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„Nein, m.E. haben die Strafsenate des BGH an Gebührenfragen keine Lust…“

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Im vorigen Jahr habe ich im Sommer zum BGH, Beschl. v. 19.06.2012 –   5 StR 307/10 (alt: 5 StR 263/08) zur Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG: gefragt: Haben die BGH-Strafsenate keine Lust an Gebührenfragen? Die Frage greife ich auf und gebe mir die Antwort: Nein, m.E. haben die Strafsenate des BGH an Gebührenfragen keine Lust, zumindest nicht der 3. Strafsenat. Anders kann ich mir nämlich den BGH, Beschl. v. 17.09.2013 – 3 StR 117/12 – nicht erklären.

Da hatte die Vertreterin der Nebenklägerin eine Pauschgebühr nach § 51 RVG für die Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung beantragt, weil sie ihrer Ansicht nach an einer so langen Hauptverhandlung teilgenommen hatte, dass diese Teilnahme nicht mehr von den gesetzlichen Gebühren der Nr. 4132 VV RVG gedeckt war. Dazu nur: Sie hätte es besser nicht getan, denn „bad cases, make bad law“ bzw., ob ihr eine Pauschgebühr gewährt werden musste, ist auch in meinen Augen höchst fraglich. Aber das ist nicht das Problem. Sondern: Der BGH lehnt mit folgender Begründung ab:

„Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache bzw. des betroffenen Verfahrensabschnitts nicht zumutbar sind. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben (BeckOK v. Seltmann/Sommer-feldt/Sommerfeldt, RVG, § 51 Rn. 3, 8 [Stand: 1.8.2013]).

Nach dieser Maßgabe erscheinen dem Senat die gesetzlichen Gebühren der Nr. 4132 VV insbesondere mit Blick auf das geschilderte Auftreten der Rechtsanwältin im Verhandlungstermin durchaus angemessen und ausreichend. Vor- und Nachbesprechungen mit dem Mandanten werden durch die gesetzlichen Gebühren abgegolten; welcher Mehrbedarf aufgrund der psychischen Belastung der Nebenklägerin entstanden sein soll, wird nicht dargelegt. Die Dauer des Hauptverhandlungstermins kann wegen der Einführung des Längenzuschlags nach Nr. 4134 VV bei der Frage des Umfangs im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG nicht mehr berücksichtigt werden (BeckOK v. Seltmann/Sommerfeldt/Sommerfeldt, aaO § 51 Rn 10).“

Und die zeigt m.E., dass man an den sich auftuenden Gebührenfragen keine Lust hatte. Denn es stellen sich u.a. folgende Fragen, die der BGH nicht beantwortet:

  1. Zunächst: Der BGH verweist zur Stützung seiner Ausführungen auf einen einzigen (Online)Kommentar. Alles andere, wie z.B. der AnwKomm-RVG, der Gerold/Schmidt, Hartung/Schons/Enders, Burhoff (Hrsg.), RVG, bleiben außen vor. Da sollte man von einem Bundesgericht mehr erwarten dürfen.
  2. Dann: Warum ist das Verfahren nicht „besonders schwierig“ bzw. warum setzt sich der BGH damit nicht auseinander? Anlass dazu hätte m.E. genug bestanden, denn beim Verfahren 3 StR 117/12 handelte es sich um das Vergewaltigungsverfahren, in dem es um die Frage der Verwertbarkeit von Daten aus einem Massengentest ging, die rechtswidrig gewonnen worden waren (vgl. dazu Massengentest – was darf man mit den Ergebnissen anstellen? Dazu jetzt der BGH). Die Entscheidung hat inzwischen ihren Weg in BGHSt gefunden (vgl. BGHSt 58, 84).
  3. Die nächste Frage, die sich stellt und die der Beschluss nicht beantwortet: Warum ist die Wartezeit der Nebenklägervertreterin nicht ggf. doch zu berücksichtigen? Zur Frage der Berücksichtigung von Pausen bei der Berechnung der Hauptverhandlungsdauer ist im Zusammenhang mit den Längenzuschlägen der Pflichtverteidiger in den letzten Jahren eine Menge geschrieben worden. Damit setzt sich der BGH nicht auseinander. Allerdings – das konzediere ich – ist der Sachverhalt „ein wenig ungewöhnlich“.
  4. Offen ist auch die These/Frage, ob die Einführung des Längenzuschlags für den Pflichtverteidiger, der über Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG auch dem Nebenklägerbeistand zusteht, tatsächlich dazu geführt hat, dass die Dauer des Hauptverhandlungstermins bei der Frage des Umfangs i.S. von § 51 Abs. 1 RVG nicht mehr berücksichtigt werden kann. Gerade an der Stelle krankt der BGH-Beschluss m.E. daran, dass er sich dazu nicht mit den dazu vorliegenden Literaturstimmen auseinandersetzt, die das sehr viel differenzierter sehen als die vom BGH angeführte einzige Belegstelle bei „BeckOK v. Seltmann/Sommerfeldt/Sommerfeldt, a.a.O., § 51 Rn 10“.
  5. Als letzte Frage stellt sich, ob für die Bewilligung einer Pauschgebühr die anwaltliche Mühewaltung sich tatsächlich „von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben muss (so BeckOK v. Seltmann/Sommerfeldt/Sommerfeldt, RVG, § 51 Rn. 3, 8 [Stand: 1.8.2013“]). Das steht zwar so bei Sommerfeldt, aber ist es auch richtig? Die Frage wird in der übrigen Literatur so nicht gesehen. Zutreffend ist es zwar, wenn man davon ausgeht,, dass nach dem RVG die Pauschgebühr die Ausnahme sein soll (dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 201 f.). An deren Bewilligungsvoraussetzungen hat sich aber nichts geändert. Hinzugekommen ist lediglich die Frage der „Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren“, die abschließend immer noch nicht geklärt ist und zu der der BGH in seinen Pauschgebührentscheidungen auch „vornehm“ schweigt.

