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Pflichtverteidiger gibt es nicht, der Rechtspfleger wird es schon richten…

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(Zulässige) Revisionsbegründungen sind nicht immer einfach zu erstellen, manchmal ist es sogar richtig schwierig, insbesondere dann, wenn es um Verfahrensrügen geht. Da stellt sich dann nicht selten die Frage, ob deshalb ggf. dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden muss, damit dieser das für ihn übernimmt (was allerdings angesichts der doch recht zahlreichen unzulässigen Revisionen, obwohl sie die von Verteidigern begründet worden sind, keine Garantie für die Zulässigkeit ist). Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wird von der Rechtsprechung in diesen Fällen allerdings dann nicht als erforderlich angesehen, wenn es auch ein Rechtspfleger machen kann. Begründet wird das mit dem Hinweis auf § 345 Abs. 2 StPO. So auch der LG Gießen, Beschl. v. 08.07.2013 – 7 Qs 108/13:

„Die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung liegen nicht vor. Eine solche kommt vorliegend nur unter den Voraussetzungen des § 140 Absatz 2 StPO in Betracht. Maßgeblich ist, ob die Revisionsbegründung besondere Schwierigkeiten bereitet (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 140 Rdnr. 29). Allein die Annahme, das Revisionsrecht sei zu komplex und kompliziert, führt nicht dazu, in jedem Fall einen Verteidiger für das Revisionsverfahren beizuordnen. Denn die in § 345 Absatz 2 StPO vorgesehene Möglichkeit, die Revisionsanträge und ihre Begründung zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären, wird vom Gesetz als gleichwertig erachtet (vgl. OLG Karlsruhe StraFo 2006, 497). Die Beiordnung ist aber immer dann geboten, wenn zu besorgen ist, dass der als Urkundsbeamte tätige Rechtspfleger mit der Abfassung einer besonders schwierigen Revisionsbegründung überfordert sein könnte (OLG Koblenz StraFo 2007, 117). So liegt der Fall hier jedoch nicht. In der Revisionsbegründung, mit der er gleichzeitig um Beiordnung ersucht, macht der Verteidiger u. a. geltend, dem Angeklagten sei im Erkenntnisverfahren zu Unrecht kein Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Der Angeklagte erhebt also Verfahrensrügen. Zwar sind an Verfahrensrügen hohe formelle Anforderungen zu stellen. Jedoch war die zulässige Erhebung vorliegend ohne Einsichtnahme in die Verfahrensakten möglich. Die Akte ist nicht umfangreich und den für die Anbringung der Rüge notwendigen Akteninhalt hatte der Angeklagte größtenteils selbst in der Hand. Lediglich auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung hatte er insoweit mangels eigenen Akteneinsichtsrechts zunächst keinen Zugriff. Mittels einer Abschrift aus der Akte (§ 147 Absatz 7 StPO) lässt sich dies ohne weiteres beheben. Damit ist es in diesem Falle ausreichend, den Angeklagten auf die Möglichkeit der Begründung einer Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle zu verweisen.“

Na ja. Also Abschrift aus der Akte? Das muss dann aber schnell gehen, was leider – wenn überhaupt – häufig nicht der Fall ist. Und:  „Die Akte ist nicht umfangreich und den für die Anbringung der Rüge notwendigen Akteninhalt hatte der Angeklagte größtenteils selbst in der Hand.“ Das kann der Angeklagte kaum wissen. Aber der Rechtspfleger wird/soll es dann richten.

Die „Kollage“ in der Revisionsbegründung

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„Probleme“ mit der Revisionsbegründung des Verteidigers hatte der 5. Strafsenat in einem Verfahren bzw. er gibt einen recht deutlichen Hinweis, was er von einem Teil der Revisionsbegründung des Verteidigers hält. Gerügt hatte der Verteidiger u.a. wohl auch die Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages. Dazu der BGH, Beschl. v.23.04.2013 – 5 StR 145/13 -:

„2. Bei dieser Sachlage kann der Senat dahinstehen lassen, ob er auch mit dem Generalbundesanwalt die Rüge der Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages für durchgreifend halten würde. Dieser war auf Vernehmung der Schwester des Zeugen R. zu dessen Beziehungen zu den Nebenklägerinnen auf der Grundlage behaupteten gemeinsamen Wohnens gerichtet. An der Zulässigkeit der Rüge könnten im Blick auf die mangelhafte Angabe einer ladungsfähigen Anschrift dieser Zeugin in der Revisionsbegründung Zweifel bestehen. Darüber hinaus lässt die überaus wortreiche, aber wenig strukturierte und fast wie eine Kollage zusammengestellte Revisionsbegründungsschrift nicht ganz eindeutig erkennen, ob die Behandlung dieses Hilfsbeweisantrags überhaupt gesondert beanstandet werden soll.

Begründet wäre die Rüge allerdings, wenn sie zulässig wäre. Insgesamt hatte im Übrigen die Revision des Angeklagten Erfolg, da das LG einen Beweisantrag mit fehlerhafter Begründung abgelehnt hatte. Nun, damit kann der Verteidiger die „Kollage“ ggf. nacharbeiten/ausbessern.

Vorsicht bei der Revisionsbegründung – Unzulässigkeit droht!!

