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BAK von 2,33 Promille, oder: Strafmilderung bei Alkoholabhängigkeit

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Zum Rosenmontag passt dann ganz gut eine „Trunkenheitsentscheidung“, und zwar der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.12.2016 – 2 (10) Ss 656/16; 2 (10) Ss 656/16 – AK 251/16 – zur Versagung der Strafmilderung bei verminderter Schuldfähigkeit in einem Fall der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB).

Das LG musste bei der Bemessung der Strafe von einer BAK von 2,33 %o bei Tatbegehung ausgehen und hat – ohne sachverständige Beratung – eine alkoholbedingte erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) angenommen, wobei es auch nicht ausgeschlossen hat, dass der Angeklagte suchtkrank war. Im Weiteren wird im angefochtenen Urteil ausgeführt:

„Der Angeklagte weiß jedoch aufgrund seiner zahlreichen Vorstrafen davon, dass er nicht nur ein Alkoholproblem hat, sondern auch in alkoholisiertem Zustand immer wieder Straftaten begeht […]. Dennoch fehlte ihm jedenfalls bis ca. Sommer 2015, jedenfalls also bis zur Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat im März 2015, die Bereitschaft, sich mit dieser Problematik zu befassen, so dass es weiterhin zu Alkoholexzessen kam, so auch am Tatabend. Angesichts dieses straferschwerenden Aspekts hat die Strafkammer von der fakultativen Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB keinen Gebrauch gemacht.“

Dazu das OLG:

„2. Mit dieser Begründung erweist sich die Versagung einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB als rechtsfehlerhaft.

a) Allerdings ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Strafmilderung versagt werden kann, wenn die Verminderung des Schuldgehalts durch den in § 21 StGB beschriebenen Defektzustand durch andere schulderhöhende Umstände ausgeglichen wird. Dies ist insbesondere bei selbstverschuldeter Trunkenheit der Fall, jedenfalls dann, wenn sich aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung für den Angeklagten vorhersehbar erhöht hat (zusammenfassend OLG Hamm Blutalkohol 53, 482; LK-Schöch, StGB, 12. Aufl., § 21 Rn. 52 ff., jew. m.w.N.). Voraussetzung ist jedoch stets, dass dem Täter die Alkoholaufnahme zum Vorwurf gemacht werden kann. Dies kommt jedoch in der Regel nicht in Betracht, wenn der Täter alkoholkrank ist oder ihn der Alkohol zumindest weitgehend beherrscht (BGH NStZ 2004, 495; NStZ 2012, 687; OLG Hamm a.a.O.; Schönke/Schröder-Perron/Weißer, StGB, 29. Aufl., § 21 Rn. 20, jew. m.w.N.). Soweit die Strafkammer dies im vorliegenden Fall nicht ausschließen konnte, erscheint zwar zweifelhaft, ob diese Bewertung auf einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage beruht. Insbesondere, wenn es dem Angeklagten tatsächlich gelungen sein sollte, aus eigenem Antrieb den Alkoholkonsum über mehrere Monate hinweg einzustellen, spräche dies deutlich gegen eine Alkoholerkrankung im Sinn von Abhängigkeit (vgl. ICD-10 F 10.2). Jedoch reichen die getroffenen Feststellungen im Hinblick auf die sich daraus ergebende Dauer und den Umfang des Alkoholkonsums auch nicht aus, um die gegenteilige Annahme zu begründen. Im weiteren Verfahren wird sich zur Aufklärung die Zuziehung eines Sachverständigen empfehlen.

b) Zwar kann auch bei bestehender Alkoholabhängigkeit die Strafmilderung versagt werden, wenn der Täter vorwerfbar ihm angebotene Maßnahmen zur Bekämpfung seiner Sucht unterlässt (OLG Köln NStZ 1982, 250; LK-Schöch a.a.O., § 21 Rn. 58) oder sich der Täter in eine Situation begibt, in der sich das Risiko alkoholbedingter Straftaten vorhersehbar deutlich erhöht (BGHSt 49, 239; NStZ 2008, 619). Beides wird jedoch durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht ausreichend belegt.

(1) Zwar ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass dem Angeklagten spätestens durch das Urteil des Amtsgerichts E vom 13.5.2014 die Notwendigkeit vor Augen geführt worden war, zur Bekämpfung seines Alkoholproblems Maßnahmen zu ergreifen. Indes hatte er im Tatzeitpunkt und auch noch darüber hinaus, nämlich bis zum Sommer 2015, die offensichtlich auch vom Amtsgericht E insoweit für ausreichend erachteten Beratungsgespräche wahrgenommen. Die die Versagung der Strafmilderung tragende Begründung, es habe dem Angeklagten, an der Bereitschaft gefehlt, sich mit seiner Alkoholproblematik auseinanderzusetzen, entbehrt danach einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage.