Alles in allem: Der BGH-Beschluss gibt in meinen Augen keine Antworten, sondern hinterlässt nur Fragen. Es wäre besser gewesen, der BGH hätte einen Formularbeschluss gemacht – das sollte doch unter Berücksichtigung seiner „OU-Praxis“ (§ 349 Abs. 2 StPO) kein Problem gewesen sein.

Was bringt eine Revisionshauptverhandlung beim BGH?

Gemeint ist mit der Frage:  Welche Gebühren bringt die Revisionshauptverhandlung: Antwort: Wie immer: Es kommt darauf an. Ein Beispiel ist der BGH, Beschl. v. 19.11.2011 – 4 StR 474/09. Das gibt es für die Wahlanwältin gem. § 42 RVG für die Wahrnehmung und Vorbereitung der Hauptverhandlung eine Pauschgebühr in Höhe 600 €.

„In Übereinstimmung mit dem Vertreter der Bundeskasse hält der Senat eine Pauschvergütung in Höhe von 600 Euro für gerechtfertigt und angemessen. Zur Vorbereitung und Wahrnehmung der Hauptverhandlung vor dem Se-nat, die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft umfasste, hatte sich die Antragstellerin nicht nur mit mehreren umfangreichen Verfahrensrügen, sondern auch mit schwierigen sachlich-rechtlichen Fragen zu befassen. Es war daher eine besonders umfangreiche Vorbereitung für die Revisionshauptverhandlung erforderlich.“

Und wieder: Kein Wort des BGH zur Zumutbarkeit i.S. von § 42 Abs. 1 S. 1 RVG.

Dauerbrenner: Begründung des Verwerfungsbeschlusses und Revisionshauptverhandlung

Zwei Dauerbrenner/Dauerprobleme behandelt der BGH, Beschl. v. 14.04.2001 – 3 StR 36/11: Nämlich die Frage der Begründung des Verwerfungsbeschlusses nach § 349 Abs. 2 StPO und die Frage der Erforderlichkeit einer Revisionshauptverhandlung. Dazu – kurz und knapp:

Entgegen der Auffassung des Verurteilten bestand insbesondere keine Pflicht, die angegriffene Senatsentscheidung weiter zu begründen (BVerfG, Be-schlüsse vom 22. Januar 1982 – 2 BvR 1506/81, NJW 1982, 925; vom 10. Oktober 2001 – 2 BvR 1620/01, NJW 2002, 814; vom 23. August 2005 – 2 BvR 1066/05, NJW 2006, 136; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2007 – 2 StR 530/06 Rn. 5; Beschluss vom 4. Juni 2002 – 3 StR 146/02, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 7). Mit Blick auf das weitere Vorbringen des Verurteilten weist der Senat im Übrigen erneut darauf hin, dass ein Anlass für die Anberaumung einer Revisionshauptverhandlung nicht gegeben war. Liegen die Voraussetzungen des § 349 Abs. 2 StPO vor, besteht ein Anspruch auf eine Revisionshauptverhandlung weder nach einfachem Recht noch nach Verfassungsrecht (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2007 – 2 BvR 746/07, StraFo 2007, 370; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – 4 StR 536/09 jeweils mwN).“