zum Recht auf Belehrung in Strafverfahren, die am 27.04.2012 herausgegeben worden ist und die sich mit der EU-Richtlinie über das Recht auf Belehrung in Strafverfahren befasst.  Diese sieht die gesetzliche Verankerung eine umfassenden Belehrungspflicht vor.

M.E. muss die Richtlinie noch in nationales Recht umgesetzt werden; dafür stehen – so die PM – zwei Jahre nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt zu Verfügung. Ich gehe davon aus, dass sich der jetzige Bundestag in der 17. Legislaturperiode mit den Fragen nicht mehr befassen wird. Das kommt dann ab 2013 auf uns zu – wenn man sich denn an die zeitlichen Vorgaben hält. Das war beim Europäischen Haftbefehl und beim Geldsanktionsgesetz auch nicht der Fall.

Zu PM geht es hier; dort auch im Anhang der Entwurf einer Belehrung – auf Englisch. Wer es hier lesen will: In der PM heißt es:

Luxemburg, 27. April 2012 – „Sie haben das Recht … – über ihre Rechte belehrt zu werden“. Dies wird bald für alle, die in der EU festgenommen werden oder in Haft sind, Wirklichkeit werden. Die Justizminister der EU-Mitgliedstaaten haben heute auf Vorschlag der Europäischen Kommission eine neue Richtlinie verabschiedet, die Verdächtigen und Beschuldigten das Recht auf Belehrung in Strafverfahren zuerkennt. Nach der „Richtlinie über das Recht auf Belehrung in Strafverfahren“ müssen Personen, die einer Straftat verdächtigt werden, in einer ihnen verständlichen Sprache über ihre Rechte belehrt werden. Diese Maßnahme wird gewährleisten, dass in EU-Ländern jede Person, die festgenommen wird oder gegen die ein Europäischer Haftbefehl ergeht, eine Rechtsbelehrung, die so genannte Erklärung der Rechte, erhält, in der ihre grundlegenden Rechte in Strafverfahren aufgelistet sind. Sobald die neue Richtlinie in Kraft tritt (zwei Jahre nachdem sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, was innerhalb weniger Wochen geschehen dürfte), wird sie in den 27 EU-Mitgliedstaaten jährlich auf schätzungsweise 8 Millionen Strafverfahren anzuwenden sein. Gegenwärtig gibt es dieses Recht auf Belehrung nur in rund einem Drittel der Mitgliedstaaten.

„Das Recht auf ein faires Verfahren ist einer der Eckpfeiler unserer Justizsysteme in Europa“, erklärte Viviane Reding, Vizepräsidentin und für den Bereich Justiz zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission. „Die neue EU-Richtlinie soll dazu beitragen, dass dieses Recht gewahrt wird und dass alle Betroffenen unmissverständlich und unmittelbar über ihre Rechte aufgeklärt werden. Wir haben mit großem Einsatz dafür gearbeitet, dass alle Bürger Zugang zur Justiz haben, egal, wo sie sich in der EU befinden. Heute ist eine wichtige Etappe auf unserem gemeinsamen Weg erreicht. Ich danke dem Europäischen Parlament und den Justizministern der Mitgliedstaaten für ihre Unterstützung des Vorschlags der Kommission. Dass dieses Recht auf ein faires Verfahren für die 500 Millionen EU-Bürger so zügig durchgesetzt werden konnte, ist ein gutes Vorzeichen für das Europa der Grundrechte und der Rechtstaatlichkeit.“

Hintergrund

Die Europäische Kommission hatte den Richtlinienvorschlag im Juli 2010 (IP/10/989) zusammen mit einer ganzen Reihe weiterer Vorschläge zu den Verfahrensrechten, die in der gesamten EU anzuwenden sein sollen, vorgelegt. Es handelt sich bereits um die zweite Richtlinie des von der EU-Kommissarin Viviane Reding angeregten Maßnahmenpakets zur Festlegung gemeinsamer EU-Mindeststandards in Strafverfahren, mit dem die EU das Vertrauen in den einheitlichen Rechtsraum der EU stärken will. Die erste Richtlinie, die für Verdächtige das Recht auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen festschreibt, (IP/10/1305) wurde im Oktober 2010 vom Europäischen Parlament und vom Rat gebilligt.

Die neue Richtlinie gewährleistet, dass Polizeibeamte und Staatsanwälte Verdächtige über ihre Rechte belehren. Nach einer Festnahme werden die Behörden diese Belehrung schriftlich mit einer Erklärung der Rechte erteilen, die in einfacher und leicht verständlicher Sprache abgefasst ist. Sie wird dem festgenommenen Verdächtigen in jedem Fall – ob er darum ersucht oder nicht – ausgehändigt und bei Bedarf übersetzt. Die Wahl des genauen Wortlauts der Erklärung der Rechte steht den EU-Staaten zwar frei, der Kommissionsvorschlag enthält jedoch ein Muster in 22 EU-Sprachen (siehe Anhang). Dies wird EU-weit für Kohärenz sorgen und die Kosten für Übersetzungen einschränken.

