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Erstattung der SV-Kosten im Bußgeldverfahren, oder: Was haben Gebühren mit Messungen zu tun?

Und als zweite Entscheidung bringe ich dann den auch sehr schönen LG Wuppertal, Beschl. v. 08.02.2018 – 26 Qs 214/17, den mir der Kollege Geißer aus Wuppertal, übersandt hat. Es geht um die Erstattung von Kosten eines Privatgutachtens, das der Kollege zu einem standardisierten Messverfahren eingeholt hatte. Das Verfahren gegen die Mandantin des Kollegen ist dann eingestellt worden. Der Kollege hat die Auslagen geltend gemacht, darunter dann auch die Kosten des pribat eingeholten SV-Gutachtens. Die Rechtspflegerin hat festgesetzt, der Hüter der Staatskasse „hütet“ = legt sofortige Beschwerde ein. Und: Das LG gibt der Rechtspflegerin und dem Kollegen Recht. Die SV-Kosten sind zu erstatten:

„Im vorliegenden Einzelfall waren die Kosten für die Beauftragung des Sachverständigen bei der anzulegenden ex-ante-Betrachtung als notwendig i. S. v. § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 464a Abs. 2 StPO zu qualifizieren. Trotz des im Bußgeldverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes wird eine solche Notwendigkeit von privaten Ermittlungen insbesondere bei schwierigen technischen Fragestellungen bejaht [vgl. nur Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. 2013, S 464a Rn. 7]. Darüber hinaus ist im Bußgeldverfahren zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Darlegung einer konkreten Fehlmessung bei Verwendung eines standardisierten Messverfahrens erhöht sind. Hier müssen von Seiten der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte für eine technische Fehlfunktion der standardisierten Messeinrichtung vorgebracht werden, um eine weitergehende Aufklärungspflicht des Gerichts vor dem Hintergrund des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zu begründen.

Vorstehendes führt im vorliegenden Fall ausnahmsweise dazu, dass die Beauftragung des Privatsachverständigen pp.  bereits mit Zustellung des Bußgeldbescheides für die Betroffene notwendig erscheinen durfte. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass der Verteidiger mangels eigener technischer Sachkunde bezogen auf den Aufbau, die Ausrichtung als auch die Handhabung der verfahrensgegenständlichen Rotlichtüberwachungsanlage anderweitig nicht in der Lage gewesen wäre, konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Messanlage zu begründen. Zudem ist bei dieser Bewertung auf den Zeitpunkt der Erteilung des Auftrags an den Privatsachverständigen abzustellen und dies unabhängig davon, ob sich das Gutachten sodann in der Folge tatsächlich auf das Verfahren ausgewirkt hat [OLG Celle, Beschl. v. 05.01.2005, Az. 2 Ss 318/04].

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es vorliegend daher unerheblich, dass die Einstellung des Verfahrens vordergründig auf gerichtlichen Erkenntnissen aus Parallelverfahren beruhte. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob – wie von dem Verteidiger behauptet – seine Beweisanträge zumindest teilweise Ausfluss der Erkenntnisse aus dem eingeholten Gutachten waren. Aufgrund der anzulegenden ex-ante-Betrachtung kann die Frage der Erstattungsfähigkeit weder von dem Ergebnis der Begutachtung noch von dessen Überzeugungskraft abhängig gemacht werden, sodass die Einführung in das Verfahren nicht verlangt werden darf [BGH, NJW 2013, 1823 m. w. N.].

b) Hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Kosten hat sich die Kammer an der Rechnung des Privatsachverständigen pp. vom 24.02.2016 orientiert. Der darin angesetzte Zeitaufwand erscheint der Kammer ebenso wie der Ansatz von Schreibund Portokosten angemessen. Allerdings bestand das zur Akte gereichte Gutachten vom 24.02.2016 – bei großzügiger Betrachtung – lediglich aus 15 geschriebenen Seiten, sodass bei den Schreibkosten ein entsprechender Abzug von 18,00 € netto (9 Seiten mal 2,00 €), also über 21 ,42 € brutto vorzunehmen war.

Den abgerechneten Stundensatz von 120,00 € netto sieht die Kammer entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors als erstattungsfähig an. Insoweit hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wuppertal im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtigerweise ausgeführt, dass sich die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens nicht nach den Vergütungssätzen des JVEG richtet. Auch eine entsprechende Anwendung des JVEG kommt nicht in Betracht, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass es einem Betroffenen möglich ist, einen geeigneten Sachverständigen zu den im JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen [BGH, NJW 2007, 1532, 1533]. Es bedarf aber einer besonderen Darlegung der Notwendigkeit der Kosten, wenn die Stundensätze des Privatgutachters ganz erheblich von den Stundensätzen des JVEG abweichen [BGH, ebd.].