Ich hatte ja schon mehrmals darauf hingewiesen, dass der Verteidiger darauf achten muss, dass nicht der Eindruck entsteht, er habe eine Revisionsschrift nicht selbst verfasst. Bestehen nämlich Zweifel, dass er die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift übernommen hat, führt das nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. So noch einmal der OLG Hamm, Beschl. v. 10.07.2012 – III  5 RVs 65/12. Dort war in der Revisionsbegründung wie folgt formuliert:

Der Angeklagte ist der Auffassung, dass das Gericht ihn fälschlicherweise als vermindert schuldfähig angesehen hat.
Der Angeklagte meint, er sei schuldunfähig.
Er rügt, ……
Aus dem Urteil ist zu entnehmen, …..
Daraus ergibt sich nach Auffassung des Angeklagten eindeutig, dass…..
Der Angeklagte meint nunmehr, dass bereits das Amtsgericht ……
Insofern wird Verfahrensrüge erhoben.
 Sachrüge
wird nur in allgemeiner Form erhoben.“

Das OLG hat Unzulässigkeit der Revision angenommen und nach § 349 Abs. 1 StPO verworfen:

Danach ergeben sich durchgreifende Zweifel, dass die Verteidigerin die volle Verantwor­tung für die Revisionsbegründung übernommen hat. Zwar wird abschließend „in allgemei­ner Form“ die Sachrüge erhoben. Die vorangehenden Ausführungen, welche auch die Rüge materiellen Rechts betreffen, deuten jedoch insgesamt durch die verwendeten Formulierungen “ Der Angeklagte ist der Auffassung „, “ Der Angeklagte meint „, „Er rügt“ und durch die weitere Wiedergabe von Äußerungen des Angeklagten in indirekter Rede eindeutig darauf hin, dass sich die Verteidigerin von diesen Ausführungen distanziert und gerade nicht die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift übernommen hat (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003, 3 StR 180/03). Dies gilt zumal deshalb, da sie keine eigenen Ausführungen hinzugefügt hat.

Das hätte man m.E. wegen des letzten Satzes in der Begründung auch anders sehen können. Aber: Es bleiben/blieben für das OLG eben Zweifel. Also Vorsicht!!

Revisionsbegründung: Bloß nicht höflich sein wollen, das bringt nichts

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Am Samstag hatte ich über die Formenstrenge bei der Revision und die Gefahren, die in der Unterschrift „i.V.“ lauern berichtet (vgl. hier). Kurz darauf bin ich auf den BGH, Beschl. v. 27.03.2012 – 2 StR 83/12 – gestoßen, der in dieselbe Richtung geht und ebenfalls anschaulich zeigt, wie vorsichtig der Verteidiger bei der Begründung der Revision sein muss. Ist er es nicht, riskiert er die Verwerfung als unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO). Das hatte der Verteidiger in dem Verfahren nicht beachtet und nicht darauf geachtet, dass er für den Inhalt der Revisionsbegründung die „volle Verantwortung“ übernehmen muss, so der BGH:

Die hiergegen eingelegte Revision entspricht nicht den Formerfordernissen des § 345 Abs. 2 StPO und ist deshalb unzulässig im Sinne von § 349 Abs. 1 StPO. Aus der Fassung der Revisionsbegründungsschrift ergibt sich, dass der Rechtsanwalt nicht – wie nach ständiger Rechtsprechung erforderlich (vgl. nur BGH NStZ-RR 2002, 309; Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 345 Rn. 16 mwN) – die volle Verantwortung für ihren Inhalt übernommen hat. Vielmehr nehmen sämtliche Formulierungen sprachlich auf die Auffassung des Angeklagten Bezug („Herr G. rügt …“, „möchte vortragen“, „bleibt bei seiner Darstellung“, „ist der Überzeugung“), und die Schrift enthält keine eigenständigen Ausführungen des unterzeichnenden Rechtsanwalts.

Welcher Überzeugung/Ansicht der Angeklagte ist, ist also völlig egal. Es interessiert die Auffassung des Verteidigers und nur die. Denn er muss das Rechtsmittel  begründen. Darauf ist zu achten. Und: Höflich sein wollen – „möchte vortragen“ etc. bringt auch nichts, außer die Revision in die Nähe der Verwerfung.

Machen wir nochmal ein wenig Revisionsrecht: Der Ätscheffekt :-)

Der BGH, Beschl. v. 12.01.2012 – 1 StR 373/11 – ist revisionsrechtlich immer noch nicht ausgeschöpft (vgl. zuletzt hier mit weiteren Verweisen). Heute:

„4. Rüge eines Verstoßes gegen §§ 338 Nr. 8 i.V.m. § 141 StPO (RB Zif-fer IV)

Die Rüge, das Landgericht habe dem Angeklagten zu Unrecht entgegen seinem ausdrücklichen Willen nicht seine beiden Wahlverteidiger, Rechtsanwältin R. und Rechtsanwalt Dr. E. , sondern Rechtsanwältin Dr. S. als Pflichtverteidigerin beigeordnet, versagt ebenfalls.

a) Die Verfahrensrüge genügt aus den zutreffenden Erwägungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist deshalb unzulässig.

b) Die Rüge könnte auch in der Sache keinen Erfolg haben. Denn die Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. S. als Pflichtverteidigerin hatte nicht zur Folge, dass die Wahlverteidiger ihr Mandat niederlegten. Vielmehr wurde der Angeklagte nunmehr sogar durch drei Verteidiger, nämlich zwei Wahlverteidiger und eine Pflichtverteidigerin, verteidigt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verteidigung des Angeklagten durch drei statt einen Verteidiger für den Angeklagten von Nachteil gewesen sein könnte. Vielmehr bestätigen bereits die vielen Abwesenheitszeiten der beiden Wahlverteidiger, die während der von Juli 2009 bis September 2010 dauernden Hauptverhandlung jeweils von Frankfurt am Main nach Potsdam zu den Hauptverhandlungsterminen reisen mussten, dass die Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. S. neben diesen beiden Wahlverteidigern sachgerecht war.“

Leider erfahren wir nicht, warum die Rüge unzulässig war. Aber in der Sache: Die Rüge führte dann wohl zu einem Eigentor oder man könnte es auch den Ätsch-Effekt nennen.