Die Erklärung der Rechte wird praktische Einzelheiten zu den Rechten von Festgenommenen oder Inhaftierten enthalten, und zwar zu ihrem Recht,

  • die Aussage zu verweigern,
  • einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen,
  • über den Tatvorwurf belehrt zu werden,
  • Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in einer beliebigen Sprache in Anspruch zu nehmen, wenn sie die Verfahrenssprache nicht verstehen,
  • nach der Festnahme unverzüglich einem Richter vorgeführt zu werden,
  • Andere von ihrer Festnahme oder Inhaftierung in Kenntnis zu setzen.

Die Erklärung der Rechte wird helfen, Justizirrtümer zu vermeiden und die Zahl der Rechtsmittelverfahren zu verringern.

Die Aussichten, dass Bürger, denen eine Straftat zur Last gelegt wird und die von der Polizei festgenommen wurden, ordnungsgemäß über ihre Rechte informiert werden, sind derzeit von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich. In einigen Mitgliedstaaten werden Verdächtige nur mündlich über ihre Verfahrensrechte informiert, in anderen erhalten sie eine schriftliche Belehrung, aber nur auf Nachfrage.

Gemäß Artikel 82 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union kann die EU zur Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen Maßnahmen erlassen, um die Rechte der EU-Bürger im Sinne der EU-Grundrechtecharta zu stärken.

Das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf Verteidigung sind in Artikel 47 und 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie in Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert.

Im Juni 2011 hat die Kommission einen dritten Vorschlag vorgelegt, der das Recht auf Rechtsbeistand und Benachrichtigung der Familie garantieren soll (IP/11/689). Über den Vorschlag wird derzeit im Europäischen Parlament und im Rat beraten.“

Lesetipp: ABC der Gegenstandswerte im Straf- und Bußgeldverfahren

Wenn man die Überschrift liest, stutzt man und denkt: Gegenstandswerte im Straf- und Bußgeldverfahren? Gibt es die denn da? Brauche ich als Verteidiger denn in dem Bereich des Straf- bzw. Bußgeldverfahrens (auch) Gegenstandswerte?

Die Antwort ist eindeutig: Ja, sicher, und zwar vornehmlich bei der Abrechnung der Nrn. 4142, 4143 VV RVG. Da kann es um eine ganze Menge Geld gehen, da wir es bei den Gebühren mit Wertgebühren zu tun haben, die sowohl für den Wahlanwalt als auch für den Pflichtverteidiger anfallen, und zwar grds. in gleicher Höhe.

Mein Beitrag: „ABC der Gegenstandswerte im Straf- und Bußgeldverfahren“ aus RVGreport 2011, 281 enthält dazu eine Zusammenstellung. Vielleicht ja doch lesenswert ;-).

Der rechtsschutzversicherte Rechtsanwalt im Straf- und Bußgeldverfahren

Es ist ja in den vergangenen Tagen schon an einigen Stellen über das BGH-Urt. v. 10.11.2010 – IV ZR 188/08 berichtet worden, vgl. hier und hier. Danach erfasst das in § 5 (1) a) Satz 1 ARB 94 enthaltene Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers auch die Rechtsanwaltsvergütung, die durch die Selbstvertretung eines versicherten Rechtsanwalts in einem Zivilrechtsstreit entsteht.

Das Wichtige für das Strafverfahren: Der BGH hat die Erstattung der Gebühren bei Selbstvertretung nur für das Zivilverfahren bejaht. Für das Strafrecht ist die Erstattung hingegen abzulehnen. Ein Rechtsanwalt, der sich selbst verteidigt, hat keinen Anspruch gegen seinen Rechtschutzversicherer. In der StPO fehlt eine § 78 Abs.4 ZPO entsprechende Regelung. Eine Doppelrolle von Beschuldigter/Angeklagter/Betroffener und Verteidiger ist hier nicht vorgesehen. Dies sei auch von der Verfassung her nicht geboten (BVerfG NJW 1998, 2205). Eine solche Doppelrolle sei auch mit dem Verständnis des Verteidigers als einem selbständigen Organ der Rechtspflege nicht zu vereinbaren. Darauf weist der BGH ausdrücklich hin. Deshalb schuldet der Rechtschutzversicherer eben nicht die Erstattung von Verteidigergebühren bei einer Selbstverteidigung des Versicherungsnehmers/Versicherten.

Schade 🙂