Zur Wochenmitte heute drei Entscheidungen, die mit einem „Einspruch“ zu tun haben, und zwar einmal Straf- und zweimal Bußgeldverfahren.
Ich starte mit dem KG, Beschl. v. 14.05.2019 – (3) 121 Ss 41/19 (32/19), den mir der Kollege Handschuhmacher aus Berlin vor einiger Zeit geschickt hatte. Ist leider bisher immer wieder hängen geblieben – der Beschluss, nicht der Kollege 🙂 .
Es geht um die Zulässigkeit einer Rechtsmittelbeschränkung bei selbständigen Taten, und zwar bei folgendem Sachverhalt:.
Dem Angeklagten wurde durch einesn Strafbefehl des AG Tiergarten vom 04.04.2018 vorgeworfen, durch zwei selbständige Handlungen eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach §§ 1 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO, 24 StVG sowie eine Verkehrsunfallflucht nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen zu haben. Gegen den Strafbefehl legte der Angeklagte form- und fristgerecht Einspruch ein und nahm mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25.08.2018 den Einspruch hinsichtlich der Verkehrsordnungswidrigkeit zurück. Durch Urteil vom 06.11..2018 verurteilte ihn das AG wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit nach §§ 1 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße von 30,- EUR und sprach ihn vom Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort aus tatsächlichen Gründen frei. Zur Verurteilung wegen der Verkehrsordnungswidrigkeit führte es aus, die vom Angeklagten erklärte Einspruchsrücknahme sei unwirksam, weil die angeklagte Verkehrsunfallflucht nicht losgelöst und unabhängig von dem ihr zugrundeliegenden Verkehrsunfallgeschehen betrachtet und gewürdigt werden könne.
Dagegen die Revision des Angeklagten, die beim KG Erfolg hatte:
„2. Die Revision ist auch begründet. Die auf die zulässig erhobene Sachrüge insoweit von Amts wegen durch den Senat vorzunehmende Überprüfung ergab das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses im Sinne von § 206 a Abs. 1 StPO. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat der Angeklagte seinen Einspruch gegen den die Ordnungswidrigkeit betreffenden Teil des Strafbefehls wirksam zurückgenommen und damit auf den materiell-rechtlich nach § 53 StGB selbständigen Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort beschränkt, so dass das Amtsgericht nur noch insoweit zu entscheiden hatte.
a) Ein Rechtsmittel kann auf solche Beschwerdepunkte beschränkt werden, die losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang rechtlich und tatsächlich selbstständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig zu machen (vgl. BGHSt 10, 100; 19, 46; 21, 256 (258); BGH NStZ-RR 1999, 359; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl., § 318 Rdn. 6 m.w.N.). ….. Eine Beschränkung ist demnach unwirksam, wenn eine Beurteilung der angegriffenen Punkte einer Entscheidung nicht möglich ist, ohne dass auch nicht angefochtene Teile dadurch beeinflusst werden, da sonst widersprüchliche Entscheidungen getroffen werden könnten (vgl. BGHSt 38, 362; BGH NStZ 1994, 449). Ist dagegen eine erschöpfende Nachprüfung des angefochtenen Teils möglich, ohne dass dabei die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Ausführungen zum nicht angefochtenen Teil berührt werden, so verlangt es die aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. BGHSt 19, 46) den Rechtsmittelberechtigten eingeräumte Verfügungsmacht, den in Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren (vgl. BGHSt 14, 30; 47, 32; Senat, Beschluss vom 26. August 2013 – (4) 161 Ss 129/13 (158/13) -; OLG Köln NStZ-RR 2017, 153; Paul in KK-StPO 8. Aufl., § 318 Rdn. 1 m.w.N.). Anerkannt ist daher, dass eine Rechtsmittelbeschränkung bei – wie hier – materiell-rechtlich selbständigen Taten – mögen sie auch prozessual eine Tat im Sinne von § 264 StPO bilden – möglich ist (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 359; Seitz/Bauer a.a.O., § 67 Rdn. 34 f; Schmitt a.a.O., § 318 Rdn. 10; Paul a.a.O., § 318 Rdn. 5; jeweils m.w.N.). Zutreffend hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 4. April 2019 ausgeführt, dass der Umstand, dass bestimmte Tatsachen sowohl für die schuldhafte Herbeiführung des Unfalls wie auch für die anschließende Unfallflucht von Bedeutung sind, der Zulässigkeit der Beschränkung eines Rechtsmittels nicht entgegensteht. Es ist Ausdruck der durch § 318 Satz 1 StPO eröffneten Dispositionsfreiheit, wenn der Berufungsführer durch die Beschränkung seines Rechtsmittels die Unfallverursachung für sich genommen nicht mehr angreifen kann.
b) Die wirksame Rücknahme des Einspruchs hat zur Folge, dass der ihn betreffende Teil des Strafbefehls in Rechtskraft erwächst, nicht mehr angefochten werden kann (vgl. Paul a.a.O. Rdn. 9) und somit der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis entzogen ist. Die durch die Einspruchsrücknahme entstandene Rechtskraft bildet zugleich ein dauerndes Verfahrenshindernis im Sinne von § 206 a Abs. 1 StPO (vgl. OLG Koblenz ZfSch 2010, 108; OLG Düsseldorf MDR 1983, 866).“