In Kenntnis dieser Umstände hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wuppertal den Verteidiger mit Schreiben vom 06.10.2017 auf die bestehende Rechtslage hingewiesen, worauf dieser mit Schriftsatz vom 19.10.2017 ergänzende Ausführungen zu den Gutachterkosten getätigt hat. Danach entspricht der angesetzte Stundensatz der getroffenen Honorarvereinbarung zwischen der Betroffenen und dem Privatsachverständigen pp. Zudem hat der Verteidiger nachvollziehbar dargelegt, dass er den Privatsachverständigen pp.. aufgrund dessen besonderer Expertise ausgewählt habe, die zugleich das angesetzte Honorar rechtfertige. Die Kammer konnte diese Expertise insbesondere durch die Eigenschaft des Privatsachverständigen als Mitherausgeber des in zweiter Auflage erschienenen Fachbuches „Messungen im Straßenverkehr: Fehlerquellen bei Geschwindigkeits- Abstandsmessung, Rotlichtüberwachung, Bildidentifikation“ nachvollziehen.

Insofern folgt die Kammer auch der Bewertung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wuppertal und sieht die Notwendigkeit der über dem JVEG liegenden Kosten als ausreichend dargelegt an.“

Wie gesagt, Dank an den Kollegen – in der „Szene“ als der „Hexer“ bekannt/genannt – für die Übersendung des Beschlusses. Und wer sich fragt, warum der Beitrag als „Posting-Bild“ das Cover unserer „Blitzerbibel“ – Ausdruck stammt nicht von mir – seriös 🙂 : „Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr Fehlerquellen bei Geschwindigkeits- Abstandsmessung, Rotlichtüberwachung, Bildidentifikation, Atemalkoholmessung, Gewerblicher Güter- und Personenverkehr, 4. Aufl., 2017, erhalten hat. Die Kammer begründet die Sachkundes des SV mit der Mitarbeit bei diesem Werk . Das ist doch ein Bild des Werkes und einen Link dorthin wert, obwohl die Kammer „nur“ die 2. Auflage anführt, aber immerhin. Und dann natürlich auf das Bestellformular. Und das war dann auch Werbung…… 🙂 🙂 .

Einziehung von Schadensersatz durch einen Sachverständigen, oder: Keine Rechtsberatung

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Im zweiten Kessel-Buntes-Posting will ich hinweisen auf das BGH, Urt. v. 24.10.2017 – VI ZR 504/16. Es geht um die Frage, ob die nach einem Verkehrsunfall erfolgte Abtretung von Ansprüchen des Geschädigten an den von ihm beauftragten Sachverständigen und die Einziehung des Schadensersatzanspruchs(teils) „Sachverständigenkosten“ durch den Sachverständigen unerlaubte Rechtsdienstleistung des Sachverständigen ist/war oder nicht. Der BGH sagt: Grundsätzlich nein. Dazu die Leitsätze aus dem recht umfangreichen Urteil:

  1. Übernimmt ein Kfz-Sachverständiger mit der Erstellung von Schadensgutachten zugleich die Einziehung des vom jeweiligen Geschädigten an ihn abgetretenen Schadensersatzanspruchs auf Erstattung der Sachverständigenkosten, so liegt in der Einziehung dieser Schadensersatzansprüche kein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 RDG. Wie häufig der Sachverständige entsprechend verfährt, ist nicht erheblich.
  2. Stellt die Geltendmachung der an den Sachverständigen abgetretenen Forderung auf Ersatz der Sachverständigenkosten durch den Sachverständigen eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG dar, so ist sie nach § 5 Abs.1 RDG grundsätzlich erlaubt, wenn allein die Höhe der Forderung im Streit steht (Fortführung Senatsurteil vom 31. Januar 2012 – VI ZR 143/11, BGHZ 192, 270 Rn. 7 ff.).
  3. Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierenden Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut (Anschluss BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – VIII ZR 152/15, NJW-RR 2016, 526 Rn. 18).
  4. Zu § 305c Abs. 2 BGB.

Unfallschadenregulierung: Schätzung von SV-Kosten, oder: Woran knüpfe ich an?

