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AG Oschatz: Der Rechtspfleger entscheidet, an welchem Termin der Verteidiger teilnehmen darf. Wirklich?

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Im Verfahren wegen des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort wird vom gerichtlich bestellten Sachverständigen ein Termin anberaumt, die Unfallbeteiligten werden aufgefordert, mit ihren Fahrzeugen zu erscheinen. Der Verteidiger erhält nur eine Terminsmitteilung. Er nimmt aber an dem Termin teil und rechnet dann nach Einstellung des Verfahrens gegenüber der Staatskasse auch eine Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 VV RVG ab. So der Sachverhalt des AG Oschatz, Beschl. v. 04.04.2012, 1 Ds 253 Js 25756/11, den mit der Verteidiger übersandt hat.

Das AG gewährt die Gebühr Nr. 4102 VV RVG nicht und erhöht – so die Hilfsargumentation des Verteidigers – auch nicht wegen der Teilnahme am Termin die Verfahrensgebühr. Begründung:

„Der Antrag ist hinsichtlich der geltend gemachten Gebühr RVG VV 4102 nicht begründet, auch kommt alternativ hierfür eine Erhöhung der Verfahrensgebühr nicht in Betracht. Mit der Gebühr W 4102 wollte der Gesetzgeber lediglich regeln, dass der Verteidiger für die außerhalb der Hauptverhandlung stattfindenden gerichtlichen Termine eine Gebühr erhält, siehe BT-Druck­sache 15/1971, 222 ff., Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., Rn 7 zu Nr. 4102 W RVG. Eine richtliche Inaugenscheinnahme hat im Verfahren aber gerade nicht stattgefunden.

Was die (alternative) Erhöhung der Verfahrensgebühr durch die Teilnahme des Anwalts an ei­nem Sachverständigentermin angeht, ist festzustellen, dass die Staatskasse gemäß § 464b StPO i.V.m. § 91 ZPO nur die notwendigen Auslagen des Verfahrens erstatten braucht. Eine Notwendigkeit der Teilnahme des Verteidigers am Sachverständigentermin ist aus der Akte nicht erkennbar.

Durch die Dekra Mobil GmbH wurden lediglich die Unfallbeteiligten aufgefordert, zur Begutachtung mit ihren Fahrzeugen zum Termin zu erscheinen, rein nachrichtlich erging die Terminsmitteilung an den Verteidiger. Für alle weiteren Fragen standen dem Sachverständigen dann der gesamte Akteninhalt nebst/ inclusive gefertigter Bilder und Skizzen vom Unfallort zur Ver­fügung. Der Sachverständige hatte insoweit sein Gutachten lediglich auf dieser Grundlage und dem gerichtlichen Beweisbeschluss zu fertigen. Weitergehende Aussagen durch den Verteidiger, die nicht bereits aus dem gerichtlichen Verhandlungsprotokoll hervorgehen, waren nicht zwingend notwendig. Wäre dies der Fall gewesen, wäre der Verteidiger zu diesem Termin durch das Gericht oder den Sachverständigen über eine formlose Terminsnachricht hinaus geladen worden. Zudem war auch kein Vertreter der Anklage anwesend.“

M.E. teilweise falsch. Dass die Vernehmungsterminsgebühr nicht festgesetzt worden ist, ist ok. Das entspricht der h.M. Aber die Verfahrensgebühr hätte erhöht werden müssen. Der Hinweis auf die „Notwendigkeit“ zieht m.E. nicht. Nach §  137 StPO hat der Beschuldigte Anspruch auf Beistand seines Rechtanwalts in jeder Lage des Verfahrens, also auch bei einem SV-Termin, bei dem es ggf. ja auch zu Rückfragen des SV an die geladenen Unfallbeteiligten kommen kann. Die Antworten können erhebliche Auswirkungen auf das Verfahren haben.  Es ist zudem m.E. nicht Aufgabe des Rechtspflegers/der Staatskasse die Tätigkeiten des Verteidigers auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen bzw.: Ich würde hier die Rechtsprechung zu Fotokopiekosten und die dort wohl h.M. entsprechend anwenden. Letztlich muss es der Entscheidung des Verteidigers vorbehalten bleiben, ob er an einem solchen Termin teilnimmt. Nur bei Missbrauch würde ich die Erhöhung verneinen. Und Missbrauch erkenne ich hier nicht.

 

Ausgang interessiert mich natürlich.