Tage-/Wochenlang ist Ruhe und dann auf einmal gibt es wieder ein paar Entscheidungen zu § 81a StPO und zum Richtervorbehalt. Nach der schönen Entscheidung des AG Pirna, über die ich heute ja schon berichtet hatte, nun die in meinen Augen weniger schöne des OLG Oldenburg vom 15.04.2010 – 2 SsBs 59/10, in der das OLG Oldenburg m.E. eben so wie das OLG Bamberg vor einiger Zeit und der 4. Strafsenat des OLG Hamm zu kurz springt. Es kommt doch nicht auf die zu knappen Ressourcen der Justiz an und schon gar nicht darauf, ob denn Rufbereitschaft des Richters nur während bestimmter Zeiten bestand. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des BVerfG, ob Bedarf bestand. Aber: Die OLGs sehen es, aus welchen Gründen auch immer, anders. Man wird allmählich müde…..
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VerfGH Saarland: Nächtliche Anordnung von Blutprobenentnahmen durch Polizeibeamte bei Verdacht einer Trunkenheitsfahrt verletzt die Verfassung nicht
Im aktuellen Nachrichtendienst von LexisNexis wird über eine PM des VerfGH Saarland vom 15.04.2010 berichtet, in der es heißt:
„Mit seiner Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes die Verfassungsbeschwerde eines einer Trunkenheitsfahrt Verdächtigen gegen die gerichtlich angeordnete vorläufige Entziehung seiner Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme seines Führerscheins verworfen.
Hintergrund des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist, dass sich die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins des Beschwerdeführers auf das Ergebnis der Untersuchung einer Blutprobe stützen, deren Entnahme von Polizeibeamten angeordnet worden war, weil zum Zeitpunkt des Aufgreifens des Beschwerdeführers zur Nachtzeit kein richterlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet war. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, das Ergebnis der Blutprobenuntersuchung sei unverwertbar, da die rechtlichen Voraussetzungen einer Befugnis der Polizei zur Anordnung der Entnahme einer Blutprobe nach § 81 a Absatz 2 StPO nicht vorgelegen hätten. Daher verletzten die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme seines Führerscheins die durch Art. 14 Absatz 2 der Verfassung des Saarlandes (SVerf) garantierte Unschuldsvermutung. Denn angesichts der von § 81 a Abs. 2 StPO vorgesehenen vorrangigen richterlichen Kompetenz zu einem solchen Eingriff und angesichts der zu erwartenden Vielzahl der außerhalb der gegenwärtigen Organisation des richterlichen Bereitschaftsdienstes im Saarland zu erwartenden Fälle, in denen die Anordnung einer Blutprobe in Betracht komme, müsse das Saarland einen richterlichen Bereitschaftsdienst „rund um die Uhr“ einrichten.
Die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Die von der Verfassung des Saarlandes gewährleisteten Grundrechte der Unschuldsvermutung und eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens seien nicht verletzt, wenn Gerichte eine Fahrerlaubnis vorläufig entziehen, weil eine zur Nachtzeit wegen Fehlens eines richterlichen Bereitschaftsdienstes polizeilich angeordnete Blutentnahme dringende Gründe für die Annahme ergibt, dem Betroffenen werde die Fahrerlaubnis entzogen. Die Verfassung des Saarlandes verlange nicht, dass die für die Regelung und Organisation des richterlichen Bereitschaftsdienstes zuständigen Organe der Justiz – allein wegen der zu erwartenden Anzahl von Anträgen auf Anordnung einer Blutentnahme nach § 81 a StPO – auch zur Nachtzeit einen für Eilfälle zuständigen Ermittlungsrichter bestimmen. Gegen die Verwertung der ohne eine solche vorherige richterliche Entscheidung gewonnenen Erkenntnisse bestünden daher – aus der für den Verfassungsgerichtshof des Saarlandes allein maßgeblichen Sicht der Landesverfassung – keine Bedenken.“
Sorry, aber ich habe die Rechtsprechung des BVerfG bisher immer anders verstanden. Danach ist m.E. ein nächtlicher richterlicher Eildienst erforderlich, wenn „Bedarf besteht“ und das richtet sich nach der Zahl der nächtlichen Zwangsmaßnahmen. Auf der Linie liegt ja auch der Beschluss des OLG Hamm in 3 Ss 293/08 (ich weiß, andere OLGs sehen das [leider] anders).