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Und dann schiebe ich dann gleich eine weitere Entscheidung des VI. Zivilsenats des BGH hinterher. Es ist das BGH, Urt. v. 28.02.2017 – VI ZR 76/16. In ihm nimmt der BGH zur Frage des Ersatzes von Sachverständigenkosten und deren Höhe nach einem Verkehrsunfall Stellung, und zwar mit folgenden Leitsätzen:

  1. Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Be-gutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.
  2. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter im Rahmen der Schätzung der Höhe dieses Schadensersatzanspruchs bei subjekt-bezogener Schadensbetrachtung gem. § 287 ZPO bei Fehlen einer Preisvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen und Abtretung des Schadensersatzanspruchs an den Sachverständigen bei Erteilung des Gutachtenauftrages an die übliche Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB anknüpft, denn der verständige Geschädigte wird unter diesen Umstän-den im Regelfall davon ausgehen, dass dem Sachverständigen die übliche Vergütung zusteht.

Auch hier nur die Leitsätze. Denn aus denen erschließt sich, worum gestritten worden ist.

Sachverständigenkosten – wer muss im Verfahren was vortragen?

Und die zweite zivilrechtliche Entscheidung, die ich heute vorstelle, ist das KG, Urt. v.  24.11.2016 – 22 U 93/15. In ihm geht es um die Darlegungslast, wenn es im Verfahren um die Freistellung von Sachverständigenkosten geht, die in Zusammenhang mit der Ermittlung des Sachschadens am Pkw des Geschädigten geht. Dazu sagt das KG in seinem Leitsatz zu der Entscheidung:

„Holt der Geschädigte wegen eines Sachschadens an seinem Auto ein Sachverständigengutachten ein und fordert vom Schädiger bzw. der Haftpflichtversicherung eine Freistellung von den Kosten hat er zu der getroffenen Honorarvereinbarung vorzutragen, weil nur dann geprüft werden kann, ob er eine etwaige Überhöhung der Kosten erkenne konnte.“

Warum und wieso kamm man im KG-Urteil schön nachlesen 🙂 .

Die Kleinschadensgrenze bei den Kfz-Sachverständigenkosten: 750 €

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Bei der Unfallschadensregulierung gibt es nicht selten Streit um die Sachverständigenkosten. Die damit zusammenhängenden Fragen sind dann Gegenstand des AG Hamburg, Urt. v. 30.03.2016 – 33a C 336/15 – gewesen. Nichts bahnbrechend Neues, aber sicherlich aus der täglichen Praxis, wenn das AG ausführt:

c) Grundsätzlich gehören die Kosten eines eingeholten Sachverständigengutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig war (vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2014, -VI ZR 357/13).

Erstattungsfähig ist nur der für die Schadensbegutachtung und -ermittlung erforderliche Aufwand. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen (BGH, Urteil vom 30.11.2004 – VI ZR 365/03). Erforderlich sind diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten tätigen würde. Dabei hat der Geschädigte gemäß § 254 Abs. 1 BGB im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren den wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen. Auch bei Kfz-Unfällen darf der Geschädigte – von Bagatellschäden abgesehen – einen Sachverständigen hinzuziehen und zwar auch dann, wenn bereits der Schädiger einen beauftragt hat (Palandt, BGB, 73. Auflage, § 249 Rn. 58). Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt, Allerdings kann der später ermittelte Schadensumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO oft ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen – wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs – ausgereicht hätten (BGH, a.a.O.) Bloße Bagatellschäden, in der Regel unter 750,00 € und ohne die Gefahr von Weiterungen oder einem teilweise verdeckten Schadensumfang, rechtfertigen nur die Einholung eines Kostenvoranschlags {AG Essen, Urteil vom 13. Januar 2015 – 11 C 361/14 -, Rn. 5, [juris]). Auch das OLG München geht aktuell von einer Bagatellschadensgrenze von 750,00 € aus (OLG München, Urteil vom 26. Februar 2016 -10 U 579/15 -, Rn. 19, [juris]).

d) Vorliegend liegt schon die Netto-Schadenshöhe mit 775,18 € außerhalb des Bagatellbereichs. Ungeachtet dessen war zum Zeitpunkt der Beauftragung für den Kläger als technischen Laien nicht erkennbar, wie groß die durch den Auffahrunfall entstandenen Schäden sein würden. Durch den Anstoß hätte es zu nicht sichtbaren Schäden unterhalb der weichen Stoßfängerteile kommen können. Solche Schäden zu ermitteln oder auch auszuschließen konnte nur mit sachverständiger Hilfe erfolgen. Eine Überhöhung der insoweit in Rechnung gestellten 292,00 € ist nicht ersichtlich.