Und dann mal wieder OWi-Entscheidungen.
Zunächst etwas zum Roltichverstoß. Dazu hat sich das OLG Brandenburg noch einmal im OLG Brandenbrug, Beschl. v. 14.04.2022 – 2 OLG 53 Ss-OWi 462/21 – geäußert. Nichts Neues, sondern nur Festschreibung eines „Klassikers, denn: Wer nach dem Überqueren der Haltelinie der Linksabbiegerspur an einer Rotlichtanlage bei Rot auf eine der Geradeausspuren wechselt und die Kreuzung dann geradeaus verlassen hat, begeht einen Rotlichtverstoß (so schon BGHSt 43, 285):
„1. Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei einen vorsätzlich begangenen Rotlichtverstoß bejaht (§ 37 Abs. 2, § 49 Abs. 3 StVO).
Dass die Betroffene nach dem Überqueren der Haltelinie der Linksabbiegerspur bei Rot auf eine der Geradeausspuren wechselte und die Kreuzung dann geradeaus verlassen hat, steht der Annahme eines Rotlichtverstoßes nicht entgegen. Ein Fahrzeugführer, der auf einem markierten (Linksabbieger-)Fahrstreifen im Sinne des § 37 Abs. 2 Nr. 4 StVO in eine Kreuzung einfährt, obwohl die Wechsellichtzeichenanlage (pfeilförmiges oder volles) Rot zeigt, handelt auch dann ordnungswidrig gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO in Verbindung mit § 37 Abs. 2 StVO, wenn er anschließend in der Richtung eines durch Grünlicht freigegebenen anderen Fahrstreifens weiterfährt (BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 – 4 StR 647/96, zit. nach Juris).
Die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung hat das Amtsgericht ohne Rechtsfehler darauf gestützt, dass die Betroffene gemäß ihrer Einlassung nach dem Anhalten bei Rot entschieden habe, aus der Linksabbiegerspur geradeaus über die Kreuzung zu fahren, und damit in Kenntnis des bereits länger andauernden Rotlichts die Haltelinie überquert hat. Dabei hat sie ersichtlich auch den rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt des für die von ihr genutzte Spur angezeigten Haltesignals im Wege einer Parallelwertung in der Laiensphäre erfasst, wobei es insoweit auf eine rechtlich zutreffende Subsumtion entsprechend der geltenden Verkehrsregelung nicht ankommt (vgl. hierzu Karlsruher Kommentar-OWiG/Rengier, 5. Aufl. § 11 Rn. 15). Ein etwaiger, auf mangelnder präsenter Kenntnis der Straßenverkehrsvorschriften beruhender Wertungs- bzw. Interpretationsirrtum über die genaue rechtliche Bedeutung und Tragweite des geltenden Lichtsignals, wie ihn die Verteidigung geltend macht, stellt einen den Tatvorsatz nicht ausschließenden Verbotsirrtum dar (§ 11 Abs. 2 OWiG), der angesichts der Verpflichtung, sich vor Fahrtantritt über Verkehrsregelungen hinreichend zu informieren, darüber hinaus auch vermeidbar war (vgl. hierzu OLG Bamberg, Beschl. v. 1. Dezember 2015 – 3 Ss OW 834/15; Beschl. v. 22. Januar 2019 – 3 Ss OWi 1698/18; jeweils zit. nach Juris).
2. Das Amtsgericht hat darüber hinaus bei der Bemessung der Rechtsfolgen mit Recht eine vorsätzliche Tatbegehung im qualifizierten Fall zugrunde gelegt (132.3 Anl. zu § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 4a BKatV), weil die Rotphase bereits 80,8 Sekunden und damit deutlich länger als eine Sekunde andauerte, was der Betroffenen im Zeitpunkt der Tatbegehung auch bekannt war.
Dass der Querverkehr nach den Feststellungen – gemäß denen die Ampel für die Geradeausspuren Grün anzeigte – Rot hatte, schließt den Qualifikationstatbestand nicht aus. Der Anwendungsbereich der gemäß § 37 StVO geltenden Bestimmungen beschränkt sich nicht auf den Schutz des Querverkehrs und erfordert nicht das Entstehen einer konkreten Gefährdungslage (vgl. Senat, Beschl. v. 20. August 2021 – 2 OLG 53 Ss-OWi 175/21; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. März 2018 – 1 OWi 2 SsBs 107/18, zit. nach Juris). Zwar hat der Verordnungsgeber die Missachtung eines Wechsellichtzeichen bei länger als einer Sekunde andauernder Rotphase deshalb stärker sanktioniert, weil er für diesen Fall im Hinblick darauf, dass sich der Querverkehr und insbesondere auch Fußgänger nach dieser Zeit bereits im Bereich der durch Rotlicht gesperrten Fahrbahn befinden können, eine abstrakte Gefährdung unterstellt hat (vgl. amtliche Begründung des Bundesrates zur 12. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 15. Oktober 1991, VkBl. 1991, 702, 704). Daraus folgt jedoch nicht, dass immer dann, wenn im Zeitpunkt des Rotlichtverstoßes auch der querende Verkehr noch wartepflichtig war, die Annahme eines Regelfalls gemäß 132.3 Anl. zu § 1 Abs. 1 BKatV ausgeschlossen wäre. Der Senat hält an seiner hiervon abweichenden Auffassung (vgl. Beschl. v. 19. September 2019 – [2 B] 53 Ss-OWi 507/19 [204/19]) nicht fest…..“