Der BGH und der „ungeschickte“ Polizeibeamte
In dem vom BGH im Beschl. v. 19.01.2010 – 3 StR 530/09 – entschiedenen Fall hat ein „ungeschickter“ Polizeibeamter die Durchsuchung bzw. die Verwertbarkeit der Durchsuchungsergebnisse gerettet. Der BGH führt zu „Gefahr im Verzug“ pp. aus:
„Als die herbeigerufene Zeugin M.… die Wohnung, in der sich das als Bunker für Betäubungsmittel genutzte Zimmer des Angeklagten befand, identifiziert hatte, durften die Polizeibeamten ohne die Anordnung eines Richters oder nachrangig eines Staatsanwalts die Durchsuchung jedenfalls dann durchführen, als die in der Wohnung befindlichen Personen durch die Ungeschicklichkeit einer Polizeibeamtin sogleich aufmerksam geworden waren und sich nach Öffnen der Wohnungstür teils unkooperativ verhielten oder zu fliehen versuchten. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt lagen die engen Voraussetzungen der „Gefahr im Verzug“ vor, weil bis zur Einholung einer Entscheidung durch den Richter oder zumindest den Staatsanwalt der Zweck der Durchsuchung gefährdet gewesen wäre ( BVerfG NJW 2001, 1121, 1123; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 98 Rdn. 6). Es bestand die nahe liegende Gefahr, dass ohne eine sofortige Durchsuchung Beweismittel vernichtet werden könnten, zumal bereits nach der Durchsuchung der ersten Wohnung die Ermittlungen gegen den Angeklagten bekannt geworden waren. Dass diese Situation durch die Ungeschicklichkeit der Polizeibeamtin ausgelöst worden war, begründet ebenfalls kein Verwertungsverbot; denn dieser Umstand ist nicht annähernd solchen Fallgestaltungen vergleichbar, in denen durch bewusst gesteuertes oder grob nachlässiges polizeiliches Ermittlungsverhalten die „Gefahr im Verzug“ gleichsam heraufbeschworen und damit der Richtervorbehalt gezielt oder leichtfertig umgangen wird.“
Fazit: Je ungeschickter die Polizei vorgeht, desto sicherer ist „Gefahr im Verzug“? Oder umgeht der BGH damit auch seine Rechtsprechung, wonach die Ermittlungsbehörden die Voraussetzungen für die Annahme von „Gefahr im Verzug“ nicht selbst herbeiführen dürfen? Jedenfalls hat der BGH mit dieser Ansicht „geschickt“ die Frage umschifft, ob in Düsseldorf ein nächtlicher richterlicher Eildienst hätte eingerichtet sein müssen, was wohl offensichtlich nicht der Fall ist.
Gibt es den „Handyrichter“?
In der Zeitschriftenauswertung von LexisNexis wird über einen Beitrag von Wiesneth (RiAG) in DRiZ 2010, 46 berichtet. Er hält Bereitschaftsrichter angesichts vielfacher gesetzlicher Neuerungen für überfordert. In der Meldung von LexisNexis heißt es weiter:
„In den letzten 2,5 Jahren ist auf den amtsgerichtlichen Bereitschaftsdienst eine Unzahl gesetzlicher Neuerungen zugekommen, die zu einer erheblichen Belastung und Zuständigkeitserweiterung der Eilrichter geführt haben. Der Beitrag zählt zunächst die Einzelheiten auf: das TKÜG v. 01.01.2008, die örtliche Konzentration in Haft- und Unterbringungssachen (§ 162 StPO), die Eskalationshaft (§ 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO), die Angleichung des Haft- und Unterbringungsverfahrens v. 20.7.2007, die Präzisierung der Wiederholungsgefahr durch das 2. ORRG v. 01.10.2009, das Beweisverwertungsverbot bei Zeugnisverweigerungsberechtigten (§ 160a Abs. 2, 2 StPO), die Neuregelung des § 64 StGB v. 20.07.2007 sowie neue Zuständigkeiten in Abschiebungs- und familienrechtlichen Betreuungs- und Unterbringungssachen. Im Weiteren folgen nähere Ausführungen zum neuen U-Haftrecht, zur notwendigen Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO), zur Belehrungspflicht (§ 115 Abs. 4 StPO), dem „nächsten Richter“ (§ 115a StPO), der Vorführfrist und zur neuen Rspr. betr. den Richtervorbehalt bei Blutprobenentnahme. Insgesamt beklagt der Verfasser die hohen Ansprüche an die jederzeitige Erreichbarkeit (sog. „Handyrichter„) und fordert entsprechende Rücksichtnahme bei der Geschäftsverteilung und personeller und sachlicher Ausstattung.“
Den Begriff „Handyrichter“ finde ich „gut“. 🙂 Er zeigt, dass die Technik bei der Justiz angekommen zu sein …………..scheint. 🙂
Und nochmal: Kein Beweisverwertungsverbot bei Missachtung des Richtervorbehalt, jetzt meldet sich das OLG Köln
Das Thema ist der verfahrensrechtliche Dauerbrenner der letzten Jahre: Beweisverwertungsverbot bei Missachtung des Richtervorbehalts bei der Entnahme einer Blutprobe, ja oder nein? Nun hat sich in der Diskussion auch noch einmal das OLG Köln zu Wort gemeldet. Es vertritt in seinem Beschluss vom – 15.01.2010 – 83 Ss 100/09 – die Auffassung, dass die Nichteinrichtung eines (erforderlichen) nächtlichen richterlichen Eildienstes nicht per se zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes führe und grenzt sich darin vom 3. Strafsenat des OLG Hamm ab. Das OLG Köln ist zudem der Auffassung, dass bei der Frage nach der Erforderlichkeit des Eildienstes nicht auch auf nächtliche Blutentnahmen abgestellt werden müsse, denn die Rechtsprechung des BVerfG betreffe Durchsuchungen mit einem vefassungsrechtlichen Richtervorbehalt. Na ja, kann man auch anders sehen. Jedenfalls: Die Karawane zieht weiter…..