(2) Soweit ein zureichender Grund für die Versagung der Strafmilderung sich daraus ergeben könnte, dass sich der Angeklagte in eine Situation begeben hat, in der er damit rechnen musste, sich alkoholisiert ans Steuer zu setzen, findet sich dafür in den getroffenen Feststellungen ebenfalls kein ausreichender Anhalt………“

Verminderte Schuldfähigkeit bei Alkoholismus?, oder: Demnächst (auch) beim Großen Senat?

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Die zweite verkehrsrechtliche Entscheidung – zumindest mit verkehrsrechtlichem Einschlag – ist der OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2016 – 3 RVs 70/16 (zum ersten Posting Keine Schonfrist beim StGB-Fahrverbot, oder: Nicht zu kreativ….). Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, im Straßenverkehr alkoholisiert einen Motorroller geführt zu haben (§ 316 StGB). Das AG hat den Angeklagte von dem Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr frei gesprochen. Auf die Berufung der StA hat das LG das Urteil aufgehoben und den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In seinem Urteil hat das LG ausgeführt, dass zwar nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Angeklagte infolge seiner massiven Alkoholisierung in seiner Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, erheblich vermindert sei, § 21 StGB. Dennoch habe die Strafkammer von der fakultativen Milderungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht, da der Angeklagte getrunken habe, obwohl er damit rechnete, noch als Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund sei die Tat auch nicht allein deshalb milder als der Normalfall zu werten, weil die alkoholische Beeinflussung recht hoch sei.

Die Revision des Angeklagten hatte hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs Erfolg. Die Leitsätze des OLG Hamm:

  1. Voraussetzung für eine Versagung der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ist stets, dass dem Angeklagten die Alkoholaufnahme zum Vorwurf gemacht werden kann. Dies kommt in der Regel dann nicht in Betracht, wenn der Täter alkoholkrank ist oder ihn der Alkohol zumindest weitgehend beherrscht, wenn also in der aktuellen Alkoholaufnahme kein schulderhöhender Umstand gesehen werden kann.
  2. Bei der Trunkenheitsfahrt mit einem Roller handelt es sich um eine erhebliche Straftat im Sinne des § 64 StGB.

Das OLG ist hier davon ausgegangen, dass aufgrund einer doch sehr wahrscheinlichen Alkoholkrankheit bereits erhebliche Zweifel an der Vorwerfbarkeit der Alkoholaufnahme durch den Angeklagten bestanden haben. Damit musst es nicht zu der Frage Stellung nehmen, inwiefern alleine die durch verschuldete Trunkenheit selbstverantwortlich herbeigeführte erheblich verminderte Schuldfähigkeit eine Versagung der Strafmilderung nach §§ 21, 491 Abs. 1 StGB. rechtfertigen kann. Diese Frage wird m.E. demnächst aufgrund eines Anfragebeschlusses des 3. Strafsenats (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG) (BGH StraFo 2016, 33) wahrscheinlich den Großen Senat für Strafsachen beschäftigen. Denn anders als der 3. Strafsenat und auch der 4. Strafsenat (BGH NStZ-RR 2016, 305) ist der 1. Strafsenat des BGH (vgl. Beschl. v. 10.05.2016 – 1 ARs 21/15) der Auffassung, dass der Umstand der selbst verschuldeten Trunkenheit des Täters eine Versagung der Strafrahmenverschiebung nicht rechtfertigt, wenn sich nicht zugleich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Trunkenheit erhöht habe. Hierfür soll etwa das Wissen des Täters, dass er unter Alkoholeinfluss zu strafbaren Verhaltensweisen neige, aber trotzdem Alkohol trinke, genügen. Ähnlich wie der 1. Strafsenat wird die Frage vom 5. Strafsenat beantwortet (vgl. Beschl. v. 01.03. 2016 – 5 ARs 50/16).

Beanstandet hat das OLG auch, dass das LG die Voraussetzungen des § 64 StGB nicht geprüft hat. Denn bei der Trunkenheitsfahrt des Angeklagten mit einem Roller handele es sich um eine erhebliche Straftat im Sinne dieser Vorschrift (s. auch OLG Celle StRR 2015, 69 = NStZ-RR 2015, 24). Der Angeklagte sei zu einem Zeitpunkt, zu dem die Straßen vorhersehbar nicht menschenleer sind, mit seinem Roller gefahren und war dabei ganz erheblich alkoholisiert. Ein solches Verhalten könne für andere Verkehrsteilnehmer mit erheblichen Gefahren verbunden sein (vgl. dazu schon: Mit dem Mofa in die Entziehungsanstalt?).

Strafzumessung III: Das strafmildernde Gewicht des Geständnisses, oder: Spitzfindig?

entnommen openclipart.org

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Auf einem schmalen Grad wandelt m.E. das BGH, Urt. v. 19.10.2016 – 2 StR 549/15, in dem es auch um Strafzumessung geht. Und zwar um die Frage, welches strafmilderndes Gewicht im Rahmen der Strafzumessung eigentlich ein Geständnis des Angeklagten hat. Verurteilt worden ist der Angeklagtewegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten. Dagegen die Strafmaßrevision des Angeklagten, die beim BGH keinen Erfolg hat.

„Das Landgericht hat das im neuen Verfahren abgelegte Geständnis des Angeklagten strafmildernd berücksichtigt. Soweit es dem nur eingeschränkte Bedeutung beigemessen hat, liegt darin kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Bezieht sich – wie hier – ein Geständnis auf bereits anderweitig bewiesene, gar rechtskräftig festgestellte Tatumstände, kommt ihm nur geringes Gewicht zu (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 50a). Bleibt es zudem hinter den getroffenen rechtskräftigen Feststellungen zurück, reduziert sich sei-ne strafmildernde Wirkung grundsätzlich weiter. Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aus der besonderen Verfahrenskonstellation, in der zwei Taten Gegenstand des (auch gegen andere Angeklagte geführten) Verfahrens sind, der Angeklagte aber nur hinsichtlich einer Tat angeklagt und auch nur insoweit geständig ist. Anders als die Revision meint, hat die Strafkammer mit ihrer Erwägung, das Geständnis sei hinter den rechtskräftigen Feststellungen zum Tatgeschehen zurückgeblieben, nicht – was unzulässig wäre – berücksichtigt, er habe auch weiterhin die nicht angeklagte Tat nicht gestanden. Sie hat damit vielmehr (nur) zu erkennen gegeben, dass der Angeklagte entgegen den getroffenen Feststellungen seine Einbindung in die Planung der zweiten eingeräumten Tat, die sich im Anschluss an die erste Tat und unter Ausnutzen der hierfür getroffe-nen Vorkehrungen ereignete, nicht zugestanden hat. Dies weist keinen Rechtsfehler auf.“

Ob das so richtig ist? Man hätte m.E. auch genauso gut anders argumentieren können (wenn man gewollt hätte): „Die Erwägung der Strafkammer, das Geständnis sei hinter den rechtskräftigen Feststellungen zum Tatgeschehen zurückgeblieben, lässt besorgen, dass die Strafkammer dem Angeklagten angelastet hat, er habe auch weiterhin die nicht angeklagte Tat nicht gestanden. Das ist unzulässig.“

Ist „spitzfindig“ die richtige Beschreibung?

„….das 3-Fache der nicht geringen Menge“ ist nicht mehr gering…..

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Zur Mittagszeit ein Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 08.11.2016 – 5 StR 487/16. Der enthält einen Hinweis zur „nicht geringen Menge“ im BtM-Recht. Der 5. Strafsenat grenzt sich vom 2. Strafsenat 🙂 ab, wenn es da heißt:

„3. Der Senat hält es für äußerst zweifelhaft, dass eine „nur geringe Überschreitung“ der Grenze zur nicht geringen Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (z. B. die dreifache Menge) einen Strafmilderungsgrund darstellt (so aber BGH, Urteil vom 16. August 2016 – 2 StR 22/16 Rn. 40 mwN). Selbst wenn man dem folgen wollte, kann er hier angesichts der außerordentlich milden Strafe ein Beruhen des Urteils (§ 337 Abs. 1 StPO) auf der strafschärfenden Heranziehung der ca. dreifachen Überschreitung des Grenzwerts ausschließen.“

Etwas anders als der 5. Strafsenat dann auch wohl der BGH, Beschl. v. 30.06.2015 –  2 StR 476/15 – und dazu „.. das 2,6-fache der nicht geringen Menge“ ist auch noch gering…..

Strafzumessungsfehler zugunsten des Angeklagten – U-Haft als Strafmilderung

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In der letzten Zeit hat der BGH mehrfach landgerichtliche Urteile wegen eines bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten gemachten Fehlers aufgehoben. So auch noch einmal im BGH, ?Beschl. v. 19?.?12?.?2013?, 4 StR ?302?/?13?. Es geht um die Frage, ob erlittene U-Haft bei der Strafzumessung strafmildernd zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt werden darf. Der BGH verneint das bzw. lässt es nur zu, wenn über die üblichen/normalen „Beschwernisse“ – das Wort kannte ich bislang nicht – hinausgehende Erschwernisse vorliegen und festgestellt sind (vgl. dazu auch schon: Strafzumessung: U-Haft nein danke?):

„Hinzu kommt ein weiterer Fehler zugunsten des Angeklagten bei der Bemessung aller Einzelstrafen. Das Landgericht hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung die erlittene Untersuchungshaft strafmildernd berücksichtigt. Untersuchungshaft ist indes, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund, es sei denn, mit ihrem Vollzug wären ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden (BGH, Urteile vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12 Rn. 25 und vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18, jeweils mwN). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Unter-suchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier.“

Das hat natürlich nichts damit zu tun, dass erlittene U-Haft nach § 51 Abs. 1 StGB angerechnet wird.